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Test LB-acoustics MySphere: der „Hover Ear“-Kopfhörer

LB-acoustics MySphere Treibertechnik
Treiberaufbau: Die Wandler sind eine Eigenentwicklung und arbeiten mit ringförmig angeordneten Magneten und einer zweiteiligen Membran aus einem Glas/Luft/Harz-Gemisch

Schutzgitter vor und hinter dem Treiber dienen als Staub- und Spritzwasserschutz nach IP45-Schutzklasse. Man könnte den MySphere demnach sogar im Regen oder unter der Dusche nutzen! Das erlebt man bei High End Kopfhörern auch nicht alle Tage.

Das ganze Treibersystem ist akustisch aber komplett offen. Genau darum geht es ja bei all dem Aufwand: eine Konstruktion vollkommen frei von Gehäuseklang zu verwirklichen.

LB-acoustics MySphere Treiber
Die Ohrpolster sind in einen massiven Alu-Rahmen eingespannt, der magnetisch am „Soundframe“ gehalten wird. Die Treiber sind sogar spritzwassergeschützt (Foto: F. Borowski)

Alle elektrischen Teile sind streng symmetrisch aufgebaut. Im Hörer selbst ist die Verdrahtung sogar auf 1 mm Toleranz in der Länge der Leiter exakt symmetrisch ausgelegt, wie Heinz Renner mir erklärte. Trotzdem haben die Macher auch an den Komfort gedacht. Man kann das vergleichsweise dünne, angenehm leichte Kabel wahlweise links oder rechts am Hörer anstecken. Auch diese Schaltung ist übrigens zum Patent angemeldet.

Die Kabel sind natürlich auch nicht von der Stange und bestehen aus versilbertem, sauerstofffreiem (OFC) Kupferdraht, der aus 8 feinen Einzellitzen besteht. Diese werden miteinander verflochten, um niedrige Kapazitäten und Induktivitäten zu erreichen. Das Kabel wird schlussendlich mit einem weichen, aber sehr reißfesten Gewebe ummantelt.

Folgende Kabeltypen sind derzeit erhältlich:
Im Lieferumfang: 1 Stk. 1,2 m Länge – 3,5 mm Klinke 3-polig vergoldet + 6,25 mm Schraubadapter

Optional:
3,5 m Länge – 3,5 mm Klinke 3-polig vergoldet + 6,25 mm Adapter
3,5 m Länge – 4-pol symmetrisch XLR vergoldet
1,2 m Länge – 4-polig 2,5 mm symmetrisch Klinke vergoldet

In Vorbereitung: 3,5 m Länge – 4-polig, 4,4mm symmetrisch Pentaconn
Sonderanfertigungen auf Anfrage

LB-acoustics MySphere Kabel
Das mitgelieferte Kabel ist symmetrisch aufgebaut, angenehm dünn und flexibel und kann wahlweise links oder rechts am Bügel angeschlossen werden (Foto: F. Borowski)

Die Justage

Wichtig zu wissen ist, dass mehr als bei anderen Kopfhörern der richtige Sitz und die Justage der Treiber beim MySphere für den Klang entscheidend sind. Aber so schwer ist das gar nicht. Man setzt dafür den Bügel einfach, wie im folgenden Bild aus der Bedienungsanleitung zu sehen, auf den Kopf.

LB-acoustics MySphere: der perfekte Sitz
So sitzt der MySphere richtig (Grafik: LB-acoustics)

Anschließend verstellt man die in einer Art Schlittenführung sitzenden Treiber in der Höhe, was rein nach Gehör erfolgt. Dazu spielt man entweder Musik oder bedient sich der auf dem USB-Stick mitgelieferten Datei mit Rosa Rauschen. Beim Verstellen merkt man sehr deutlich, wie sich die Klarheit der Wiedergabe verändert. Hat man einmal den richtigen Punkt für seine Ohren gefunden – der für das linke und rechte Ohr durchaus unterschiedlich sein kann – merkt man sich diesen einfach anhand der auf dem Bügel eingeätzten Skala. Die Höheneinstellung bleibt von da an für den Träger eigentlich immer gleich.

LB-acoustics MySphere Größenvergleich
Die Justierung der Höhe ist enorm wichtig und kann über eine Skala abgelesen werden (Foto: F. Borowski)

Ganz im Gegensatz zu dem Anstellwinkel der segelartigen Treibergehäuse. Diese wird man, je nach Laune und Musikmaterial, immer wieder mal etwas verstellen. Dadurch lässt sich das Klangbild auf einfache und intuitive Weise feintunen, um beispielsweise etwas mehr Bass und Direktheit oder mehr Distanz und Bühnenwirkung zu erzielen. Dass man deswegen oft nachjustiert, ist daher meiner Ansicht nach kein Nachteil, sondern ein klarer Vorteil, weil es mehr Flexibilität bedeutet. So wie auch das lange Sitzen am Schreibtisch viel angenehmer mit einem variablen Drehstuhl ist, der sich an die Sitzhaltung anpasst.

Auch in der der Disziplin Tragekomfort schlägt sich der LB-acoustics MySphere meisterlich. Auch wenn es wegen seiner ungewöhnlichen Konstruktion nicht danach aussieht, ist er einer der komfortabelsten Bügelkopfhörer überhaupt, sofern man nicht außergewöhnlich „großkopfert“ ist.

Ursache für den erfreulich hohen Tragekomfort des LB-acoustics MySphere ist, dass man eigentlich nur den Bügel spürt und sonst nichts. Der Bügel wird ähnlich wie ein Haarreif eher diagonal auf dem Kopf aufgesetzt. Die Oberkante sitzt dabei mehr im vorderen Bereich des Schädels, in Richtung Stirn. Die offenen Enden landen hingegen hinter den Ohren. Der Bügel selbst ist nicht verstellbar. „One Size Fits All“ heißt hier die Devise. Zumindest für meinen 08/15-Kopf passt der Bügel denn auch wie angegossen.

Dank seines vergleichsweise geringen Gewichts für einen High End Kopfhörer von selbst gewogenen 353 g (ohne Kabel) ist der Sitz auch bei schnellen Kopfbewegungen recht sicher, ohne dass der Bügel dabei besonders hohen Druck ausübt.

Von den Treibern – und das ist der entscheidende Punkt – spürt man nichts, denn sie schweben (engl.: „hover“, daher haben sich die Entwickler die clevere Bezeichnung „Hover Ear“ einfallen lassen) vor den Ohrmuscheln. Nur wenn man sie ganz nah anklappt, oder wenn man stärker abstehende Ohren hat, kommt es zum Kontakt der Ohrpolster mit den Ohrmuscheln. Aber selbst dann wird kein nennenswerter Druck ausgeübt, sodass die Ohren völlig frei und unbelastet bleiben. Auch das Ohrklima bleibt dadurch absolut unbeeinflusst. Nie mehr heiße Ohren wie bei On- oder Over-Ears und erst recht kein lästiger Pfropfen im Gehörgang, wie bei In-Ears.

Der Klang des LB-acoustics MySphere – spektakulär unspektakulär

Klanglich kann man den MySphere als spektakulär unspektakulär bezeichnen. Seine Neutralität ist beispielhaft, was ihn im Prinzip zu einem idealen Monitor-Kopfhörer für Musikschaffende macht. Gleichzeitig verkneift sich der MySphere die üblichen Fehler anderer Kopfhörer, wie eine übertriebene Bassabstimmung oder unangenehme Härten. Und dank seiner vollkommen offenen Konstruktion sind ihm Resonanzverzerrungen praktisch vollkommen fremd. Er kombiniert damit die Qualitäten feinster Elektrostaten mit den (grob-)dynamischen Eigenschaften herkömmlicher Treibersysteme.

Klappt man die Treiber weiter nach außen, verringert sich logischerweise durch den zunehmenden Abstand zum Ohr der Pegel. Dadurch verringert sich vor allem die Bassenergie. Das lässt sich nur bedingt durch Aufdrehen der Lautstärke ausgleichen. Will man es lieber etwas Basskräftiger, legt man die Treiber etwas näher an. Gerne auch so weit, bis die Polster die Ohrmuscheln leicht berühren. Diese Einstellung kommt herkömmlichen Top-Kopfhörern am nächsten, ohne dabei jedoch die herrliche Offenheit und Resonanzfreiheit zu verlieren oder merklichen Druck auf die Ohren auszuüben. Der Ton bleibt dabei stets frei von Kompressionseffekten und äußerst sauber definiert. Impulsfreudigkeit, Schnelligkeit, Auflösung etc. sind auf Topniveau.

Je weiter man die Treiber abklappt, desto weiträumiger und unaufdringlicher wird das Klangbild. Gegebenenfalls muss man hierbei die Lautstärke ein gutes Stück höher regeln. Tonal wird es mit ganz abgeklappten Hörern etwas schlanker, was man im ersten Moment als etwas blutleer empfinden könnte. Doch es kommt dabei auch sehr auf die Art der Musik an. Für Pop/Rock etc. wird man die Treiber wohl meistens etwas näher an die Ohrmuscheln anlegen, für Klassik ist eine etwas offenere Einstellung meist angenehmer. – Die Möglichkeit, die Intensität und Nähe der Musik damit selbst anpassen zu können, ist einer der größten Vorteile des LB-acoustics MySphere.

LB-acoustics MySphere Ambiente mit T+A
Die Kabel sind wahlweise links oder rechts anschließbar. (Foto: F. Borowski)

Das Im-Kopf-Gefühl wird man mit dem österreichischen „Hover-Ear“-Kopfhörer allerdings nicht los. Trotzdem kenne ich keinen anderen Kopfhörer irgendeiner Bauart, der Lautsprecher-ähnlicher klingt als der MySphere. Und das ist als Riesen Lob gemeint! Denn obwohl ich ein großer Kopfhörer-Fan bin, ist der Musikgenuss über Lautsprecher aus meiner Sicht noch immer der natürlichere Weg zum Musikgenuss.

Fazit LB-acoustics MySphere

Modern, eigenständig, innovativ, komfortabel, vielseitig einsetzbar und nicht zuletzt klanglich absolut überzeugend: der LB-acoustics MySphere hat das Zeug zum Klassiker! Das Konzept ist nicht einfach ein Abklatsch des legendären AKG K1000, sondern eine bis ins letzte Detail sorgfältig durchdachte Neuentwicklung die lediglich Anleihen beim K1000 macht.

Dass der MySphere auch noch so herrlich natürlich und zugleich so gar nicht nach Kopfhörer klingt, macht die Sache rund. Ich sag’s frei heraus: der MySphere ist für mich einer der besten Kopfhörer überhaupt. Nicht, weil er besonders spektakulär klingt, sondern so absolut unbestechlich und dabei nie lästig. Mit keinem anderen dynamischen Kopfhörer habe ich so viele Stunden am Stück gehört, ohne dass mein Gehör sich danach irgendwie überanstrengt angefühlt hat. Das ist sicher auch dem Umstand zu verdanken, dass man sich mit dem MySphere weder den Gehörgang verstopft, noch Druck auf oder um die Ohren ausübt und auch keine akustische Isolierung von der Umwelt erlebt. Eben wie beim Hören über Lautsprecher.

Was heißt das im Klartext? Der LB-acoustics MySphere ist meine neue persönliche Referenz für dynamische Bügelkopfhörer! Leider musste mich das Testmuster inzwischen schon wieder verlassen. Schnüf.

LB-acoustics MySphere
2018/06
Test-Ergebnis: 4,5
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Dynamischer, fein aufgelöster, sehr natürlicher, nie lästiger Klang
Exakt definierter Bass ohne Druckkammereffekte
Ausgezeichneter, langzeittauglicher Tragekomfort
Servicefreundlich und mit unterschiedlichen Impedanzen erhältlich

Vertrieb:
LB-acoustics Messgeräte GmbH
Bahnsteggasse 17-23
1210 Wien, Österreich
www.mysphere.at

Preis (Hersteller-Empfehlung):
LB-acoustics MySphere: ab 4.000 Euro

Weitere herausragende Over Ear Hörer:

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Autor: Frank Borowski

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LowBeats Experte für Schreibtisch-HiFi und High End kennt sich auch mit den Finessen der hochwertigen Streaming-Übertragung bestens aus. Zudem ist der passionierte Highender immer neugierig im Zubehörbereich unterwegs.