die 10 besten Box-Sets 2019 Teil 2
Fleetwood Mac Before The Beginning
Kaum zu glauben, dass es immer mal wieder Funde von musikhistorischem Wert gibt, von denen vorher kaum oder gar keiner etwas gewusst haben will: Unlängst fanden sich Tonbänder mit „unbekannten“ Live- und Demo-Takes aus der Früh-Zeit von Fleetwood Mac, „unbeschriftet und per Zufall entdeckt“ sowie von Experten der frühen Band-Bluesphase zugeordnet. Hallo – hat sich denn keiner darum geschert, Tonbänder nach Auftritten einzusammeln und zu archivieren, weder die Musiker noch ein Label?
Wir schreiben Ende der 60er Jahre. Alle Welt bekam den Blues, Größen wie Eric Clapton, John Mayall, Jeff Beck – oder eben die frühen Fleetwood Mac mit Gitarren-Genie Peter Green spielten wie die Derwische in Live-Clubs, auch wie im kultigen Londoner „Marquee“ in der City of Westminster. Drei CDs respektive drei LPs vereinen 41 Songs der Ur-Mac-Truppe mit Green, Mick Fleetwood, John McVie, Jeremy Spencer und Danny Kirwan – wie gesagt aus unbekannter Bühnen-Quelle. Ein 44-Seiten-Buch mit Dutzenden Fotos und interessanten Infos aus der Zeit wertet das Box-Set fulminant auf. Ebenso wie darin enthaltene Liner Notes wie die von Andy Powell, seines Zeichens Mitbegründer der Rockformation Wishbone Ash: Powell schwärmt von Peter Greens Talent in den höchsten Tönen.
Das Buch lässt auch andere zeitgenössische Begutachter zu Wort kommen: „Noch mehr Cream?“, fragte die britische Musikgazette „Melody Maker“ damals und berichtete, dass eine neue Cream-ähnliche Band gerade von Ex-John-Mayall-Gitarrist Peter Green gegründet würde. Was so nicht ganz stimmte, denn die damals neue Band Fleetwood Mac verschrieb sich fast ausschließlich dem erdigen, abgrundtiefen Blues und ließ Jazz- oder Pop-Einflüsse draußen. Andere beschrieben den smarten Hit-Song „Albatross“, der aus dem Blues-Keller ausbrach zurecht Massenkompatibilität zu. Der Song spräche zu so vielen; Jung und Alt, Ladies, Hippies Fans und Nicht-Fans …
Vor allem heutige Fans der frühen Fleetwood Mac werden die Ohren spitzen angesichts der packenden Live-Atmosphäre unterschiedlicher Venues und können dabei schwelgen in teils rohen, ungeschliffenen Sounds von Songs wie „Madison Blues“, „I Need Your Love So Bad“, „Long Tall Sally“, „The Green Manalishi“, „Oh Well“ oder „Albatros“. Laut Plattenfirma wurde das gut erhaltene Ausgangsmaterial „aufwändig restauriert“ – und so reicht die klangliche Bandbreite von homogen-durchschnittlich bis durchaus druckvoll und gut aufgelöst.
Fleetwood Mac: Rumours Deluxe
Und nochmal ein big Mac: 1977, nur wenige Jahre nach ihrer massiven Bluesphase, schufen die neuen Fleetwood Mac mit den Damen Christine McVie und Stevie Nicks sowie Lindsey Buckingham an Bord eines der erfolgreichsten Pop-/Rockalben ever: Über 40 Millionen Tonträger verteilen sich auf dem Planeten, bestückt mit fantastischen Songs wie „Go Your Own Way“, „Dreams“ oder „Don’t Stop“.
Bereits zum 35. Jubeljahr erschien eine 3-CD-Box mit diversen Outtakes der Aufnahmesessions und Live-Songs der „Rumours World Tour“. Nun kommt hier noch eine vierte CD dazu – mit nochmals zusätzlichen „Roughs“ und Outtakes sowie frühen Demos („Planets Of The Universe“, „Never Going Back Again“, Butter Cookie (Keep Me There)“, „Gold Dust Woman“ – mit einem himmlisch minimalistischen Stimm-Gitarrendialog –, „Doesn’t Anything Last“ und Jam Sessions („Mic The Screecher“ oder, „For Duster (The Blues)“.
Kurz gesagt: Wer als Freund des Albums noch nicht Besitzer der 3-CD-Box ist, kann auf jeden Fall zugreifen. Denn dieses Paket mit insgesamt 58 Tracks aus der Hoch-Phase der Band dürfte praller nicht geschnürt sein – und das zum moderaten Preis von beispielsweise rund 22 Euro bei amazon.de (Stand Dezember 2019). Klanglich reicht die Bandbreite von Klasse des Original-Albums über ziemlich ok der Live-Aufnahmen bis hin zu sehr ordentlich in puncto Studio-Zweitverwertungsware.
Steve Miller Band: Welcome To The Vault
Ein Hammer-Typ aus Milwaukee, der in den 60er Jahren in San Francisco souverän dem Blues frönte, um dann in den 70ern einen gewichtigen, sympathischen Teil an der Psychedelic-Rock-Historie beizutragen – dabei leider allzu häufig auf seinen Mega-Erfolg mit „The Joker“ oder „Abracadabra“ reduziert wurde. Zu Steve Millers Markenzeichen zählen hochkarätiges Gitarrenspiel, eigenwillig-smart-markante Stimme und ein kompositorisch glückliches Händchen für melodischen Rock, was 1977 in eines seiner Top-Alben mündete – „Book Of Dreams“.
Die Werkschau „Welcome To The Vault“ nimmt dieses Grafikdesign auf und vereint auf drei CDs 52 Stücke, davon 38 bislang unveröffentlichte Songs, darunter alternative Versionen, Live-Takes sowie fünf Tracks der Steve Miller Band aus den 60er und 70er Jahren. Die DVD protzt mit 21 Live-Performances aus einem halben Jahrhundert Spielzeit. Ein 100-Seiten Buch rundet das Opus mit raren Fotos und vielen Infos ab.
Wem das zu heavy ist, kann getrost zum Solo-Album greifen, das 13 Song-Perlen aus dem Ouevre aufreiht – und zwar in druckvollem, recht fein aufgelöstem Klang, der Spaß macht. Eine kompakte Empfehlung, die zudem spannender, weil eigenständiger daherkommt, als die Song-Sammlung von „Ultimate Hits“.
Pink Floyd: The Later Years
Unter den 10 besten Box-Sets 2019 ist dies das üppigste Werk. Ob das 40. Jubiläum von The Wall im November 2019 mit den Ausschlag gab, ein solch beinahe irrwitziges Sammelsurium an Musikmaterial zu veröffentlichen – man weiß es nicht. Zu dem „Mauer“-Werk gab es ja bereits 2012 die „Immersion Box mit sechs CDs (und 94 Tracks) nebst DVD. Nun betiteln die Psychedelic-Rocker ihre Post-Roger-Waters-Ära simpel mit The Later Years und fokussieren dabei die Zeit seit 1987.
Mit im opulenten Paket stecken Memorabilia, darunter Tourprogramme, ein Textbuch nebst 60-seitigem Fotoband. Von der Song-Seite spannend sind unter anderem der letzte gemeinsame Auftritt von David Gilmour, Nick Mason und Richard Wright aus dem Jahr 2007, anlässlich des „Syd Barrett Tribute Concert“. Aber auch das sechs-, respektive siebenstündige Audio-/Audiovideo-Sammelsurium aus den Alben A Momentary Lapse Of Reason, The Division Bell und The Endless River beeindrucken.
Zudem locken vollständige, rare und remasterte Filme der 89er- und 90er Konzerte in Venedig sowie Knebworth. Und das ist noch lange nicht alles aus der Zauberbox. Ganz klar aber: ausschließlich ein Fall für Fans oder Sammler. Angesichts der Masse ein wertvolles Gesamtwerk – allerdings aus den kreativ eher nicht so hochkarätigen Zeiten der Bandgeschichte.
Was in diesem Zusammenhang zudem nicht so ganz zum Titel The Later Years passen mag, sind die – auch klanglich hervorragenden – Songs aus der ultimativen Hochphase von Pink-Floyd, als da wären „Shine On You Crazy Diamond Parts 1-5“ sowie „Wish You Were Here“ und „Comfortably Numb“ vom besagten Knebworth-Konzert sowie „Us And Them“ im „Delicate Sound Of Thunder 2019 Remix“ – allesamt übrigens auf dem vorliegenden Einzel-Album The Best of The Later Years 1987-2019 vereint.
The Police: Every Move You Make
Wer The Police kennt und mag, nennt sicherlich die meisten Alben der Wave-Rocker sein eigen, wahrscheinlich in unterschiedlichen Veröffentlichungsformen. Warum also diese 6-CD-Box kaufen? Der Charme besteht im All-inclusive-Komplettcharakter mit den fünf Studioalben der Briten um Police-Officer Sting – nebenbei reden wir hier in diesem Paket von 14 Top-20-Singles und fünf Nummer-Eins-Hits. Hinzu kommt die sechste Zugabe-Scheibe Flexible Strategies. Letztere CD füllen zwölf Tracks mit Single-B-Seiten (wie „Dead End Job“, „Landlord“, Shambelle“) sowie einem Remix von „Truth Hits Everybody“.
Zudem lockt die Box mit netten, klappbaren Farbhüllen – und einem smarten Preis (auf amazon.de rund 18 Euro; Stand Dezember 2019). Obwohl in den Abbey Road Studios remastert: Wer auf absoluten Top-Klang Wert legt, greift zu den auf (SHM-)SACD erhältlichen Einzel-Alben.
R.E.M.: Monster
Ein „Monster“-Paket zum 25-jährigen Albumjubiläum: Auf fünf CDs plus Blu-ray feiert die Band ihr vehement rockiges Werk – mit kleinem Buch, Remixen und Live-Mitschnitten.
Cat Stevens: Back To Earth
Als Vorbote für die opulente Deluxe Box gibt’s schonmal als Teaser die remasterte Einzel-CD-Version des 1979 erschienen, letzten Albums aus der frühen Schaffensphase von Singer-Songwriter Cat Stevens. Kein Meisterwerk, aber ein eigenständiges, in Teilen recht rockiges Album („Just Another Night“, „Bad Brakes“), das aber auch Reminiszenzen an frühe Folkie-Tage vereint („Randy“, „Father“) – dank reinvolviertem Produzenten aus früheren Tagen, Paul Samwell-Smith. Remastert wurde das Album in den Abbey Road Studios.
Doch anders als die hochkarätigen Klang-Werke Tea For The Tillerman oder Teaser And The Firecat bildete das Ausgangsmaterial von Back To Earth wohl auch wegen der Hingabe an die Effektmaschine Aphex Aural Exciter ein geringeres Niveau. Der Klang ist knackig und klar, aber teils etwas dünn. Innerhalb unserer Kür zu den 10 besten Box-Sets 2019 ist dies der dünnste Auftritt. Aber das richtige Werk kommt ja noch…
… hartgesottene Fans warten – ohnehin klar – auf die Super-Deluxe-Box im Februar: Die enthält dnan das remasterte Original-Album, Demos, Outtakes sowie Songs aus dem Konzert „UNICEF Year Of The Child“ aus dem Jahr 1979, des letzten Live-Auftritts als Cat Stevens, der sich dann fortan Yusuf nannte. Zudem gibt’s die raren Titel „Butterfly“ und „Toy Heart“ (mit Grammy-Gewinner Eric Johnsohn).