Die No.5 von Spatial Europe, die vor einem Jahr für einige Zeit Testgast in der Redaktion war, hatte uns mächtig beeindruckt. Der ungewöhnliche Dipol-Schallwandler mit Doppelbass-Bestückung machte vieles anders und doch so richtig. Klanglich jedenfalls stieß dieser Lautsprecher für uns eine Tür zu einer besonderen Art des Hörens auf. Doch die hier vorgestellte Spatial Europe No.7 ist technisch/akustisch fast noch ungewöhnlicher; allein deshalb würde es sich lohnen, über sie zu schreiben. Aber da ist ja auch noch der Umstand, dass sie einfach umwerfend klingt.
Das Besondere an der Spatial Europe No.7…
… ist teilweise ja schon auf den ersten Blick zu erkennen. Sie besteht wie alle Spatial-Schallwandler nur aus einer sehr festen Schallwand. Es ist der Gegenentwurf zum klassischen Box-Design, bei dem das Gehäuse verhindert, dass sich die nach vorn und nach hinten abgestrahlte Schallenergie gegenseitig auslöscht. Dieses Phänomen ist allerdings nur im Bass wirklich relevant, weil hier die Wellenlängen eine entsprechende Größe haben, um sich um die Schallwand herum zu beugen. Die Formel dazu lautet: Schallgeschwindigkeit in der Luft (344 m/s) : Frequenz = Wellenlänge. Eine Frequenz von 20 Hertz beispielsweise hat also eine Wellenlänge von etwa 17 Metern, der bekannte Kammerton A (440 Hertz) eine Wellenlänge von 78 Zentimetern.
Und nun stellt sich die Frage: Wie verhindert Spatial Europe Mastermind Robert Andorf diese physikalische Eigenheit? Antwort: gar nicht. Aber er berechnet diesen Umstand natürlich mit ein. Prinzipiell erzeugen Dipol-Schallwandler weniger Bass als klassische Lautsprecher, die – weil das Gehäuse einen akustischen Kurzschluss vermeidet – schon mit wenig Volumen erstaunlich tiefe Bässe erzeugen können. Aber Gehäuse haben halt relevante Nachteile: Sie klappern, sie schwingen, sie resonieren, sie dröhnen und geben so dem Tiefton eine Färbung, die da gar nicht hingehört. Selbst die besten Gehäuse à la Magico, Wilson, Gauder oder Stenheim sind davor nicht vollkommen gefeit.
Im Grunde lautet das Motto deshalb: Das beste Gehäuse ist kein Gehäuse. Nun könnte man auch einer solchen Schallwand Resonanz-Anfälligkeiten unterstellen. Aber nicht bei der der No.7: Das leicht schräg gestellte Panel ist aus zwei, je 38 mm starken MDF-Schichten zusammengesetzt, zusätzlich verstärkt und bedämpft. Das üppige Lebendgewicht der N0.7 (44,0 Kilo) kommt also keineswegs nur von dem Bass…
Allerdings bringt das Konzept des Dipol-Strahlers eine weitere Besonderheit mit: Während klassische “Boxen” im Bass eine nahezu kugelförmige Abstrahlung haben, ähnelt die eines Dipols von oben gesehen der Form einer Acht, deren Taille der Lautsprecher selbst ist. Diese Konstruktionen haben also selbst im Bass eine keulenförmige Schallrichtung.
Robert Andorf verwendet im Bassbereich einen 38 Zentimeter Tieftöner des US-amerikanischen Spezialisten Acoustic Elegance. Dieser Bass ist von seinen Parametern her auf den Freiluft-Einbau ausgelegt und erzeugt in einer Dipol-Konstruktion sehr viel mehr Tiefbass als es klassische HiFi-Tieftöner könnten. Wer den 38er von Nahem bewundern kann, spürt, dass hier viel Wissen und Qualität verbaut ist. Dieser Treiber ist so gut und resonanzarm geraten, dass er trotz seiner Größe bis 2.000 Hertz läuft. Kein Wunder also, dass dieses Prachtstück schon im Einkauf ziemlich teuer ist. Würde Andorf hier die klassischen HiFi-Margen anlegen, wäre die No.7 wohl um etliches teurer.
Der Tieftöner steht stellvertretend für ein bemerkenswertes Kriterium von Spatial Europe: Alle Modelle sind auf ihre Art preiswert. Die Bauteile-Qualität, die Andorf aus innerer Überzeugung verwendet, würde der Controller einer großen Firma nie und nimmer durchwinken. Aber Spatial Europe mit seiner liebevollen Per-Hand-Fertigung in der Kreuzstraße 22a zu Ingolstadt kann und will es sich leisten, diesbezüglich anders zu agieren.
Dazu gehört nicht nur die entsprechende Bauteile-Qualität, sondern auch ein tiefer Nachhaltigkeitsgedanke: Bei Spatial Europe wird wenig weggeworfen und es gibt gerade im Bereich der Verpackung viel Recyceltes. Ich war voriges Jahr mal für einen Tag vor Ort und fand das Andorf´sche Konzept absolut überzeugend.
Denn dem Besucher wird schnell klar, dass hier nichts zufällig verbaut wird. Alle elekrischen Bauteile, Bässe, Hochtöner, aber auch Kondensatoren, Spulen, ja sogar die Widerstände werden in langen Hör-Sessions ausgesucht. Im Falle der Spatial Europe No.7 stand am Ende nicht nur dieser gewaltige Profi-Bass, sondern auch ein effizienter Air Motion Transformer (AMT-) Hochtöner (ebenfalls aus dem US-amerikanischen Profi-Bereich), der mit einem Kenn-Schalldruck von 102 Dezibel (1 Watt / 1 Meter) ausreichend Reserven für JEDE Pegelorgie mitbringt. Und es entstand eine Frequenzweiche, bei der dem Kenner das Wasser im Munde zusammenläuft.
Der – natürlich – handverdrahtete 2-Wege-Filter steckt im Sockel des Dipol-Lautsprechers und ist nicht nur wegen der Bauteile-Qualität außergewöhnlich; diesbezüglich greift Andorf in der Regel stets nach ganz oben im Regal. Andorf hat hier eine der seltenen „seriellen“ Weichen (die mit Abstand meisten Lautsprecher weltweit arbeiten mit Parallelweichen) entwickelt. Es gibt wenig Grundlagen-Theorie zu seriellen Weichen, aber Andorf hat da wohl einen ausgewiesenen Spezialisten an der Hand.
Bei der seriellen Frequenzweiche werden Tieftöner und Hochtöner tatsächlich in Reihe geschaltet, die relevanten Filter-Bauteile arbeiten überwiegend durch Parallelschaltung. Der Hochtöner der No.7 beispielsweise wird über einen parallel-geschalteten Notch-Filter auf seinen Einsatzbereich ab 2.000 Hertz eingestimmt.
Praxis
Doch wofür dieser Ausflug in ziemlich fremde Theorie-Gefilde? Andorf verspricht sich von dem seriellen Filter einen harmonischen Impedanz- und Phasenverlauf der Schaltung. Und er hat Recht: Unsere Messungen bestätigen seinen Ansatz zu 100%.
Selten hatten wir im Messlabor einen diesbezüglich so genügsamen Lautsprecher. Und ebenfalls ein Wert, der Besitzer von kleinen, aber feinen Verstärkern aufhorchen lassen sollte: Mit 90,5 Dezibel (1 Watt / 1 Meter) hat die No.7 auch einen erfreulich hohen Wirkungsgrad: Mit nicht einmal 10 Watt kommt die No.7 also auf über 100 dB.
Das ist schon allerhand. Ich habe jedenfalls in all meinen Versuchen keinen Verstärker im LowBeats Regal gefunden, der mit diesem Lautsprecher nicht harmoniert hätte. Bei der Gelegenheit fand sich aber auch ein Verstärker, mit dem die No.7 wirklich traumhaft spielt: Was der kürzlich getestete Luxman L550 AX MK-II mit seinen bescheidenen Class-A-Watt an Klangfarben und Feindynamik aus diesem Lautsprecher holte, war schon großes Kino.
Nur echte Mörderpegel waren nicht möglich. Mit einer Endstufe vom Schlage einer SPL s1200 dagegen ließ die No.7 im Hörraum einen Pegelsturm aufziehen, der unsere Maximalpegel-Messungen von 97 dB barsch in das Reich der Übervorsicht verwies: Der flache Dipol-Schallwandler kann sehr laut spielen ohne, dass irgendwelche Verzerrungen hörbar gewesen wären. Insofern lohnt sich auch bei diesem Lautsprecher eine Abwägung: Wenn ich schön & fein hören will, reicht natürlich ein Verstärker vom Schlage einer 300B-Röhre. Wenn ich es aber krachen lassen will, ist auch das möglich. Aber dann sollten es schon 200 Watt pro Kanal sein…
Aufstellung: Die Schallbündelung als Konzept
Die Spatial Europe No.7 ist ein Dipol, der vom Prinzip her die Bässe vergleichsweise gerichtet abstrahlt. Wir haben in der Schallwand zudem einen riesigen Tiefmitteltöner, der allein von seinen Abmessungen her ab etwa 350 Hertz mit der Schallbündelung beginnt und bis 2.000 Hertz läuft. Und wir haben einen Hochtöner, der wegen des vorgesetzten Horns ebenfalls ziemlich stark bündelt.
Was sollen wir davon halten? Nur das eine: Hier ist die Schallbündelung Konzept. Die Spatial Europe No.7 leuchtet den Raum wie eine hohe Stablampe mit mehreren LEDs übereinander aus: der Kegel ist hell, aber eng gebündelt. Bei den meisten Entwicklern gilt eine homogen-breite Abstrahlung als das Maß der klanglichen Dinge. Die No.7 strahlt ebenfalls recht homogen über die Winkel ab – nur halt recht eng. Das gilt es bei der Aufstellung zu bedenken.
Wir kamen – nachdem die optimale Position gefunden war – schnell zu dem Schluss, dass man bei diesem Lautsprecher fast jeden Grad hört. Wir tasteten uns in vielen Schritten heran, aber am Ende war die exakte Ausrichtung auf den Hörplatz in unserem Hörraum genau das Richtige. Erst dann war die Transparenz zu hören, die man sich von einem solchen Top-Lautsprecher erwartet.
Ein zweiter Punkt: Als Dipolstrahler ist die No.7 ein sogenannter „Schnellewandler”. Anders als die klassischen „Boxen”, die in der Raumecke (wo die Schallwellen ihren höchsten Schalldruck haben) den meisten Bass produzieren, erzeugt ein Schnellewandler den besten Bass in der Mitte des Raumes, wo die Welle ihre höchste Schallschnelle hat. Wer sich also wundert, dass so ein Dipol wie die No.7 an der Wand untypisch wenig Bass macht, möge sie immer weiter in den Raum ziehen, um dann festzustellen, dass der Bass besser, voller und “richtiger” wird.
Die Aufstellungsempfehlung von Robert Andorf für die No.7 lautet: Abstand Vorderkante des Lautsprechers zur dahinterliegenden Rückwand mindestens 65 cm, Hörabstand ab 2,5 Meter, Hörraum ab 15 Quadratmeter. Hör- und Mindestabstand haben wir ausprobiert und ja: es geht. Aber es geht auch besser. Letztendlich hatten wir bestimmt 1,5 Meter zur Rückwand und einen Hör-Abstand jenseits des 3 Meter. Mit einer Distanz von 3 – 3,5 Metern wird das Klangbild der No.7 noch homogener. Wer jetzt die Meterangaben zusammenzählt, der ahnt, dass das in einem 15 Quadratmeter-Raum womöglich nicht umzusetzen ist…
Hörtest
Wie die (von der Schallwand her) größere No.5 hat auch die No.7 einen spektakulären, weil so federnden Auftritt. Das liegt natürlich an diesem schlackefreien Bass, der durch kein Gehäuse beengt, verstärkt oder tonal verändert wird. Es ist der reine Punch. Sich ein Live-Drumsolo über diesen Lautsprecher anzuhören, ist das pure Vergnügen. Manch HiFi-Freund wird bemängeln, dass da doch irgendwie Bass fehlt. Nein: Die Realität kennt keine aufgeblähten Bässe.
Schon die No.5 zog uns mit ihrer Lebendigkeit und Präzision in den Bann. Doch anders als die etwas größere No.5, die in Bezug auf Maximalpegel und Bassfläche ein echter Haudrauf ist, spielt die mit den deutlich edleren Treibern bestückte No.7 den feineren, kultivierten Part. Spaß machen beide, die No.7 aber kann in Bezug auf die qualitativen Audio-Ansprüche (Auflösung, Timing, Präzision) fast alles besser. Die Bässe kommen bei ihr noch druckvoller, einen Tick tiefer und glaubwürdiger. Gleichzeitig klingt die No.7 müheloser, offener und feiner.
Ich kann mich gut entsinnen, über die No.5 “The Rose” von den King Singers gehört zu haben. Da stimmte fast alles: die Natürlichkeit der Stimmen, die Feindynamik, vor allem aber auch die tolle Abbildung, die durch die optimale Aufstellung und wegen der nach hinten abgestrahlten Energie sehr plastisch klang.
Es sind diese kleinen Zwischengeräusche wie Räuspern oder ein Rascheln, die Aufnahmen lebendig machen. Die Kunst der No.7 ist es, noch mehr dieser Feinst-Informationen aus dieser Aufnahme zu ziehen als die No.5 und deshalb noch authentischer und auch leichtfüßiger zu klingen. Hört man mit der No.7 dynamisch gespielte Klaviermusik, kann man nur staunen – so brutal impulsiv kann sie klingen. Noch ziemlich am Anfang von Tim Fischers “Akne Vulgaris” (Album: Chansons Live/Lieder eines armen Mädchens) schlägt Pianist Friedrich Hollaender den Deckel des Pianos mit Kraft zu. Da kommen die Bässe mächtig in Bewegung. Wir saßen im Hörraum und schreckten unwillkürlich zurück – so echt klang das mit diesem Dipol. Das liegt nicht nur an den Qualitäten des recht fein spielenden AMT-Hochtöners, sondern auch daran, dass die No.7 in der Mitte sehr viel Energie und Information bietet.
Natürlich gibt es jene, in High-End-Zirkeln gern aus “hochauflösend” titulierte Schallwandler wie eine große Wilson, die Grimm LS 1 be oder die Audiaz Cadenza. Mit denen kann die No.7 nicht mithalten, soviel Transparenz kann sie nicht bieten. Dennoch ist sie für mich ein kleines Wunder. Wenn man sich ansieht, wie viel Ingenieurskunst andere Lautsprecheranbieter aufwenden, um möglichst Masse-arme Mitteltöner zu entwickeln, dann ist die Klangqualität, die Robert Andorf aus der vergleichsweise schweren Membran des 38 Zentimeter Basses zaubert, mehr als erstaunlich.
Ein Vergleich mit üblichen Lautsprechern ist schwierig, weil die Aufstellungs-Orte so unterschiedlich sind. Die Spatial Europe No.7 vergleicht man sinnvollerweise mit den Dipol-Modellen von Magnepan oder den Vollbereichs-Elektrostaten von Quad. Man darf allerdings getrost unterstellen, dass die Spatial Europe um einiges dynamischer und pegelfester klingt. Im Vergleich zur etwas größeren No.5 kommt die No.7 zwar nicht auf die gleiche Pegelhöhe, spielt dafür aber um einiges feiner und präziser.
Die No.7 macht es möglich, herrlich laut hören. Doch am Ende ist das vielleicht nicht ihre wahre Bestimmung. Nach Abschluss der Hörtests habe ich den Luxman L550 AX Mk-II wieder angeklemmt und nur noch Musik gehört. Gerade an so klangfarbenstarken Amps bietet die No.7 eine unfassbar authentische Vorstellung, die selbst bei mittleren oder kleinen Pegeln eine Bigband wie eine livehaftig Bigband klingen lässt. Das können nur ganz wenige Lautsprecher.
Fazit Spatial Europe No.7
Hätte man mal einen Lautsprecher aus der Sicht eines Verstärkers konstruiert, wäre wohl so etwas wie die No.7 herausgekommen. Ein elektrisch so gutmütiger Schallwandler ist uns bislang selten untergekommen. Dieser 2-Wege-Dipol harmoniert wohl mit jedem guten Verstärker – unabhängig von dessen Leistungsstärke. Es ist eine superbe Ergänzung für all die Röhren- und Class-A-Verstärker, die uns in den letzten Monaten so begeistert haben und für die man so schwer den richtigen Lautsprecher findet: den Luxman L550 AX MK-II, den Cayin 300A, den Pass INT 25, den Line Magnetic LM-805IA, den Rega Io…
Also: Man braucht etwas Platz und einen feinen Verstärker. Ist beides gegeben, kann man mit der außergewöhnlichen Spatial Europe No.7 außergewöhnlich erlebnisreich Musik hören. Ein Ausnahme-Lautsprecher wie er im Buche steht.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Impulsiv-authentischer, räumlicher Klang mit wunderbar straffem Bass |
| Tolle Verarbeitung, viele Oberflächen, geniale Optik |
| Hoher Wirkungsgrad,Verstärker-freundlich, uneingeschränkt Röhren-tauglich |
| Braucht mehr Platz als klassische HiFi-Boxen, starke Bündelung |
Vertrieb:
Mach One Classics
Brunnhausgasse 2
85049 Ingolstadt
www.machone-classics.de
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Spatial Europe No.7: 12.000 Euro
Technische Daten
Spatial Europe No.7 | |
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Konzept: | 2-Wege Dipol-Wandler |
Bestückung: | 1 x 38 cm Bass, 1 x AMT mit Waveguide |
Wirkungsgrad: | 90 dB |
Maximalpegel (Dauer / kurzfristig): | 97 / 110 dB |
Abmessungen (H x B x T): | 102 x 45,7 x 7,6 (Schallwand) cm |
Gewicht: | 44,0 Kilogramm |
Alle technischen Daten |