Wiederholt sich Geschichte? Ich meine: nein. Auch wenn es mit der neuen Yamaha NS-5000 fast den Anschein hat. Mitte der 1970er Jahre war Yamaha schon eine highfidele Großmacht, aber in Bezug auf Lautsprecher hatten die Japaner (die sich seit 1967 mit ihren “Natural Sound-” (NS-) Lautsprechern redlich mühten) den Durchbruch noch nicht geschafft. Das änderte sich 1974, als sie die NS-1000M vorstellten. Mit diesem großen Kompakt-Lautsprecher feierte Yamaha große Erfolge und war seiner Zeit in vielen Punkten voraus – zum Beispiel wegen der Hoch- und Mitteltonkalotten aus dem damals revolutionären Beryllium. Das nicht unumstrittene Material hat sich im Grunde erst in den letzten Jahren (durch den unermüdlichen Einsatz von Focal und TAD, später auch Scan Speak und Paradigm) den Rang erarbeitet, der ihm akustisch fraglos zusteht.
Über 40 Jahre später und nach gefühlt etlichen Jahren der Lautsprecher-Abstinenz bringt Yamaha nun mit dem Yamaha NS-5000 erneut einen echten Flaggschiff-Lautsprecher auf den Markt – und keineswegs zufällig mit Abmessungen, die denen der legendären NS-1000M von 1974 sehr ähnlich sind (B x H x T: 39,5 x 69,0 x 38,1 cm). Man widerstand hier der Versuchung, irgendetwas schlankes, “modernes” zu entwickeln. Die Wurzeln sollten erkennbar bleiben. Aber Treiber mit Beryllium-Membran? Von wegen. Statt jetzt von dem highendigen Ruf des Beryllium zu profitieren, gibt Yamaha erneut den Material-Pionier.
Seit vielen Jahren schon experimentieren die Japaner mit Zylon, einem Gemisch aus Kohlefaser und Glasfaser. Aus diesem Gewebe werden gemeinhin schusssichere Westen geschneidert. Oder feuerfeste Anzüge. Auch das Cockpit der Formel-1-Boliden wurde nach einigen tragischen Todesfällen auf der Rennstrecke mit Zylon ausgekleidet, damit umherfliegende Teile das Cockpit nicht mehr durchschlagen können. Zylon ist sehr leicht, extrem reißfest, aber gar nicht leicht zu verarbeiten.
Aber Yamaha fand einen Weg. Den Akustikern ging es dabei um zweierlei: Erstens um die Geschwindigkeit innerhalb des Materials. Klopft man auf die Zylon-Membran des Tieftöners, kann man kaum glauben, dass die Schallgeschwindigkeit im Material höher ist als die in Papier, Glasfaser oder Aluminium. Ist sie aber. Das sind exzellente Voraussetzungen für einen impulsgenauen Klang. Zweitens wollte man ein Material, das sowohl im Hoch-, als auch im Mittel- und im Tiefton einsetzbar ist. Auch das ist mit Zylon möglich – wie die Bestückung der Yamaha NS-5000 zeigt – was wiederum eine superbe Voraussetzung ist für homogenen Klang.
Man bekommt ein Vorstellung von der Qualität von Zylon, wenn man mit dem Fingerknöchel auf die Tieftonmembran klopft: Es klingt gut bedämpft und vermittelt trotzdem das Gefühl einer erstaunlichen Härte. Hoch- und Mitteltonkalotten fühlen sich weicher an als die Bassmembran, aber sehr viel härter als die klassischen Gewebe-Ausführungen der bekannten 75 Millimeter Mitteltonkalotten von ATC, PMC oder Scan Speak.
Aber Hoch- und Mitteltöner sind nicht nur wegen des neuen Membranmaterials Zylon so besonders. Die Yamaha Entwickler haben sich viele Gedanken um die rückwärtige Energie der beiden Kalotten gemacht; immerhin produziert so ein Treiber nach hinten genauso viel Energie wie nach vorn. Und diese Reflektionen verfälschen das Signal. B&W hat das Problem mit sich verjüngenden Röhrchen gelöst, in denen sich der Schall totläuft. Yamaha macht es ähnlich, aber kompakter: mit einem pfiffigen Röhren-System, bei dem sich die rückwärtigen Schallwellen in einem Labyrinth unterschiedlich langer Röhren gegenseitig auslöschen.
Klingt erst einmal verrückt, scheint aber zu funktionieren. Diese rückwärtige Energie ist ein häufig unterschätztes Problem und es ist schön zu sehen, dass Yamaha hier neue Wege geht, um der Problematik Herr zu werden. Die Slideshow zeigt den gewünschten Einfluss der Resonanz-Minimierung:
Hier noch einmal die drei Treiber der Yamaha NS-5000 in der Übersicht:
Getrennt werden die einzelnen Zweige dieser 3-Wege-Konstruktion durch eine aufwändig gemachte Frequenzweiche. Sie trennt Tief- und Mitteltöner bei 750 Hertz sowie Mittel- und Hochtöner bei 4.500 Hertz. Beide Übergangsfrequenzen liegen vergleichsweise hoch, doch vor allem der Übergang zum Mitteltöner ist ungewöhnlich, bedeutet dies doch, dass der große Tieftöner einen ziemlich großen Bereich der Mitten mit übernehmen muss.
Das ist der Nachteil großer Mitteltonkalotten im Vergleich zu den heute sehr viel häufiger verwendeten Konus-Mitteltönern: Sie haben zwar eine wunderbar breite Abstrahlung, sind aber in der Regel nicht sehr tief einsetzbar. Das ist nicht immer unproblematisch…
So mussten auch auf der Frequenzweiche einige Tricks angewandt und einige Linearisierungs-Glieder eingebaut werden. Und spätestens hier erkennt man den Elektronik-Profihersteller: Die Bauteile der Frequenzweiche sind auf einer doppelseitigen Leiterplatte mit extra dicken Kupferbeschichtungen montiert. Bei den Bauteilen kommt nur Feinstes zum Einsatz: MCapSUPREME EVO Kondensatoren, die wie die Widerstände vom deutschen Spezialisten Mundorf stammen. Stattlich ist auch die quasi verzerrungsfreie Luftspule vor dem Tieftöner, die stramme 1,6 Kilo wiegt.
Auch die neue 5000er bezeichnen die Japaner als “Bookshelf”, also Bücherregalbox. Aber die Bücherwand möchte ich sehen, die die NS-5000 mal eben so aufnimmt. Diese eigenwillige Bauform zwischen Kompakt- und Standbox ist eigentlich schon lange aus der Mode gekommen, aber heute finde ich diese Anleihe an “Retro” wieder absolut zeitgemäß und stilvoll – zumal der passende, halbhohe Ständer SPS-5000 ja Bestandteil des Sets ist. Mit seiner Höhe von etwa 30 Zentimetern bringt er den Hochtöner der (knapp 70 Zentimeter hohen) Yamaha NS-5000 auf die für europäische Wohnzimmer meist richtige Höhe von knapp 95 Zentimetern.
Es lohnt sich, diesen Ständer genauer zu betrachten, denn er wirft ein Schlaglicht auf die Sorgfalt, mit der Yamaha dieses Thema angeht. Der Ständer besteht aus vier gebogenen Aluminium-Beinen, die möglichst wenig Energie vom Boden auf den Lautsprecher durchlassen sollen. Die Krümmung der Beine erwies sich als deutlich weniger resonanzanfällig als gradlinige Varianten. Nach unten hin sorgen Spikes für einen unverrückbaren Halt. Die SPS-5000 sind äußerst solide und jeweils 8,0 Kilo schwer. Aber auf ihnen bekommt die ebenfalls recht schwere Yamaha NS-5000 (35 Kilo) etwas elegant Leichtes.
Wie ein Konzertflügel: die Verarbeitung der Yamaha NS-5000
Die Lautsprecher selbst sehen ihrem Anspruch gemäß aus wie ein Yamaha Flügel: perfekt verarbeitet, perfekt lackiert. Es gibt ja mittlerweile viele Hersteller, die mit Klavierlack oder “fast wie Klavierlack” werben. Yamaha aber kann das alles noch ein bisschen besser. Hier ist das Finish tiptop, es gibt keinen Punkt, an dem Finger oder Auge irritiert hängenbleiben: verarbeitungstechnisch eine glatte Eins.
Für den Akustik-Interessierten ist aber auch der Blick ins Innere eine Lehrstunde, wie man es richtig macht. Das Gehäuse besteht aus verschieden starken Multiplex-Platten, die aus weißem Birkenholz von der Insel Hokkaido bestehen. Ob es klanglich eine Rolle spielt, aus welcher Lage das Holz kommt, wage ich zu bezweifeln. Ich weiß aber, dass viele japanische Instrumentenbauer ihr Holz ebenfalls von Hokkaido beziehen. Vielleicht tönt das Holz ja wirklich etwas musikalischer….
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