de
Tien
Einer der ungewöhnlichsten 3.000-Euro-Plattenspieler kommt derzeit aus Taiwan: der Tien Audio Nephrite überzeugt mit großer Laufruhe und großem Klang (Foto: B. Rietschel)

Test Direct-Drive Plattenspieler Tien Audio Nephrite

Plattenspieler mit Direktantrieb markierten in den 70er, 80er Jahren den Gipfel der Analog-Kunst: Per Quarzreferenz festgenagelte Drehzahl, seidenweicher, lautloser Betrieb, kaum noch messbare Gleichlaufschwankungen – fast schien es, als hätten die (hauptsächlich japanischen) Ingenieure die antriebsseitigen Tücken des Mediums endgültig besiegt und könnten nun dem nächsten Triumph entgegenarbeiten. Dann brach CD-bedingt der Markt zusammen und dem höchstentwickelten aller Motorkonzepte wurde seine Komplexität zum Verhängnis: Die hoch spezialisierten Motoren samt zugehöriger Steuerchips ließen eine wirtschaftliche Produktion nur in großen Stückzahlen zu. So verschwanden sie praktisch vollständig: Außer Technics, die ihren 1200/1210 stur bis in die 2000er weiterbauten (und dabei sogar noch weiterentwickelten), fertigten eigentlich nur noch ein paar chinesische Hersteller direkt angetriebene Plattenspieler in nennenswerter Stückzahl. Und auch diese Player standen überwiegend in der DJ-Tradition – meist als günstige, mechanisch eher minderwertige Klone des Technics-Klassikers. Man hatte als audiophiler Direktantriebs-Aficionado also die Wahl zwischen 1210, Fake-1210 und dem Gebrauchtmarkt, wo späte japanische Großtaten wie der Kenwood KD-990 in gutem Zustand bald wieder ihren alten DM-Preis kosteten – in Euro. Heute aber ist das Angebot wieder sehr viel praller und es verblüffen Modelle, deren Markenname bis vor kurzem gänzlich unbekannt war: wie der Tien Audio Nephrite für 3.000 Euro.

Tien Audio Nephrite mit 2 Tonarmen
Klare Marktlücke: Einen in Armanzahl und -geometrie so anpassungsfähigen Plattenspieler wie den Nephrite sucht man in dieser Klasse sonst vergeblich. Auf diesem Bild ist der Nephrite mit einem Tien Viroa als zusätzlichem Arm ausgestattet. Der magnetunterstützte Einpunktler klingt und funktioniert überragend, verteuert das Laufwerk aber auch erheblich (Foto: Tien Audio)

Mit dem Tien Audio Nephrite kann man endlich wieder einen hundertprozentig audiophilen, bis ins Detail fein austarierten Direct Drive neu kaufen – nicht billig, aber zu einem fairen, der Qualität angemessenen Preis: deutlich unterhalb des Linn LP12 zum Beispiel, der in der Grundversion für gut 4000 Euro nicht mal eine elektronische Drehzahlumschaltung bietet und mit einem von Clearaudio produzierten Tonarm geliefert wird. Und auf einem Preisniveau zum Beispiel mit dem Technics SL-1200G als einzigem Direktantriebs-Kollegen oder dem Thorens TD 1601, der mit Subchassis und Riemenantrieb quasi den technischen Gegenentwurf darstellt. Der Nephrite startet also in einem durchaus wehrhaften Konkurrenzumfeld und zudem ohne nennenswertes Markenimage – als Mister Nobody gegen Superhelden.

Andererseits: Als Thorens vor ein paar Jahren beschloss, seine neuen Spieler bei einem der großen Plattenspielerspezialisten in Taiwan fertigen zu lassen, war Jeff Tien schon ungefähr 40 Jahre vor Ort, betrieb in seiner Heimatstadt Taipeh einen exquisiten Second-Hand-Plattenladen und half irgendeinem taiwanischen Ministerium beim Digitalisieren riesiger Vinylarchive. Zigtausende Scheiben aller Epochen sind dabei durch seine Hände gegangen. Erst aus diesem Erfahrungsschatz und intensiver Beschäftigung mit allen möglichen alten wie neueren Plattenspielern entstand schließlich Tien Audio.

Tien Audio Nephrite
Universell: Im geräumigen Headshell des Tien-Arms finden auch sperrige Systemexoten Platz. Das Skyanalog G-1 ist mit seinen Standardabmessungen ohnehin kein Problem – und passt klanglich exzellent zu dem Spieler (Foto: B. Rietschel)

Das Konzept des Tien Audio Nephrite

Tiens Designs wirken unspektakulär und dennoch eigensinnig, technisch ambitioniert, aber dabei immer auch betont praxisfreundlich. Es gibt kein Dogma hinsichtlich des bevorzugten Antriebs: Der Nephrite dreht direkt, die größeren Modelle mit Riemen. Was man aber aus Jeff Tiens Konstruktionen und den dürftigen offiziellen Informationen dazu an Philosophie herauslesen kann, ist eine intensive Beschäftigung mit dem Antriebs-Drehmoment und dessen Auswirkungen auf den Klang. Beim dreimotorigen Topmodell TT-5 ist das Drehmoment sogar dreifach umschaltbar, um verschiedenen Mastering- und Presstechniken gerecht zu werden. Der Plattensammler oder die Musikgenießerin können also zum Beispiel eine 80er-Jahre-DMM-Klassikplatte nur ganz zart durchziehen, weil sich das empirisch als günstiger erwiesen hat. Und dann für eine 60er-Jahre-Mono-Beatplatte auf „high“ umschalten, weil die Basslinie dann sauberer erscheint. Nerd-Alarm!

Der Nephrite ist das kleinste Tien-Modell und nicht mit solch eklektischen Wahlmöglichkeiten gesegnet: Sein Direktantrieb spielt mit vorgegebenem Drehmoment, das aber ohne Frage sorgfältig optimiert wurde. In der täglichen Handhabung wirkt der Motor sehr kräftig und drehzahlstabil – was aber nicht nur an der reinen Kraft liegt, sondern an einer reaktionsschnellen Regelung: Im normalen Spielbetrieb läuft das Aggregat stark gedrosselt und überlässt es der Verbindung aus Tellermasse und Drehimpuls-Erhaltungssatz, für gleichmäßige Rotation zu sorgen. Muskeln zeigt der Spieler nur, wenn man ihn abbremst – etwa mit der Kohlefaserbürste beim Abstauben einer frisch aufgelegten Platte. Die Drehzahl gibt dabei ganz kurz merklich nach, erholt sich aber blitzschnell und bleibt dann wie festgenagelt – egal wie lange man bürstet.

Tien Audio Nephrite Subteller
Sanfte, lautlose Kraftentfaltung: Der Direktantrieb des Nephrite beschleunigt zügig und ohne jedes Spektakel. Der Subteller berührt den (hier abgenommenen) Acryl-Hauptteller nur mit seinen drei Spikes, sowie an zwei schmalen Kontaktzonen entlang der Mittelnabe (Foto: Tien Audio)

Auch das Startverhalten des Players lässt auf hohe Kraftreserven schließen: Aus dem Stand braucht der Teller gerade mal eine halbe Umdrehung, um auf 33 Touren zu beschleunigen. Dabei stört kein Summen, kein Wackeln oder Ruckeln das geschmeidige Anfahren: Wer will, kann den Teller mit bereits aufgesetzter Nadel starten. Lässt man eine halbe Umdrehung Leerrille vor dem ersten Ton, fängt die Musik wie bei einem CD-Player praktisch aus dem Nichts an, sobald man den satt rastenden Drehschalter vorne links von 0 auf 33 stellt. Oder besser: anderthalb Sekunden nach diesem Handgriff.

Der Teller des Nephrite besteht aus präzise gedrehtem, mattiertem Acryl und wiegt stattliche 4,5 Kilo. Er liegt auf einem bierdeckelgroßen Subteller aus Aluminium auf, der zugleich den Rotor des Motors darstellt: Auf seiner Unterseite klebt der große, dicke Ringmagnet, an dem die Kraftfelder der vier eisenlos gewickelten Antriebsspulen angreifen. Spulen und Motorsteuerung sitzen gemeinsam auf einer kompakten Platine, die Tien zukauft und dann vermutlich an die auf dem Nephrite vorherrschenden Bedingungen anpasst. Woher sie genau kommt, erfahren wir nicht. Jeff Tien bezeichnet sie laut Vertrieb als „Japanese“, ohne sich aber in weiteren Details zu verlieren.

Tien Audio Nephrite
Bewährte Konstruktion: Die Tellerachse muss beim Nephrite keine Kräfte übertragen, da der Rotor-Magnet direkt mit der Subteller-Unterseite verbunden ist. Die vier großen Antriebsspulen befinden sich bei diesem Motor auf der Platinen-Rückseite (Foto: B. Rietschel)

Um den Teller so gut wie möglich vom Subteller zu entkoppeln hat Jeff Tien ihn auf drei Stahlspikes gelagert, die vom Subteller aus nach oben weisen. Zwischen Lagerachse und Teller, also entlang dessen Mittelbohrung, befindet sich eine Nylon-Nabe, die ihrerseits den Teller nur mit zwei umlaufenden Stegen berührt. So sitzt der Acryl-Rundling zwar exakt zentriert und wackelfrei, weist zum Lager und Motor aber nur eine wirklich minimale Kontaktfläche auf. Hausgemachte Ruhestörung durch Rumpeln und Vibrationen sind dem Spieler dann auch völlig fremd: Ich habe in dieser Preisklasse noch nie ein so ruhig und stabil laufendes Laufwerk erlebt. Und letztlich sind auch die klanglichen Stärken des Nephrite ein Produkt des absolut ruhigen, sanften und gleichmäßigen Zugs, mit dem die Rille hier unter der Nadel hindurchgleitet.

Externe Störungen finden wegen der kleinen Flächen und der hohen Dichte der Zarge kaum Angriffsfläche. Auf elastisch dämpfende Bauelemente hat Tien beim Nephrite komplett verzichtet. Ein klassisches Subchassis wäre bei einem Direktantrieb eh sinnlos, und gegen Trittschall oder Rückkopplungen hilft ohnehin nur, den Spieler aus der mechanisch-akustischen Schusslinie zu nehmen. Sprich: ihn nicht völlig töricht aufzustellen und bei bedrohlich schwingenden Dielenböden eventuell auf einer geeigneten Konsole an der Wand zu montieren.

Tien Audio Nephrite Aufbau
Der Nephrite im Gegenlicht: Man sieht den doppelbödigen Aufbau zweier Acryl-Platten, die übereinander zu schweben scheinen (Foto: B. Rietschel)

Das Chassis des Nephrite besteht aus zwei Lagen weißen Acryls, rechts ragt frei und ohne jeden Zargen-Unterbau die Armbasis heraus. Befestigt ist diese sie am hinteren, rechten der vier Aluminiumtürme, die die Zarge zusammen- und ihre zwei Ebenen auf Abstand halten. Könnte man da nicht… genau, kann man! Weitere Arme montieren nämlich: Auch vorne rechts und hinten links passt eine Armbasis auf das zylindrische Alu-Oberteil. Nur vorne links nicht, denn da dient der Aluhut bereits als Drehschalter, der wunderbar knackig und spielfrei auf Null (also Stillstand), 33 oder 45 einrastet. Man kann den Nephrite also mit bis zu drei Tonarmen bestücken.

Am unteren Ende der Alutürme sitzt jeweils ein kleiner, spitzer Stahl-Spike, samt einer Kunststoff-Kontermutter, die die genaue Einstellung der Spikes deutlich vereinfacht, weil sie auch im halb angezogenen Zustand noch Korrekturen zulässt. Das ist besonders dann sinnvoll, wenn Besitzerin oder Besitzer die mitgelieferten, genau passenden Edelstahl-Untersetzer verwendet, statt die Spikes einfach in die Stellfläche zu rammen. Auf den Untersetzern klingt‘s zumindest für meinen Geschmack besser – allerdings nur, wenn der Spieler darauf exakt kippelfrei ruht.

Der Tonarm

Tien Audio Nephrite Tonarmlager
Die Lagereinheit des serienmäßigen Tonarms ist ein reiner, von Spiel und Reibung völlig ungetrübter Feinmechanik-Genuss. Die Schraube links unten bestimmt die magnetische Antiskating-Kraft, die auf den Arm wirkt. Wie abgebildet stünde sie auf Maximum, durch Herausdrehen wird die Kompensation schwächer. Eine Skala dafür gibt es nicht – man muss die richtige Stellung mit Empirie und Erfahrung selbst finden (Foto: Tien Audio)

Serienmäßig kommt der Nephrite mit einem kardanisch gelagerten Neunzoll-Arm namens Amari. Etwas verwirrend: „Amari“ ist nicht nur eine Modellbezeichnung, sondern zugleich auch der Name der chinesischen Firma, die den Arm zuliefert. Wobei Perfektionist Tien jeden zu verbauenden Arm gründlich überarbeitet, bis er kosmetisch wie mechanisch – speziell hinsichtlich der Lagereinstellung – seinen Vorstellungen und denen des deutschen Vertriebs (ATR) entspricht. Aus der Verpackung kommt letztendlich ein wirklich erstklassiger Tonarm mit wunderbar leichtgängigen Lagern, umfassenden Einstellmöglichkeiten und resonanzarmem Titan-Armrohr, der anderswo mit vergleichbarer Performance auch mal den Gegenwert eines kompletten Nephrite kosten kann.

Die etwas rustikaleren Wurzeln des Tien-Amari fallen am ehesten beim Feinjustieren eines neuen Tonabnehmers auf, wenn Klemmungen beim Öffnen nicht erstmal elegant in einen halbfesten Zustand übergehen, der die alte Einstellung bewahrt und davon ausgehend kleine, reproduzierbare Veränderungsschritte erlaubt. Das macht das Feintuning etwas mühsamer als zum Beispiel bei einem SME, weil man immer ein paar Versuche braucht, um zum Beispiel den Azimuth um genau die gewünschte Haaresbreite in die gewünschte Richtung zu kippen, ohne ihn dann beim Festziehen ungewollt wieder zu verstellen.

Tien Audio Nephrite
Beim Umbau der verschiedenen Tonabnehmer zeigte sich der Nephrite erfreulich praxisnah (Foto: B. Rietschel)

Andererseits: viel Glück beim Auffinden einzelner SME-Arme, nachdem der Hersteller sie nur noch komplett mit Laufwerk abgibt. In der Zwischenzeit hat man drei Amaris bestellt, bezahlt, montiert und justiert. Oder – noch preiswerter – einen irgendwo herumliegenden Pro-Ject- oder Rega-Arm auf Position zwei geschraubt und mit dem gewünschten Zweitsystem bestückt. Vielleicht einem Mono-Spezialisten für die ganz historischen LPs, oder einem billigen Rundnadel-Grobian aus dem AT-3600-Clan für all die Gelegenheiten, wo das Hauptsystem zu schade oder zu empfindlich ist.

Tien Audio Nephrite: der Hörtest

Am satt mittelschweren Serienarm kann man jedenfalls in die Vollen gehen: In sein geräumiges Headshell passen auch sperrige Systeme und das mehrteilige Gegengewicht balanciert auch schwere Abtaster aus. Das dürfen gerne auch sehr hochwertige MC-Optionen sein, man bekommt bei Verringerung der Anschaffungs- und laufenden Kosten aber auch mit manch preiswertem MM hervorragende Ergebnisse. Konkret probiert haben wir das fein auflösende AT-VM540ML, das für 240 Euro mit seinem MicroLine-Diamanten eine fast unschlagbare Preis-Nadelschliff-Relation bietet, an mittelprächtigen Armen aber selbst bei sorgfältiger Justage mit aufgesetzt wirkendem Hochton-Gezimbel nerven kann. Davon war am Tien-Arm gar nichts zu hören, dafür eine fabelhaft tiefe, wie begehbar wirkende Räumlichkeit und konturenscharf, aber nicht zu kantig gezeichnete Details.

Tien Audio Nephrite
Neutral, aber nicht langweilig: Meist sieht der Nephrite eher unscheinbar aus, aber farbiges Vinyl flutet seinen matten Acrylteller mit buntem Licht (Foto: B. Rietschel)

Hauptsächlich jedoch hörte ich den Tien Nephrite jedoch mit einem chinesischen System: dem Skyanalog G-1 (hierzulande bei TCG im Vertrieb). Der MC-Abtaster ist das günstigste Modell des Trios G-1, G-2 und G-3, das sich gerade für einen ausführlichen Test warmläuft – und er passte perfekt zum Nephrite. Die Kombination spielte bemerkenswert sauber, rhythmisch locker und auf ungezwungene Weise transparent.

„Felt“, das 2010er Album der Band Lilium, präsentiert einen virtuos hitzemüden Americana-Wüstenfolk, mit schleppenden Tempi und Arrangements wie detaillierte Westernkulissen, in denen es viel zu entdecken gibt: Mal verirrt sich eine einsame Portiersglocke in den einsamen akustischen Westernsaloon, dann knackt der Boden etwas unter einem spitzen, staubigen Lederstiefel, der Drummer rührt entkräftet mit Besen auf der Snare und draußen hallt entfernt eine Mariachi-Trompete.

Tien Audio Nephrite
Passt perfekt an den Arm des Tien Audio Nephrite: der MC-Abtaster Skyanalog G-1 (Foto: B. Rietschel)

Das Ganze wurde in Studios in Colorado und der Bretagne sehr sorgfältig eingefangen und der Tien holt es aus der Rille, als hätte es den ganzen Umweg über die mechanische Gravur eines Lackmasters, dessen elektrolytische Beschichtung mit Nickel, die Herstellung von Pressmatrizen aus den Abdrücken und schließlich den Press- und Abtastvorgang zuhause gar nicht gegeben: Da kann man irgendein Glöckchen nicht nur lange ausklingen hören, sondern bekommt auch eine klare Vorstellung vom umgebenden Raum, der sich in Form seines Wiederhalls ebenso auf der Aufnahme befindet. Einen ganz ähnlichen Binnen-Raum, der wiederum nicht die gesamte Aufnahme, sondern nur um eine ihrer Einzelspuren umhüllt, findet sich zum Beispiel auch bei Pascal Humberts Gitarre: Position, Akustik, aber auch Klangfarbe und Anschlagsdynamik wirken bei dem Instrument des Lilium-Gründers einfach unheimlich glaubwürdig.

Lilium "Felt" LP-Cover
Klingt ungemein authentisch: Lilium „Felt“ (Cover: amazon)

Gesangstechnisch gibt „Felt“ wenig her, weil Sänger Hugo Race eher knarzig ins Mikrofon murmelt, statt wirklich zu singen. Also schnell die mehrstimmigen Harmonie-Vocals von Ida („Will you Find Me“, Tiger Style ‎– TS005) aufgelegt, die so zart und fein in den Raum schweben, dass ich kurz online nach den 90er-Jahre Veröffentlichungen der New Yorker Band suche – natürlich erfolglos, weil rar und teuer.

Im Vergleich zu meinem SME Model 10 – bestückt mit dem nächstteureren, tonal sehr ähnlichen Skyanalog-Modell G-2 und daher sowohl in Gesamtpreis als auch Tonabnehmerqualität klar in der Pole Position, ergab sich ein überraschend ebenbürtiger Musik-Wettstreit: Der britische Spieler wirkte im Bass etwas wuchtiger und druckvoller und bildete die Musik auf einer sehr breiten, akkurat ausgeleuchteten Bühne ab. Doch der Neuzugang aus Taiwan hatte auch Vorteile: Er spielte dynamisch zwar etwas zurückhaltender, dafür aber vor allem im Mittelton noch facettenreicher und entspannter. Und was ihm an Bühnenbreite neben dem SME fehlte, machte er mit seiner faszinierend dreidimensionalen Abbildung der (im Studio hingetricksten oder real aufgenommenen) Raumtiefe wieder wett.

Tien Audio Nephrite
Musikalisches Chamäleon: Der Nephrite zoomt zielsicher auf die klanglichen Besonderheiten jeder Platte, ob alt oder neu. Dabei klingt fast alles, was man auflegt (hier „Meddle“ von Pink Floyd, ein alter Flohmarktkauf) überraschend viel besser, als man es in Erinnerung hatte (Foto: B. Rietschel)

Fazit:

Unterm Strich bleibt der Eindruck souveräner Klangstabilität, die man dem zierlichen Laufwerk erstmal gar nicht zutraut, und auffallend sanfter, eleganter Detailarbeit im Mittelhochton. Diese Eleganz und der immer wieder verblüffende Raum waren auch die Punkte, die der Tien Nephrite dem Technics SL-1200G voraushatte. Der Japaner ist vergleichbar teuer und ebenfalls direkt angetrieben, zeigt ansonsten aber wenig Gemeinsamkeiten zum Nephrite. Er hat fraglos den raffinierteren Antrieb (einen neuentwickelten Technics-eigenen Direktantrieb mit zwei versetzten Spulen-Ebenen und digitaler Motorsteuerung) und er klingt auch noch fester im Bass. Im Tonarm des Tien-Spielers scheinen Tonabnehmer aber noch etwas mehr Abtastsauberkeit und weichen „analogen“ Flow zu entwickeln.

Direktantriebs-Fans, die nicht ohnehin den Technics wegen seines perfekten, nur in Großserie überhaupt so umsetzbaren Industriedesigns haben wollen, sollten sich definitiv einen Hörvergleich mit dem Tien Nephrite gönnen. Er spielt unterm Strich auf ähnlichem Niveau wie der 1200 G-Technics – mit etwas anderen klanglichen Schwerpunkten und etwas anderer praktischer Ausrichtung. Seine Fähigkeit, mehrere Arme zudem beliebiger Länge zu tragen, ist in der Preisklasse jedenfalls selten anzutreffen. Aber auch schon in der „Grundausstattung“ mit dem Werksarm ist der Nephrite ein Klassespieler…

Tien Audio Nephrite
2021/07
Test-Ergebnis: 4,5
Überragend
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Feiner, eleganter, enorm räumlicher Klang
Exzellente Laufruhe
Flexibel mit bis zu drei Armen konfigurierbar
Keine Abdeckhaube

Vertrieb:
ATR – Audio Trade
Schenkendorfstraße 29
45472 Mülheim an der Ruhr
www.audiotra.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Tien Audio Nephrite: 3.000 Euro

Die technische Daten des Tien Audio Nephrite

Tien Audio Nephrite
Konzept:direkt angetriebenes Laufwerk
Aufbau:2-Ebenen-Design
Bestückung:9 Zoll Tonarm Amari Zoll (mittelschwer), Kardan-Lager
Besonderheiten:mit bis zu 3 Tonarmen ausbaubar
Abmessungen (H x B x T):11,0 x 35,0 x 35,0 cm (ohne montierten Tonarm)
Gewicht:9,3 Kilo
Alle technischen Daten
Mit- und Gegenspieler:

Test Technics SL-1200GR – die Direktantriebs-Legende
Test: Audio-Technica VM540ML – der Preis/Leistungs-Tipp

Autor: Bernhard Rietschel

Avatar-Foto
Bernhard Rietschel ist gelebte HiFi-Kompetenz. Sein Urteil zu allen Geräten ist geprägt von enormer Kenntnis, doch beim Analogen macht ihm erst recht niemand etwas vor: mehr Analog-Laufwerke, Tonarme und Tonabnehmer hat keiner gehört.