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Robert Plant Carry Fire
Eine beeindruckende Erscheinung: Robert Plant hat mit Carry Fire erneut ein beeindruckendes Werk abgeliefert

Robert Plant Carry Fire – die CD der KW 44

Robert Plant, der ehemalige Sänger der Mega-Rocker Led Zeppelin, fährt mit Album Nummer elf erneut in den Rock-Olymp auf: Auf Robert Plant Carry Fire verschmilzt der Altmeister auf wunderbare Weise Stile und Instrumentenvielfalt zu feinem Heavy-Folk – wie LowBeats Autor Claus Dick meint. Hier ist sein Bericht:

„Alright, give us a kiss!“ tönte es am 19. Juli 1970 in der Deutschlandhalle, einem 10.000-Zuschauer-Gebäude, das einst zu den Olympischen Spielen 1936 für die Ringer- und Boxwettbewerbe in Berlin in Avus-Nähe als „Sporthalle“ gebaut wurde.

Robert Plant und seine drei Band-Mitstreiter unter dem Bandlogo Led Zeppelin taten an diesem Abend das, was sie auch im New Yorker Madison Square Garden oder in der Londoner Royal Albert Hall taten: Die Halle zum Brodeln bringen – mit Songs wie „Whole Lotta Love“ oder „Communication Breakdown“.

Den Zuckerschnutensatz „Give us a kiss“ raunzte Sänger Robert Plant damals mit schulterlangem, wallend-blondem Lockenhaar und später am Abend blanker, kettchenbewehrter Brust in die aufgeheizte Menge.

Eine Band, die aus dem Stand heraus von 1969 bis 1975 sechs Hammer-Alben in Folge in eine der schillerndsten Umlaufbahnen des Rock-Universums schickte und einen Plant als Sänger und Mädchenschwarm auf die Bühne schicken konnte, war selbst für damalige Verhältnisse rar.

Ein Phänomen. Und Plant avancierte für viele andere Musiker zum Helden der Rock-Arbeit. Vor allem gilt er auch heute noch als ein – wenn man das in der Musik so sagen kann – Vorbild an kreativer Schaffenskraft und stilistischer Offenheit: Wo sich andere Rockveteranen in Selbstzitaten ergießen, erschafft Plant auf seinem nunmehr elften Solo-Album nach der Auflösung von Led Zeppelin 1980 einen ganz eigenen Song-Kosmos. Mit 69.

Plant fokussierte sich bereits über die letzten Dekaden hinweg auf vielerlei musikalische Liaisons und Kollaborationen, selbst in Country-Gefilden fand er Wegbegleiter – wie mit der Chanteuse Alison Krauss, mit der er 2007 das prickelnde Album Raising Sand aufnahm, nachdem er sie damals in Louisiana besuchte. „Ich war aufgeregt, als ich meinen Koffer und meine Akustikgitarre ins Auto legte,“ erinnert er sich.

Das Blond ist mit 69 weitgehend durch, es bleiben die langen Locken auf dem kantigen Haupt. Doch der Sänger mit dem wandlungsfähigen, teils androgyn wirkenden Stimmtimbre schreibt nach wie vor formidable Songs und erweckt sie auf Robert Plant Carry Fire dank Mitstreitern wie The Sensational Space Shifters zu prallem, geheimnisvollem Leben.

Die Musik von Robert Plant Carry Fire

Wie schon auf dem Vorgängeralbum Lullaby And The Ceaseless Roar formten die Jungs das Studiogeschehen dank ihrer illustren Instrumentenschar gehörig mit: John Baggott an Keyboards, Moog, Loops, Percussion, Drums, T’bal, Snaretrommel, Slide-Gitarre, Piano, Electric Piano und Bendir.

Justin Adams an den Gitarren plus Oud, E-Bow Quartet, Percussions, Snaredrum und Tambourin. Dave Smith an Djembe und Schlagzeug, und Liam „Skin” Tyson zupfte Dobro, Gitarren und brachte die Pedal Steel zum Singen. Billy Fuller bediente Bass, Keyboards und übernahm die Drum-Programmierung.

Damit nicht genug der Session-Treiber: Als Besucher steuerte der albanische Cellist Redi Hasa sein virtuoses Können bei, ebenso wie Seth Lakeman seine famosen Viola- und Fiddle-Einlagen und Richard Ashton Drums.

„Die Grundidee war, in eine starke Akustik-Welt einzutauchen – eine Welt voller Heavy Folk. Zudem suchte ich nach einer Art hypnotischem Aspekt, einer Art Schönheit,“ so Plant über das Album-Konzept, das auf Carry Fire in einem Psychedelic-Elektronik-Folk-Crescendo mündet.

Im Mittelpunkt der Aufnahmen standen das Top Cat Studio im 3.500-Seelen-Kaff Box in der westenglischen Grafschaft Wiltshire und die Real Word-Studios von Peter Gabriel im benachbarten Bath sowie die Rockfield Studios in Wales.

Die Anspieltipps von Robert Plant Carry Fire

Der Opener „The May Queen“ lebt hinreißend von Plants facettenreicher, hauchend-fauchender, heiser-heller Stimme, umrahmt von Gitarren-Gerassel und Viola-Farbspielen.

„New World…“ blüht mit Inspiration und Improvisationsgabe als feiner Pop-Rock-Song auf, durchtränkt von psychedelisch angehauchtem Gitarrensolo.

„Dance With You Tonight“ kommt als sphärisch-hymnenhafte Komposition daher, wie sie selbst ein Daniel Lanois nicht besser hätte machen können.

„A Way With Words“ schwebt mit züngelnden Streichern und wabernden Rhythmen nebst molligem Piano sehr intim im Raum.

Der Titelsong von Robert Plant Carry Fire wiederum versetzt das Gemüt des Hörers in einen Orient-Express rauschähnlicher Zustände, die einen beinahe Raum und Zeit vergessen lassen.

Und „Bluebirds Over The Mountains“ schwingt sich mit softem Timbre auf zum unerhörten Cover-Song des Rockabilly-Stars Ersel Hickey: Gitarren, Fiddle und – hey! – Chrissie Hyndes (The Pretenders) eindringliche Stimme verschmelzen zu einer stampfenden, von Industrial-Sounds genährten Folk-Fantasie.

Andere Versionen des Songs, von Richie Havens oder den Beach Boys, sehen angesichts des fruchtbaren Arrangements gelinde gesagt fast schon alt aus. „Ich höre Chrissie oft, ich denke, sie brennt immer noch für die Musik. Ihre Pretenders hab‘ ich erst vor kurzem auf einem Festival gesehen – es war unschlagbar,“ so Plant über die Pretenders-Sängerin.

Robert Plant Carry Fire, das elfte Album des Meisters, klingt dabei farbstark, druckvoll und gut aufgelöst; hier und da hätte mehr Raum-Plastizität und mehr Stimmschmelz den in drei Studios entstandenen Aufnahmen noch besser zu Gesicht gestanden.

Musikalisch bleibt die Frage, welchen Coup Plant wohl als nächstes plant. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wohl wieder ein hochkreatives Projekt auf der Basis von uralten Rock-Genen.

Robert Plant Carry Fire – Das Cover
Robert Plant Carry Fire ist das 11. Album des Meisters (Cover: Amazon)

Robert Plant Carry Fire erscheint bei Nonesuch-Warner und ist erhältlich als Audio-CD, Doppel-Vinyl LP und MP3-Download.

Tipps: Weitere Musik mit Robert Plant

1984 spielte Robert Plant mit The Honeydrippers Vol.1 ein gehaltvolles Retro-Rock-Album ein. Und während Led-Zep-Mann Jimmy Page in den 90ern mit den Black Crowes arbeitete, formte Plant 1997 die Band Priory Of Brion, mit der er auch alte Songs seiner Psychedelic-Folk-Ur-Truppe der 60er, Band of Joy, spielte.

Als formidable Solo-Alben von Robert Plant empfehlen sich neben den beiden Erstlingswerken Pictures At Eleven (1982) und The Principle Of Moments (1983) auch die hervorragende 94er-Cooperation mit Jimmy Page: No Quarter. Von den jüngeren Werken zählt das bereits erwähnte Lullaby And The Ceaseless Roar zu den Highlights seiner insgesamt elf Solo-Studioalben.

Robert Plant Carry Fire2017/10
 Test-Ergebnis: 4,2
SEHR GUT

Bewertungen

Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

 

Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.