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Lautsänger Journey Mk II
Man sieht es ihm nicht an: Der Lautsänger Journey Mk II spielt dank eines Kymatik-Tunings wunderbar harmonisch und musikalisch. Sein Preis: 650 Euro (Foto: Lautsänger)

Test Kopfhörer Lautsänger Journey MK II vs. Meze 99 Neo: was bringt die Kymatik?

Die rumänische Marke Meze hat sich bereits seit einigen Jahren einen guten Ruf als Hersteller von bemerkenswert guten Kopfhörern in verschiedenen Preisklassen gemacht. Kein Wunder also, dass die noch junge Manufaktur „Lautsänger“ aus dem Odenwald genau diese Meze-Modelle als Basis nutzt, um sie nach Ihren Prinzipien der „Kymatik“ mit eigens entwickelten, handgefertigten Tools aufwändig zu modifizieren. Wir setzen uns neugierig den Meze 99 Neo und den weitgehend baugleichen Lautsänger Journey MK II aufs Haupt und beantworten die Frage: Was bringt das „Kymatik“-Tuning?

Es soll ja Dinge zwischen Himmel und Erde oder sogar darüber geben, die sich nicht so recht oder einfach erklären lassen. Zumindest auf den ersten Blick. Manchmal auch nach mehreren. Im akustischen Universum zwischen Aufnahme und hifideler Wiedergabe führen viele, oft sehr unterschiedliche Wege zu Wohlklang. Zum Beispiel im Lautsprecherbau: Da gibt es schier unendliche Weiten.

Da Kopfhörer letztendlich auch „Laut“-Sprecher mit direktem Kopfkontakt sind, gilt das Vielfaltsprinzip auch für sie. Da tummeln sich mehrere Übersetzungsphilosophien mit jeweils unterschiedlichsten Herangehensweisen wie aus dem Tonsignal Wohlklang entstehen soll: Dynamiker, Elektrostaten und neuerdings vermehrt Magnetostaten prägen das Bild. Und nicht alle Marken erfinden dabei das Rad neu.

Nur selten dienen im HiFi-Bereich Produkte von der Stange als Basis für Modifizierungen. Im Automobilbereich ist das seit Jahren gang und gäbe, dass Tuning-Ingenieure Hand anlegen. Wie beispielsweise AMG bei Mercedes-Modellen. Doch es gibt auch Beispiele in der Highend-Welt. Ein Michael Swoboda hatte einst ein prima Händchen beim Pimpen von Sony-Oberklassen-CD-Playern der ES-Serie, was ihm sogar ein paar „Goldene Ohren“ bei AUDIO einbrachte.

Und nun Lautsänger. Firmenchef Harald Hobelsberger und sein Team verfolgen ihr Ziel nach ganz eigenen Regeln der Klangkunst, Kopfhörer in höhere Klanggefilde zu entführen. „Kymatik“ heißt das geflügelte Wort hinter dem eine, sagen wir, grundlegende Philosophie steht, die sich in diesem Fall auf die Akustik positiv auswirken soll. Zumindest wenn man – wie Lautsänger es von sich behauptet – den Bogen raushat, indem Erfinder, Wissenschaftler und Feinmechanik-Handwerker eine Liaison eingehen. 2015 gründeten Künstler und Wissenschaftler aus 16 Ländern die „Schule für Kymatik“. Andere beziehen sich auf die Erkenntnisse von Hans Jenny aus den 1960er Jahren. Jenny animierte Wasser mit verschiedenen Frequenzen. Damit entstanden die organisch anmutenden Muster, die man vielleicht schon einmal gesehen hat.

Kymatik Muster
Schüttet man Sand oder Wasser auf eine Platte und regt sie anschließend mit Sinuswellen an, entstehen – je nach Frequenz – unterschiedliche Muster, die erstaunlich stabil sind

Nach Hobelsbergers Kymatik-Interpretation können Töne und Klänge Stoff und Materie auf unverwechselbare Weise formen, sozusagen als ordnende Kraft wirken und beispielsweise auf schwingenden Oberflächen gut sichtbar sind. Der diplomierte Lautensänger-Chef hat deshalb meist eine solche Platte plus Sinus-Generator zur Demonstration zur Hand. Das ist immer sehr hübsch anzuschauen.

Aber Hobelsberger sieht beileibe nicht nur die Schönheit dieses Phänomens. Er macht zudem zwei Kräfteprinzipien aus: ein explosives, zentrifugales und ein implosives, zentripetales. Hobelsberger: „Wir sprechen hier zur besseren Unterscheidung beider Kräfte von Schalldruck und Klangsog. Der Kopfhörer kann allerdings konstruktionsbedingt bislang nur den zentrifugalen Anteil, also den Schalldruck, reproduzieren.“ Die implantierten passiven Kymatik-Komponenten am Treiber und am Gehäuse sollen das zweite Kräfteprinzip mit einbinden. Ziel: „ein natürliches Klangbild“ mit „Live-Feeling, verbesserte Räumlichkeit sowie verbesserte Differenzierbarkeit von Stimmen und Instrumenten.“

Lautsänger
Kunstfertig: Teile der Modifizierung legt Lautsänger in erfahrene Handwerkerhände (Foto: Lautsänger)

Wenn jetzt bei dem ein oder anderen Leser der Eindruck entsteht, dass ich hier ziemlich im Dunklen tappe, der liegt komplett richtig. Weder ich noch die anderen Kollegen der LowBeats Redaktion können sich einen genauen Reim darauf machen, was das kymatische Element im Jorney MKII bewirkt – zumal Lautsänger keineswegs zu viel über die tatsächlich vorgenommenen Arbeiten verrät. Was wir wissen: Lautsänger bearbeitet in einem aufwändig-handwerklichen Vorgang eine Platte aus Akustikholz, die hinter dem Treiber sitzt. Wahrscheinlich werden mich jetzt die Kymatiker schimpfen, aber es ist den Meta-Elementen hinter den KEF-Hochtönern nicht unähnlich. Und welche Modifikationen genau am Treiber passieren, bleibt vollkommen im Unklaren.

Lautsänger Journey Mk II: der Rahmen

Lautsänger rekrutiert die Basisversion, den Meze 99 Neo, vom headphoneshop in Heidelberg. Und Harald Hobelsberger hat Antonio Meze „seinen“ Journey sogar persönlich vorgestellt. Firmengründer Meze soll dabei „positiv überrascht“ gewesen sein, vielleicht sogar „ein wenig geschmeichelt“, dass die Wahl ausgerechnet auf seine Manufaktur fiel. Den Vertrieb des Lautsänger Journey MK II übernehmen zwölf Händler hierzulande. Die Homepage von lautsaenger.de listet sie auf.

Lautsänger Jorney MKII
Kein offenes Geheimnis: Ohne Ohrmuscheln zeigt sich die Meze-Anordnung – die Kymatik-„Organe“ liegen dahinter (Foto: C. Dick)

Womit wir zu den Gemeinsamkeiten der beiden geschlossenen Over-Ear-Modelle kommen. Die sind nämlich bis auf die Kymatik-Komponenten gleich. Optisch auch, bis auf das zusätzlich angebrachte Lautsänger-Logo an einer der Kunststoff-Ohrmuscheln.

Hier wie dort klasse: Die Kevlar-umhüllten Kupferkabel lassen sich mit einem sanften Klick einzeln links und rechts andocken. Im Mittelteil-Clip sitzen Mikrofon und Fernbedienung für das Teamwork mit Smartphones. Ebenso prima: Die soften Kunstleder-Ohrpolster sowie der smarte Federzug-Kopfbügel mit Metallanteilen verleihen im Verbund mit dem Leichtgewicht von 260 Gramm und dezentem Andruck einen außerordentlich angenehmen Tragekomfort. Die Haptik wirkt auch sehr angenehm, gemessen am Neo-Preis von knapp 200 Euro sogar sehr hochwertig. Allerdings übertragen die Kapseln leicht Körperschall, was manchmal stören kann.

Lautsänger Jorney MKII Ohrpolster
Clever & Smart: Die Hörmuscheln lassen sich kinderleicht abnehmen – und nicht ganz so einfach wieder aufziehen (Foto: C. Dick)

Drinnen werkeln 40-Millimeter-Neodynm-Magneten nach dem dynamischen Prinzip. Im Grunde also nichts Besonderes im Kopfhörerbau. Bis auf die Kymatikelemente des Lautsänger-Modells.

Wo in Bezug auf Aufbau und Konzeption zu Vieles im Vagen bleibt, haben wir im HiFi den Vorteil mit unbestechlichen Instrumenten ausgestattet zu sein: unseren Ohren. Und der Hörtest unterscheidet so gut wie immer zwischen gut und besser…

Der Klang von Lautsänger Journey MK II und Meze 99 Neo

Da wir es mit Preisen von rund 200 und 650 Euro zu tun haben, traten diverse Konkurrenten mit unterschiedlichen Wandlerprinzipien auf den Plan. Wie der Hifiman HE400se (ca. 150 Euro, Magnetostat), sein größerer Bruder „Sundara“ (ca. 350 Euro, ebenfalls Magnetostat). Nach oben grenzte der Sennheiser HD 800 S (1.800 Euro, dynamisch) den Wettbewerbs-Parcours ab.

Lautsänger Jorney MKII mit Meze 99 Neo und Sennheiser HD 600
Ménage à trois: Meze 99 Neo, Lautsänger Journey Mk II und Sennheiser HD 800 S (Foto: C. Dick)

Die Lausch-Sessions starteten mit This Is The Kit, die mit ihrer tollen Live-Session in Manchester („From Old Granada Studios“) begeistern. Der 99 Neo ging dynamisch und packend zu Werk: Die Klöppel hämmerten pointiert auf das Drumset, die Stimme von Kate Stables gefiel durch große Ausgewogenheit. Nur in komplexen Passagen hätte etwas Auffächerungs-Potenzial gutgetan. Der Lautsänger Journey MK II entwarf hier ein etwas offeneres, stimmigeres Gesamtklangbild.

Ebenfalls positiv im Ohr tönen die Alternative-Rocker The National, beispielsweise mit ihrem Rock-Drive von „Eucalyptus“. Der Neo 99 überraschte dabei mit seinem hohen Maximalpegel, ohne nervig zu werden. Der Journey MK II kann – natürlich – ebenso laut, trumpfte aber zusätzlich durch seine etwas charmantere Gangart und etwas mehr Raumgefühl auf.

Wir wechselten zur Klassik: Star-Cellistin Sol Gabetta begeisterte mit „Shostakovich Concerto for Cello n° 2“ mit dem Orchestre de Paris unter Klaus Mäkelä: der Lautsänger sonor, körperhaft, beinahe mit einem akustischen Duft, der 99 Neo etwas nüchterner, etwas weniger lebendig. Doch auch die Konkurrenz von Hifiman punktete stark mit tollem Raumgefühl, jedoch mit weniger innerer Strahlkraft als der Lautsänger. Der wiederum fand seinen Meister im Highend-Kopfhörer Sennheiser, der noch mehr Feindynamik, Präzision und Auflösung ins Spiel brachte – der aber auch um einiges teurer ist als der Kymatik-Hörer.

Die Jazz-Fraktion stellte der norwegische Trompeter Mathias Eick mit seinem Album „Skala“ von 2011 (ECM Records). Luftig und smooth agierte der Meze, der Journey MK II etwas feiner, klarer artikuliert, jedoch teils weniger entschlackt als der Neo 99.

Eick Cover
Klassisch audiophile ECM-Einspielung: Mathias Eick „Skala“ (Cover: Qobuz)

Die Hi-Res-Fraktion bediente unter anderem Elton John mit seinem „Captain Fantastic…“ (Rocket-/Island, Universal Music), ein für Popverhältnisse vor mittlerweile beinahe einem halben Jahrhundert hervorragend aufgenommenes Album. Highlights: „Someone Saved My Life Tonight“, mit herrlichen mehrstimmigen Vocals und knochentrockenen Drum-Donnerschlägen von Nigel Olsson auf „Curtains“. Der Song stellt Lautsprecher und Kopfhörer auf eine harte Probe. Alles auf den verschiedensten Anlagen und mit den unterschiedlichsten Lautsprechern und Kopfhörern hundertfach gehört.

Die Meze-/Lautsänger-Brüder agierten dabei recht überzeugend: Mit prima Durchhörbarkeit, Staffelung und Stimmtimbre. Der Lautsänger setzte sich auch hier wieder unangestrengter, gefälliger in Szene, wenngleich die Drum-Attacken zwar tief, aber etwas weniger präzise als beim 99er erfolgten. Der Hifiman 400 und sein „größerer“ Bruder Sundara zeichneten ebenfalls ein sehr schön aufgelöstes Klangbild, der 400er jedoch mit weniger Biss im Tieftonkeller, der Sundara eher einen Tick zu silbrig in den Höhen. Und der Sennheiser gefiel wieder mit fantastischer, räumlicher Durchhörbarkeit. Der Lautsänger Journey MK II lieferte somit unterm Strich ein angenehmes, ganzheitliches Klangbild ab, das allen Genres Stand hält.

Fazit Lautsänger Journey MK II vs Meze 99 Neo

Der Laie staunt, der Fachmann wundert sich. Das „Kymatik“-Prinzip generiert in der Tat ein Plus an Klangqualität: Der „Normalo“ Meze 99 Neo überzeugt als sympathischer Preis-/Leistungscrack mit tollen, ausgewogenen akustischen Fähigkeiten, klasse Sitz und Leichtgewicht, der in seiner Preisklasse um 200 Euro mehr als ein Ausrufezeichen setzt. Der Lautsänger Journey MK II verleiht der modifizierten Basisversion mehr Flügel, sozusagen das gewisse Extra an ganzheitlicherem, noch entspannterem Musikgenuss. Wir sind zwar nicht genau dahintergekommen, was Lautsänger eigentlich macht, aber es funktioniert eindrucksvoll in jene Richtung, die die Odenwälder versprechen: mehr Wärme, mehr Harmonie, mehr Musikalität. Insofern interessant.

Ob das aber den dreifachen Preis rechtfertigt? Im HiFi verläuft der klangliche Zugewinn beziehungsweise der dafür zu bezahlende Preis ja nie linear, sondern exponentiell. Und wer viel Stimmen und akustische Instrumente hört, dem sind diese Vorzüge des Lautsängers sicherlich den deutlichen Aufpreis wert. Zumal er wie der Meze 99 Neo mit tollem Sitz und prima Wirkungsgrad punktet und sich somit auch als unkomplizierter Reise-Begleiter an Smartphone oder Tablet empfehlen kann.

Enorm ausgewogenes, ganzheitliches, transparentes sowie sehr langzeittaugliches Klangbild
1a-Tragekomfort
Gute Verarbeitungsqualität
Preis deutlich höher als die der Basisversion des Meze 99 Neo

Vertrieb
Lautsänger GmbH
Brentanostraße 23
69434 Hirschhorn
www.lautsaenger.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Lautsänger Journey Mk II: 649 Euro
Optional: Bluetooth-Adapter (179,- Euro)

Meze 99 Neo
2023/08
Test-Ergebnis: 4,7
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Ausgewogenes, recht räumliches sowie sehr langzeittaugliches Klangbild
1a-Tragekomfort
Tolle Verarbeitungsqualität
Top-Preis-Leistungsverhältnis

Vertrieb Meze 99 Neo:
Headphonecompany / headphone.shop gmbH
Neue Stücker 13
69118 Heidelberg
www.headphone.shop

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Meze 99 Neo: 199 Euro

Technische Daten

Meze 99 Neo + Lautsänger Journey MK II
Konzept:Over-Ear-Kopfhörer in akustisch geschlossener Bauweise
Bestückung40mm Treiber, dynamisch, Neodym-Magneten
Frequenzbereich:15 – 25.000 Hz
Impedanz:26 Ohm
Pegel:103 dB @1kHz/1mW
Zubehör:Innentasche für Kabel und Adapter, Anschlusskabel 1,5m Kevlar mit sauerstofffreiem Kupfer und Inline-Mikro/-Fernbedienung, vergoldeter 6,3mm-Adapter
Gewicht:
260 Gramm
Alle technischen Daten
Mit- und Gegenspieler:

Hifiman 400se
Sennheiser HD800S

Autor: Claus Dick

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Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.