Okay, ich gebe es zu: In der Redaktion besaß der kleinere der beiden legendären Naim-Tuner, der Naim NAT 02, einen zweifelhaften Ruf. Wir hatten nämlich Ende der 1980er Jahre mit einem UKW-Modulator in Labor-Qualität das Signal unseres Referenz-CD-Players in ein RF-Signal gewandelt und den zu testenden Tunern eingespeist.
Damit, dass der über eine aufwändige Eingangsstufe verfügende Analog-Tuner von Naim Audio aus Salisbury mit seinem riesigen Plastikknopf für den Drehkondensator von allen im Testfeld am besten klang, wäre der Purist ja locker durchgekommen.
Aber für einige, allen voran für mich, klang das britische Radio-Gerät sogar besser als das Original-Signal aus dem D/A-Wandler der sündhaft teuren, zweiteiligen CD-Kombi. Die Musik wirkte darüber viel harmonischer, satter, wärmer und weniger drahtig.
Das konnte, nein das durfte nicht sein. Weiß gar nicht mehr, wie wir damit umgingen. Die volle Punktzahl hat er dadurch jedoch nicht bekommen. Besser als das Original gibt es nicht in der kleinen, feinen Welt der High Fidelity.
Weiß auch nicht mehr, wie viele Jahre es dauerte, bis ich mir den Kult-Tuner mit seiner an ein Uhrenradio erinnernden Digital-Anzeige – für einen Analog-Tuner eine skurrile Lösung – leisten konnte. Ich kaufte mir den Naim Nat 02 irgendwann in der zweiten Hälfte der 1990er, als UKW bereits als Auslaufmodell galt und ich nicht mehr als Tester arbeitete.
Der kleine Naim im neuen Design – er überlebte den Wechsel vom Ur-Design auf die nach meinem Geschmack totschicken, mit olivgrünen Fronten ausgestatteten Alugehäuse – unterhält mich am Kabelanschluss via DIN-Kabel zur von Phonosophie dominierten Anlage noch heute zuverlässig und in Top-Qualität.
Mit Dasding habe ich auch einen Sender mit zeitgemäßer Musik und wenig Werbung gefunden. Dennoch wechsele ich immer nach einer Weile die Station, weil heute nur noch Playlists rauf und runter gespielt werden, die man irgendwann nicht mehr hören kann.
Vintage Radio Naim NAT 02 – Reduktion aufs Wesentliche
Der Naim NAT 02 hat sich nicht nur ohne jeglichen sichtbaren oder hörbaren Verschleiß gehalten. Er klingt sehr dynamisch, ausgewogen und ermöglicht eine exzellente Sprachverständlichkeit ohne tieffrequente Verfärbungen und lästiges Genäsel.
Gegenüber Streaming, das auch endlose Unterhaltung ermöglicht – aber bei mir noch auf kleiner Flamme gekocht wird – gefällt es mir, hin und wieder mal ein paar aktuelle Informationen während der Schreibtischarbeit aufzuschnappen.
Durch den offenen Schnitt meiner Wohnung reicht im Grunde eine Anlage für alle Räume. Der Naim ist für mich eine zeitlose, verlässliche Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft. Und nicht so penetrant ökologisch korrekt: Er hat zwar kein Standby, was CO2-Fetischisten in Verzückung versetzen könnte, hätten sich die Briten nicht gleich auch noch den Netzschalter gespart.
Klar, das würde auch dem radikalen Prinzip mit dem simplen Drehknopf als einziges Bedienungsorgan widersprechen. Hier gilt noch: Alles oder nichts. Da er aber bei mir eh rund um die Uhr läuft, hält sich der Kollateralschaden für die Umwelt in Grenzen. Einmal mehr in der Woche auf Fleisch verzichtet und schon kann ich wieder erhobenen Hauptes in die von Grünen dominierten Eckkneipen gehen.
Das Einzige, was mich nachdenklich macht, ist: Was wird, wenn Du irgendwann aus dem Kabel kein UKW-Signal mehr bekommst? Denke, der Naim NAT 02 wäre für mich ein Grund, vors Verfassungsgericht zu ziehen.
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Ein Leser, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen möchte, hat uns spontan ein Foto von seinem eigenen NAT 01, dem großen Bruder des im Vorangegangenen beschriebenen NAT 02 geschickt. Wir sagen danke und möchten die Bilder mit Ihnen teilen: Ganz besonderen Dank für den Artikel über den Naim Tuner. Bei mir spielen 101 und 01 – Klar ziehe ich im Fall der Fälle mit vor’s Verfassungsgericht :))