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Listening Test with some Wireworld Speaker Cable on Dynaudio Confidence 30
Für aussagekräftige Hörtests von Lautsprecherkabeln braucht's nicht nur ein passendes Test-Setup, sondern auch geeignete Musik. Um beides geht es in diesem Ratgeber (Foto: J. Schröder)

Ratgeber: Hörvergleiche mit Lautsprecherkabeln

Hörvergleiche mit Lautsprecherkabeln lassen sich in der Praxis sehr gut nach Schema „Best Case Scenario“ durchführen. Sprich: Den verlustärmsten und damit bestmöglichen Fall stellt eine unmittelbare, ultrakurze Verbindung zwischen Verstärker und Lautsprecher dar. Je näher ein Kabel diesem Zustand kommt, desto besser ist es.

Demzufolge kann ein gutes Lautsprecherkabel von einem weniger guten „Absorbiertes“ hörbar machen und auf diese Weise das Klangergebnis positiv beeinflussen. Vorsicht ist geboten, wenn ein Kabel scheinbar „besser klingt“ als der absolute Maßstab – eben die direkte Verbindung Verstärker-Lautsprecher. Physikalisch wirken Kabel ähnlich passiven Filtern: Signalanteile gehen verloren oder werden in Amplitude und/oder Phase verändert. Gute Kabel „klingen“ somit nicht auf aktive Weise „besser“– sie verursachen lediglich geringere Verluste.

Wie lässt sich nun ein solcher Direktvergleich „Kabel xx – kein Kabel“ in der Praxis realisieren? Die naheliegendste, aber auch aufwändigste Lösung nutzt zwei unmittelbar bei den Lautsprechern platzierte Endverstärker-Monoblöcke (LowBeats verwendet hierfür die leistungsfähigen Monoblöcke SPL Performer m1000). Hierbei stellt das „Best Case Scenario“ die direkte Verkabelung über nur fünf bis zehn Zentimeter kurze Kabelbrücken bester Qaulität (LowBeats verwendet hier Kupferlitze aus PC-OCC) dar, die zum Hörvergleich gegen das zu testende Lautsprecherkabel ausgetauscht werden. Nachfolgende Bild zeigt ein typisches Beispiel aus der Praxis:

Amp direct to speaker – scene a
Kürzer geht’s kaum: Gerade einmal 5 Zentimeter beträgt der Signalweg zwischen Verstärkerausgang und Lautsprecher – hier realisiert mit Monoblöcken SPL Performer m1000 (unten) und den passiven Referenz-Speakern Fink Team Borg. Die Monoblöcke ruhen leicht verschiebbar auf glatten Holzplatten: Daher beträgt die Zeit zum Umstecken der Kabel nur wenige Sekunden. (Foto: J. Schröder)

Lautsprecherkabel-Hörvergleich: (Nicht bloß) ein Fall für zwei

Die verlässlichsten Ergebnisse erhält man, wenn der Hörvergleich mit zwei Personen durchgeführt wird. Der „Operator“ tauscht Kabel gegen Steckbrücken aus, der „Listener“ verbleibt am Hörplatz – möglichst, ohne die einmal eingenommene, am besten markierte Position zu verlassen. Grund: Bereits wenige Zentimer außerhalb des Sweet Spot reichen aus, um den Pegel bei hohen Frequenzen drastisch einbrechen zu lassen. Solche durch Interferenz bedingten Kammfiltereffekte können das Hörergebnis speziell beim Kabelvergleich stark beinflussen.

Eine weitere, sehr effektive Methode bietet sich an, will oder muss man den Hörvergleich inklusive Umstöpseln allein durchführen. Hierfür ist nur EIN Lautsprecher sowie ein (möglichst fernbedienbarer) Vollverstärker erforderlich. Der Lautsprecher steht hierbei mittig in der Stereobasisbreite – also „Face to Face“ gegenüber dem Hörplatz. Der Amp kann nun ebenfalls dicht beim Lautsprecher platziert werden und somit über kürzestmögliche Kabelbrücken an diesen andocken.

Direct to speaker with Neukomm CPA155S on Canton A-45
Für den monofonen Kabelhörvergleich mit der direkten Verbindung platziert man den Lautsprecher wie einen Centerspeaker mittig gegenüber dem Hörplatz. So kann auch ein Vollverstärker über kurze Brücken unmittelbar andocken – hier gezeigt mit dem Neukomm CPA155S an der Canton A-45. Schiebt man das Ganze geschickt zurecht, lassen sich wie in diesem Fall bequem noch Messstrippen anschließen. (Foto: J. Schröder)

Großer Vorteil dieser Mono-Methode: Die bei Stereo-Wiedergabe stets auftretenden Kammfiltereffekte am Hörplatz entfallen komplett. Das vergrößert den Sweet Spot erheblich – Hörunsicherheiten durch selektive, stark (sitz-)positionsabhängige Einbrüche im Hochtonbereich lassen sich auf diese Weise sicher vermeiden. Idealerweise kommt bei dieser Methode ein Vollverstärker zum Einsatz, der über eine Mono-Funktion verfügt. Damit lässt sich der Inhalt beider Kanäle über den Test-Lautsprecher wiedergeben.

Auf Nummer Sicher: immer der Reihe nach

Egal, ob stereofone Monoblock- oder monofone Vollverstärker-Variante: Aus Sicherheitsgründen empfiehlt LowBeats für beide Methoden, beim Verkabeln eine feste Reihenfolge einzuhalten. Beim Anschluss das Lautsprecherkabel stets ZUERST mit dem Lautsprecher, und DANACH mit dem Verstärker verbinden. Beim Trennen, also nach erfolgten Hördurchgang, gilt das Umgekehrte: Stets das Kabel zuerst vom Verstärker abziehen, erst danach vom Lautsprecher.

Technischer Hintergrund: Lautsprecherkabel – speziell hochwertige Typen mit geringer Induktivität – können bei größeren Längen eine recht hohe Kapazität aufweisen. Diese kann beim „Leerlauf“ (sprich: Kabel steckt am Amp ohne angeschlossenen Lautsprecher) an Verstärkern mit geringer Phasenreserve zu deren Selbstoszillation führen – was im schlimmsten Falle das Ableben der Endtransistoren zur Folge hat. Wohlgemerkt: Dies ist eher ein Verstärker- denn ein Kabelproblem.

Goertz
Extrem niederinduktive Kabel mit hoher Parallelkapazität wie der hier gezeigte Prototyp von Goertz können im Leerlauf Verstärker mit geringer Phasenreserve zur Selbstoszillation anregen. Hier gilt: Stets zuerst an den Lautsprecher und danach an den Verstärker anschließen. (Foto: J. Schröder)

Bleibt noch die Frage offen nach dem „Worst Case Scenario“: LowBeats verwendet hierfür übliche Lautsprecher-Standardkabel (PVC-isolierte, feinadrige Zwillingslitze) mit Leiterquerschnitten von 2 x 2,5mm² und 2 x 4mm². Gegenüber der direkten Verbindung bewirkt speziell das 2 x 4mm² eine deutlich wahrnehmbare Verschlechterung.

Generell rät LowBeats jedoch eher davon ab, verschiedene Lautsprecherkabel unmittelbar gegeneinander im Vergleich anzuhören. Als Referenz sollte stets die kürzestmögliche Verbindung dienen – frei nach dem Motto, welches sich auch Wireworld-Mastermind David Salz auf die Fahne geschrieben hat: Das beste Kabel ist kein Kabel.

Das Wichtigste: die Musik

Gemessen an Lautsprechern oder raumakustischen Einflüssen fallen die klanglichen Differenzen bei Kabeln quantitativ eher gering aus. Ich empfehle daher, für Kabelhörtests besonders geeignete Musiktitel zu wählen. Hier bieten sich bevorzugt solche an, die viele und hohe Signalspitzen (Transienten) aufweisen. Physikalischer Hintergrund: Elektrisch betrachtet weisen Lautsprecherkabel Eigenschaften sogenannter Allpassfilter auf. Ebenso wie diese neigen auch Kabel dazu, Transienten zu „verschleifen“. Hier zeigen sich daher klangliche Differenzen zur direkten Verbindung besonders deutlich.

Doch aufgepasst: Nicht alle Titel, die transientenreich klingenn, sind es auch tatsächlich. Bei geschicktem Mastering nimmt man eventuelles Transienten-Limiting kaum wahr. Ein Paradebeispiel hierfür ist das in audiophilen Kreisen gern verwendete „I Will Remember“ von Toto. In der Tat klingt der Softrock-Klassiker zunächst mal knackig, prall und lebendig. Jedoch verrät bereits die Wellenformdarstellung in nachfolgender Slideshow, dass hinsichtlich Transienten-Reichtum andere Titel noch deutlich anspruchsvoller sind – beispielsweise der im Jahre 1966 eingespielte Bert-Kaempfert-Klassiker Milica (Sweet Maria).

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Waveform Toto "I Will Remember"
Waveform-Darstellung „I Will Remember“ von Toto: Bereits relativ „laut“ gemastert, doch für eine Pop-Produktion noch einigermaßen reich an Transienten. (Screenshot: J. Schröder)
Waveform Bert Kaempfert "Milica" (Sweet Maria) 1966
Waveform-Darstellung „Milica (Sweet Maria)“ von Bert Kaempfert aus dem Jahre 1966: Deutlich leiser, aber überdurchschnittlich reich an Transienten. Diese liegen teilweise bis zu 15 Dezibel über dem Durchschnittspegel. (Screenshot: J. Schröder)
First two bars of milica – spectral view decay side
Spektrale Klang-Forensik: Musik aus der Vogelperspektive – von oben betrachtet in die Ausklingphase der Instrumente. X-Achse = Zeitebene; Y-Achse = Frequenzebene. Dargestellt sind die ersten Takte vom Titel „Milica“ – die kurzen, nach oben weisenden Klippen zeigen den Kaempfert-typischen „Knackbass“, die langen, nach oben verlaufenden Gebirgszüge hingegen das zusammen offbeat spielende Team aus Snaredrum und Bouzouki: Deren gemeinsames, geräuschhaftes Spektrum reicht bis hinauf zu 20 Kilohertz (rechte Skala). Zur differenzierten Wahrnehmung beider Instrumente können gute Kabel erheblich beitragen. (Diagramm: J. Schröder)
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Eben dieser Titel (in nachfolgender Originalversion) erweist sich in der Praxis beim „Kabelhören“ als echte Nagelprobe. Besonders deutlich zeigen sich Unterschiede schon während der ersten Takte beim Auseinanderhalten der mit Besen „Offbeat“ gespielten Snaredrum und den zeitgleichen, abgestoppten Bouzouki-Akkorden: Hört man nur ein undifferenziertes „zck“ oder kann man beide Instrumente separat wahrnehmen? Letzteres gelingt klar und deutlich nur mit guten Kabeln.

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Quasi als Belohnung für solch systematisches Vorgehen kommt alsdann ein psyschoakustischer Effekt zum Tragen: Hat man den akustischen Footprint eines Kabels erstmal erfasst und „abgespeichert“, fällt es fortan recht leicht,  ihn nunmehr auch mit anderer Musik zuverlässig wahrnehmen zu können.

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Autor: Jürgen Schröder

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Toningenieur, R&D-Spezialist und das (mess-)technische Gewissen von LowBeats. Kümmert sich am liebsten um Wissens-Themen, Musik und den spannenden Bereich zwischen Studio und HiFi.