Erst der Kopfhörer, dann der Kopfhörerverstärker: Weil der Kopfhörermarkt immer noch boomt, wächst auch das Genre des Kopfhörerverstärkers immer weiter. Kaum ein Anbieter von HiFi- oder High End Elektronik lässt dieses Thema links liegen und so gibt es mittlerweile hunderte hochwertiger Amps für Kopfhörer. Allerdings nur für klassische Modelle. Für elektrostatische Kopfhörer braucht man spezielle Verstärker, weil diese Treiber enorme Spannungen zum Betrieb brauchen. Deshalb gibt es von dieser Gattung nur eine Handvoll. Der hier vorgestellte Stax SRM-D50 lässt sicherlich das Herz tausender HiFi-Fans höherschlagen, aber nutzen können ihn nur jene, die auch einen der faszinierenden Kopfhörer von Stax haben.
Stax selbst ist herrlich skurril. Seit 1959 bauen und entwickeln die Japaner unbeirrt ihre Elektrostaten (ESL) für die Ohren und sind in dieser Disziplin ihren Nachahmern (sieht man einmal von solch sehr teuren Leuchtturm-Projekten wie dem Sennheiser HE-1 ab) weit voraus. Diese Ausnahme-Kopfhörer sehen allerdings auch so aus, als würden sie unverändert seit 1959 gebaut. Die meisten Menschen würden es als Retro-Design bezeichnen. Für die Stax Leute folgt einfach seit 60 Jahren diese Form einer Funktion – nämlich dem besten Klangerlebnis.
Gleiches gilt auch für die speziell angepassten Kopfhörerverstärker, die hohe Spannungen von mehreren hundert Volt liefern müssen und deshalb auch unter dem Gattungsnamen “Speiseteil” verortet sind. Auch die “Speiseteile” von Stax sehen eher zweckmäßig aus: die üblichen Design-Elemente schenkt man sich. Das war zumindest so, bis der Stax SRM-D50 die Bühne betrat: Der neueste ESL-Kopfhörer-Verstärker der Japaner ist fraglos das schönste Stück HiFi, was die Japaner je auf den Markt gebracht haben. Und auch sonst unterscheidet er sich in etlichen Punkten von seinen berühmten Brüdern…
Vielleicht der wichtigste Punkt: Der Stax SRM D50 wird nicht mehr im japanischen Stammwerk, sondern in China gebaut. Ein Sakrileg? Ein Rückschritt? Nein. Es ist im Gegenteil ein gewaltiger Verarbeitungssprung nach vorn.
Seit seinem Test im Januar 2018 habe ich das Stax Gespann aus SR-L 700 plus SRM 006 ts auf meinem Schreibtisch stehen. Es ist ein absolut unbestechliches Instrument zum Beurteilen selbst winzigster Unterschiede. Ich wage mal die These, dass es jedem Kopfhörer der Welt (mit Ausnahme des Stax SR-009 natürlich) schwerfallen wird, die Genauigkeit und Impulsivität dieser Kombi auch nur zu erreichen, geschweigen denn zu überflügeln.
Der in Japan gebaute Verstärker SRM-006 ts trägt seinen Teil zum überragenden Gesamtklang bei. Aber von der Verarbeitung her hat er – salopp formuliert – nicht nur Vorteile. So finden sich für einen Verstärker der 2.000 Euro Klasse erstaunlich große Spaltmaße und der dünne Stahldeckel klappert deutlich, wenn man mit dem Finger draufpocht oder wenn er durch den Schall von Boxen angeregt wird.
Der Aufbau des Stax SRM-D50
Ein ganz anderes Bild beim SRM-D50. Hier herrscht Solidität, wo man hinschaut oder hinfasst. Das smarte Verstärkerchen mit den Abmessungen 19,2 ×6,7 ×26,8 cm (B x H x T) kommt auf ein stattliches Gewicht von 4,5 Kilo. Ein Beleg dafür, dass hier viel Metall verbaut wird. Und dafür, dass die Entwickler hier auf Verstärkertechnik nach guter Väter Sitte vertrauen – mit großem Trafo, schweren Kühlkörpern…
Aber es ist vor allem die Haptik, mit der dieser kleine Spezialverstärker sofort verzaubert. Allein schon das satte Klicken der Relais hinter dem Kipphebel verführt zum ständigen Quellwechsel.
Aber der Clou ist natürlich das VU-Meter, das auf der Front die Höhe des Eingangssignals dokumentiert. Braucht man das dauerhaft energisch zuckende Anzeigeinstrument? Nein. Aber schön ist es schon….
Unter der gebogenen Haube das gleiche, perfekte Bild: Die Qualität der Bauteile ist hoch, der Aufbau des SRM D50 ist mustergültig – wie auch die Slideshow zeigt.
Ich wiederhole mich gern: Bei der Bauteile-Qualität und der Verarbeitung gibt es überhaupt nichts zu Mäkeln. Doch zwei Punkte irritieren beim SRM-D50. Punkt 1: Er wird sehr warm. Das ist ein natürliches Ergebnis der Class-A-Schaltung, aber dennoch auffällig. Der Vertrieb ATR hat die Erwärmung von einem Verstärker-Spezialisten prüfen lassen. Ergebnis: alles in Ordnung. Ich entsinne mich an exzellent klingende Sony CD-Player der Mitte-90er Jahre, die ebenfalls ziemlich warm wurden. Auch mit denen gab es wegen der Wärme keine Probleme. Also Entwarnung.
Punkt 2: Der Stax SRM-D50 ist mit besten Wandlern und einem exzellenten Lautstärke-Poti bestückt. Aber außer dem speziellen Kopfhörer-Port gibt es keinen weiteren Ausgang. Was für eine Verschwendung! Ein schlichter Vorstufenausgang könnte den Stax SRM-D50 so viel flexibler und letztendlich wertvoller machen. Schade.
So klingt der Stax SRM D50
Der Vergleich eines Stax Kopfhörerverstärkers gegen andere ist mangels markenfremder Mitbewerber nur schwer möglich – also müssen die Gegner aus dem eigenen Haus ran. Das waren in diesem Fall der SRM-252S (Transistor, 550 Euro), SRM-353X (Transistor, 1.350 Euro) und der SRM-006ts (Röhre, 1.850 Euro). Und natürlich nutzte ich den überragenden SR-L700 zum Abhören und Vergleichen.
Die Musik kam überwiegend von Rechner, sprich meinem Macbook Pro mit Audirvana+ Software. Aber ich hätte an dieser Stelle keinen großen Aufwand betreiben müssen, denn die Unterschiede zwischen dem Stax der neuen Generation und den älteren Modellen wurden sofort deutlich. Vor allem 353X und noch mehr der 006ts spielen sehr viel präsenter, offener und direkter. Sie schälten jedes noch so kleine Detail aus der Aufnahme.
Das immer wieder gern genommene “Hurricane Come And Gone” von Monty Alexander (Album: Caribbean Circle) ist mit 353x und 006ts ein wahres Feuerwerk an Mikro-Details. Überall ist etwas los, es flirrt und ächzt, es rummst und grollt so lebendig und lebensnah, dass es eine wahre Freude ist.
Mit dem D50 scheint der Hurricane noch einige Kilometer weiter weg zu sein. Es fehlt das unmittelbar Lebendige in den Mittellagen. Dafür kommen die grollenden Bässe tiefer, mächtiger, böser.
Genrewechsel: Das Acapella-Stück “Männer” von den Bläck Fööss ist live in der recht halligen Kölnarena aufgenommen. Die Aufnahme ist sehr direkt und besticht mit einer Vielzahl von Eindrücken auch aus dem Publikum. Da wird gejohlt, gerufen, geklatscht. 353X und 006ts sind hier gnadenlos. Sie sind wie mit der Lupe dabei; kein Detail bleibt unentdeckt, alles wird aufpoliert und mit hoher Impulsivität auf die Ohren gedrückt. Das ist ein Fest für Dynamiker, aber nichts für Zartbesaitete. Wer diesen ursprünglichen Stax Sound liebt und sucht, wird mit dem SRM-D50 nicht glücklich.
Denn dessen Dynamik, Kraft und Transparenz ist nicht so krass wie die der großen Brüder. Weil er sich in den Mitten zurücknimmt und bei den Bässen einiges an Wärme drauflegt, kann man Aufnahmen wie “Männer” mit dem SRM-D50 deutlich lauter hören. Soll man das bewerten? Nein: Es folgt einfach einer anderen Klang-Philosophie.
Nun könne man auf die Idee kommen, es läge vielleicht am eingebauten Wandler. Aber das stimmt nicht: Über den analogen Line-Eingang werden diese Klangunterschiede fast noch deutlicher.
Am ehesten passte deshalb der Vergleich mit dem kleinen SRM 252S. Unfair, weil der mit 550 Euro nicht einmal nur die Hälfte kostet? Keineswegs. Immerhin hat der SRM-D50 in diesem Vergleich mit seiner geschmeidigen Wiedergabe klanglich das bessere Ende für sich – auch, weil er tatsächlich mehr Power hat. Bei hohen Pegeln und viel Tiefbass-Energie ging dem kleinen 252S schneller die Puste aus; der D50 blieb immer absolut souverän Herr der Lage.
Außerdem hat SRM-D50 die preistreibenden Wandler ja schon eingebaut. Und die sind von überzeugender Qualität. Ich verglich den integrierten DAC mit zwei Wandlern, die ich bestens kenne und für preisbezogen ausgesprochen gut halte: den Pro-Ject PreBox S2 Digital (365 Euro) und den Acoustic Research UA1 (um 460 Euro). Beide konnte der im D50 integrierte DAC mit prächtigem Bass und luftigem Klangbild locker distanzieren. Respekt.
Der neuen Stax Kopfhörer-Amp hat also einige starke Argumente für sich, auch wenn er nicht ganz an die dynamische Transparenz seiner größeren Brüder heranreicht. Zum Ergründen feinster Klangunterschiede und zum Abhören von Aufnahmen wird daher auf meinem Schreibtisch weiterhin der hochpräzise 006ts seine Dienste tun. Für lange Musikabende mit leckerem Rotwein hingegen könnte ich mir auch den SRM-D50 sehr gut vorstellen…
Fazit Stax SRM-D50
Stax erweitert mit dem SRM-D50 seinen Kundenkreis deutlich. Zum einen hat das neue Speiseteil einen potenten DAC integriert und öffnet sich damit unproblematisch den verschiedensten digitalen Angeboten. Auch in Bezug auf Verarbeitung und Haptik ist der SRM-D50 in der Jetzt-Zeit angekommen und erfüllt den Wunsch nach einer wirklich hübschen und vorzeigbaren HiFi-Komponente.
Aber auch klanglich setzt sich der Neue von den älteren Modellen ab: Gehören 252S, 353X oder 006ts zu den sehr offen und präzise spielenden Verstärkern, klingt der SRM-D50 eher warm, zurückhaltender und mit mehr sattem Bass gesegnet. Man könnte sagen: weniger faszinierend, aber Mehrheits- und Langzeit-tauglicher. So kann der neue Stax die älteren Modelle nicht ersetzen – soll er ja auch nicht. Aber er ist eine schöne Alternative zu ihnen und erlaubt auch jenen Musikfreunden den Zugang zur Stax Welt, die den harten Stax Purismus bislang nicht mitgehen wollten.
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Warmer, stimmiger Klang |
| Exzellente Verarbeitung |
| Hat keinen Ausgang |
| Wird sehr warm |
Vertrieb:
ATR – Audio Trade
Schenkendorfstraße 29
45472 Mülheim an der Ruhr
www.audiotra.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Stax SRM-D50: 1.350 Euro