Das Ende ist nah. Mal wieder. Im Januar 2018 will Vodafone (beziehungsweise Kabel Deutschland) in Bayern den via Kabel übertragenen UKW-Sendern den Saft abdrehen. Nach dem Pilotprojekt in Landshut folgt sukzessive der Rest des Freistaats und auch in Sachsen müssen sich Radiofreunde nach anderen Geräten oder Empfangsquellen umhören. Immerhin terrestrisch bleibt (vorerst) alles beim Alten. Das klassische UKW via Antenne wird bis auf Weiteres ausgestrahlt. Doch auch hier soll irgendwann mal Schluss sein. Aber ob es wirklich soweit kommt? Angekündigt wurde das Ende schon oft, aber bisher starb die digitale Zukunft stets vor der in den 1920er-Jahren entwickelten Ultrakurzwelle. Jetzt aber soll es ernst werden, die Politik will über ihre Landesmedienanstalten den digitalen Rundfunk in Form von DAB+ endlich voranbringen! Daran, dass das bisher nicht so richtig geklappt hat, sind die Medienanstalten und ihre Helfershelfer wie die Deutsche Bundespost oder später Telekom allerdings nicht ganz unschuldig. Der Kunde ist eben nur begrenzt leidensfähig.
Den Anfang vom Ende der politisch gewollten Radio-Digitalisierung machte 1999 das „Digitale Satellitenradio“ kurz DSR. Ausgestrahlt via DFS-Kopernikus (DFS = Deutscher-Fernmelde-Satellit) und ins Kabelnetz der damaligen Bundespost eingespeist, gab es von 1990 bis 1999 feinstes, unkomprimiertes digitales Radio.
Renommierte Hersteller sprangen auf den von der Politik gestarteten Digitalzug auf. Denon (DTU-2000) Grundig (ST-9000) und Sony (DAR1000ES), um einige Marken zu nennen, waren mit dabei. Andere, wie etwa Technics, warteten ab, um sich später von den Medienanstalten mittels DAB verschaukeln zu lassen (ST-GT1000).
Aber zurück zu DSR: Es kursieren zwei Varianten, warum das erste Digitalradio so früh von uns gehen musste. Die eine besagt, dass die noch frisch börsennotierte Telekom Mitte der 1990er-Jahre unter Ex-Sony-Deutschland-Boss Ron Sommer schnell Dividenden machen lernte und aus Platz- und Vermarktungsgründen kein hochaufgelöstes Bildungsradio in das damals enge Kabelnetz mehr einspeisen wollte. Finanziell interessanter war es, durch den Wegfall von DSR Platz für zusätzliche TV-Kanäle privater Anbieter zu schaffen, die man dann abkassieren konnte.
Die andere Variante besagt, dass der Tod von DSR ausgerechnet von einer Landesmedienanstalt, nämlich der Nordrheinwestfälischen, vorangetrieben wurde. Von Köln aus sollte ab Frühjahr 1997 gerade der neue Bildungssender Phoenix an den Start gehen, doch gab es weder einen freien Kanal auf einem ASTRA-Satelliten noch war Platz im damals schon rappelvollen Kabelnetz.
Dummerweise waren aber schon 50 Millionen Mark in den Sender geflossen, sodass eine rasche Umsetzung geboten war. Der damalige Intendant Fritz Pleitgen mochte den sonst dort fälligen Sender Kabel1 nicht verdrängen, so soll dann DSR geopfert worden sein.
Welche von den beiden Geschichten nun wirklich ursächlich war, oder ob beide zusammenwirkten, ist nicht mehr einwandfrei ermittelbar. Der Telekom war es recht, wenn das lästige Radio verschwand und mancher Landesmedienanstalt egal, Hauptsache, Phoenix konnte senden.
Die Folgen waren nicht nur für den Steuerzahler, der ja auch DSR finanziert hatte, ärgerlich. Hardware im jeweiligen Wert von mehr als 1.000 D-Mark konnte nun von Herstellern, Händlern und Kunden zum Wertstoffhof oder ins Deutsche Museum gebracht werden. Am 15. Januar 1999 war dann endgültig Schluss mit dem Digitalen Satellitenradio DSR.
Geschätzte 200.000 Zuhörer saßen von heute auf morgen vor stummen Nobelempfängern ohne Funktion. Einen halbherzigen Ersatz konnte das „Astra Digitalradio“ (ADR) schaffen, das immerhin von 1995 bis 2012 in Betrieb war. Doch ADR war im Gegensatz zu DSR nicht unkomprimiert, sondern setzte auf MPEG1 (MP2).
Ins Kabel wurde ADR nicht eingespeist, hier lag lange Zeit nur analoges UKW an, erst seit 2008 werden zumindest alle öffentlich-rechtlichen Radiosender digital (DVB-C) im Kabelnetz übertragen. ADR blieb somit eine Lösung für Nutzer mit Satellitenantenne. Als am 30. April 2012 dann die Ausstrahlung beendet wurde, hatten sich private Rundfunkanbieter schon längst zurückgezogen und wieder stand ein Stück Hardware-Historie herum.
Damit ist die Geschichte leider noch immer nicht zu Ende erzählt. Es bleibt noch das Digital Audio Broadcasting (DAB), das unter dem Projektnamen Eureka 147 bereits 1986 von der Europäischen Ministerkonferenz in Stockholm aus der Taufe gehoben wurde.
Federführend war hierbei vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk Deutschlands. Als Kind der Achtzigerjahre basierte DAB ebenso wie ADR auf MPEG1. Die Kompressionsleistung ist gering, die Klangqualität mangelhaft. So kurz und so knapp lässt sich das ausdrücken.
Irgendwie also kein Wunder, dass Konsumenten nicht so richtig auf DAB abgefahren sind. Nachdem gut 30 Jahre Steuergelder in ein veraltetes System gepumpt wurden, das keiner haben wollte, zog man Ende 2016 auch hier die Reißleine und stoppte die Ausstrahlung von DAB. In 20 Jahren Regelbetrieb konnten nur 500.000 Empfänger verkauft werden.
Nun, der Mensch ist nachtragend, neigt aber zur Vergesslichkeit. Denn nun soll DAB+ alles richten. Nach so langer Zeit ist zudem eine neue Kundengeneration am Drücker. Glück für die Landesmedienanstalten.
Doch tatsächlich haben sie beim DAB+ nun endlich mal einiges richtiggemacht. DAB+ setzt auf die zeitgemäße Audiokomprimierung MPEG-4 HE-AAC v2, einen weltweiten Standard. Es herrscht durchgehend rauschfreier Empfang in CD-Qualität, auch mobil, alle Sender sind von Anfang an mit dabei. Es scheint, als könnte das digitale Radiomärchen doch noch ein gutes Ende finden.
Das Schöne dabei: UKW ist terrestrisch bis 2025 nicht vom Aussterben bedroht, das bisher stets beschworene Abschalt-Szenario haben sich die Landesmedienanstalten erstmal abgewöhnt. Derzeit sonnt man sich lieber in ungewohnten Zahlen, dem Digitalisierungsbericht der Landesmedienanstalten zufolge stehen bereits rund zehn Millionen Empfangsgeräte nach dem DAB+-Standard in den Haushalten.
Nicht schlecht dafür, dass dieses Format erst im August 2011 eingeführt wurde. Dreiviertel davon stehen zu Hause, dabei ist DAB+ gerade für den mobilen Einsatz im Auto besonders geeignet.
Doch eine neue Anlage einbauen, oder DAB+ ab Werk? Muss nicht sein, da es auch eine Nachrüstlösung via Bluetooth sein kann. Der Digitalradio-Experte „Pure“ bietet zum Beispiel sogenannte „In-Car-Audioadapter“ mit DAB+ an. Das digitale Radio wird in die vorhandene Anlage gestreamt, fertig ist die Laube. Geht natürlich auch mit Handy und dem Vorteil, dass nicht ständig eine Internetverbindung zur Verfügung stehen muss.
Und wann stirbt DAB+? Gute Frage. Zumal das Internetradio, erreichbar mit jedem Netz-fähigen Device, schon heute von zigmal so vielen Radio-Hörern ganz selbstverständlich genutzt wird. Weil man sowieso den ganzen Tag mit dem Rechner zu tun hat und weil man sich damit die ganze Radiowelt nach Hause holen kann, ist das regional begrenzte DAB – egal in welcher Variante – eigentlich hoffnungslos unterlegen.
Und dann forscht ja auch noch das Fraunhofer Institut, die Mutter von MP3, aktuell gerade an DRM+. Dies soll neben DAB+ der kommende Standard für lokale Rundfunkanbieter werden. Wenn alles gut läuft, beherrschen die Geräte dann UKW, DAB+ und DRM+. Aber ob das überhaupt kommt und dann auch noch den Siegeszug des Internetradios aufhalten kann? Wetten werden nicht angenommen.
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