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The Beatles
Mit viel Raffinesse und viel KI veröffentlichen die Beatles noch einmal ein Stück: „Now And Then“

The Beatles „Now and then 2023“: der letzte Beatles-Song

Die Beatles veröffentlichen einen neuen Song – „und wir spielen alle mit“, ließ Paul McCartney wissen. Etwas für die Freaks? Nein, The Beatles „Now and then“ ist auch ein audiophiles Wunderwerk. Erstaunlich, was sich mit neuer Tontechnik erreichen lässt.

Als Paul McCartney vor ein paar Monaten raunte, da käme etwas Neues von den Beatles, da verdrehten selbst Kenner die Augen. Schon wieder werden wir an die Kassen gebeten, schon wieder wird die legendäre Band zur Ader gelassen. Eigentlich ist doch alles gesagt und gehört.

The Beatles „Now and then“ – eine echt verrückte Geschichte

So einfach ist die Welt aber glücklicherweise nicht. Auch für Nicht-Fans ist „Now and then“ ein Drama – in drei Akten. Akt eins: John Lennon hatte einen Song aus der Beatles Zeit nicht veröffentlicht, aber 1979 in seiner Wohnung in Manhattan schnell auf Band festgehalten. Auf Kassette wohlgemerkt. Ein Jahr später starb Lennon durch ein Attentat, eben vor dem gleichen Haus, dem Dakota Building am Central Park. „Now and then“ ist also höchst emotional aufgeladen – doch traurig in der Tonqualität. John singt und spielt zeitgleich Klavier. Die faktische Urfassung kennen wir nicht, nur ein paar wenige Menschen im Tonstudio – und eben Yoko Ono, die das Band 1994 Paul McCartney übergeben hatte.

John Lennon Piano
John trug seinen Teil zu The Beatles „Now and then“ bei…

Akt zwei: Paul versammelte seine beiden noch lebenden Mitstreiter für die Anthology-Edition. Ein Mix aus alternativen Versionen und drei Lennon-Tapes, „Free as a Bird“ und „Real Love“ schafften es tatsächlich an die Spitze der Hitparaden. Doch „Now and then“ war offenbar zu lausig im Klang, George Harrison spielte zwar den Gitarrenpart ein, doch verweigerte die Veröffentlichung aus Qualitätsgründen. Das sei einfach nicht auf dem Niveau der Beatles. So geschehen knapp vor der Jahrtausendwende. George starb 2001 in Beverly Hills und wurde nach seinem Wunsch in einem Pappsarg verbrannt. Traurig. Aber er hinterließ unter anderem eben seine Gitarrenbegleitung zu „Now and then“.

Akt drei: 26 Jahre schlummerten die Aufnahmen. Paul McCartney hatte das Projekt faktisch abgeschrieben. Bis Peter Jackson erschien, der Filmregisseur der Hobbit-Saga und der „Herr der Ringe“-Trilogie. Jackson kann nicht nur Fantasy, er ist auch bekennender Beatles-Fan. Er bettelte Paul McCartney an, ihm die Filmrollen zu „Let it be“ zu überlassen. Die Erstauflage der Doku zeigte die Beatles als zerstrittene, feindselige und dem Untergang geweihte Band. Noch zu aller Lebzeiten zogen die vier aus Liverpool den Film zurück. Die Doku von Peter Jackson zeigte alles, super lang und revidiert die Tage umfassend. Natürlich gab es Konflikte, aber auch geniale Momente und jede Menge Spaß. Laute Empfehlung – für die Blu-ray wie für den Stream bei Disney+.

Doch jetzt zum audiophilen Kern: Jackson hat nicht nur die Bilder aufbereitet, auch den Ton gestaltete er komplett neu. Er wollte die Dialoge im Studio hören, den Sound der Songs in die Neuzeit bringen. Was grandios gelungen ist – auch dank künstlicher Intelligenz. Selbst von einem Mono-Track ließen sich die einzelnen Instrumente von der Singstimme trennen. McCartney war begeistert und erinnerte sich eben wieder an „Now and then“. Kurzfassung: Tontechniker, Programmierer und die KI peppten die Stimme von John Lennon auf, separierten sie von seiner Klavierbegleitung. Wer recherchiert, kann den Unterschied hören: Die Kassette brummt, die Stimme wabert – nun hört es sich an, als ob Lennon vor wenigen Tagen am Mikrofon gestanden hätte, inklusive erstaunlich reicher dynamischer Momente. Gespenstisch.

George spielte aus dem Himmel (von seinen Anthology-Tracks), McCartney und Ringo Starr trafen sich im Studio. Dazu ein kleines Ensemble von Streichern. „Es ist eine echte Beatles-Aufnahme“, versicherte McCartney. Wer es nicht glaubt: einfach bei YouTube nachschauen – da gibt es eine Kurzfassung und faszinierende zwölf Minuten. Keine Kommentare von Yoko Ono, aber von Sohnemann Sean Lennon: „Mein Vater hätte es geliebt.“ Zudem versichert Paul: Das ist der „finale“ Song – Schluss, aus. Was auch die Verkaufsform sagt. „Now and then“ erscheint auf einer Single mit „Love me do“ auf der B-Seite. Also der letzte und der erste Studio-Song der Vier.

Ist es ein Geniestreich? Sicherlich in der Technik – doch in der Komposition? Beim ersten Hören hätte ich verneint, doch da bohrt sich etwas Besonderes ins Bewusstsein. Nach der dritten Hörsession dreht da ein wirklicher Ohrwurm seine Runden. Klar der beste hinterlassene Song, weit über „Free as a Bird“.

Wir wissen um die Künstlichkeit des Entstehungsprozesses – doch der Song klingt überaus realistisch, stark in der Dynamik, den Farben. Das ebenfalls neu abgemischte „Love me do“ tönt, obwohl gemeinsam im Studio produziert, weitaus liebloser, uninspirierter an den Mischpulten. Wahrscheinlich unrettbar. Ok, die Tontechniker zeigen bei „Now and then“ etwas Show und die Vorliebe für Kalorien, sehr präsent abgemischt. Aber spätestens mit Einsatz der Backing Vocals entsteht ein neuer Raum – hier singen die Beatles, alle vier, zusammengesetzt aus alten Tracks wie „Here, There And Everywhere”, „Eleanor Rigby” und „Because”. Spooky.

Apropos Raum: Apple Musik bietet den Song in HiRes und Dolby Atmos an, spannend, that’s the future. Wie halten es die klassischen High-Res-Anbieter? Qobuz hat es im Programm und auch Tidal listet die vier Minuten auf. Wer den physischen Tonträger haben will, wird von Universal Music heftig umgarnt und ebenso heftig zur Kasse gebeten. Es gibt die Single, wahlweise in schwarzes, blaues oder transparentes Vinyl gepresst. Alles in 7-Zoll, Dann aber auch die Luxusversion in 12-Zoll, rot und schwarz. Natürlich die CD. Aber – jetzt festhalten – auch eine Musikkassette für 9,99 Euro.

The Beatles "Get Back"
Um die Beatles-Welt komplett zu machen: „Get Back” mit angehängter Dokumentation

Weil man gerade einen Schub ahnt und The Beatles „Now and then“ sicher zum Hit wird, legt Universal auch die beiden „Best-of“-Alben unserer Jugend neu auf, das rote und blaue Album in eben rotem und blauem Vinyl. Nicht wie damals auf zwei, sondern jetzt bewusst audiophil auf drei LPs. Die Sonderfarben behält sich Universal für den eigenen Store vor. Veröffentlicht wird auch ein kombinierter 6er-Pack, für annehmbare 149 Euro. Ab 10. November. Die Vorbestellungen sind enorm, Lieferengpässe vorprogrammiert, der frühe Vogel gewinnt…

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Autor: Andreas Günther

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Der begeisterte Operngänger und Vinyl-Hörer ist so etwas wie die Allzweckwaffe von LowBeats. Er widmet sich allen Gerätearten, recherchiert aber fast noch lieber im Bereich hochwertiger Musikaufnahmen.