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Technik-Wiki: Gegenkopplung (negative Feedback)

Die Gegenkopplung, besser „negative Rückkopplung“ (negative Feedback) ist in der Verstärkertechnik seit etwa 1930 bekannt. Als Erfinder wird meistens der Amerikaner Harold S. Black genannt. Etwa zur gleichen Zeit gab es aber auch ähnliche Arbeiten in Großbritannien und den Niederlanden. Bei der Gegenkopplung wird ein Teil des Ausgangssignals mit umgekehrtem Vorzeichen auf den Signaleingang zurückgeführt (siehe Grafik). Vergleichbare Strategien finden sich jedoch auch in natürlichen Vorgängen – beispielsweise der „Regelschleife“ beim Singen: Durch Hören der eigenen Stimme läßt sich die Tonhöhe kontrollieren. Noch treffender beschreibt es die Analogie Impuls – Handlung – Vorsicht. Die Vorsicht als der Handlung engegenwirkende Kraft verhindert allzu hohes Risiko bei der Ausführung und übt somit schützenden Einfluß aus.

Gegenkopplung – Prinzipdarstellung
Prinzipdarstellung der Gegenkopplung: Die Höhe des vom Ausgang auf den invertierenden Eingang zurückgeführten Signalanteils bestimmt die Verstärkung a der Stufe. In diesem Falle ist a = 1 (Diagramm: J. Schröder)

Ähnlich verhält es sich auch in der Verstärkertechnik: Gegenkopplung reduziert zwar die Signalverstärkung, im Gegenzug verbessert sie jedoch alle anderen Eigenschaften dramatisch. Lineare und nichtlineare Verzerrungen sinken, der Frequenzgang wird erweitert, der Ausgangswiderstand (z. B. Dämpfungsfaktor) reduziert. Sie tritt in verschiedenen Formen auf, wobei praktisch jeder Verstärker zumindest eine davon enthält.

Gegenkopplung: Lokal oder Über-Alles?

Grundsätzlich unterscheidet man zwei Arten. Lokale Gegenkopplung erfolgt unmittelbar an den verstärkenden Elementen (Transistoren; FETs; Röhren). Sie dient der Arbeitspunkteinstellung und ist bei allen Verstärkern quasi unabdingbar. Beispiele hierfür sind Emitterwiderstände bei Transistoren- oder Kathodenwiderstände bei Röhren-Verstärkerstufen.

Die Über-Alles-Gegenkopplung hingegen erstreckt sich über eine komplette Verstärker-Baugruppe. Sie umfasst demnach stets mehrere, einzelne Verstärkerelemente. Typisches Beispiel für eine solche Gegenkopplungsschleife (Feedback Loop) sind integrierte oder diskret aufgebaute Operationsverstärker (Op-Amps). Bei diesen werden praktisch alle wichtigen Eigenschaften der jeweiligen Schaltung über den Grad der Gegenkopplung eingestellt.

Trotz ihrer Vorzüge weist die Über-Alles-Gegenkopplung einige prinzipielle Nachteile auf:

  1. Die endliche Anstiegsgeschwindigkeit der einzelnen Verstärkerelemente verursacht eine gewissse Verzögerungszeit zwischen Ein- und Ausgangssignal. Diese summiert sich über mehrere Verstärker-Elemente hinweg.
  2. Bei tiefen Frequenzen arbeitet die Gegenkopplungsschleife praktisch verzögerungsfrei, was für ein niedriges Verzerrungniveau sorgt. Bei hohen Frequenzen hingegen macht sich die summierte Verzögerungszeit aller Verstärkerelemente zunehmend bemerkbar. Das Gegenkopplungssignal „hinkt“ dann dem Einganssignal hinterher, was nunmehr vorher nicht vorhandene Verzerrungsanteile verursacht.
  3. Bei über-alles-gegengekoppelten Endstufen kann die vom Lautsprecher erzeugte Gegen-EMK auf den Verstärker-Eingang gelangen, was zu unkontrolliertem Verhalten führt. Zudem schafft Über-Alles-Gegenkopplung auch einen Pfad für über das Lautsprecherkabel eingefangene Hochfrequenzstörungen. Diese können der Eingangsstufe schwer zu schaffen machen.

Daraus lässt sich ableiten: Straffe Über-Alles-Gegenkopplung erfordert Verstärker, die bereits von Haus aus sehr breitbandig ausgelegt sind. Somit bleibt die Gegenkopplungs-Wirkung auch über einen großen Frequenzbereich hinweg gleichmäßig erhalten. Ein gutes Beispiel hierfür sind die klanglich legendären Verstärker und Receiver von Harman/Kardon aus der HiFi-Blütezeit Mitte der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts.

Weniger geeignet ist straffe Über-Alles-Gegenkopplung hingegen für Röhrenverstärker – zumal dann, wenn deren Ausgangsübertrager Bestandteil der Gegekopplungsschleife sind. Hierdurch kommt es zu starken Phasendrehungen im Gegenkopplungspfad, was den Verstärker sogar zum Schwingen bringen kann.

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Autor: Jürgen Schröder

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Toningenieur, R&D-Spezialist und das (mess-)technische Gewissen von LowBeats. Kümmert sich am liebsten um Wissens-Themen, Musik und den spannenden Bereich zwischen Studio und HiFi.