Es reicht. Die Kälte. Die Dunkelheit. Nichts wie weg. Aber wohin, angesichts von Flugscham-Bedenken und CO2-Malheur? Die Antwort: Einfach zuhause bleiben, einen fruchtigen Karibik-Drink mixen, die Anlage aufdrehen und diese mit Sonne füttern: Obwohl der Meister von der Elfenbeinküste stammt und seine Songs beherzt mit mahnender Polit-Power auflädt, sorgt er mit seinem elften Album namens Token Jan Fakoly “Braquage de Pouvoir“ für wippende Hüften und Afro-Karibik-Feeling. Unser sommerliches Winteralbum der Woche.
Seit über 20 Jahren listen die Charts in Frankreich, Belgien und der Schweiz den Westafrikaner regelmäßig, 2007 hielt er sich mit „L’Africain“ in Frankreich sogar 57 Wochen lang dort und kletterte bis auf Rang vier vor. Davor wurde der heute 54-Jährige in seiner Heimat Elfenbeinküste regional mit seiner Band The Djélys bekannt. Markenzeichen: dunkel lodernde Stimme und engagierte Polit-Power an Afro-Beats. Token Jan Fakoly gilt als einer der einflussreichsten Reggae-Größen seines Kontinents.
Sein elftes Album „Braquage de Pouvoir“ handelt vom „Raub der Macht“. Immer wieder, immer noch ein brisantes Thema. Nicht nur in Afrika. Er ist ein politischer Mahner, der durchaus nicht nur akustisch Gehör fand und über seine musikalischen Botschaften Einfluss in seinem Land ausüben konnte. Seine Themen wurzeln im Kampf für Gerechtigkeit, gegen Korruption. Er fokussiert aber ebenso philosophischen Themen. Tiken Jan Fakoly hat offenkundig Charisma: das durchdringt auch seine Vocals, die von einer gewissen Strenge geprägt sind. Kein happy „Bacardi Feeling“. Dennoch klingen seine Botschaften insgesamt hoffnungsfroh, energetisch – und tanzbar. Zumindest einem Mitwippen der Beats kann sich wohl kaum einer entziehen. Die Menschen verehren ihn dafür, vor allem in Westafrika.
Die Musik-Highlights von Token Jan Fakoly “Braquage de Pouvoir:
Zunächst ein paar Worte zum Klang, den die Tontechniker der Studios in den Aufnahmeorten Abidjan an der Elfenbeinküste, in Bamako in Mali und in Paris prima hinkriegten. Passend zur Hüft-kreisenden Rhythmen klingen die Songs packend im Bassbereich, teils extrem tief, die Klangfarben stimmen, Vocals strahlen, Auflösung und Raumgefüge gefallen ebenso. Die Arrangements regelte Guillaume Briard a.k.a Stepper, der „jamaikanischste französische Saxofonist“.
Schön: Das Album vereint afrikanische Instrumente wie das Balafon, ein Kalebassen-Xylophon oder die fünfseitige Ngoni, eine „Binnenspießlaute“. Auch die Soku-Violine, die Hirten der Sahel-Wüste spielen, lässt exotisch aufhorchen. Dazu gesellt sich die westafrikanische Lautenharfe Kora (siehe auch die Musik des virtuosen Balaké Sissoko). Die Texte tragen die MusikerInnen auf Französisch, Englisch aber auch mit afrikanischen Sprachen wie Nguni oder Dioula und Bambara vor.
Der Opener „Enfants de la rue“ vereinnahmt schon einmal mit packenden Rhythmen. Im Song gesellt sich der französische Slam-Poet Grand Corps Malade dazu, der versucht den Straßenkindern, die es in vielen Städten auf dem Globus gibt, eine Stimme zu verleihen. „…Du hast mir immer eine Familie versprochen, aber aber wo bist Du jetzt, Papa …?“ Musikalisch fokussieren sich Balafon-Tupfere zu den packenden Rhythmen.
In „Où est-ce que tu vas?“ fragt Fakoly die afrikanische Jugend eindringlich, welchen Lebensweg sie denn einschlagen wollen. Trockene Drums, mehrstimmige Vocals, Bläser und geschmeidiger Flow bilden die akustischen Polster dazu. In „Religion“ haben die Ngoni und Soku-Violine ihren zart besaiteten Auftritt, ein Tiefdruck-Bass konterkariert das Ganze mächtig.
„I Can Hear“ läutet dann den Reggae ein – musikalischer Groove-Anstifter ist der jamaikanische Kollege Winston McAnuff alias „Electric Dread“. Hüfte und Tanzbein kommen ins Wallen – ein deftiger Roots-Reggae-Knaller mit Afrika-Touch. Inklusive Drum, Bass und Kora. Cool. Hey Jamaica! „Ca Va aller“ betört mit chilliger Saiten-Kunst … Die warme Luft streicht um die Wangen, die Augen blinzeln schlaftrunken hinüber zum Glitzern der sanften, türkis färbenden Meereswogen. Die Welt ist schön. Und „Don’t Worry“ geht als freudige Ode an die Hoffnung durch, im Team mit den beiden malischen Sängerinnen Amadou & Mariam, die magische Vokalakzente setzen. Dazu dezent gezupfte Saitenarbeit und knackige Drums.
Woher nimmt Fakoly nur all diese Energie? Schnelle Antwort: „Activism! Activism gives me the strength to keep on fighting … ich glaube immer noch an das große und globale Erwachen Afrikas.“
Videoclip zum Song „Gouvernement 20 Ans“:
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