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David Crosby
Grandseigneur des Folk-Rock: David Crosby legt mit „Live At The Capitol Theatre“ ein wunderbares, fein klingendes Live-Album vor. Ganz nach alter Väter Sitte ...

David Crosby „Live At The Capitol Theatre“ – das Album der Woche

Er macht es nochmal: 51 Jahre nach dem Mega-Live-Album „4 Way Street“ unter dem Logo von Crosby, Stills, Nash & Young (CSNY) legt David Crosby wieder ein formidables musikalisches Bühnen-Stück vor: Im Team mit der jungen Lighthouse Band glänzt das Album David Crosby „Live At The Capitol Theatre“ zudem als audiophiles Folk-Juwel und DVD-Konzert.

In jungen Jahren galt David als unerzogen, rebellisch und sogar verwöhnt. Angeblich so ungefähr bis zur Scheidung seiner Eltern Anfang der 1960er Jahre. Spätestens als Gründungsmitglied der legendären Byrds war er dann beseelt von berauschenden Folk-Fantasien, die die halbe Welt beglücken sollten. Und sagen wir mal so: Sehr selbstbewusst blieb David auch weiterhin. Darauf lassen zumindest seine zeitweiligen Querelen mit dem Kollegen Graham Nash folgern. Nach seinen Erfolgen mit CSN(Y) in den 70er Jahren driftete er dann ins Abseits, vor allem wegen Drogenproblemen.

Und nach einigen eher unspektakulären Jahren als Musiker, in denen er dennoch mit Größen wie David Gilmour arbeitete, wollte es der reife kalifornische Sunnyboy nochmal wissen und nahm 2016 das Solo-/Co-Projekt „Lighthouse“ auf – bereits mit genau den drei Bandmates, die ihn seither als gleichnamige Band begleiten. Und in dieser Zeit noch das eine oder andere von dem alten Hasen lernen konnten. Zum Beispiel die typischen Byrds-Harmonien, die nicht von dieser Welt zu sein scheinen.

Lighthouse Band mit David Crosby
Jung trifft auf jugendlich frisch: Michael League, Michelle Willis, Becca Stevens und David Crosby 2018 auf der Bühne des Capitol Theatre in Port Chester, New York

Mit dieser Formation und einem weiteren Teamwork von Crosby hatten wir übrigens bereits das Vergnügen auf LowBeats: „Here If You Listen“ und
Crosby, Pevar and Raymond. Und nun das Ganze live. Frank Zappa, Grateful Dead, Eric Clapton, Janis Joplin, Pink Floyd – das altehrwürdige Capitol Theatre im Ortsteil Port Chester von New York steht für abendfüllende Shows der 1970er Jahre. Rock-Promoter Howard Stein zog damals die Strippen dazu. Die Historie reicht jedoch zurück bis zum 18. August 1926, als das Capitol seine Pforten als Luxus-Mehrzweck-Event-Ort öffnete und zum Magneten für Musik- und Filmbegeisterte avancierte. Dann wurde es still, Verfall drohte, bis sich in den 1980er Jahren neue Macher fanden. Gut so, denn dadurch ist die Musikwelt auch um dieses Live-Album reicher.

„David Crosby hier als Gast zu haben, war eine große Ehre für uns…“, so der aktuelle Besitzer Peter Shapiro über das Konzert, das bereits am 8. Dezember 2018 über die Bühne ging. „… Wir sind sehr glücklich, dass diese legendären Momente für die Ewigkeit festgehalten wurden.“ Dieses Kompliment passt, denn immerhin sprechen wir bei Crosby von jemanden, der gleich zweimal in die Rock’n’Roll Hall of Fame aufgenommen wurde – als Mitglied der Byrds und CSNY.

Die Mitglieder der Lighthouse Band haben neben dem Crosby-Projekt noch ein eigenes Solo-Leben: Michelle Willis, geboren in Großbritannien, aufgewachsen in Kanada, ist als Singer-Songwriterin und Keyboarderin kreativ. Becca Stevens machte sich ebenso bereits einen Namen – als Folk-/Jazz-Singer-Songwriterin und beherrscht neben ihrer Gitarre auch noch Ukulele und das südamerikanische Zupfinstrument Charango. Michael League wiederum zeichnet als Bandchef von Snarky Puppy verantwortlich für drei Grammy Awards und arbeitet als Produzent und Macher des Plattenlabels GroundUP Music. Nebenbei spielt er noch E-Bass, Keyboards und Mandoline. Diese Drei Mit-/Enddreißiger passen perfekt in die Musikwelt des mittlerweile 81-jährigen David Crosby.

Die Musik von David Crosby „Live At The Capitol Theatre“

Wir schreiben den 8. Dezember 2018. Crosby und die Lighthouse Band waren on Tour. Und beschließen sie an diesem Abend ehrwürdig im Capitol Theatre. Bleibt aktuell die Frage, warum man uns das Konzert vier Jahre vorenthielt … Sei’s drum. Die Klangqualität beeindruckt auf Anhieb. Die Ton-Macher – (Kevin Madigan, Michael League, David Crosby, Nic Hard: Mixing; Brian Lucey/ Magic Garden Studios: Mastering) haben klasse Arbeit geleistet: Plastizität, Auflösung, Feindynamik, Körperhaftigkeit und Raumambiente, inklusive schön aufgefächerte Vocals überzeugen durch die Bank. So machen die Songs der „Leuchtturm“-Musiker noch mehr Freude.

Die originale Setlist des damaligen Abends zählt übrigens noch „Other Half Rule“ und „Ohio“ auf. Die beiden Stücke finden sich auch nicht auf der DVD des CD-/DVD-Pakets. Dennoch verschmerzbar. Denn wir hören 16 großartige Songs mit weit über einer Stunde Laufzeit.

Es ist ein ruhiges Live-Album, gediegen, gechillt. Keine wirklichen Aufreger dabei. Vielleicht hätte dennoch hier und da etwas rhythmisches Feuer gutgetan. Immerhin bleibt so sozusagen die kreative Ruhe gewahrt, inklusive Tempiwechsel, mehrstimmigen Vokalsätzen – und mittendrin Davids immer noch so typisch bauchig-rauchige Stimme.

„The Us Below“ eröffnet den Reigen unter der Führung von Beccas Gitarre und Michaels Bassläufen, Michelle steuert feine Keyboardtupfer bei, während David den mehrstimmigen Harmonie-Chorus anführt, als ob sie sich 50 Jahre zurückgebeamt hätten. „1974“ ist ein kurzes Stück, leuchtet mit sagenhaften mehrstimmigen Vocals im Westcoast-Sound-Gewand; mit dabei: schöner Flow mit Akustikgitarren. Fein. „Vagrants Of Venice“ wärmt von Anfang an als Gänsehaut-Nummer: Fingerschnippen, vielschichtige Vocals, summend-brummiger Bass, aufwallend, wunderbar: So kann Folk klingen. Der Meister und seine Schüler in Perfektion.

Es folgen weitere schön ausbalancierte, Folk-getränkte Stücke, „Déjà Vu“ und „Woodstock“ beschließen dann die formidable Bühnenvorstellung. Stark intonierte Klassiker, wenngleich an mancher Stelle Davids Stimme ein paar Dekaden hörbar älter geworden klingt.

David Crosby
David Crosby & The Lighthouse Band „Live At The Capitol Theatre“ erscheint bei BMG Rights Management / Warner auf CD+DVD oder als Stream/ Download, zum Beispiel bei Qobuz oder Amazon (Cover: Qobuz)

Auch wenn’s etwas pathetisch klingt: Schön, dass es so etwas noch gibt, Oldschool in die Neuzeit transferiert. Ein musikalisches Generationen-Projekt für die Folk-Ewigkeit.

Bewertung:

David Crosby „Live At The Capitol Theatre“
2022/12
Test-Ergebnis: 4,7
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

 

Autor: Claus Dick

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Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.