Quizfrage: Was haben die britischen Lautsprecherhersteller Rogers, Spendor, Harbeth, KEF, Chartwell; RAM, Goodmans, Stirling Broadcast und Falcon Acoustics gemein? Antwort: Sie alle fertigten (oder fertigen noch) in Lizenz die BBC Kompaktboxen-Legende LS 3/5a. Die Anzahl aktueller Nachfolger ist kaum noch überschaubar. Und nun kommt mit der Harwood LS 3/5a eine weitere Variante hinzu. Diese allerdings ist die netteste, die pfiffigste – und die günstigste. Denn das audiophile Kleinod gibt es auch als Bausatz mit fertig montierter Schallwand für gerade einmal 890 Euro. Und wer das Gehäuse selbst baut, versteht die Idee hinter der LS 3/5a gleich noch einmal viel besser…
Die LS 3/5a ist der bekannteste High End Kompakt-Monitor weltweit und seine Herkunft ist bestens dokumentiert. Allein Wikipedia widmet ihm dutzende Seiten. Trotzdem sei seine Geschichte hier noch einmal kurz umrissen. Ende der 1960er Jahre suchte die ehrwürdige Britisch Broadcasting Corporation (kurz: BBC) einen tauglichen Abhör-Monitor für ihre Sendewagen, in denen natürlich wenig Platz war. Man fand am Markt nichts Taugliches und beauftragte das hauseigene Ingenieurteam mit einer passgenauen Entwicklung. Chef der Entwicklung damals war ein gewisser Dudley Harwood.
Es tauchen in der Geschichte der LS 3/5a verwirrend viele Namen auf, aber diesen muss man sich merken. Unter Harwoods Führung entwickelte das BBC-Team die Blaupause für einen – aus damaliger Sicht – perfekten 2-Wege-Monitor mit geschlossenem Gehäuse. Weil aber die BBC nun einmal ein Radiosender und kein Hersteller ist, gab man den Auftrag (beziehungsweise die Lizenz) zum Bau der LS 3/5 an unterschiedliche Lautsprecher-Spezialisten – siehe Aufzählung oben.
Bezüglich der Treiber nahmen die BBC-Entwickler das Beste, was es damals gab: einen kleinen Tiefmitteltöner mit Bextrene Membran, den KEF B110, und einen Hochtöner mit Melinex-Kalotte, den KEF T27. Als KEF den Tiefmitteltöner nach langer Laufzeit modifizierte, musste auch die BBC-Entwicklung angepasst werden: aus LS 3/5 wurde 1976 die LS 3/5a. Insgesamt schätzt man, dass bis heute etwa 100.000 Paar der von der BBC lizenzierten LS 3/5a verkauft wurden; die sehr ähnlichen Modelle wie die ProAc Tablette 10 oder die eben erwähnte P3ESR gar nicht mitgerechnet.
Bleiben wir noch ein bisschen bei Dudley Harwood. Der Mann hatte ein Steckenpferd: ungefüllte Polypropylen-Membranen. Die waren damals der letzte Schrei: steifer als das oft verwendete Bextrene und besser bedämpft als das über Jahrzehnte verwendete Papier. Also stieg er bei der BBC aus und Harwood gründete mit seiner Frau Elisabeth die Firma Harbeth, die heute noch feine Lautsprecher im Look von damals anbietet und auch ein LS 3/5a-Derivat im Programm hat: die kürzlich bei LowBeats getestete Harbeth P3ESR.
Das Konzept der Harwood LS 3/5a
Bislang war die ganze LS 3/5-Geschichte eine rein britische Angelegenheit. Bis letztes Jahr. Da warf der pfiffige Raimund Saerbeck, seines Zeichens Chef von HiFisound Münster, seinen Hut in den Ring. Saerbeck ist einer der ältesten Hasen im deutschen Lautsprecher-Selbstbau und verkaufte schon in den Achtzigerjahren die legendären Tiefmitteltöner von Harwood. 1992 gründete er in Deutschland die Harwood Acoustics Company, ohne dass die Familie Harwood Einspruch dagegen erhob. So machte er Harwood zur Hauptmarke seines Bausatz-Shops und verkaufte unter diesem Label neben den originalen Harwood-Treibern LF5 und LF8) viele Modelle, die er bei seinem asiatischen Zulieferer entwickeln ließ – zum Beispiel etliche Air Motion Transformer Hochtöner.
Der aufkommende Hype um die LS 3/5a inspirierte den Münsteraner zu einer verwegenen Idee: War nicht Dudley Harwood der Leiter jenes Teams gewesen, das die LS 3/5 beziehungsweise die LS 3/5a entwickelte? Und müsste es deshalb nicht auch eine Variante unter dem Harwood-Label geben? Genau!
Saerbeck studierte die Forschungsergebnisse des BBC-Teams (Saerbeck: “Das ist die perfekte Bauanleitung”) und ließ die ursprünglichen Treiber der LS 3/5a, den KEF B110 und den Hochtöner KEF T27, von seinen Lautsprecher-Spezialisten 1:1 nachbauen. Früher hatte er hunderte von diesen KEF Treibern verkauft und sie dutzendfach durchgemessen; er wusste also, was er wollte und wie genau die Hoch- und Tiefmitteltöner beschaffen sein mussten.
Seine asiatischen Zulieferer leisteten ganz Arbeit. Punkt Eins: Beide gleichen ihren Vorgängern bis aufs Haar. Punkt zwei: Das Übertragungsverhalten der beiden Treiber ist den Ursprungstreibern so ähnlich, dass Saerbeck sich an die ursprüngliche Weichenschaltung halten konnte.
Die Frequenzweichen-Empfehlung der BBC-Ingenieure setzt Saerbeck blitzsauber um: mit besten Bauteilen und auf einer optimal leitenden Platine. Dazu gibt es eine kleine Anekdote. Schon seit vielen Jahren begleitet mich eine LS 3/5a von Rogers aus den Achtzigerjahren. Ich nutze sie oft und gern – sozusagen als Dauer-Referenz über die Jahrzehnte. Und natürlich habe ich sie – einfach, um zu schauen, wie es darin aussieht – auch mal aufgemacht. Und gleich wieder zugemacht. Das fürchterliche Frequenzweichen-Bauteilegrab mit billigen Elektrolyt-Kondensatoren hat mich schwer erschüttert. Aber sie läuft noch tadellos.
Mein alte Rogers aus den 1980er Jahren macht auch deutlich, wie dicht Saerbeck mit seiner neuen Harwood LS 3/5a am Original ist:
Das Gehäuse der Harwood LS 3/5a…
…folgt natürlich dem Original. Das heißt: Wände aus 12 mm starkem Birkensperrholz. Es gibt zu dem Thema vor allem von der BBC unendlich lange Untersuchungsreihen, die belegen, dass in gewissen Fällen diese vergleichsweise dünnen Wände in Verbindung mit einer Bitumen-Bedämpfung klanglich die besten Ergebnisse liefern.
Für uns Deutsche ist das nicht immer leicht zu nehmen. Da gab es einmal diesen Redakteur von diesem deutschen Fachmagazin, der die “klapprigen” Wände einer Spendor mit Zusatzplatten und Schraubzwingen verstärkte und den dann schlankeren Bass als gelungenes Ergebnis feierte: “So macht man das!”
Nein. Macht man nicht. Die Gehäuse von Harbeth, Spendor & Co fußen auf extrem viel Hörerfahrung und – wie schon gesagt – auf viel Forschungsarbeit. Das soll so klingen.
Die Harwood LS 3/5a gibt es bei HiFisound Münster als Fertigbox im edlen Palisander-Furnier (natürlich ein Palisander-Imitat) für 1.600 Euro. Das sieht tipptopp aus und ist wirklich günstig. Für alle, die ein bisschen handwerkeln können und tiefer in das Thema LS 3/5a eintauchen wollen, empfehle ich aber die Bausatz-Variante. Der Bausatz ist vollständig, die Schallwand ist fix & fertig vormontiert. Man muss nur die bereits zugeschnitten Multiplex-Bretter ordentlich zu einer Kiste mit Holzrahmen zusammenleimen, sie nach Plan mit Bitumen und Dämm-Material bedämpfen und auf der Rückwand die Löcher für die Lautsprecherklemmen bohren. Das war’s.
Das Schöne bei dieser Variante: Man kann eigentlich nichts verkehrt machen, versteht diesen Klein-Monitor besser und spart dabei eine Menge Geld. Die Selbstbau-Variante ist mit ihren 1.150 Euro die mit Abstand günstigste Möglichkeit, an eine LS 3/5a zu kommen. Zum Vergleich: die aktuelle LS3/5a von Falcon Acoustics kostet 3.000 Euro pro Paar. Und noch ein Plus der Do-it-yourself-Alternative: Man kann sie in genau der Farbe lackieren, in der man sie aktuell braucht. Übrigens sieht ein Birkensperrholz auch in Natura ziemlich gut aus…
Die Harwood LS3/5a sieht also aus wie der BBC-Klassiker, klingt auch – wie wir gleich feststellen werden – wie die Lautsprecher-Legende, ist aber deutlich günstiger als alle anderen, aktuellen LS 3/5a-Angebote. Wie machen Sie das, Herr Saerbeck? Da muss er schmunzeln: “Wir haben zwar die BBC-Vorgaben Buchstaben-genau erfüllt, die Lizenz aber nicht beantragt…” Damit spart man natürlich Geld.
Messwerte & Praxis
Als Saerbeck die Nachbauten der alten KEF-Treiber in Auftrag gab, blieb er so dicht wie möglich an den Originalen. Das heißt aber auch: Wie die Vorbilder aus den 1970er Jahren sind auch die Replikas ziemlich leise. Bei den Effizienz-Messungen kamen wir auf einen Wert knapp über 80 dB (1Watt/1Meter). Damit ist die Harwood LS 3/5a eine der leisesten, je bei LowBeats getesteten Kompaktboxen und braucht theoretisch Verstärker-seitig eine Menge Leistung.
Aber das ist tatsächlich theoretisch. Denn die kleine Harwood braucht zwar viel Watt, verträgt aber nicht viel Leistung. Quintessenz: Mit diesem “Lautsprecher” wird man nicht sehr laut Musik hören.
Für die Situation, für die er konzipiert wurde, aber ist das völlig ausreichend. Wir sprechen hier von kleineren Räumen bis maximal 20 Quadratmetern, in denen die Harwood LS 3/5a recht dicht an der Rückwand steht und der Musikhörer im sogenannten Nahfeld sitzt. Die Nähe zur Rückwand sorgt für etwas mehr Fülle im Bass, was in diesem Fall gut ist: Unterhalb 80 Hertz fällt der Bass der geschlossenen Minibox deutlich ab. Idealerweise steht die LS 3/5a auf stabilen Ständern, etwas weniger ideal, aber auch vertretbar, auf dem Sideboard.
Die Messungen fielen deutlich besser (sprich linearer) aus, als gedacht. Der Frequenzgang zwischen 100 – 20.000 Hertz ist erstaunlich linear; das sah bei der ursprünglichen LS 3/5a ganz anders aus. Die nämlich hatte bei knapp über 100 Hertz einen ordentlich Bass-Boost-Buckel. Damals normal, aber heute ungewöhnlich: Die Nenn-Impedanz der Harwood liegt bei 15 Ohm. Das ist recht hoch und Transistor-Verstärker bringen an 15 Ohm nur die Hälfte ihrer 8-Ohm-Leistung,
In Bezug auf die angeschlossenen Verstärker haben wir für die Harwood LS 3/5a zwei Traum-Kombis gefunden. Zum einem mit dem wieselflink-eleganten Vollverstärker Atoll IN 50 Signature (750 Euro), der an 15 Ohm in etwa die vorgeschlagenen 30 Watt bringt und diesen Lautsprecher pegelmäßig vollständig ausreizen kann. Zum anderen mit dem Mira Ceti von Fezz Audio (2.600 Euro), der mit seinen 300B-Röhren an einer so hohen Impedanz auf gut 10 Watt kommt. Wer sich auf diese Kombination einlässt, weiß: Es wird definitiv nicht sehr laut. Aber er wird versöhnt mit einem sensationell “echten” und farbigen Klang.
Die Harwood LS 3/5a im Hörtest
Richtig aufgestellt, dauert es keine Minute, bis dieser Lautsprecher den Zuhörer umgarnt, eingefangen, überwältigt hat. Denn die Klangfarben sind wunderbar prall, die Stimmwiedergabe – immer schon die Top-Disziplin der LS 3/5a – eine Wucht. Was die Harwood besonders gut kann, sind Singer Songwriter. Zum Beispiel Livingston Taylor. Dessen Cover des Steve-Wonder-Hits “Isn’t She Lovely?” ist mit der Minibox eine glatte Sensation. Die Stimme des Sängers ist sonor, sympathisch. Man hat das Gefühl, in der Aufnahme zu sein – so plastisch steht Taylor plus Gitarre im Raum – und dank der intimen Nähe, die die Harwood zum Künstler schafft, bekommt man alles mit, was an Mikro-Details auf der Aufnahme ist.
Jetzt ist die Harwood beileibe kein Auflösungswunder. Und auch im Tief-/Grundton neigt die Kleine eher zur wonnig-satten statt zur schnell-präzisen Wiedergabe. Bei hart getretenen Bassdrums wie zu Beginn von James Blood Ulmers “Crying” (Album: Live At The Bayerischer Hof München) bleib die Kleine eher zaghaft. Aber wie soll es auch anders sein? Der Lautsprecher ist zierlich und die Treiber sind von der Idee her 50 Jahre alt. Damals ging alles noch ein bisschen gemächlicher dahin… Aber es kommt alles unglaublich homogen, stimmig, richtig. Auch die einzelnen Instrumente der Orchester klingen ungemein farbig und plastisch-habhaft. Die Obertöne der Streicher sind gut hörbar, aber nicht überpointiert. Da stört einfach nichts. Und bei sehr räumlichen Aufnahmen (etwa Felix Labands “Miss Teardrop”) schafft es dieser Lautsprecher tatsächlich, das ein oder andere Glöckchen direkt über dem Kopf des Zuhörers zu positionieren. Das können nicht viele…
Bei so viel Lob bleibt die Frage, wie sich die Harwood LS 3/5a gegen Mitbewerber schlägt. Ein Vergleich lag auf der Hand: der gegen die lizenzierte Rogers aus den 1980er Jahren. Ich schätze diesen Lautsprecher ja schon eine sehr lange Zeit, musste nun aber konsterniert feststellen, dass die jüngere Harwood in allen Belangen besser ist. Vor allem zwei Dinge fielen auf: Die Rogers spielt räumlich, aber auch tonal um einiges flacher. Ich habe wie üblich einige Freunde zum Mithören eingeladen, das Votum fiel einstimmig aus: volle Punktzahl für die Harwood.
Ganz so einfach lief der Durchmarsch gegen unseren anderen Dauerbrenner in dieser Klasse, die Dynaudio Excite X 18, nicht. Die zeigte, obwohl ja selbst kein Dynamikwunder, mehr Attacke und die deutlich höheren Pegelreserven. Bei Schlagzeug-Soli und derbem Elektro-Pop kam da schon einiges mehr.
Bei moderatem Pegel aber war der Zauber der kleinen Harwood sofort wieder da: diese Stimmen, diese Räumlichkeit. Der Lautsprecher hat etwas Entschleunigendes. Mir ging es so: Auch bei aller Hektik im Testalltag brachte er mich nach ein paar Minuten des Hörens auf die angenehmste Weise wieder runter. Kann man das überhaupt bezahlen?
Fazit
Sie kann nicht laut, sie kann nicht tief. Dennoch ist diese Harwood-Replika der LS 3/5a eine der bezaubernsten audiophilen Angebote des Frühlings 2020. Sie gleicht dem BBC-Vorbild bis auf Haar, klingt sogar noch diesen Hauch besser und ist vor allem im Bausatz-Preis unschlagbar günstig. Schon lange hatten wir nicht mehr so viel Freude an einem Mini-Monitor. Und dieser hat ja auch noch legendäre Gene… Eine ausdrückliche Empfehlung!
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Ungemein lebensnaher, farbkräftiger und natürlicher Klang |
| Fantastische Plastizität, große Raumtiefe |
| Vor allem als Bausatz unschlagbar günstig |
| Schlechter Wirkungsgrad, eingeschränkte Pegeltauglichkeit, etwas weich im Bass |
Vertrieb:
Hifisound Münster
Drensteinfurtweg 32
48163 Münster
www.hifisound.de
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung)
Harwood LS 3/5a Bausatz: 890 Euro
Harwood LS 3/5a Fertigbox: 1.798 Euro
Im Test erwähnt:
Test Harbeth P3ESR 40 AE: der designierte LS 3/5 Nachfolger
Test ProAc Tablette 10: das kleine Boxenwunder
Test Dynaudio Excite X 18: die feine Kompaktbox
Test Vollverstärker Atoll IN 50 Signature: volle Klangpracht für 750 Euro
Test 300B-Röhrenverstärker Fezz Audio Mira Ceti