de
Cover Audion Spatial
Reportage: Die Hersteller SPATIAL und AUDION entwickeln eine einzigartige Kombination aus Röhrenverstärkern und Dipol-Lautsprechern. LowBeats war dabei. (Montage: F. Borowski)

Spatial und Audion – Traumgespann aus Dipol-Box und Röhren-Amp

Audiophile Traumkombinationen entstehen nicht durch die simple Kombination von Testsiegern mit dem höchsten Preis und den besten technischen Daten, sondern durch sorgfältige Abstimmung der Komponenten aufeinander. Die Chefs von Spatial und Audion – dahinter stecken die beiden Firmen Spatial Europe (Open-Baffle-Lautsprecher) und Audion (Röhrenverstärker) – haben sich zusammengetan, um ein möglichst perfektes Gespann aus Passivlautsprechern und Röhrenverstärkern zu kreieren. Und das auf eine technisch ganz und gar ungewöhnliche Art.

Die Open-Baffle Dipol-Lautsprecher von Spatial sollen mit speziell angepassten Röhrenverstärkern von Audion aufgewertet werden. Dieser Bericht begleitet die Hersteller bei den Vorbereitungen (Foto: Spatial Audio Europe)

 

Und weil diese Art der Liaison tatsächlich etwas Besonderes ist, wurde LowBeats eingeladen, den Entwicklungsprozess aus der Kurzdistanz begleiten zu dürfen. Direkt beim Hersteller Audion in Frankreich – was für den Autor zu einer wirklich außergewöhnlichen Erfahrung wurde. Hier ein Reisebericht mit augenöffnenden Einblicken in die Welt zweier Koryphäen ihrer Zunft, die genauso gut zueinander passen, wie ihre Highend-Komponenten.

Spatial und Audion: Firmen und Personen

Treibende Kraft und Ideengeber für diesen Trip ist Robert Andorf, seines Zeichens Inhaber des HiFi-Vertriebs MachOne-Classics. Andorf kümmert sich hierzulande nicht nur um den Vertrieb verschiedener Marken wie Audion, Graham Slee, Anticables und Spatial Lautsprecher. Für letztere besitzt er auch die Marken- Entwicklungs- und Herstellerrechte in Europa. Spatial Lautsprecher, wie die No. 5 und No. 7, deren Besonderheiten und Qualitäten LowBeats Chef Holger Biermann in Tests ausführlich beschrieben (und gelobt) hat, waren mir bislang nur vom Sehen bekannt, und von einem kurzen Reinhören auf Messen.

Audion Spatial 31
Robert Andorf ist der Macher bei Spatial Audio Europe (Foto: F. Borowski)

 

Zweiter Hauptdarsteller in diesem Stück ist Graeme Holland, Besitzer und Kopf der Marke Marke Audion, sowie weiterer Marken, darunter die hierzulande weniger bekannten, aber schon seit 43 Jahren tätige Firma namens Revolver (Plattenspieler, Lautsprecher) und einer Firma speziell für auftragsgefertigte Trafos. Zusammengefasst ist Holland der Director/CEO von Audion & Revolver SARL, Audion UK Ltd, Revolver Audio Ltd und AudioWind.

Audion Spatial 55
Graeme Holland ist der Mastermind hinter den Audion-Verstärkern, ein absoluter Experte für Transformatoren und wie der Autor ein großer Science-Fiction-Fan. (Foto: F. Borowski)

Holland, gebürtiger Brite, erklärt mir am Zielort, er habe die Marke Audion in England erworben, ist später aber nach Frankreich gezogen und hat damit auch den Haupt-Produktionsstandort dorthin verlagert. Was wiederum der Grund für die französische Adresse auf der britischen Webseite ist: Audion International, Chez Reynaud, Le Haut Mont, 17360 La Genetouze. 

Wer den Ort auf den einschlägigen Online-Karten sucht, so wie ich es vor meiner Reise tat, landet quasi mitten im Nirgendwo, in einer der am dünnsten besiedelten Gegenden Frankreichs, etwa eine Autostunde nordöstlich von Bordeaux gelegen. 

Am Flughafen Bordeaux angekommen und von der Hitze fast erschlagen (43 °C am Flughafen), holt Graeme Holland mich mit dem Auto ab. Ein zivil und dem Wetter entsprechend luftig bekleideter Mann mittleren Alters mit eindeutig britischem Aussehen und südenglischem Akzent. Das Auto: Ein alter, rechtsgelenkter Ford, weil die in Frankreich günstig zu haben sind. Aber zum Glück mit Klimaanlage. Es ist das Auto seiner Frau, die gerade mit dem Firmen-Transporter unterwegs ist. Ebenfalls ein Schnäppchen mit Rechtslenker.

Schon kurz nach dem Kennenlernen wird klar, dass Greame und ich uns gut verstehen dürften. Mir gefällt seine ungezwungene und absolut bodenständige Art. Zwar ist die Verständigung mit meinem leicht eingerosteten Englisch anfangs etwas hakelig und ich muss mich erst auf seinen Akzent einpegeln, doch das flutscht schon bald alles ganz gut.

Der Firmensitz

An dem Anwesen namens „Chez Reynaud“ angekommen, wo ich auch untergebracht werde, bin ich zunächst doch etwas erschrocken. Das Haus ist ein etwa 350 Jahre alter Landwirtschaftsbau und das Gegenteil von luxussaniert. Doch bei genauerer Betrachtung wird auch hier deutlich, dass der äußere Schein kein wesentlicher Faktor für Monsieur/Mr. Holland mehr ist. Sein Motto lautet: lebe lieber unbeschwert. Das Haus muss da in Schuss sein, wo es erforderlich ist. Spinnweben-Dickichte an den Außenfenstern und geborstene Scheunentore sind dafür eher unwesentlich.

Vorwärts Zurück
Audion Spatial 26
Die Fertigungsstätte von Audion könnte nicht besser getarnt sein (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 27
Die Zufahrt (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 25
Pool und Poolhaus (Foto: F. Borowski)
Vorwärts Zurück

Auf dem Gelände findet sich neben einem herrlichen Pool eine weitere Scheune, davor ein alter grünspaniger Land Rover mit platten Reifen, der seit einem Island-Trip vor neun Jahren nicht mehr bewegt wurde, ein alter Tour-Bus, mit dem einige Größen der Rock-und-Pop-Welt kutschiert wurden, sowie ein Power Boat mit 480-PS-Motor, das momentan aber nur als Lagerplatz für Paletten dient. Außerdem gehören zum Hof neben ein paar Schafen noch zwei Hunde, fünf Katzen und ein Pferd – Vierbeiner, die nach Lust und Laune das Gelände erkunden dürfen.

Vorwärts Zurück
Audion Spatial 28
Auf dem Gelände (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 29
Power-Boat als Palettenlager (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 30
Die gemütliche Terasse (Foto: F. Borowski)
Vorwärts Zurück

Die Hollands sind nicht nur sehr naturverbunden, sondern auch äußerst auf Nachhaltigkeit bedacht. Das gesamte Anwesen einschließlich Pool wird autark von Solarzellen auf dem Dach und über Akkuspeicher versorgt, die Holland selbst zusammengelötet hat. Auch die Produktion wird darüber gespeist.

Bis jetzt habe ich aber noch keine Anzeichen gesehen, dass es sich hier um einen Firmensitz und technisch gut ausgestatteten Produktionsstandort handeln könnte…

Der Rundgang

Graeme nutzt die Zeit und führt mich durch die Katakomben des Unternehmens. Der Weg führt zunächst durch das geborstene Scheunentor. Gleich links dahinter, durch eine fast unsichtbar in eine Wand eingelassene Tür verborgen, erwartet mich eine erste faustdicke Überraschung: ein schalltoter Messraum. Selbst gebaut – natürlich.* Der dient nicht nur zur akustischen Abstimmung der Revolver-Lautsprecher, sondern ist auch komplett gegen elektromagnetische Einstrahlung abgeschirmt. Der Raum ist einer von nur ganz wenigen zertifizierten seiner Art in ganz Frankreich – unglaublich, so etwas hier zu finden.

*Korrektur und Bildergänzung: Da habe ich Holland falsch verstanden. Der Raum ist tatsächlich von einer US-Militärfirma namens Textron hergestellt und für Audion in Frankreich aufgebaut worden. Sie wurde so konstruiert, um die militärischen Spezifikationen für Audio- und HF-Anwendungen zu erfüllen, und nur so konnte sie für die zivile Nutzung registrieren.

Vorwärts Zurück
Audion Schalltoter Raum 2
Der schalltote Raum mit RFI-Abschirmung bei Audion von außen. (Foto: Audion)
Audion Schalltoter Raum 1
Es handelt sich um eine Kammer nach militärischen Standards mit Zulassung für zivile Nutzung. (Foto: Audion)
Vorwärts Zurück

Als kleine Mutprobe schloss Graeme mich später am Tag für einige Minuten allein in den Raum ein. Absolute Dunkelheit, keine Geräusche (selbst Finger schnipsen hört sich an, wie von einem NC-Kopfhörer gedämpft) und keine EM-Strahlung, einfach ganz ruhig daliegen… Totale Abschottung von der Außenwelt. So ähnlich muss es sich in einem sensorischen Deprivationstank anfühlen. Beeindruckend, aber für Menschen mit klaustrophobischen Tendenzen sicher beängstigend. Leider habe ich vor lauter Begeisterung vergessen, ein Foto von diesem Raum zu schießen.

Weiter geht es hinten im Schuppen durch verschachtelte Gänge und diverse Räume. Dazu gehören verschiedene Lagerräume, die prall gefüllt mit alten und neuen Schätzen sind. Sogar ein paar museale Philips CD100 finden sich in den Regalen.

Vorwärts Zurück
Audion Spatial 08
Versteckte Schätze: Philips CD100 Player (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 03
Chaotische Lagerhaltung – gedächtniskontrolliert (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 05
„Scheunenfund“ (Foto: F. Borowski)
Vorwärts Zurück

Eine zweckentfremdete Sauna dient als Lagerraum für verschiedene Hölzer und Plattenspieler-Zargen. Dort herrschen relativ konstante 23 Grad Celsius. Ideal für das Holz. In den Gängen zwischen den Räumen überall Kartons, Kartons, Kartons – und viele andere Dinge, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben.

Vorwärts Zurück
Audion Spatial 07
Gute Beschriftung ist alles (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 06
Auch ältere Dinge müssen irgendwo hin (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 10
Noch ein toller Fund: Die allerersten Gehäuse-Prototypen der berühmten Snell-Lautsprecher (Foto: F. Borowski)
Vorwärts Zurück

Wer angesichts der scheinbar chaotischen Zustände denkt, Graeme wäre ein Messie, liegt falsch. Klar, etwas aufgeräumter könnte es hier und da schon sein, wie auch Graeme eingesteht, aber alles hat seinen Platz. Fragt man ihn nach einem beliebigen Teil, ist das in aller Regel in kürzester Zeit gefunden. 

In einem weiteren Raum zeigt Graeme mir den Messplatz. Hier finden sich teils ältere, sündteure und nach wie vor hervorragend geeignete Messgeräte von namhaften Herstellern. Holland besitzt auch hochmoderne Messgeräte mit sehr viel kompakteren, mobiltauglichen Abmessungen. Aber am liebsten arbeitet er doch mit dem großen Besteck.

Vorwärts Zurück
Audion Spatial 24
Die Ausstattung mit Messgeräten ist üppig (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 23
Graeme in seinem Element (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 01
Einer der wichtigsten Bereiche: der Messplatz (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 02
Weiterer Lagerbereich (Foto: F. Borowski)
Vorwärts Zurück

Hier liegen auch eine ganze Reihe von Handfunkgeräten unterschiedlichster Art herum. Die nutzt Audion, um die RFI-Eigenschaften (Einstreuungsfestigkeit gegen Funkwellen) der Komponenten zu testen und zu optimieren.

Gleich um die Ecke hinter dem Messplatz stehen weitere Regale, voll mit Geräten, Bauteilen und zusätzlichem Messequipment. Außerdem befindet sich hier eine kleine CNC-Maschine, mit der unter anderem die Knöpfe für die Audion-Amps Inhouse hergestellt werden.

Audion Spatial 21
Einige Teile, hier ein Drehknopf, werden auf der eigenen CNC-Drehbank produziert (Foto: F. Borowski)

Apropos Inhouse. Ein erklärtes Ziel Hollands (wie auch von Robert Andorf mit Spatial) ist es, soweit wie möglich alles selbst zu entwickeln und zu fertigen. Und vor allem, auf Ware aus Fernost zu verzichten, um dem Nachhaltigkeitsgedanken zu entsprechen und sich nicht in unwägbare Abhängigkeiten zu begeben. Leider ist das nicht immer möglich. So berichtet mir der Brite, dass etwa einige Treibertransistoren für die Röhrenamps wären absolut nicht aus westlicher Produktion zu bekommen wären. Selbst wenn ein britischer Firmenname darauf prange, sei darunter doch klein zu lesen: „Made in China“. Ein Umstand, der nicht nur angesichts der aktuellen politischen Weltlage überall ein Thema ist.

Weiter geht es eine steile Holztreppe hinauf in den Raum, wo die Trafos gewickelt werden. Fünf Maschinen hat Holland hierfür parat stehen. Die Wichtigste davon steht gerade auf dem Tisch. Weiter hinten im technischen Teil erfahren Sie noch mehr über dieses Herzstück des Unternehmens – und über einen kleinen Unfall, der sich am Tag vor meiner Abreise hier ereignete.

Audion Spatial 04
Die wichtigste Wickelmaschine im Sortiment (Foto: F. Borowski)

In den nächsten Räumen finden sich weitere Lager-Regale, vollgestopft mit aktueller Ware und altem Zeugs, bei dem sich Technik-Nerds wie Alice im Wunderland fühlen. Dann gibt es noch einen kleinen Raum, den Holland zu einem Fotostudio für die Komponenten umgebaut hat.

Irgendwie führt der Weg über weitere Treppen und Gänge in noch mehr Räume. Es folgen Maschinen zur Pulverbeschichtung, zur Galvanisierung und noch mehr Produktionstechnik. Ich habe inzwischen die Orientierung verloren und finde sie erst wieder, als wir in einem letzten Raum mit einem Billard-Pooltisch durch einer Glas-Schiebetür das Haus verlassen. Im Nachhinein erscheint mir das Haus Tardis-mäßig innen viel größer als außen zu sein. Faszinierend.

Vorwärts Zurück
Audion Spatial 12
Holland mit einer neuen Endstufe (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 13
Holz wird temperaturstabil in einer umfunktionierten Sauna gelagert (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 14
Frisches, selbstgebrautes Bier von Ehefrau Paula (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 53
Technischer Vortrag mit Katze (Foto: F. Borowski)
Vorwärts Zurück

Abgesehen davon, dass es sich hier nicht um eine Hochglanzfabrik mit steriler, reinraumartiger Atmosphäre handelt, sondern um das vielleicht lebendigste und sympathischste Wohn- und Firmengebäude, das ich je betreten habe, ist kein riesiger Unterschied zu manch großem Namen der Branche zu erkennen. Alles ist da. Es ist tatsächlich eine ausgewachsene HiFi-Produktionsstätte mit allen nötigen Ressourcen. Ich bin sprachlos und bekomme das Grinsen kaum noch aus dem Gesicht, wenn ich daran denke, was ich hier gerade alles gesehen habe. Für einen schnellen Rundgang war das allerdings auch viel zu viel Input. Das muss ich erst mal verdauen. Am übernächsten Tag sind wir dann noch mal eine Runde durch die französische Tardis gegangen.

Übrigens sind Greame und seine Frau keine Einzelkämpfer. Bis zu vier Mitarbeiter sind an Wochentagen hier tätig. Damit ist Audion natürlich immer noch ein sehr kleines Unternehmen und nicht direkt mit den Größen der Branche vergleichbar, aber größer will Holland sein Unternehmen eigentlich auch gar nicht mehr werden lassen. Das würde nur bedeuten, externe Hallen anmieten zu müssen und sein Konzept vom idealem Heim und Arbeitsplatz konterkarieren. 

Das kann auch nur jemand sagen, der in früheren Zeiten auf viel zu großem Fuß gelebt hat und den Wert der Entschleunigung erst lernen musste. Was alles zum alten Leben des Graeme Holland zählte, davon zeugen einige Exponate in seinem Garten, wie der alte Tourbus oder das Power Boat. Oder auch Musik, die er mitgeschrieben und produziert hat.

Audion Spatial 46
Ein Album, das Graeme Holland mit produziert hat (Foto: F. Borowski)

Holland war einige Zeit für General Electric unterwegs, um Satelliten-Kommunikationsanlagen in aller Welt zu installieren. Darunter in heißen Krisengebieten. Auch für große andere Konzerne, darunter Rüstungsindustrie, war er tätig. Die Bezahlung war exorbitant, der Stress aber auch. Dass er studierter Physiker ist, bleibt da nur als Randnotiz. 

Der erste Tag klingt aus

Inzwischen ist auch Robert Andorf angekommen. Die Hitze ist nach wie vor erdrückend und wir verlagern die Gespräche auf die überdachte Terrasse mit Deckenventilator, wo abends auch lecker gegrillt wird. Natürlich gibt es auch Wein aus der Region (wir sind hier in einer der berühmtesten Weingegenden der Welt!), aber richtig gut schmeckt mir auch das von Paula selbst gebraute Bier. Yep, auch das wird hier selbst produziert.

Audion Spatial 16
Baguette, Rotwein, Nutella: Stärkung auf französisch (Foto: F. Borowski)

 

Wir starten den nächsten Tag auf der gemütlichen Terrasse mit einem guten Frühstück. Stilecht mit Baguette, Käse, Croissants, Honig von einem (entfernteren) Nachbarn und so weiter. Die Hunde und Katzen, alles echte Kuscheltiere, sind immer in der Nähe. So kann der neue Tag beginnen. Es wird wieder heiß.

Die Spezialität (und der technische Teil)

An diesem Punkt falle ich aus meiner bis dato fast chronologischen Erzählung heraus und möchte Ihnen erläutern, was eigentlich der Plan des Ganzen ist. Robert Andorf und Graeme Holland haben sich hier für ein ambitioniertes Projekt zusammengetan, bei dem eine Verstärkerlinie entstehen soll, die exakt für die jeweiligen Spatial Lautsprecher angepasst wird. Diese Linie soll den Namen „Spatial Europe exklusiv produziert von Audion“ tragen.

Folgende Modelle sind geplant:

  • Passiver Vorverstärker mit 1x XLR In und Out, sowie 3x RCA IN und 1x RCA Out.
  • Endstufe Amp No. 1: 4 x EL84 pro Kanal (25W pro Kanal) parallel single ended, freiverdrahtet
  • Endstufe Amp No. 2: 1 x EL34 pro Kanal (12W), wahlweise KT66 oder KT90 (18W), freiverdrahtet
  • Amp No. 3: 1 x 300B (8W), freiverdrahtet

Das läuft dann wie folgt ab: Nachdem die neu entwickelten Lautsprecher finalisiert wurden, bekommt Audion diese zugeschickt und passt die Ausgangsübertrager der Verstärker entsprechend der elektrischen Parameter an die Lautsprecher an. So hat der Kunde am Ende die Gewissheit, dass Lautsprecher und Verstärker perfekt zusammenpassen.

Folgendes Vorgehen dafür ist nötig

  • Messung der Lautsprecher nach Dämpfungsfaktor, Übergangsfrequenzen, Frequenzgang
  • Mathematische Berechnung, um die Anzahl der Wicklungen zu ermitteln (zur Annäherung, als Startpunkt)
  • Drei Transformer werden mit unterschiedlichen Werten gewickelt. Einer genau wie berechnet, ein zweiter mit 10% höheren Werten, der Dritte mit 10% niedrigeren Werten
  • Hipot-Test (5000V, Prüfung der elektrischen Sicherheit)
  • Impedanzmessung bei sechs unterschiedlichen Frequenzen
  • Isolierung wird getestet zur Vermeidung des Millereffekts
  • Auswirkungen (unter Anderem): Die Linearität wird erhalten, aber die obere und untere Grenzfrequenz werden verschoben, um die 3. harmonischen Verzerrungen oberhalb 20kHz zu minimieren. Vor allem aber soll das elektrische Zusammenspiel zwischen Verstärker und Lautsprecher verbessert werden, was zu einer kontrollierteren Wiedergabe im gesamten Frequenzbereich führt

Graeme fasst es hier in seinen eigenen Worten wie folgt zusammen (englisch):

Als notorisch neugieriger Nerd fragte ich Graeme natürlich Löcher in den Bauch, was es denn genau mit der Anpassung seiner Trafos an die Lautsprecher auf sich hat. Dazu musste ich aber erst mal besser verstehen, wie ein Trafo überhaupt gefertigt wird, was dabei zu beachten ist, und welche Auswirkungen die Wickeltechnik auf das Ergebnis hat.

Graeme lotste mich daher kurzerhand noch mal in den Raum mit der Trafo-Wickelmaschine und erklärte mir die wichtigsten Vorgänge anhand von Beispielen und einem „Trockenlauf“ der Maschine. Also ohne eingelegten Draht. Die Maschine muss dafür vorher wie eine CNC-Fräsmaschine genau programmiert werden.

Der Vorgang hat mehrere Phasen, in denen die Wickelrichtung bzw. der Winkel und andere Parameter verändert werden. Heißt, der Draht wird nicht einfach nur parallel nebeneinander aufgespult, wie auf der Rolle, von der er kommt. Stattdessen ergeben sich am Ende sehr spezifische Wickelmuster, mit denen verschiedene elektrische Eigenschaften beeinflusst werden. Um das etwas besser zu veranschaulichen, hier ein kurzes Video:

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Neben der Spulenwicklung ist auch der Kern eines Transformators von besonderer Bedeutung. Also nicht der Kunststoffträger auf den er gewickelt wird, sondern der Eisenkern. Audion verwendet in diesem Beispiel sogenannte EI-Kernbleche. Diese bestehen aus zwei Teilen in Form eines E und eines I, siehe nächstes Bild unten. Die Bleche werden zur benötigten Höhe gestapelt und durch den Spulenträger geschoben. Der Abschluss erfolgt durch das I-Blech mit einer kleinen Lücke zu den E-Blechen. Der Abstand zwischen E- und I-Blechen ist von entscheidender Bedeutung. Graeme Holland erklärt das wie folgt:

„Verengt man den Luftspalt [zwischen E- und I-Blech; die Red.], erhält man eine höhere Flussdichte (der Transformator arbeitet besser). Ist er jedoch zu eng, wird der Transformatorfluss gesättigt (er verzerrt stark). Ein größerer Luftspalt bedeutet geringere Flussdichte, geringere Sättigungsgefahr, aber auch geringere Induktivität = schlechterer Klang. Der Trick besteht darin, den Transformator an den kritischen Punkt der maximalen Effizienz zu bringen, ohne dass er in die Sättigung gerät und verzerrt (d.h. sehr schlecht klingt).“

Audion Spatial 19
E- und I-Bleche bilden gestapelt den Eisenkern (Foto: F. Borowski)

Für die Anpassung des Trafos an die Spatial-Lautsprecher ist es nicht mit einem Wickel-Versuch getan. Wie in der Auflistung oben geschrieben, werden zunächst drei Trafos gefertigt: Einer mit rechnerischen Idealwerten und zwei weitere mit leicht abweichenden Werten. Aus den damit ermittelten Hörergebnissen folgen dann weitere Iterationen. Das folgende Foto zeigt die Trafo-Generationen bis zum gewünschten Endergebnis.

Audion Spatial 18
Hier die verschiedenen Generation einer solchen Prozedur (näheres im Text) (Foto: F. Borowski)

Das alles ist also eine ziemlich komplexe Angelegenheit und in dieser Konsequenz wohl nur für ein Unternehmen zu erträglichen Kosten umsetzbar, das seine Trafos komplett selbst herstellt. Und wie viele machen das schon?

Pegelregelung nach Wahl

Aber da sind noch mehr faszinierende Details der Audion-Verstärker. Auf die Frage, welche Art von Lautstärkeregler er einsetze, verschwand Graeme kurz in den Katakomben und kam mit einem einfachen aber ordentlich gekapselten Alps-Poti zurück. Ok, nichts Spektakuläres denke ich und erwähne eher beiläufig, dass Pegelregelung ja auch eine Wissenschaft für sich ist. Zustimmend nickend verschwindet Graeme erneut und kommt mit einem weiteren Poti zurück.

Diesmal handelt es sich um ein deutlich größeres Exponat, das Audion nach eigenen Spezifikationen von Alps anfertigen lässt. Das massive Gehäuse mit doppelt kugelgelagertem Drehsteller enthält eine Schaltung mit Einzelwiderständen und ist quasi die Miniaturisierung einer diskreten Schaltung, die Audion in einigen seiner Geräte anbietet. 

Aber jetzt ist Graeme richtig in seinem Element und kramt gleich noch ein Teil aus dem Lager. Diesmal ein kleiner silberner Mu-Metall-Topf mit einem darin vergossenem Mini-Trafo und ganz vielen feinen Einzeldrähten aus Silber, plus einem externen Drehschalter – komplett aus eigener Fertigung. Hierbei handelt es sich um den Königsweg der (analogen) Lautstärkeregelung, bei der jeder Wert eine eigene Wicklung auf dem Trafo hat. Quasi ein Draht pro Lautstärkewert, ohne jedes weitere Bauteil im Signalweg. 23 Stufen plus Null sind mit diesem Pegelsteller möglich. 

Vorwärts Zurück
Audion Spatial 51
Drei Lautstärkesteller: Links ein einfaches Alps-Poti, in der Mitte eine Spezialanfertigung mit Einzelwiderständen, rechts der im Text näher beschrieben Trafo-Pegelregler (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 52
Das Spezial-Poti rechts ist im Grunde eine integrierte Variante der Schaltung in der Mitte (Foto: F. Borowski)
Vorwärts Zurück

Der Kunde hat die Wahl: Standard-Alps-Poti zum Standard-Preis, Alps-Sonderanfertigung mit Widerstandsnetzwerk für ein paar hundert Euro Aufpreis, oder die Trafo-Lösung, die in die Tausende geht. 

Um das in die richtige Perspektive zu rücken: Eine relativ kleine Rolle (ich kenne nicht die Anzahl der Meter) mit dem benötigten hauchdünn isolierten Silberdraht für den Lautstärke-Trafo kostet im Einkauf rund 3.000 britische Pfund. Der Roh- bzw. Kilopreis für Silber spielt hier nur eine sehr untergeordnete Rolle. Teuer wird der Draht durch seine Fertigung und vor allem die Isolierung. Und allein für das Wickeln eines seiner winzigen Lautstärketrafos mit dem haarfeinen, sehr reißempfindlichen Silberdraht braucht Holland fünf Stunden. Von der nötigen Programmierung für die Maschine ganz zu schweigen. Dazu kommt noch die Testung, Endfertigung (Topf, Gussmasse, Drahtführung etc.) und Handverlötung aller Einzeldrähte mit dem Drehschalter und der Einbau in den Verstärker.

Der Hörtest

Kurz vor unserem Termin gab es einen kleinen Brand durch einen elektrischen Defekt in einem zu der Zeit gar nicht aktiven Spezialofen, der zum Glück schnell unter Kontrolle gebracht werden konnte. Allerdings wurden durch Ruß-Entwicklung einige Geräte in Mitleidenschaft gezogen und ein wichtiges Messgerät außer Gefecht gesetzt. So konnten die weiteren Trafos für den Einsatz in den Prototypen nicht rechtzeitig fertig gewickelt werden und dementsprechend kein Hörvergleich verschiedener Trafos passend für die mitgebrachten Spatial-Lautsprecher erfolgen – was der ursprüngliche Plan war. Ich konnte lediglich einen fertigen Trafo gegen einen Standard-Trafo in einem anderen Gerät hören. Doch auch das war schon sehr erhellend.

Vorwärts Zurück
Audion Spatial 15
Vorbereitungen für die verschiedenen Hörtests (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 45
Zwischendurch immer noch mal messen (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 40
Auch verschiedene Kabel wurden gehört (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 39
Röhren als Spielwiese (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 42
Der Prototyp für den Test der verschiedenen Trafos (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 43
Freiverdrahtete Unterseite des Prototypen (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 44
So wird die Rückseite aussehen (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 36
Röhrentausch (Foto: F. Borowski)
Vorwärts Zurück

Wir hörten also zunächst die Prototypen der Spatial No. 4 an einem Serien-Verstärker von Audion und wechselten danach auf den für die Trafo-Testung vorbereiteten Amp. Der Unterschied war frappierend, schienen die Lautsprecher doch plötzlich viel befreiter und kontrollierter aufzuspielen. Mehr Substanz im Bass aber auch feinere Mitten und seidigere Höhen waren die Folge. Ich kann hier nur mutmaßen, dass sich die endgültige Trafo-Version nochmals deutlich von der ersten Generation des angepassten Trafos unterscheiden dürfte.

Vorwärts Zurück
Audion Spatial 35
Der Tieftöner der Spatial No. 4 … (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 33
… und der nach hinten offene Antrieb (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 34
Der Tweeter der No. 4 arbeitet nach vorne als Inverskalotte und strahlt auch nach hinten ab (Foto: F. Borowski)
Vorwärts Zurück

Unsere Hörtests sollten sich aber ohnehin nicht nur mit den Trafos befassen. Schließlich handelte es sich auch bei den Spatial No. 4 noch um Prototypen. Robert Andorf brachte dafür eine extern vorsteckbare Schaltung zur Impedanzlinearisierung mit. Dieser Versuch ging allerdings nach meinem Dafürhalten eher zugunsten der Variante ohne Linearisierung aus.

Audion Spatial 47
Die Weiche der No.4 und rechts davon die vorgeschaltete Impedanzlinearisierung zum Testen (Foto: F. Borowski)

In weiteren Hörsessions probierten wir unterschiedliche Röhren in verschiedenen Audion Verstärkern aus und schlossen später auch noch ein Paar (Serienmodelle) Spatial No. 7 an. Hier war besonders interessant, den Unterschied zu dem in der No. 4 verbauten Beryllium-Kalottenhochtöner mit Horn mit dem in der No. 7 verbauten AMT zu vergleichen. Für meinen Geschmack klang der AMT in der (deutlich teureren) No. 7 ein gutes Stück feiner und natürlicher. Doch vor allem in Sachen Dynamik und Attacke hat auch der Tweeter der No. 4 einen ganz besonderen Reiz – ohne dabei je anstrengend oder gar aggressiv zu klingen, wie ich betonen möchte.

Vorwärts Zurück
Audion Spatial 48
Auch das ist neu und wurde getestet: Clevere Füße für die Spatial Lautsprecher mit Dämfungsschicht (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 49
Der in den Lautsprecher eingeschraubte Fuß mit Kugel … (Foto: F. Borowski)
Audion Spatial 50
… wird wie ein Gelenk in den Dämpfer eingeklickt und ist damit für unterschiedliche Winkeleinstellungen der Schallwand beweglich (Foto: F. Borowski)
Vorwärts Zurück

Natürlich kann ich hier kein abschließendes Hörurteil über irgendeine der gehörten Kombinationen fällen, denn das war schließlich nicht Ziel der Aktion. Vielmehr ging es darum, den Prozess der Entstehung und Abstimmung eines neuen Lautsprechermodells und der Kombination mit speziell angepassten Verstärkern zu begleiten – und Sie daran teilhaben zu lassen.

Fazit Spatial und Audion: ein Firmenbesuch wie kein anderer

Es gibt nur wenige Hersteller, die sich bei der Entwicklung ihrer Produkte und Technologien so direkt in die Karten schauen lassen. Großes Lob daher für die Offenheit von Spatial und Audion und für die einmalige Gelegenheit, uns und unsere Leser an einem dieser Schritte teilhaben zu lassen.

Audion Spatial 32
Robert Andorf (links) und Graeme Holland. LowBeats bedankt sich für die Einladung und die gewonnen Einsichten. (Foto: F. Borowski)

Die gesamte Reise war von Anfang bis Ende mit zahllosen überraschenden Erlebnissen, Einsichten und Erkenntnissen gespickt. Der familiäre Manufaktur-Charakter von Audion mit seiner kaum als Firmensitz zu erkennenden Fassade, die Menschen hinter den beiden beteiligten Unternehmen Spatial und Audion, sowie die großartige Gastfreundschaft in einer so gar nicht Business-mäßigen Atmosphäre waren einmalig. 

Analogfans dürfen gespannt auf das fertige Ergebnis sein. LowBeats wird die Spatial No. 4 und passende Audion-Verstärker mit normalem und angepasstem Trafo natürlich noch mal ausgiebig und unvoreingenommen testen, sobald sie fertig sind. 

Mehr von Spatial:

Test Hochpegel-Standbox Spatial Europe No 5: Faszination Dipol
Test Dipol-Speaker Spatial Europe No.7: enge Abstrahlung, intensives Musikerleben

Autor: Frank Borowski

Avatar-Foto
LowBeats Experte für Schreibtisch-HiFi und High End kennt sich auch mit den Finessen der hochwertigen Streaming-Übertragung bestens aus. Zudem ist der passionierte Highender immer neugierig im Zubehörbereich unterwegs.