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Test Focal Kanta No2: Standbox mit Flachs + Beryllium

In meinen Augen dürften die Membranen ruhig neutral schwarz oder grau gefärbt sein. Aber nun ja: in etlichen der acht Farbkombinationen, die Focal anbietet, sieht das Flachs-Outfit ganz gut, zumindest gemütlich aus.

Flachsmembran1
Der Sandwich-Aufbau der Mitteltöner-Membran ist sogar auf dem Zierring vermerkt. Sein Arbeitsbereich läuft von 250 bis 2.700 Hertz (Foto: H. Biermann)

Auch diese Flachsmembran-Treiber wurden für Focal Kanta No2 noch einmal überarbeitet – immer mit dem Ziel, die Verzerrungen noch einmal deutlich zu senken. Ich habe einige Messungen von Focal zu dem Thema sehen können und war beeindruckt.

Aber natürlich haben wir im LowBeats Messlabor selber nachgemessen und waren fast noch beeindruckter. Tatsächlich hat zeigt die Französin ausgesprochen niedrige Verzerrungswerte:

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Focal Kanta No2 Verzerrungen 94 dB SPL
Die Verzerrungen der Kanta No2 bei 94 dB sind ausgesprochen gering… (Messung: J. Schröder)
Focal Kanta No2 Verzerrungen 102 dB SPL
…und selbst bei hohen Lautstärken immer noch sehr niedrig. So beträgt der obere, empfohlene, noch HiFi-gerechte Schalldruckpegel satte 102 Dezibel pro Box (die Verzerrungsgrenze tangierender Frequenzbereich: 100 bis 150 Hz). Dabei stellen sich Spitzenschalldruckpegel von knapp 114 Dezibel ein. (Messung: J. Schröder)
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Ich hatte das schon bei den ersten Hörtests gehört: die Kanta No2 klang so unaufgeregt, irgendwie angenehmer als die meisten Lautsprecher dieser Klasse. Das könnte wohl einiges mit dem exzellenten Verzerrungsverhalten zu tun haben…

Dennoch kam aus dem Messlabor auch ein Wehrmutstropfen, denn die Focal rutscht mit ihrer Impedanz bei 100 Hertz auf 2,8 Ohm. Das mögen nicht viele Verstärker.

Focal Kanta No2 Impedanz
Die Focal Kanta No2 ist im leistungszehrenden Bassbereich von 30 bis 100 Hertz recht anspruchsvoll (kapazitive Last mit einem Phasenwinkel von bis zu – 67 Grad). Der treibende Verstärker sollte daher einige Leistung und Stabilität bei kapazitiver Last mitbringen (Messung: J. Schröder)

Die Kanta No2 ist eine 3-Wege Bassreflexbox mit zwei Bassreflexrohren, von denen eines auf der Vorder- und eines auf der Rückseite angebracht ist. Damit regen die Focal Entwickler den Raum gleichmäßiger an.

Zudem sind beide auf unterschiedliche Frequenzen hin abgestimmt: das vordere auf mehr Oberbass im Bereich um 55 Hertz, das hintere auf mehr Tiefbass im Bereich um 25 Hertz. Auch das ist eine gute Idee, den Frequenzgang zu linearisieren.

Die Kanta No2 im LowBeats Hörraum

Wie oben schon angedeutet, ist die Focal Kanta No2 im Impedanzgang nicht ganz unkritisch. Der Betrieb mit kleineren Verstärkern wie dem gerade getesteten NAD C 316BEE V2 oder dem Rega Brio 2017 verbot sich also von vornherein.

Wir haben es trotzdem gemacht, um mal wieder festzustellen, dass Messungen doch bisweilen sehr hilfreich sind. Die Kanta No2 und kleinere, leistungsschwächliche Verstärker, das passt nicht. Unter 2 x 100 Watt mit entsprechend stabilem Netzteil würde ich bei der hübschen Französin gar nicht erst anfangen.

Test-Setup mit Atoll IN 300
Eine Kombination, die richtig gut passt: Focal Kanta No2 mit dem französischen Vollverstärker Atoll IN 300 – hier im Bild mit dem Transrotor Max mit zwei Tonarmen (Foto: H. Biermann)

Gut gefallen hat mir die Kombination mit den Audiolab-Endstufen 8300 (mit der Referenzvorstufe Questyle CMA 800P), aber fast noch besser mit dem Vollverstärker Atoll IN 300. Das hatte alles: Klasse, Rasse, eine traumhafte Leichtigkeit und Harmonie…

Cover Art David Sylvian The Secret...
Eines der filigransten Alben des Ex-Japan-Sängers David Sylvian. Ungemein detailreich: Secrets Of The Beehieve (Cover: Amazon)

Die Focal Kanta No2 nahm mich schon mit den ersten Takten gefangen. Da gab es keinen Hochton, der auf sich aufmerksam machte, keinen Bass, der besonders schlank oder zu mächtig agierte, kein Mitteltonbereich, an dem irgendetwas nervte oder besonders herausragte: die Kanta machte einfach Musik. Schlüssig. Stimmig. Bezaubernd.

Ich habe erst einmal eine gute Stunde Musik gehört, bis ich mich an die Pflichten des Testers erinnert und versuch habe, Notizen auf den Block zu bekommen. Solche wie: Wie gut ist die Kanta No2 eigentlich im Hochtonbereich?

Antwort: überragend. Dieser neue Beryllium-Hochtöner spielt komplett unauffällig und zeigt dennoch jedes noch so kleine Detail.

Ein Triangel schwingt absolut natürlich aus, die packenden Obertöne der Gitarren in David Sylvians „When Poets Dreamed Of Angels“ (Album: Secrets Of The Beehieve) flirren absolut mühelos. Dadurch bekommt die Musik eine wunderschön geschmeidige Leichtigkeit.

Oder Stimmen. Wieder David Sylvian. Die eigenwillig brüchige Stimme des Briten klingt mit der Focal so natürlich und richtig, so ausdrucksstark. Die Wiedergabe hat Wärme und Kraft und all jene Nuancen, die die Stimme eben so besonders machen.

Coverbild Mahler Sympjonie No 5 Claudio Abbado
Die Aufnahme der Fünften mit den Berliner Symphonikern unter Claudio Abbado ist mit das Beste, was es zum Thema Mahler überhaupt gibt (Cover: Amazon)

Es fällt schwer, bei einem so stimmigen Klangbild einzelne Bereiche herauszugreifen. Und doch muss ich auch beim Bass sagen, dass ich einen so habhaften, kraftvollen, aber nie drückenden Bass in dieser Klasse selten gehört habe.

Wie auch die Räumlichkeit, mit der die Focal Kanta No2 ein beeindruckend großes Klangbild aufzieht. Bei Mahlers Fünfter Symphonie (Leitung: Claudio Abbado) hatte ich den Eindruck, der Raum sei mindestens 50 Meter tief. Umwerfend.

Die Mahler Aufnahme eignet sich auch vorzüglich, um die Dynamik eines Lautsprechers auszuloten. Wie die LowBeats Messungen zeigen, ist die Focal Kanta No2 ja erstaunlich verzerrungsarm; der von uns ermittelte Spitzenschalldruckpegel liegt bei 114 Dezibel – pro Box.

Spielen beide zusammen, addiert sich das auf stattliche 118 Dezibel. Man kann also mit der Kanta No2 Mahlers Fünfte fast in Originallautstärke hören, ohne dass die Verzerrungen überhandnehmen. Es hat etwas sehr Erhabenes, wenn die Pauken einsetzen, nachdem man den Lautstärkeregler vorher großzügig nach rechts gedreht hat…

Hat die Kanta No2 in so einer Form überhaupt ernsthafte Konkurrenz? Wenig. Die wahrscheinlich stärkste fungiert im LowBeats Hörraum als Klassenreferenz: die B&W 804 D3.

Und tatsächlich zeigt die B&W noch etwas mehr Grip und Auflösung in den Mitten, mehr Genauigkeit in den Bässen. Sie zieht den Hörer mit noch mehr Präzision in die Aufnahmen und zelebriert jedes einzelne Musikinstrument.

B&W 804 D3
Die Focal Kanta No2 hat nur wenige ernsthafte Mitbewerber. Die B&W 804 D3 ist derzeit wohl das schwerste Kaliber (Foto: H. Biermann)

Doch an einigen Stellen wirkte die B&W im Vergleich zur Focal auch wie die gestrenge Gouvernante, die immer auf Genauigkeit pocht, weshalb der Spaß des Lebens manchmal droht, an ihr vorbeizuziehen.

Die Kanta No2 spielt lockerer, zeigt mehr Wärme in den Stimmlagen und hat an den Stellen, wo sie nicht ganz so genau wie die B&W agiert, eine äußerst sympathische Art des laissez faire. Für einen langen, genussvollen Musikabend ist die Kanta sicherlich besser geeignet.

Fazit

Die Focal Kanta No2 ist ein Lautsprecher, wie man ihn nicht alle Tage findet. Über Form und Aussehen lässt sich ja immer streiten, in diesem Falle aber nur schwer – zumal es ja auch noch acht Farbvarianten gibt. Und ihre Verzerrungsarmut und klangliche Natürlichkeit stehen eh über jeder Diskussion.

Die Kanta ist ein gesamtheitlicher Lautsprecher, der alles ziemlich gut kann, dessen immense Natürlichkeit und Abbildungstiefe aber sogar maßstabsetzend sind.

Dieser Lautsprecher kann sehr viel und das, was er nicht kann, umschifft er ausgesprochen sympathisch. Eine ganz dicke Empfehlung.

Focal Kanta No2 Farbvarianten
Die Kanta No2 gibt es derzeit in acht Farbausführungen – klasse. Aber auch die Proportionen stimmen: Inklusive Standfuß hat sie hat die Abmessungen 112 x 32,1 x 47,7 cm (H x B x T) und ein vertrauensförderndes Gewicht von 35 Kilo pro Stück (Foto: Focal)
Focal Kanta No2
2018/03
Test-Ergebnis: 4,5
Überragend
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Harmonisch feiner, natürlicher Klang
Sehr räumlich
Ungewöhnlich hohe Verzerrungsarmut
8 Farbvarianten zur Auswahl

Vertrieb:
Music Line
Hainbuchenweg 14–18
21224 Rosengarten
www.music-line.biz

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Focal Kanta No2: 8.000 Euro / Paar

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Mit- und Gegenspieler im Hörtest:

Audiolab 8300 MB – Top Mono-Endstufen für 2.400 Euro
Test Line-Preamp Questyle CMA800P – der Purist
Test Atoll IN 300: DAC-Amp mit Kraft und Feindynamik
Test B&W 804 D3 – die unterschätzte Spitzenbox
NAD C 316BEE V2: der Budget-Vollverstärker
Test Rega Brio 2017: traditionell musikalisch


Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.