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LB-acoustics MySphere liegend vorn
Der LB-acoustics MySphere ist ein nicht aufliegender "Hover Ear"-Kopfhörer. Sein Preis liegt bei 4.000 Euro (Foto: F. Borowski)

Test LB-acoustics MySphere: der „Hover Ear“-Kopfhörer

Wahre Innovationen am Kopfhörermarkt sind selten geworden. Der LB-acoustics MySphere ist eine echte Ausnahme von dieser Regel, denn er umgeht einige Problemfelder allein schon durch seinen Aufbau. Kopfhörer mit geschlossenen Ohrpolstern nutzen stets den sogenannten Druckkammer-Effekt.

Dieser sorgt u.a., dafür, dass auch in kleinen Räumen sehr tiefe Frequenzen wahrgenommen werden können, die ansonsten aufgrund ihrer Wellenlänge eigentlich unhörbar sein müssten. So kann man beispielsweise auch in der kleinen Fahrgastkabine des Autos tiefste Bässe erleben – oder eben mit Kopfhörern. Der Druckkammereffekt hat Vorteile. Tritt er auf, spielen Raumresonanzen keine Rolle mehr.

Aber er kommt bei Geräuschen in der Natur oder auch bei Konzerten normalerweise nicht vor. Zumindest nicht dauerhaft. Er verfälscht das natürliche Klangbild und hat stets einen artifiziellen Charakter. Tiefe Töne entstehen damit nur durch Kompression und Dekompression einer mehr oder weniger abgeschlossenen Luftmasse, was dafür sorgt, dass man sich wie in einer Kiste sitzend fühlt – und was beim Auto ja auch buchstäblich zutrifft.

Für eine möglichst naturgetreue Wiedergabe sollte der Trick mit dem Druckkammereffekt aber möglichst vermieden werden. Hier kommen Kopfhörer offener Bauweise ins Spiel. Und mein aktueller Testkandidat, der LB-acoustics MySphere, ist der offenste dynamische Kopfhörer überhaupt.

Rückblende: Vor fast 30 Jahren, genauer gesagt 1989, sorgte AKG mit einem ungewöhnlichen Bügelkopfhörer namens K1000 für Aufsehen. Statt die Treiber wie üblich in mehr oder weniger große Kapseln zu montieren, welche die Ohren entweder gänzlich umschließen oder auf den Ohrmuscheln aufliegen, ließen die Entwickler des K1000 stattdessen die Schallwandler in kurzer Distanz vor den Ohren schweben.

Dazu nutzten sie einen Kopfbügel mit gepolsterten „Abstandhaltern“, die knapp oberhalb der Ohrmuscheln auflagen, um die Treiber auf die gewünschte Distanz zu bringen. Die somit frei schwebenden Treibergehäuse konnten außerdem im Winkel zu den Ohrmuscheln angestellt werden. Der Grundgedanke dahinter war, einen Lautsprecher-ähnlicheren Klang zu erzeugen.

AKG K 1000
Vorbild des MySphere: Der legendäre AKG K1000

Die Idee war nicht gänzlich neu. Einen ähnlichen Ansatz gab es schon Anfang der Siebziger mit dem berühmt-berüchtigten Jacklin Float. Aber dessen Umsetzung mit elektrostatischen Wandlern und nicht im Winkel veränderbaren Treibern in einem breiten Kopfbügel, der eher an einen Kopfhörer-Halter als an einen Kopfhörer erinnert, hatte viele Tücken. Allein der Tragekomfort des Jacklin war eine Katastrophe.

Kopflautsprecher Jecklin Float (1972)
Kopflautsprecher: Der elektrostatische Jacklin Float von 1972

Der AKG K1000 machte vieles besser und arbeitete mit anspruchsvollen elektrodynamischen Wandlern. Mit der damals verfügbaren Treiber- bzw. Antriebstechnologie waren den dynamischen Fähigkeiten eines derart offenen Kopfhörers jedoch Grenzen gesetzt. Das Konzept konnte sich zwar nicht auf breiter Front durchsetzen, war und ist aber genial.

Zurück in die Gegenwart: Computersimulation, Laser-Doppler-Technik, 3D-Fertigungstechniken, Neodymmagneten, exotisch anmutende Membranmaterialien und Präzisionsfertigung machen heute Dinge möglich, die vor 30 Jahren noch undenkbar waren.

Und genau das – plus dem anhaltenden Kopfhörer-Boom – hat nun zwei der ehemaligen Entwickler des K1000 dazu bewegt, dem Konzept des „Kopflautsprechers“ eine neue Chance zu geben. Helmut Ryback, heute Geschäftsführer der LB-acoustics Messgeräte GmbH in Österreich, und sein Mitarbeiter und damaliger AKG-Entwicklungspartner Heinz Renner hoben das Projekt MySphere aus der Taufe.

Statt einer Weiterentwicklung des K1000 ist der LB-acoustics MySphere eine komplette Neuentwicklung. Absolut alles an diesem außergewöhnlichen Kopfhörer – wenn man ihn denn so nennen kann – ist anders. Nur das Grundkonzept des K1000 nicht.

Als ich etwa Mitte letzten Jahres vom Projekt MySphere erfuhr, war mir sofort klar, dass es sich hierbei um eine der innovativsten und anspruchsvollsten Entwicklungen im Kopfhörerbau seit vielen Jahren handelt und ich musste unbedingt ein Testmuster in die Finger bekommen. Vor einigen Wochen, als das Projekt Serienreife erlangte, war es dann endlich so weit.

Lieferumfang und Design des LB-acoustics MySphere

Geliefert wird der MySphere standardmäßig in einer sehr schicken Alu-Transportbox. Später soll es optional noch ein anderes, flacheres Case für Reisen geben.

LB-acoustics MySphere Aufbewahrung
In seinem robusten „Flight Case“ ist der MySphere samt Zubehör sicher aufgehoben. Demnächst soll es optional noch ein flacheres und damit gepäckfreundlicheres Case geben (Foto: F. Borowski)

Zum Lieferumfang gehört nicht viel, denn es braucht auch nicht viel. – Zum Glück! Neben dem Hörer finden sich im Alu-Koffer ein paar Dokumente, ein Samtbeutel mit dem zugehörigen Anschlusskabel (dazu gleich noch mehr) und ein USB-Stick.

Auf letzterem sind neben der Anleitung als PDF und einer Datei mit Rosa Rauschen auch die individuellen Messdaten des MySphere quasi als Backup gespeichert. Sollte mal einer der Hörer ausfallen, kann LB-acoustics anhand dieser Daten einen exakt zum anderen Treiber passenden Ersatz liefern, den der Kunde mit wenigen Handgriffen selbst ersetzen kann. Die Einsendung zum Hersteller ist damit nicht erforderlich.

Das ist übrigens eines der bestechendsten Designmerkmale des LB-acoustics MySphere, dass er sich kinderleicht in seine Einzelteile zerlegen lässt. Was im Servicefall natürlich enorm zeit- und kostensparend ist. Darüber hinaus lassen sich die Polsterteile leicht abnehmen und mit simplem Seifenwasser reinigen, ja sogar in die Waschmaschine geben (bei 30 Grad).

Der Kopfhörer selbst schlägt optisch – im positivsten Sinne – aus der Art. Er wirkt wie ein Utensil aus einem Science Fiction-Film: Modern, eigenständig, und, für meinen Geschmack, äußerst elegant. Das Beste dabei: er trägt nicht dick auf. Klappt man die Treibergehäuse weit nach außen, sieht das zwar schon sehr ungewöhnlich aus, aber nicht so wulstig, wie die berühmten Prinzessin-Leia-Ohrkappen (Sowas gibt’s tatsächlich als Kopfhörer!) oder ein beliebiges Retrodesign, sondern irgendwie … spacig! Ich find’s toll.

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LB-acoustics MySphere Ansicht liegend von vorn
Futuristisches und eigenständiges Design (Foto: F. Borowski)
LB-acoustics MySphere Ansicht liegend von unten
Der MySphere liegend von unten (Foto: F. Borowski)
LB-acoustics MySphere Ansicht von oben
Der MySphere von oben (Foto: F. Borowski)
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Die Technik des LB-acoustics MySphere

Alle technischen Details des eigenwilligen Kopfhörers kann ich hier nicht komplett aufzählen. Die zahllosen Details, mit denen sich die Entwickler beschäftigt haben, sind aber wirklich beeindruckend. Und das merkt man dem MySphere in jeder Faser an.

Derzeit ist er in zwei Varianten mit den Modellnummern 3.1 oder 3.2 erhältlich. Der einzige Unterschied besteht in der Impedanz der Spule. Bei meinem Testmuster handelt es sich um das Modell 3.1 mit 15 Ohm Impedanz. Damit passt er bestens zu meinem DAC/Pre/Kopfhörerverstärker-Arbeitsgerät, dem T+A DAC 8 DSD.

Dessen Kopfhörerausgang ist nicht irgendeine Beigabe, sondern kann mit einigen der besten Kopfhörerverstärker am Markt sehr gut mithalten. Seine Ausgangsimpedanz wurde von den Herfordern absichtlich nicht „so niedrig wie möglich“ gewählt, sondern liegt aus klanglichen Gründen bei 22 Ohm.

Auch andere Hersteller wie Sennheiser sind der Meinung, dass die niedrigste Ausgangsimpedanz klanglich nicht automatisch die Beste ist. Der MySphere mit seinen 15 Ohm passt jedenfalls aus elektrischer Sicht ausgezeichnet zum T+A. Und das hat sich auch klanglich bestätigt.

Damit, und dank seiner recht hohen Empfindlichkeit von 96 dB / 1 mW RMS, kann er auch an Smartphones oder hochwertigen Mobilplayern betrieben werden. Die Modellvariante MySphere 3.2 hat hingegen 110 Ohm und eignet sich damit für ganz niederohmige Solid State Verstärker oder reine Röhrenverstärker, die im OTL-Modus betrieben werden können.

LB-acoustics MySphere Ambiente mit T+A
Der MySphere 3.1 (15 Ohm) harmoniert hervorragend mit dem T+A DAC 8 DSD (Foto: F. Borowski)

Sämtliche Metallteile werden mittels 5-Achsen CNC-Maschinen gefertigt, per Diamant-Fräser poliert und danach hart eloxiert. Einige Gravuren erfolgen per Laser. Der Bügel ist aus Chrom-Nickel-Federstahl und wird mittels Ätztechnik beschriftet. Die Kunststoffteile sind aus Polyamid 12 und damit sehr haltbar und elastisch.

Die abnehmbaren „Ohrpolster“ (in Anführungszeichen, weil sie ja eigentlich gar nicht auf den Ohren aufliegen) sind in aus massivem Alu gefräste Rahmen eingespannt, welche magnetisch und durch äußerst exakte Führungsstifte unterstützt am Treibergehäuse (von LB-acoustics „Soundframe“ genannt) befestigt werden.

Die Treiber selbst sind ebenfalls komplett von LB-acoustics neu entwickelt worden. Das Magnetsystem besteht aus 20 ringförmig um die Spule angeordneten Neodym Einzelmagneten, die eine entsprechend hohe Durchlüftung gewährleisten. Die Spule wiederum ist wahlweise mit 15 oder 110 Ohm Impedanz erhältlich (MySphere 3.1 oder 3.2).

Die Membrane ist zweigeteilt, besteht aus einem Glas/Luft/Harz-Gemisch und ist für extrem lange Hübe und hohe Pegel ausgelegt. Neuartige, zum Patent angemeldete und im 3D-Additiv­-Verfahren hergestellte Absorber sorgen für die Feinabstimmung.

Die sehr luftdurchlässigen Absorber haben tausende unterschiedlich große Engstellen, die keinerlei resonante akustische Wirkungen haben sollen. Dadurch wird ein gewollter akustischer Widerstand erzeugt, ohne negative Auswirkungen auf das Impulsverhalten zu haben.

Seite 1 LB-acoustics MySphere: Konzept, Design, Technik
Seite 2 MySphere: Tragekomfort, Klang, Fazit, Bewertung

Autor: Frank Borowski

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LowBeats Experte für Schreibtisch-HiFi und High End kennt sich auch mit den Finessen der hochwertigen Streaming-Übertragung bestens aus. Zudem ist der passionierte Highender immer neugierig im Zubehörbereich unterwegs.