LowBeats Autor und -Moderator René Heller sucht beim Musikhören immer zuerst den Spaß. Und wenn der ihm in Form einer 1957er Vor-/Endstufenkombination von Quad über den Weg läuft, ist es ihm gerade recht. Denn Heller ist auch Vintage-Fan und gelernter Elektrotechniker – und durchaus willens und in der Lage, selbst Hand bei der Restaurieung anzulegen. Genau das war im Falle der Endstufen-Monos Quad II und der Vorstufe Quad 22 unumgänglich. Hier ist sein Bericht.
Für manche Geräte auf der persönlichen Klassiker-Wunschliste ergibt sich selten eine Gelegenheit und wenn, dann aus heiterem Himmel. Die Chance bot sich auf dem Parkplatz eines Werksgeländes beim Warten auf meine Freundin. Die wollte schon längst aus dem Meeting raus sein und im Auto sitzen, ab in die Ferien. Stattdessen…na, Sie wissen schon. Mein bevorzugter Vintage Online-Händler bot die Alternative zum Grummeln in Form eines spleenigen Pakets an: Quad II Monoverstärker, zwei immerhin. Dazu die Vorstufe 22. Und der FM Tuner. Originaler Röhrensatz. Röhren! Unverbastelt. Fairer Preis. Hochspannung, viel altes Glas, garantierter Überholungsbedarf, eigenwilliges Design – will ich mir das antun? Ja, gekauft. Wann, wenn nicht heute? Dauer zwischen Entdeckung und Bezahlung 45 Sekunden, dazu ein Lächeln beim Losfahren in den Urlaub.
Natürlich kommen die Zweifel mit Anlieferung der großen Kiste aus dem vereinigten Königreich. Noch mehr sperriges Zeug, hab doch wirklich schon genug. Als Kind der Halbleiterei nun auch noch Röhren, wo die EU doch gerade alle Energiefresser mit abschreckenden Labels dekoriert. Alles das verfliegt beim Auspacken und schlägt in Freude um über die Haptik, das Design der Sechzigerjahre und die Optik der filigranen Röhrentechnik. Mächtige KT66 Endröhren von GEC, Treiber und Gleichrichter von Mullard. Es folgt eine kurze Sichtprüfung der Innereien und erste Messungen der Kondensatoren und Netzwerke der beiden Kanäle. Faszinierende Mechanik und Enge in der Vorstufe. Alt, komplett original (ALLES made in UK. Das war mal eine echte Industrienation), aber scheinbar intakt ohne grobe Auffälligkeiten. Nun packt mich der totale Wahnsinn, denn nur der Versuch bringt die Kolben zum glimmen. Der Aufbau mit Sonos Connect als Quelle, Amazon Music als Cloudserver, Linn Kan Lautsprechern und für den Fall der Fälle einer improvisierten Gehäuseerdung bringt nach der obligatorischen Vorglühzeit Musik von Kraftwerk auf die Bühne. Der technologische Brückenschlag quer über die Jahrzehnte funktioniert nicht nur, sondern macht großen Spaß, einen Song nach dem anderen dirigiere ich über das Smartphone aus den Weiten der Cloud durch das Vakuum an die heimischen Speaker. Was für ein schöner Urlaub das doch war….
Quad II: Peter Walker und die Acoustical Manufacturing Company
Aber was für Geräte geben da eigentlich gerade den Ton an? Die englische Acoustical Manufacturing Company aus Huntingdon, in der Nähe von Cambridge, wurde 1936 von Peter Walker gegründet. Um den aufstrebenden Markt für High Fidelity Equipment besser anzusprechen, wurde der Markenname QUAD für “Quality Unit Amplifier Domestic” gewählt. Damals spielte die Welt noch Mono und so war das erste Produkt der röhrenbasierte. einkanalige QA12 Pre Amplifier von 1949, bald gefolgt vom QC II Pre, und der “Tube Power Amplifier”. Diese Endstufe wurde 1953 vom 15 Watt starken Quad II Amplifier abgelöst und blieb dann bis 1967 im Programm. Schaltungstechnisch sehr raffiniert werden weite Toleranzen in den Röhren und Bauteilen ausgeglichen. Verzerrungen des Ausgangssignals werden unter Einbeziehung von Wicklungen des Übertragers stark reduziert. Auch wird die mögliche Leistung der Endröhren nicht vollständig ausgenutzt, was den Verstärker sehr zuverlässig und langlebig macht. Über Multikontaktstecker werden Signale und Versorgungsspannungen mit der Control Unit ausgetauscht und so beide Geräte zu einer funktionalen Einheit.
Quad Control 22 – der Missing Link
Der mittlerweile ebenfalls legendäre elektrostatische Lautsprecher ESL-57 erschien 1957 als natürlicher Partner des Quad II Verstärkers und passte mit seinen 15 Ohm Impedanz zur Abstimmung der Endstufe. Erst nach 25 Jahren wurde er von dem ESL-63 ersetzt, heute unvorstellbar lange Produktzyklen. Nachdem Mono zunehmend durch Stereo ergänzt wurde, übernahm die Vorstufe 22 ab dem Jahr 1959 die Kontrolle und bot dem Musikenthusiasten zahlreiche Eingänge sowie variable Signal-Entzerrung. Vergleichbar dem heutigen Tohuwabohu digitaler Formate, konkurrierten in den 1950er Jahren dutzende Entzerrungskennlinien für Vinylplatten miteinander. Ähnlich einem Schweizer Messer bot Quad deshalb für die Control 22 unterschiedliche Adapter an und löste so die Anpassung generisch universell. Noch ein Grund mehr, weshalb die Geräte aus Huntingdon so beliebt waren und so lange im Einsatz bei der britischen BBC. Für den zusätzlichen Kanal bei Stereowiedergabe wurde ganz pragmatisch ein zweiter Quad II Amplifier eingesetzt.
Der Tuner für Ultrakurz- oder Mittelwelle vervollständigte das Line Up der Acoustical Manufacturing Company. Die Aufstellung erfolgte nur selten separat, der natürliche Lebensraum dieser Geräte war eingebaut in Musikmöbel, bei denen nur die Frontblenden von Control Unit, Tuner und natürlich der Plattenspieler sichtbar waren.
Quad II – die Überholung
Bei der ersten improvisierten Hörsession ging es nicht nur musikalisch hoch her, auch Drosselgehäuse sowie Netz- und Ausgangsübertrager der beiden Quad II wurden sehr warm. Vielleicht eine Folge der Fehlanpassung beider Übertrager, die ja keine ESL-57 Lautsprecher ankoppelten. Aber auch der ungeklärte Zustand aller Röhren und elektronischen Bauteile macht mir Gedanken, weckt Kreativität und fördert das Selbststudium: im weltweiten Datennetzwerk finden sich viele Informationen über Röhren in Verstärkerschaltungen, die Aufgabe von Koppelkondensatoren und die Wichtigkeit von innerem und äußerem Folienende, über Spannungsfestigkeit von Widerständen, Sicherheitshinweise und andere, für mich neue Details zum Design in der Röhrentechnik.
Auch für Quad findet sich eine sehr aktive Community mit vielen Hinweisen und Fachwissen. Der Entschluss steht fest: diese Geräte Baujahr 1965 sollen bei mir bleiben, technisch unmodifiziert weiterhin als Team musizieren, aber, wenn nötig, mit neuen Bauteilen betriebssicher gemacht werden.
Zuerst die Röhren prüfen. Diese sind die elementaren Bestandteile des Quad II und der Legende nach klingen sie mit der Originalbestückung aus GEC- und Mullard-Fertigung am besten. Im Allgäu unterstützt mich dabei Tommy mit seinem Röhrentester RPM 370 von Neuberger sowie viel Fachwissen, Anekdoten und gutem Sound aus seinen (natürlich) Röhrenverstärkern. Glück gehabt, die Messwerte der gesuchten Gläser befinden sich im Neubereich. Mit einem guten Gefühl und vielen weiteren Informationen geht es zurück in das mittlerweile mit den Einzelteilen meines Ankaufs übersäte Arbeitszimmer.
Die Überprüfung der Elektronik war nun an der Reihe, im ersten Schritt die Kondensatoren. Die Siebelkos nach dem GZ32 Gleichrichter und Drossel sowie der Multikondensatorbecher in der 22 messen sich sehr gut, optisch fällt ebenfalls kein Defekt auf. Obwohl es ein Risiko ist, diese alten Komponenten weiterzuverwenden, entscheide ich mich dafür: prägen sie doch stark den Klang der Vor- und Endstufe. Nicht ganz so gut war es dagegen um die Hunts Koppelkondensatoren zwischen den Röhrengittern bestellt.
Der Isolationswiderstand war gering und die daraus resultierenden Leckströme zu hoch. Zusätzlich wichen sie zwischen den einzelnen Bauteilen stark ab. Dem damit erhöhten Risiko von Schäden wird mit dem Einsatz von in der Szene gut beleumundeten sowie selektierten NOS Paper in Oil Kondensatoren und Folientypen vorgebeugt. Die Entwickler der damaligen Zeit waren bestens mit den Eigenschaften der verfügbaren Komponenten vertraut und so sind die möglichen Abweichungen in den Netzwerken großzügig bemessen.
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