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Andreas Henke Burmester
Andreas Henke ist der Geschäftsführer von Deutschlands Vorzeige Highender Burmester. Er fordert – nicht erst seit der Corona-Krise, aber jetzt erst recht – ein Umdenken

Corona erfordert Umdenken. Ein Essay von Burmester CEO Andreas Henke

Nach ATRs Spin Director Markolf Heimann (exklusiv im LowBeats Interview) meldet sich nun mit Burmester CEO Andreas Henke ein weiterer Prominenter der HiFi-Szene zu Wort. Der studierte Volkswirtschaftler und Politologie hat immer mehr als nur die Branche im Blick. Er fordert in und nach der Corona-Krise einen Neuanfang: und zwar einen nachhaltigen. Einen, wie er sagt, der „hingebungsvollen Dickköpfigkeit“. Hier ist sein Essay:

In diesen unsicheren Tagen wird gerne geholfen: In der Nachbarschaft, im Gesundheitswesen, der Wirtschaft, der Politik. Schnell und unbürokratisch, wie es heißt. Das ist gut so, denn die individuellen Schieflagen, die durch die Corona-Turbulenzen bereits verursacht wurden, sind vielfältig, die Folgen ohne diese Hilfe für Einzelne, die Gesellschaft und unsere Volkswirtschaft unabsehbar. Nur das Miteinander von unterschiedlichsten Menschen, Unternehmen und Politikvertretern kann uns unsere Gesundheit und unseren Wohlstand sichern. Das lohnt sich.

Immer auffälliger wird dabei allerdings auch, dass einige Unternehmen, die gestern noch Rekordgewinne vermeldeten und ihre Reserven aufstockten, heute als erste am staatlichen Schalter stehen und sich aus Steuergeldern alimentieren lassen: vom Kurzarbeitergeld bis zur KfW-Spritze, von der Steuerrückerstattung bis zum privatrechtlichen Vertragsbruch bei der Kürzung der Ladenmiete. Das ist angesichts oftmals gigantischer Cash-Reserven von Dax-Unternehmen und Corona-Profiteuren beachtlich dreist.

Andreas Henke mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier
Burmester CEO Andreas Henke, hier mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, arbeitete 18 Jahre lang für Porsche, zuletzt als Marketingdirektor. Seit nun drei Jahren gibt er den Chef von Deutschlands Vorzeige Audio-Manufaktur Burmester in Berlin.

Es wirft kein gutes Licht auf diese Form von Management, wenn die eigenen Rücklagen geschont und das Steuersäckel angezapft werden. Muss das sein, obwohl vorher über Jahre und Jahrzehnte die Lieferketten – Gewinn-mehrend – immer weiter ausgedünnt und in Richtung der Billiglohnländer ausgebaut wurden, wenn das Fracking der letzten Segmente des eigenen Geschäftsmodells nicht weit genug gehen konnte und das wertschöpfende, substanzielle Wachstum immer weiter auf dem Altar von Umsatz und Marktanteil geopfert wurde? Die für Manager gern gepriesene Resilienz gilt für das eigene Geschäftsmodell offenbar nicht immer.

Kein Steuerzahler in Deutschland kann das gut finden. Auch kein mittelständischer Unternehmer, der seit Jahrzehnten ohne internationale Steuerverschiebebahnhöfe seinen „Zehnten“ entrichtet, der auch jetzt ohne Zuschüsse, Entlassungen oder Rettungsschirme von seinen Reserven lebt, maßvoll geblieben ist und nun zusieht, wie die Steuermilliarden zum Großteil mit der Gießkanne verteilt werden. Dafür stehen die Großen wieder ganz früh ganz vorne in der Schlange: 3,16 Mrd. Euro Antragsvolumen verteilten sich bereits nach zwei Tagen auf nur acht Unternehmen, auf die verbleibenden 76 Unternehmen entfielen 0,02 Mrd. Euro. Daher ist demselben Mittelständler längst klar, dass er mit seinem Team diese Kassen in Berlin und Brüssel in den nächsten Jahren auch wieder füllen wird.

Von den Ärzten der stark von Corona betroffenen Gegenden wird bereits seit Wochen verlangt, die Triage zu leben und sehr schwierige Entscheidungen über Leben und Tod zu treffen. Warum kann das die Politik nicht auch? Was sind deren Selektionskriterien? Nach der unabdingbaren und hoffentlich unbürokratischen „Erstversorgung“ der Unternehmen sollte die Vergabe von Steuergeldern nun schnellstens anhand klarer Kriterien erfolgen.

Gegen die laufende Vergemeinschaftung bisheriger ökonomischer Fehlentwicklungen helfen nur ehrliche Antworten: Müssen wir denn tatsächlich jede Unternehmung stützen, die ihren Break-Even mutwillig in atemberaubende Auslastungshöhen getrieben hat, weil die Bäume in den Himmel wachsen sollten? Müssen wir jeden retten, der sich mit billigem Kapital im Überfluss ohne Hirn und Verstand am scheinbar ewigen Aufwind im Immobilienbusiness gesundgestoßen hat? Es muss doch jedem klar sein: Nach fest kommt ab, nach aufgeblasen kommt geplatzt. Die längst überfällige Rezession hätte aber die klärenden Effekte, die die Pandemie nun beschleunigt zu Tage treten lässt, ohnehin über die Wirtschaft niedergehen lassen.

Genau darin liegt die eigentliche Chance, auch wenn sie in Anbetracht der derzeit herrschenden Verunsicherung und Angst schwerer zu nutzen scheint: zu bereinigen und nicht durch Stütze zu verstecken, was den nächsten Winter ohnehin nicht überstanden hätte. Vernünftig zu wirtschaften ist in jeder Branche möglich.

Henke: Es ist die Stunde der Unternehmer im Herzen

Gerade mittelständische und kleine (Familien-)Unternehmen werden häufig gefragt, wie sie nur (so gut) überleben können. Nun ja, physikalisch betrachtet können Hummeln auch nicht fliegen. Der Hummel ist das allerdings egal. Oder, um es mit Verleger Gerhard Steidl zu sagen: „Ich kenne und respektiere die Grenzen meines Geschäfts.“ Das ist das Gegenteil von aufgeblasen, vom 10x- oder 100x-Ansatz einer Billiggeldflut, einer realwirtschaftlich entkoppelten, hoffnungsbasierten Skalierungsökonomie, eines auf Kante genähten Geschäftsmodells, einer aus dem Ruder gelaufenen Start-up-Zockerei, deren Wirklichkeit oft schon länger nichts mehr mit der Realität zu tun hatte. Steidls Ansatz darf auch mal ein paar Minuten länger einwirken, bevor er reflexartig an das Marketing zum Verhackstücken im nächsten „Purpose“ weitergegeben wird.

Apropos „Purpose“: War es der Zweck der landauf, landab erfolgten pseudo-postmaterialistischen Sinnsuche, seine Mitarbeiter, und zu großen Teilen auch noch die am unteren Ende des Lohngefüges, bei der ersten echten Bewährungsprobe seit elf Jahren in Kurzarbeit zu schicken? Und ihnen das Gefühl zu geben, sie seien jetzt mal besser auf Stütze zuhause geparkt, statt den Firmen-Tresor aufzumachen und zu sagen: „Wir schaffen das, denn wir nutzen jetzt bis auf weiteres erstmal die Mittel, die wir gemeinsam mit Euch erwirtschaftet haben?“

Wertschätzung müsste künftig auch erfahren, wer das Geschäftsmodell nicht runterhungert, nicht jede Redundanz in Lieferketten abmagert und schlussendlich keinerlei Schussfestigkeit mehr besitzt. Verhaltensökonomisch muss das Management dazu fortan von seinem Kontrollgremium finanziell belohnt werden. Wirtschaft als Vorbild, ein sich selbst korrigierendes Management. Für die jüngeren Generationen lässt sich aus dieser Entwicklung zudem lernen, dass Sharing gut, aber Besitz nicht außer Acht zu lassen ist und die Sparquote der Eltern vielleicht nicht ganz „so Eighties“ war wie angenommen. Man muss Schumpeter nicht gelesen haben, um die Chancen der „schöpferischen Zerstörung“ über das rein wirtschaftliche Spielfeld hinaus zu erkennen. Man muss ihn aber schon selbst beherzigen, auch wenn das weh tut, weil es mit Abschied von Gewohntem und Neuanfang verbunden ist.

Kommen wird daher eine Zeit der Pioniere, der Game Changer und der Mutigen, die aufbrechen und nicht weiter die neueste Evolutionsstufe der Dampfmaschine als allein heilsbringend begreifen wollen. Es ist so viel Talent, so viel Wissen und so viel hingebungsvolle Dickköpfigkeit da, dass wir einen sehr guten Neustart schaffen können. Es ist die Stunde der Unternehmer im Herzen.

Der Beitrag erschien auch am 18. April in der Tageszeitung Welt.

Autor: Special Guest