Vor fünf Jahren waren wir schon einmal beim hifisound Münster. Da feierte hifisound-Chef Raimund Saerbeck sein 35. Firmen-Jubiläum. Irgendwie ist die Zeit seitdem verflogen. Und doch hat sich etwas geändert beim Selbstbau- und Online-Pionier…
Der nette Laden in der Jüdenfelder Strasse ist unverkennbar derselbe. Und auch personell gibt es im Verkauf bei hifisound Münster mit Goran Popadic eine starke Konstante – die jetzt durch Christoph Sudmann noch einmal verstärkt wurde. Saerbeck berät nur noch selten, aber wenn, ist unverkennbar, dass der Chef aus dem Lautsprecher-Selbstbau kommt. Saerbeck: „Ich kann den Kunden nicht sehr viel über die elektronischen Eigenheiten von Digital-Verstärkern sagen – aber dafür umso mehr über die Beschaffenheit von Lautsprechern. Der Selbstbau war ja immer mein Steckenpferd.“
Saerbeck, Jahrgang 1956, hat bereits in den 1960er Jahren alte Dampfradios ausgeweidet, die von ihren Besitzern ausgemustert und an die Straße gestellt wurden. So kam er zu seinem ersten Fundus an Bauteilen. Ebenfalls hatten es ihm alte Waschmaschinen angetan. Saerbeck: „Da bin ich auf den Schrott und habe die 230-Volt-Typen der ölgetränkten MP-Becher-Kondensatoren ausgebaut. Die halten heute noch…“
Insofern war die Ausrichtung von Saerbeck schon früh klar: ambitionierter Selbstbau. Will man die fünf wichtigsten Namen im deutschen Selbstbau der 1980er Jahre nennen, kommen sicherlich die Herren Brändli und Vögeli auf die Liste, die zu jener Zeit um die 100 ACR-Selbstbauläden lizensiert und inspiriert hatten. Oder Manfred Zoller, der mit seinen Focal-Bausätzen einen echten Boom ausgelöst hat. Oder Jürgen Heinzerling, der als Chefredakteur von Klang & Ton ebenfalls einiges angeschoben hat.
In jedem Fall aber auch Raimund Saerbeck, der zusammen mit Michael Gaetke die legendären Lautsprecher Jahrbücher herausbrachte und abertausenden von interessierten Selbstbauern erstmals die Möglichkeit bot, mit standardisierten und vergleichbaren Messwerten einigermaßen berechenbare Ergebnis zu erzielen. Das war echte Pionierarbeit: Die Messeinrichtung für die hunderten Parametermessungen von Lautsprecherchassis war eine Eigenkonstruktion von Gaedtke für hifisound. Der Kontakt zu Michael Gaedtke bleibt bis heute erhalten.
Mit Harbeth Acoustics kam Saerbeck schon frühzeitig in Kontakt und importierte seit seinen Anfängen 1982 die seinerzeit legendären LF5 und LF8 mit transparenten Polypropylen Membranen. Später meldete er seine eigene Marke „Harwood Acoustics“ zur Unterscheidung der beiden am Markt existierenden Hersteller an. Danach folgte in den 1990er Jahren eine ganze Reihe verschiedener Monitore und Referenzen als Lautsprecher-Bausätze mit dem bewährten Dynaudio D28 Hochtöner, jedoch ohne Ferrofluid. Dieser Monitor Tradition verbunden wurden jüngst die legendären BBC Monitore LS 3/5A, die einst H.D. Harwood entwickelte, als Replika mit großem Erfolg wieder aufgelegt.
Das Geschäft mit dem Selbstbau boomte dank zugkräftiger Marken wie Coral, Dynaudio, Focal oder Kef und Saerbeck griff nach den Sternen: Er kaufte die Manufaktur der Strathearn-Bändchen, die seinerzeit einen überragenden Ruf hatten. Und er begann Lautsprechersysteme im Stil der Infinity Reference Standard zu bauen. Das muss man sich erst einmal trauen. Doch das große Stratec System III plus, mit dem er für einiges Aufsehen sorgte, wurde kein Erfolg. Wie überhaupt die Sache mit den Strathearn Bändchen ökonomisch ein Risiko blieb.
Nach einigen Jahren besann sich Saerbeck deshalb auf seine Ausrichtung als Händler und verkaufte die Herstellungs- und Patentrechte des Bändchenherstellers. Sein heutiges Fazit: „Ich bin aus der Sache relativ schadlos herausgekommen. Das ganze Unternehmen Strathearn Audio war zwar eine mörderische Anstrengung, brachte aber die Bekanntheit von hifisound weiter nach ganz vorne“
1992 machte Saerbeck den nächsten Schritt: aus einem Selbstbau- wurde ein HiFi-Laden mit Selbstbau-Schwerpunkt. Doch den fast noch größeren Schritt wagte der Münsteraner vier Jahre später, als er zu einem der ersten Online HiFi-Händler Deutschlands wurde. Heute ist das Online-Geschäft von hifisound Münster sehr viel größer als der Umsatz im Ladenlokal. Zum Vergleich: Im Laden in der Jüdenfelder Strasße arbeiten aktuell zwei Leute. Im (längst ausquartierten) großzügigen und gut gefüllten Lager derer acht …
Das Online-Geschäft ist Fluch und Segen zugleich. Denn online verkaufen sich vor allem die bekannten, noch bezahlbaren Modelle. Exoten oder gehobene Ware findet man online nur selten. Und hier fand auch der entscheidende Sinneswandel des Raimund Saerbeck in den vergangenen fünf Jahren statt. Während er 2017 noch alles in allem sehr zufrieden war, sind heute nicht nur zwischen den Zeilen kritische Töne zu hören. Raimund Saerbeck, der den Markt seit über 40 Jahren begleitet, sagt heute: „Der starke Konkurrenzdruck ist unser größtes Problem.“ Er meint damit die große Anzahl von Online-Händlern, die mit hohem Warenbestand um die Kundschaft buhlt. Da werden auch schon mal Artikel zum Einkaufspreis weiterverkauft, das macht auf Dauer keinen Sinn.”
Die Quintessenz aus dieser Entwicklung: Saerbeck will zurück zu ausgesuchten und hochklassigen Geräten und Lautsprecher-Marken, die sich nicht nur über den Preis definieren. „Wenn HiFi für Liebhaber am Markt eine Bedeutung behalten soll, dann müssen wir den Kern des Begriffs Fidelity ernster nehmen“, sagt er. Dazu gehört auch ein wieder verstärktes Engagement in dem Bereich, an dem er selbst den meisten Spaß hat: dem Selbstbau. So führt mich der verschmitzt dreinschauende hifisound-Chef in sein Labor, wo die Replica eines sehr bekannten Studio-Monitors aufgebaut war. Saerbeck will das gute Stück mit seinen Möglichkeiten – also einer Mischung aus Selbstbau und Fertigbox – wohl recht günstig anbieten.
Leider darf ich in dieser Frühphase den Namen nicht nennen, obwohl es mir in den Fingern juckt. Aber Saerbeck ist bester Hoffnung, das Projekt noch dieses Jahr abschließen und auf den Markt bringen zu können. Dann sieht man es ja…
„Weißt du“, sagt er zum Abschluss: “Zum Teil war es mit dem Geld haarsträubend eng, aber eigentlich war die Zeit gut zu mir. Oder wie sagt der Kölner? ‚Et hätt noch immer jot jejange.‘ Das gilt für mich bis heute. Und jetzt werden wir uns noch einmal umstellen. Mehr auf das Besondere achten. So ein bisschen wie früher. Das ist zwar viel Arbeit, aber ich habe so richtig Lust darauf.”
Dass Saerbeck den Spaß noch nicht verloren hat, zeigt sich auch in seinem Büro, wo der Mann verschiedene Spielwiesen mit Legenden früherer Jahre aufgebaut hat. Das alles spielt noch. Und man muss sagen: ziemlich gut.
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