Die Musik-Blu-ray erhält frischen Wind unter den Flügeln: Das E-Commerce-Portal Pure Audio Recordings will sich zum Hort des physischen Datenträgers machen. Musik- und Konzertfilme sollen dank Immersive Audio, Dolby Atmos sowie HiRes-Stereo ein prächtiges Nischenhabitat vor sich haben. Wie soll das funktionieren, angesichts des digitalen Streaming-Rauschs? Ein Interview mit dem rührigen Portal-Chef Christoph Diekmann.
Die Zeit fließt. Sie rauscht unerbittlich schnell in die Zukunft. Audio-Technologien mit ihr: Die CD ist über 40 Jahre alt, die DVD wird in drei Jahren 30, die DVD-Audio feierte zu Beginn des Millenniums Geburtstag, beinahe zeitgleich mit der SACD und selbst die Nachfolgerin Blu-ray (BD) hat bereits 17 Lenze auf der Scheibe. Das waren noch Zeiten als Musikerpromis wie Fleetwood Mac oder die Doors Alben auf DVD-Audio in Surround-Sound neu veröffentlichten und sogar nach London zur ehrwürdigen Debüt-Session einluden.
Pure Audio Recordings: ein Überblick
Schnee von gestern. Der Blick heute zurück zeigt die Historie von physischen Datenträgern angesichts von Cloud- und Streaming-Lösungen beinahe als anachronistisch und altbacken.
Denn: Streamings und Downloads geben weltweit vermehrt den Ton an. Der digitale Anteil am Umsatz der Musikindustrie in Deutschland lag 2022 bei satten 80,3 Prozent – davon entfiel auf Streaming 73,3 Prozent, so der Bundesverband der Musikindustrie. Insgesamt lag der Musik-Umsatz 2022 bei 2,07 Milliarden Euro. Die CD-Verkäufe in Deutschland schrumpften auf nur noch 22 Millionen Exemplaren, 2002 waren es noch über 125 Millionen. Und die SACD hisst beinahe schon die weiße Fahne. Allein die Insel der glückseligen Vinylfreunde scheint von dem Online-Digital-Tsunami verschont: Die einst totgesagte Schwarze Scheibe legte abermals zu, auf einen Umsatzanteil von 5,1 Prozent (2022: 4,3 Millionen Stück).
Doch wir sprechen hier über Musik-DVDs/Blu-rays. Wie steht’s um deren Vitalität? 2021 erwirtschaftete der Datenträger einen Umsatz von 160 Millionen Euro, bei einem Anteil von 0,8 Prozent. Das wirkt nicht gerade hoffnungsfroh. Christoph Diekmann stört das aber nicht. Im Gegenteil. Der studierte Klassik-Gitarrist und rührige Musik-Business-Mann aus Köln will mit seinem Portal Pure Audio Recordings den musikalischen Blu-ray-Katalog etablieren und sogar ausbauen, auch international. Er setzt auf die Prosperität und Blüte in der Nische. Dort kann die Daten-Macht der Blu-ray ihre Qualitäts-Trümpfe ausspielen.
Und sein Ansatz ist schlüssig. Denn der Mehrkanalton hat zwar mit dem Format Dolby Atmos im Streaming bereits eine breite Akzeptanz, verliert dort auf Grund der Datenreduktion seine Dynamik. Die Blu-ray hat diesbezüglich mit einer stabilen bis zu zehnfach höheren Bitrate einen klaren Mehrwert. Die zusätzlichen Tonformate Stereo, Surround oder das immersive 24bit/96kHz Format AURO-3D bieten neben den visuellen und multimedialen Optionen (alles auf einer Disc) ein zusätzlich kreatives Umfeld für Künstler und Label. Diese Einschätzung haben wir bei den vielen Besuchen in den Münchener MSM Studios mitnehmen können.
Und eines ist auch klar: Wirklich highendig klingende Musik war und ist ohnehin kein Massenphänomen – und damit auch kein Massenmarkt. Vielen reichen Currywurst mit Pommes so wie Streamings. Und die sind zugegeben auch oft lecker. Aber ist denn Surround und immersive Audio, Dolby Atmos etc. für HiFi-Freunde wirklich das Richtige…?
Diekmann: „Wir bedienen beide Vorlieben und sehen da gar keine Trennung: Viele haben ja eine gute Heimkinoanlage im Wohnzimmer mit entsprechender Hardware. Und viele Blu-rays bieten zudem eine HiRes-Stereospur mit bis zu 24Bit/192kHz.“
Ok. Immerhin vernetzt er höchst selbst Label-Content und Heimkino-Händler mit ihren qualitätsbewussten Kunden. „Bei unserem Netzwerk an Heimkinohändlern, erleben Interessierte wie gut das klingen kann: Wir haben die Musiktitel – die Händler haben die passende Hardware …! Dazu stellen wir neue Musikveröffentlichungen in bester Klangqualität in unserer Eventreihe „Visions Of Sound“ deutschlandweit vor.“
Insofern dürfte der Support für die Musik-Blu-rays keine Konkurrenz zu HighEnd-Audio sein, sondern eine prima Ergänzung. Phänomenale Discs wie David Gilmour „Live At Pompeii“ oder The Who „… Live at Wembley 2019“ zeigen das eindrucksvoll. Und Künstler kleinerer Labels könnten so auch die Chance haben, ihre Musik highendig-dreidimensional auf die virtuellen Bühnen zu bringen – und für ihre Arbeit angemessener als bei Streaming-Portalen vergütet zu werden.
300 Titel umfasst das Repertoire von Pure Audio Recordings aktuell über alle Labels hinweg. In den nächsten Jahren erwartet Diekmann ein rascheres Wachstum, da es verstärkt immersive Mischungen geben dürfte. Der Musik-Manager rechnet dabei mit einem Zuwachs von rund 50 Titeln pro Jahr. Wir werden sehen. Und hören.
Was kann Pure Audio Recordings bewegen? Interview mit PAR-Chef Christoph Diekmann
LowBeats: Herr Diekmann, was motiviert Sie denn, ausgerechnet in Hoch-Zeiten von Musik- und Video-Streaming einen physischen Datenträger wie die Musik-Blu-ray zu pushen?
Diekmann: Mich haben schon immer hochwertige Audioprodukte interessiert. Und audiophile Musikfreunde freuen sich, dass es weiterhin ein so hochwertiges Medium gibt. Surround Sound gibt es im Streaming nicht, da hat sich das Stereo-Format etabliert … Zudem spielt die SACD ja so gut wie keine Rolle mehr. Die Blu-ray ist also die logische Konsequenz. Und es gibt viele Künstler, die tolle audio- und audiovisuelle Produktionen in Surround und nun auch in Dolby Atmos umsetzen. Den multimedialen Aspekt, den die Blu-ray als kreatives Medium bietet wollen wir etablieren und halten.
LowBeats: Wo sehen Sie denn konkret die Vorteile?
Diekmann: Mehrkanalton hat zwar mit dem Format Dolby Atmos im Streaming bereits eine breite Akzeptanz aber verliert dort auf Grund der Datenreduktion seine Dynamik. Die Blu-ray hat da mit einer stabilen, bis zu zehnfach höheren Bitrate einen klaren Mehrwert. Die zusätzlichen Tonformate Stereo, Surround oder das immersive 24bit/96kHz Format AURO-3D bieten neben den visuellen und multimedialen Optionen, alles auf einer Disc, ein kreatives Umfeld für Künstler und Label. Die hervorragende Hardwaredichte von mehr als 15 Millionen Blu-ray Playern in deutschen Haushalten und mehr als 8 Millionen Mehrkanal Receivern oder Soundbars, durch den Film etabliert, bieten zudem eine gute Grundlage auch Musikprodukte darauf zu genießen. Außerdem sind Studioproduktionen in den letzten Jahren qualitativ immer hochauflösender aufgenommen worden – warum also nicht das Blu-ray-Format fördern?
LowBeats: Wie möchten Sie das umsetzen?
Diekmann: Bei unserem Netzwerk an Heimkinohändlern, erleben Interessierte wie gut das klingen kann: Wir haben die Musiktitel – die Händler haben die passende Hardware …! Dazu stellen wir neue Musikveröffentlichungen in bester Klangqualität in unserer Eventreihe „Visions Of Sound“ deutschlandweit vor. Zusätzlich küren wir regelmäßig ein Album des Monats und präsentieren dies gemeinsam mit den örtlichen Handelspartnern. Klassische PR und Marketingarbeit mit einer entsprechenden Berichterstattung unterstützt unsere Arbeit und informiert den Fan. Dank daher an alle die uns dort unterstützen. (Anm. d. Red.: Kommende Termine siehe unten, Infos unter www.visions-of-sound.live).
LowBeats: Treibt Sie noch etwas anderes an?
Diekmann: Ein weiterer Punkt für uns ist die Vergütung der Musiker. Ich habe selbst klassische Konzertgitarre studiert und bin mit hoher Musikqualität groß geworden. Dabei habe ich viele Aspekte von der Musikerseite aus kennen gelernt, auch die Vermarktung. Streaming-Portale machen es durch ihre Vergütungsmodelle vielen Musikern schwer eine qualitativ hochwertige Produktion umsetzen zu können. Da ist ein physischer Datenträger als Kaufprodukt klar im Vorteil. Pro Stream bekommen KünstlerInnen in der Selbstvermarktung circa einen halben Cent pro Stream. Bei fünfstelligen Produktions- und Vermarktungskosten wären insofern millionenfache Streams nötig … Auf der Blu-ray können auch weniger bekannte MusikerInnen sich in hoher Qualität präsentieren und einen Start in die Refinanzierung von Aufnahmen starten. Zumal auch der Verkaufspreis einer Blu-ray angesichts der darauf gespeicherten Qualität und Vielfalt moderat ausfällt. Der liegt aktuell bei rund 30 bis 35 Euro. Mit einer Verkaufsmenge von unter 1.000 Stück ist so für viele Künstler bereits eine solide Finanzierung möglich.
LowBeats: Aber ist denn Surround und immersive Audio, Dolby Atmos etc. für HiFi-Freunde wirklich das Richtige…?
Diekmann: Wir bedienen beide Vorlieben und sehen da gar keine Trennung: Viele haben ja eine gute Heimkinoanlage im Wohnzimmer mit entsprechender Hardware. Und viele Blu-rays bieten zudem eine HiRes-Stereospur mit bis zu 24Bit/192kHz. Mit immersivem Audio in Dolby Atmos oder AURO-3D erlebt der Zuhörer eine komplett neue Klangdimension. Diese ist zudem sehr natürlich. Klang muss nicht mehr auf links/rechts aufgeteilt werden, sondern entfaltet sich plastisch und sehr natürlich im Raum. Großartige Konzertproduktionen wie zum Beispiel John Williams Filmsoundtracks mit den Berliner Philharmonikern eingespielt, liefern so den Konzertsaal oder das Stadion ins Wohnzimmer. Ein absolut tolles Erlebnis!
LowBeats: Wie sieht es mit der Vielfalt des Repertoires aus?
Diekmann: Wir versuchen die Blu-ray wirklich zu etablieren und kooperieren deshalb auch mit anderen Vertrieben, um deren Repertoire anzubieten. Auch durch die Lizenzierung von Aufnahmen sorgen wir für Repertoirevielfalt.… Dieses ist inzwischen auf fast alle Genres verteilt. Guter Mehrkanalton ist unser Schwerpunkt und da gibt es auch in Surround wunderbare Mischungen wie David Gilmour´s „Live At Pompeii“.
LowBeats: Das scheint ja schon zu klappen. Auch in der Redaktion hören wir beispielsweise oft „The Who With Orchestra: Live At Wembley“, das auf Blu-ray überragend gut klingt. Bleibt uns die Blu-ray also erhalten oder schneit uns demnächst noch einmal ein neuer physischer Datenträger ins Heimkino?
Diekmann: 50GB Datenkapazität reichen allemal für immersive Audio, Dolby Atmos und HiRes-Stereo. Das ist jetzt gesetzt und der Markt andererseits auch nicht so groß, dass realistischerweise nochmal ein neues Medium entstehen wird oder müsste.
LowBeats: Also alles rosig?
Diekmann: Alle Möglichkeiten sind da. Wir haben momentan eine super Situation in der Musikvermarktung und sollten möglichst nicht immer alle in Richtung des günstigen Streaming-Abos gucken, sondern lieber Zuhause mit Genuss die bestmögliche Klangqualität – wie vom Künstler erschaffen – erleben und für ein neues Hören offen sein.
LowBeats: Herr Diekmann, vielen Dank für das Gespräch.
Eventreihe “Visions-of-sound.Live”, kommende Termine:
20.10. Hört sich Gut an – 33602 Bielefeld
21.10. GROBI.TV – 41564 Kaarst
27. + 28.10. HiFi Forum – 91083 Baiersdorf
10.11. Radio Körner – 01067 Dresden
17.11. Lichtenfeld Media – 20095 Hamburg
Info: Die Vorführungen dauern in der Regel 30 bis 45 Minuten und erfordern eine Vorab-Anmeldung. Den Link zur Anmeldung mit Adresse und Vorführ-Uhrzeit gibt’s mit Klick unter dem jeweiligen Termin auf der Seite www.visions-of-sound.live
Weitere Informationen unter Pure Audio Recordings in Köln