de
Castle Richmond IV im LowBeats Hörraum
Die Castle Richmond IV hat einige faszinierende Eigenschaften. Und nachdem ihr Paarpreis um 55% auf 399 Euro gesenkt wurde, ist sie auch noch richtig günstig... (Foto: H. Biermann)

Kauftipp der Woche: Kompaktbox Castle Richmond IV

Während meiner ständigen Suche nach attraktiven Kauftipps war ich wieder einmal auf einer meiner Lieblingsseiten unterwegs: audiolust.de vom IAD-Vertrieb ist ein Kaleidoskop der International Audio Group, einer chinesischen Muttergesellschaft, die nicht weniger als 25 namhafte Audiomarken (darunter sieben britische) unter ihrem Dach vereint und hier teilweise präsentiert. Man muss nicht lange suchen, um schnell eines der Top-Angebote zu finden. Gleich auf der Startseite von audiolust.de wird dem Besucher die Castle Richmond IV angeboten. Ein schön gemachter 2-Wege Kompaktlautsprecher, der bis vor kurzem noch 900 Euro pro Paar kostete, nun aber von der IAD für 399 rausgehauen wird. Ich hatte mit Castle gefühlt 20 Jahre nichts mehr zu tun, also ließ ich mir ein Pärchen zuschicken. Ergebnis nach einer Woche des Hörens und Experimentierens: Ein super Kauftipp. Aber nicht für jeden…

Castle Richmond IV von allejn Seiten
Die Richmond IV von allen Seiten: ein kleines, energisches Böxchen mit einer Höhe von 30.5 cm und unten sitzendem Hochtöner (Foto: Castle)

Der Aufbau der Castle Richmond IV

Castle Audio ist ein ehrwürdiger Name aus dem britischen HiFi. Seine Wurzeln reichen zurück bis in die 1930er Jahre, doch die Gründung der Company erfolgte erst 1973. Von jeher war eine absolut überzeugende Verarbeitung der Gehäuse ein wesentlicher Schwerpunkt der Briten. Das ist immer noch so, obwohl die Castle Lautsprecher heute zwar immer noch im britischen Huntingdon erdacht, aber schon lange auf den Werkbänken der Volksrepublik China gemacht werden.

Die Überraschung erfolgt schon beim Auspacken. Huch, die ist ja viel schwerer als erwartet. Und tatsächlich sind ihre 6,3 Kilo deutlich mehr, als beispielsweise die vergleichbar große B&W 607 S2 Anniversary Edition auf die Waage bringt, nämlich 4,7 Kilo. Da muss also einiges drinstecken, in der kompakten Richmond.

Tut es wohl auch. Wie üblich haben wir einmal reingeschaut und entdeckten zum einen den robusten Aufbau mit 20 mm starken MDF-Wänden. Die wiederum sind ringsrum mit Echtholzfurnier bedeckt. Das ist mittlerweile in dieser Klasse äußerst selten geworden. Entweder sind es aufgeklebte Dekorfolien oder die Box wird einfach lackiert. Das Furnier der Castle Richmond IV indes ist richtig gut verarbeitet. Die Front wie die Rückseite sind mit einem Kunstleder (so wie es auch bei vielen Sonus Faber Modellen zu finden war) überzogen. Der ganze Lautsprecher macht den Eindruck, als sei er von Anfang an für den Betrieb im Herren- oder Kaminzimmer entwickelt worden.

Vorwärts Zurück
Castle Richmond IV Furnier
Absolut makellos verarbeitet: Das Echtholzfurnier unseres „Mahagony“-Testmusters ist natürlich nur rötlich eingefärbt. Echtes Mahagoni gibt es glücklicherweise im HiFi schon lange nicht mehr (Foto: H. Biermann)
Castle Richmond IV Schallwand
Die Schallwand ist – wie alle Wände – 20 mm stark und mit Kunstleder überzogen. Da die Treiber auf dem Kunstleder aufliegen, sorgt es zudem für eine bessere Abdichtung und eine dezente Form der Entkopplung (Foto: H. Biermann)
Castle Richmond IV Anschluss
Das Kunstleder bekleidet auch auf die Rückseite. Hier findet sich der Hinweis auf die Herkunft: PRC steht für Public Repulic of China, also Volksrepublik China. Die Single Wiring-Anschlüsse genügen übrigens – klassenunüblich – ganz hohen Ansprüchen (Foto: H. Biermann)
Vorwärts Zurück

Diesen Teil der Hausaufgaben haben die Castle-Leute also schon mal mit Bravour gelöst. Aber auch technisch haben sie der Richmond IV eine ordentliche Mitgift auf den Weg gegeben. Die Castle ist eine 2-Wege-Kombination mit einem 15 cm Tiefmitteltöner und einer recht großen Gewebekalotte (32 mm Durchmesser); eine Frequenzweiche mit durchweg hochwertigen Bauteilen sorgt für eine Trennung bei etwa 2.500 Hertz.

Vorwärts Zurück
Castle Richmond IV Hochtöner
Der Hochtöner hat eine Gewebekalotte, die mit 32 mm Durchmesser vergleichsweise groß ausfällt – gut für die Dynamik (Foto: H. Biermann)
Castle Richmond IV Bass
Der 15 cm Tiefmitteltöner hat einen stattlichen Antrieb und eine Membran aus gewobenem Kevlar. Er läuft bis etwa 2.500 Hertz (Foto: H. Biermann)
Vorwärts Zurück

Das alles sagt zunächst einmal nichts, weist aber auf eine recht hohe Belastbarkeit hin, die wir in den Hörtests auch bestätigen konnten: Echt tapfer, was die Richmond IV so an Pegel wegsteckte.

Die Castle Richmond IV in der Praxis

Dass bei der Richmond IV der Hochtöner unten ist, muss niemanden irritieren. Auf den Boden wird sie ja wohl niemand stellen. Und im Regal oder auf dem Sideboard wird man den Hochtöner ja sicherlich in etwa auf Ohrhöhe des lauschenden Zuhörers bekommen. Drei Punkte sind bei der kleinen Castle wichtig zu wissen: 1.) Sie ist technisch/elektrisch nicht besonders anspruchsvoll und harmoniert daher auch mit schwächeren Verstärkern einwandfrei. 2.) Weil sie eine Überhöhung in den oberen Mitten hat, verbietet sich die Kombination mit eher hell und offen klingenden Verstärkern à la Atoll, T+A oder Yamaha. Stattdessen hatte ich größte Freude, die Castle mit meinen Vintage Pretiosen zu betreiben: dem Stereo-Receiver Onkyo TX-2500 und dem Marantz Vollverstärker Model 1120. Beide klangen mit der Castle offen und quicklebendig, wirkten wie nach einer Verjüngungskur.

Fehlt noch Punkt 3. Ebenfalls sehr ungewöhnlich für Lautsprecher dieser Klasse und Herkunft: der Bass der Castle Richmond IV ist wunderbar trocken und sauber. Dieser Charakterzug erlaubt es, die chinesische Engländerin auch direkt ins Regal mit viel Büchern drumherum einzubauen. Praktischer Weise ist sie mit 30,5 cm gerade noch so niedrig, dass sie in des Deutschen Lieblingsmöbel passt, das Kallax Regal von IKEA. Natürlich ist das nicht ideal und eine Entkopplung von den dünnen Böden des schwedischen Mega-Sellers sei dringlichst angeraten…

Castle Richmond IV im Regal
Die Richmond IV passt so gerade in die 33 x 33 cm Quadrate des IKEA Kallax und ist einer der wenigen Lautsprecher, die auch im vollgestopften Regal ordentlich klingen (Foto: H. Biermann)

Klangliches…

Fast das Meiste ist schon erzählt und doch will noch einiges gesagt sein: Im Bass ist die Richmond IV eher sauber-trocken abgestimmt. Und weil sie zudem recht hoch belastbar ist, hat sie für Freunde des Perkussiven einiges in petto: die Bässe kommen kernig, mit viel Druck und Geschwindigkeit. Paukenfelle schwingen herrlich authentisch nach. Das hat nichts mit der Schmuseabstimmung zu tun, die die meisten Kompaktboxen heutzutage anerzogen bekommen – nur, weil auch schlechte Pop-Aufnahmen mit ihnen gut klingen müssen. Die Castle zeigt eine Präzision und Lebendigkeit, die eher an Studio-Monitore erinnert.

Castle Richmond IV im LowBeats Hörraum
Die Castle erinnert mit ihrer ungemein direkten Spielweise eher an Studio-Monitore als an klassisches England-HiFi (Foto: H. Biermann)

Das liegt vor allem an der leichten Überhöhung des Mittelhochtonbereichs. Diese klingt mit modernen Verstärkern (wie den von uns hoch geschätzten Atoll- oder Exposure-Amps) nicht immer angenehm, hat aber durchaus faszinierende Seiten. Vor allem die Abbildung ist frappierend: direkt vor der Nase des Zuhörers und ungemein plastisch. Bei geschlossenen Augen ist man spontan geneigt, die Gitarre, die Snaredrum, die Klarinette, die da vor einem spielt, anfassen zu wollen. Auch gelang es der Castle, Schallereignisse links und rechts neben dem Kopf zu platzieren – und zwar mit Stereo-Aufnahmen, die ich schon dutzende Male vorher gehört, den Effekt aber in dieser Stärke noch nicht wahrgenommen hatte. Wow.

Fazit Castle Richmond IV

Kauftipp der Woche Quad Artera PlayFür ihre ursprünglich 900 Euro Paarpreis war die kleine Castle in Ordnung – kein Überflieger, zumal sie mit ihrer leichten Überhöhung der oberen Mitten keineswegs Everyboys Darling werden konnte. Nach dem dramatischen Preissturz aber muss man diesen Kompakt-Lautsprecher neu bewerten. Denn natürlich gibt es andernorts für 399 Euro eine solche Verarbeitung nicht – schon gar nicht mit Echtholzfurnier.

Wirklich interessant wird das Energiebündel, wenn man seine Eigenheiten richtig einzusetzen weiß. Das heißt: Für alle, die nur ein ziemlich volles Wandregel zur Verfügung haben oder in einem durch viel Teppich und viele Vorhänge völlig überdämpftem Wohnzimmer hören müssen, ist sie eine hochklassige Möglichkeit, aus akustisch wiedrigen Umständen das Beste zu machen. Oder – fast noch schöner – wenn man aus dem Keller den HiFi-Helden seiner Jugend geholt hat und feststellt, dass er mit modernen Lautsprechern etwas matt klingt. Auch in diesen Fällen entpuppt sich die Castle Richmond IV als echtes Highlight.

Sie erkennen in den Beschreibungen Ihre Hörsituation wieder? Dann empfehle ich einen Doppelklick auf den orangen Kauftipp-Button…

Castle Richmond IV
2020/11
Test-Ergebnis: 4,4
Sehr gut
Bewertungen
Klang-Potenzial
Wert-Beständigkeit
Preis/Leistung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Sehr präsenter, präzise-räumlicher Klang
Erfreulich pegelfest
Echtholzfurnier, exzellente Verarbeitung
Optimal für Vintage-Verstärker geeignet

Angebot:
IAD (Audiolust)
Johann-Georg-Halske-Str., 11
41352 Korschenbroich
Telefon: 021616178313
www.audiolust.de

Aktionspreis (zeitlich begrenzt):
Castle Richmond IV: 399 Euro (Paar)

Technische Daten

Castle Richmond IV
Konzept:2-Wege Bassreflex-Konstruktion
empfohlene Raumgröße:bis maximal 20 Quadratmeter
Anschlüsse:Single Wiring
Gewicht:6,3 Kilo
Farben (Echtholzfurnier):Schwarz und Mahagoni
Abmessungen (B x H xT):
19,0 x 30,5 x 26,2 cm

Autor: Holger Biermann

Avatar-Foto
Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.