John Williams ist nicht nur der meist ausgezeichnete Filmkomponist aller Zeiten, sondern auch unter Klassik-Kennern anerkannt einer der besten lebenden Komponisten der Welt. Und weil John Williams schon immer seine wichtigsten Kompositionen in Suiten für Konzerte umsetzt, gibt es schon seit Jahrzehnten Aufführungen und Aufnahmen seiner wichtigsten Werke aus aller Welt, gespielt von den bedeutendsten Orchestern und Musikern. Deshalb kam es zu der Aufnahme John Williams Live in Vienna. Und weil alle Beteiligten von der 3D-Wiedergabe überzeugt sind, wurde das Werk auch in Dolby Atmos aufgenommen beziehungsweise gemastert.
John Williams Live in Vienna: die Aufnahme
Anfang des Jahres hatten die Wiener Philharmoniker den mittlerweile 88-jährigen Meister eingeladen, sein erstes eigenes Konzert in Europa zu spielen – und das im Großen Musikvereinssaal. Damit dieses Werk überhaupt entstehen konnte, mussten viele Klippen umschifft werden. Servus-TV konnte sich die Senderechte sichern, so war schon mal grundsätzlich für die Aufnahme gesorgt. Aber es dürfte wohl Anne-Sophie Mutter zu verdanken sein, dass die Deutsche Grammophon die aufwändige Tonproduktion und Produktion der CD und Pure-Audio Blu-ray übernahm. Den kritischsten Punkt aber ahnte wohl noch keiner am Tag des Geschehens: Kurz nach den Konzertaufnahmen am 18. und 19. Januar hätte das Ereignis wegen des Lockdowns nicht mehr stattfinden können.
Wie bereits erwähnt, ist die Disk als Pure-Audio Blu-ray ausgeführt. Das bedeutet nicht, dass kein Video drauf ist. Es heißt aber, dass man die reine Musik auch “blind” ohne Menü oder Bild navigieren kann, genau wie eine CD. Die Klangqualität mit und ohne Bild unterscheidet sich nicht, wohl aber die Playlist. In beiden Konzertversionen kann man mit den Farbtasten der Player-Fernbedienung zwischen Stereo (DTS-HD Masteraudio 24Bit/96kHz), klassischem Surround (DTS-HD Masteraudio 24Bit/48kHz) und immersive Audio Dolby Atmos (Dolby TrueHD 24Bit/48kHz) auswählen – je nachdem, was die eigene Anlage beherrscht. Ach ja: eine konventionelle CD liegt auch noch in der Packung.
Als Bonus gibt es ein Interview mit dem Meister sowie ein angeregtes Gespräch zwischen ihm und Anne-Sophie Mutter über das Konzert und viele weitere Themen rund um Musik. Irgendwie wirkt John Williams dabei fast ein wenig verliebt in seine Solistin. Sie kennen sich von vielen gemeinsamen Konzerten, auch das Album Across the Stars ist ein Zeugnis ihrer engen Zusammenarbeit.
Glaubt man den Kritiken, hat es im Musikverein zuvor nie eine derartige Standing Ovation vor Beginn des Konzerts gegeben. Das Publikum des Abends war auch für den altehrwürdigen Musikvereinssaal eher ungewöhnlich: Abendroben gemischt mit Star-Wars-T-Shirts…
Und dann kommt einfach alles zusammen, was ein Meisterwerk entstehen lässt: Ein Orchester das Lust hat, ein sichtlich gerührter, motivierter Komponist und Dirigent, eine gut vorbereitete Videoproduktion und aufwändige Mikrofonierung für die Postproduktion in drei Audioformaten mit hoher Auflösung. Dazu eine tolle Akustik, das aufgeregte Publikum und die richtige Spannung in der Luft.
Die Bilder von Video-Produzent Bernhard Fleischer sind kristallklar und dank anschließendem Colorgrading im Mastering Studio München (MSM) farblich stimmig und plastisch. Tonmeister Professor Bernhard Güttler versteht offenkundig, seine Mikros zu setzen. Er hat sein eigenes Studio mittlerweile mit einem 9.1.4 Setup aufgerüstet und das Mixing routiniert für die drei Mischungen des Albums vorbereitet. Das Mastering für Stereo erledigte Christoph Stickl, für Surround und Dolby Atmos fanden sich David Merkl und Stefan Bock. Die Arbeiten fanden im MSM statt, wo dann auch das Authoring im Pure-Audio Blu-ray Format erfolgte.
Der Klang
Auch von einem neutralen Standpunkt aus betrachtet, ist Live in Vienna eine hervorragende, wunderbar plastisch wirkende und fein durchzeichnende Orchesteraufnahme – dazu in einer berühmten Akustik. Sie zeigt aber auch, wo welches System seine Grenzen hat. Obwohl mit der höchsten technischen Auflösung (mit 96 Kilohertz Abtastrate) aufgenommen, spielt Stereo in jedem guten Mehrkanal-Setup am flachsten und wird sogar von der 5.1-Mischung in Sachen Live-Gefühl und Räumlichkeit überflügelt. Das Orchester bekommt mit 5.1 erkennbar mehr Tiefe und klarere Umrisse.
Dolby Atmos klingt vielleicht sogar ein wenig grobkörniger, setzt dafür der Räumlichkeit und Plastizität die Krone auf. Das hört man bereits beim Applaus, der auf dieser Tonspur schlicht am authentischsten klingt. Wie stimmig die räumliche Abbildung ist, merkt man auch, wenn man beim laufenden Konzert im Zimmer umher geht: Selbst dann gibt es einfach keinen Bruch oder perspektivische Verzeichnung. Klasse!
John Williams Live In Vienna | 2020/10 |
überragend |
Bewertungen
MusikBildTonGesamt |
P.S.: Kleine Anektdote zu zwei von John Williams bekanntesten Kompositionen. Nach den Arbeiten an Spielbergs Der weiße Hai traf John Williams erst verspätet zu Star Wars ein. George Lucas hatte längst einen Großteil des Films geschnitten und dazu Gustav Holsts Die Planeten als Layout-Musik verwendet. Der nun nachträglich komponierte Soundtrack mußte also Tempo und Dramaturgie der Vorlage einhalten. Daher klingen Star Wars Hauptthema und der Imperial March nicht zufällig entfernt nach Jupiter und Mars von Holst…