Kompositorisch zählt er zu den Großen im Pop-Business: Joe Jackson schreibt seit seinen beiden 79er Debüt-Alben Look Sharp sowie I’m The Man und 1982 mit Night And Day New-Wave- und Alternative-Rock-Geschichte mit klug gesetzten Jazz-Untertönen. Joe Jackson Fool ist das 20. Studioalbum des Briten – und eines der besten Alben seit vielen Jahren.
Ich war privat in der Nähe von Kassel unterwegs, damals Anfang der 80er. Äußerst bezaubernd privat. Auf dem Velours-Teppichboden vor dem Plattenspieler lag eine weiß-blaue LP-Hülle, auf der sich eine schwarz stilisierte Wolkenkratzer-Skyline hinter einem in schwarzen Outlines gezeichneten Flügel aufbäumte. Hinter diesem saß ein ebenso kleiner Mann vor Notenblättern. Der hieß Joe Jackson. Er war Sänger. Und ein herausragender Komponist. Es sollte nicht lange dauern, ehe dieser hagere Brite mit der gewöhnungsbedürftigen, rotzigen Stimme ein Favorit wurde. Nicht zuletzt durch seine nachfolgenden Alben, die auch audiophile Gemüter schätzten: Wie bei Body And Soul, mit seiner Album-Cover-Hommage an den Blue-Note-Artisten Sonny Rollins, eingespielt im Brooklyn Masonic Temple mit dessen raumgreifender Akustik.
Der 64-Jährige Brite aus dem englischen Burton-on-Trent wuchs als schmales, Asthma-geplagtes Kind in Portsmouth auf. Ein Bücherwurm, der Schriftsteller werden wollte. Mit elf machte er Bekanntschaft mit der Musik und lernte Violine in der Schule. Dann wechselte er zum Piano und begeisterte sich fürs Komponieren. Nach diversen Pub-Auftritten gewann er schließlich mit 18 ein Stipendium und konnte Komposition, Piano und Perkussion an der Londoner Royal Academy of Music studieren. 1978 bekam US-Producer David Kershenbaum (Duran Duran, Bryan Adams, Supertramp, Cat Stevens) von seinem Demo Wind. Und fand es fantastisch. Es war Look Sharp.
Die Entstehung von Joe Jackson Fool
Doch zurück in die Gegenwart. Joe Jackson Fool wurde in nur eineinhalb Wochen nach einer Tour in Boise/Idaho eingespielt. Das Team bestand aus jenen Kollegen, die Joe die letzten drei Jahre begleiteten: Graham Maby (Bass), Teddy Kumpel (Gitarre) und Doug Yowell (Drums). Gemixt wurde das Album in New York. Produziert haben es Jackson und Pat Dillett (David Byrne, Sufjan Stevens).
„Ich habe niemals ein übergeordnetes Thema im Kopf, wenn ich anfange, Songs für ein Album zu schreiben, aber manchmal entwickelt sich halt eines. In diesem Falle sind es Komödie, Tragödie und die Art und Weise wie diese Themen in all unseren Leben verflochten sind. Die Stücke handeln von Furcht und Wut, Entwurzelung und Verlust. Aber auch von den Dingen, die das Leben nach wie vor lebenswert machen: Freundschaft, Lachen, Musik oder die Kunst an sich. 1979 hätte ich das nicht gekonnt. Damals hatte ich noch nicht genug gelebt,“ reflektiert Jackson.
Die Musik von Joe Jackson Fool
Fool ist voller Komödie, Tragödie, darin Wut, Entwurzelung und Liebe. Der Klang überzeugt mit prima Auflösung, gutem Raumgefühl und packendem Druck-Potenzial. Aus der „Big Black Cloud“ regnet ein überaus harsches Piano, das sich anfangs aus einem grollenden Sound-Orkus herausschält. Joe stemmt sich mit drohend-rotzigen Stimmbändern dagegen und holt sich mit zackig getupften E-Gitarren Unterstützung. Die Botschaft: „No Luck / No Money / No Sex / No Fun / Get On The Treadmill / And Run Run Run Run Run“.
„Fabulously Absolute“ dreht mit überaus quirligen E-Gitarren auf, die ein flirrender Synthie umgarnt, getragen von Fast-Forward-Drum-Einsätzen und einem Piano-Intermezzo. Joes Stimme scheint dabei teils mit den Background-Vocals zu einer ironisch-aufmüpfigen Einheit zu verschmelzen. Das peppt.
Auf „Dave“ schmiegt sich Jackson mit versöhnlich-samtiger Stimme an ein beinahe gläsern sound-inszeniertes Piano.
„Friend Better“ federt und wippt mit rockigem Drive und R&B-Ambiente. Botschaft: „…Listen What The Wise Man Said Lover Good – Friend Better / Lover Good – Friend Better“.
Auf „Alchemy“ zaubert Jackson ein hinreißendes Sixties-Ambiente mit Querflöten und Morricone-/Kaempfert-Genen, getragen von singend-swingenden E-Gitarren und einem jazzy Happy-End.
„Fool“ scherzt mit aufrührerischem Trommel-Wirbel, zackigem Bass und peitschenden Elektrik-Gitarren, die einem rosenduftenden Orient-Ambiente weichen und sogar sprühend in Latin-Grooves abtauchen. Garniert von Shakespeare-Zitaten und eigenem Wort-Spiel:
„Hail the Prince in a pink polyester
Burn the Priests and bomb the Protesters
Kill the King, but you can’t kill Feste
Long live the Jester! Long live the Jester!”
Joe Jackson Tour 2019 in Deutschland
Joe Jackson, der in New York lebt, aber auch einen großen Koffer in Berin hat, startet am 5. Februar seine Live-Tour, die ihn auch nach Deutschland führen wird, nämlich nach Berlin (28. März, Admiralspalast), Hamburg (29. März, Fabrik), Stuttgart (31. März, Liederhalle), München (1. April, Muffathalle) und nach Köln (3. April, Gloria Theater).
Zu seiner Tour lassen wir Jackson noch einmal selber sprechen: „Hier kommt also die große Tour. Wir möchten mit ihr auch feiern, dass sie 40 Jahre nach dem Beginn von allem stattfindet. Dabei habe ich versucht dieser Zeitspanne musikalisch mit fünf Alben gerecht zu werden, jedes repräsentiert eine Dekade: Look Sharp (1979), Night And Day (1982), Laughter And Lust (1991), Rain (2008) und Fool (2019). Wir werden aber rauch ein paar Songs von anderen Alben und ein paar neue Coverversionen beimischen. Ich kann’s kaum erwarten. Let’s party.“
Und für alle, die nicht genug bekommen können, haben wir noch einen erstklassigen Live-Album-Tipp von Joe Jackson: Summer In The City: Live In New York – ein vor Energie und spielerischer Freude überbordendes Bühnenwerk, klanglich prima.
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