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Philharmonia Mini im LowBeats Hörraum
Die Philharmonia Mini ist fraglos eine der aufregendsten Lautsprecher unserer Tage. Leider alles andere als billig: die Schmuckstücke kosten 32.000 Euro pro Paar (Foto: H. Biermann)

Test High End Studiomonitor Philharmonia Mini

Die Studio-Profis von Amadeus und der französische Star-Architekt Jean Novel haben sich zu einer spannenden Kooperation zusammengefunden: Unter dem Label „Philharmonia“ wollen sie gemeinsam außergewöhnliche Lautsprecher entwickeln. Zumindest in Bezug auf die Philharmonia Mini ist ihnen das gelungen. Alles an diesem 2-Wege-Schallwandler ist atemberaubend: die organische Optik, der luftig-dynamische Klang und nicht zuletzt auch der Preis…

Philharmonia Mini im Studio
Dafür wurde die Philharmonia Mini ursprünglich entwickelt: für den Einsatz im Studio. Aber es wäre echt schade, wenn man diese audiophilen Qualitäten nicht auch zu Hause nutzte… (Foto: Philharmonia)

So viele Nachfragen nach einem Lautsprecher in der Vorschau hatten wir bei LowBeats noch nie: „Der sieht ja super aus. Was bitte ist denn das? Die Nachfragen sind berechtigt. Die Philharmonia Mini sieht man nicht bei jedem x-beliebigen Händler um die Ecke, denn sie wurde eigentlich für den Einsatz im Tonstudio entwickelt. Aber sie hat – ungewöhnlich für einen Studio-Speaker – alle Anzeichen eines echten High-End-Schallwandlers. Allein schon das Gehäuse…

Das Design stammt vom Architekten Jean Novel, der weltweit einen exzellenten Ruf wegen seiner kühnen Entwürfe hat. Die Krone setzte sich der Franzose allerdings mit der Philharmonie de Paris auf, in deren Bauzeit (2014) auch das gemeinschaftliche Philharmonia-Projekt mit Amadeus startete.

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Jean Novel
Gewohnt dynamisch: der französische Star-Architekt Jean Novel (Foto: Philharmonia)
Philharmonie de Paris von außen
Die Philharmonie de Paris von 2014: ein kühner Entwurf aus dem Architektur-Büro Jean Novel
Philharmonie de Paris von innen
Die Philharmonie de Paris von innen. Hat sich Jean Novel bei der Entwicklung der Philharmonia Mini von DER Innengestaltung des Konzertsaals inspririeren lassen? Man könnte fast den Eindruck gewinnen…
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Es war My Sound Chef Wolfgang Linhard (der ganz nebenbei noch das Reise-Magazin Gate to Travel herausgibt), der in Paris von dem Projekt hörte und sofort von der Philharmonia Mini verzaubert war. So sehr, dass er sie jetzt deutschlandweit vertreibt. Und so kam es, dass ich bei einem meiner My Sound Besuche plötzlich vor dieser Skulptur sitzend begeistert Musik hörte und sofort wusste: Die muss auch mal im LowBeats Hörraum spielen. Gesagt, getan.

Philharmonia Mini Totale
Anmutige Formen: Die Philharmonia Mini wirkt auf dem passenden Ständer wie ein Kunstwerk. Nur hat der hier noch eine akustische Funktion. Der Ständer ist mit knapp 80 cm Höhe vergleichsweise hoch geraten  (Foto: Philharmonia)

Das Konzept der Philharmonia Mini

Simple Frage zum Anfang: Was ist diese hübsche 2-Wege-Box eigentlich? Eine Kompaktbox? Eine Standbox? Die Antwort dürfte die meisten überraschen: eine Standbox. Man kann zwar den oberen Teil abnehmen, aber der Lautsprecher kann nicht ohne Ständer sein – da steckt nämlich die Frequenzweiche drin. Er ist somit ein wesentlicher Bestandteil des Gesamtkunsttwerks beziehungsweise -Konzepts. Auch optisch. Natürlich greift der Ständer die geschwungene Grundfläche des Speakers perfekt auf und bringt den akustisch aktiven Teil der Philharmonia Mini auf Höhe: 1,23 Meter misst die zusammengesetzte Säule insgesamt. Damit sitzt der Hochtöner für Wohnzimmer-Verhältnisse ungewöhnlich weit oben. Aber womöglich ist die Höhe dem eigentlich vorgesehenen Einsatz im Studio geschuldet. Klanglich schadet es nicht und außerdem sieht der Zweiteiler mit dem In-Etwa-Verhältnis von 1:2 (Box zu Ständer) super aus.

Der Ständer selbst ist aus gefrästem MDF, das mit einer robusten Kunststoff-Schicht umhüllt ist. Resonanz-technisch ist er ein kleines Meisterwerk. Nicht nur, dass einzelne Kammern im Inneren teilweise mit Quarzsand gefüllt sind (was Resonanzen unterdrückt): Zudem verhindern Enkopplungs-Elemente unten und oben, dass Vibrationen auf die eingebaute Frequenzweiche durchschlagen.

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Philharmonia Mini Ständer-Schriftzug
Der feste Kunststoff-Überzug des Ständers hat eine leichte Struktur (Foto: H. Biermann)
Philharmonia Mini Ständer Anschluss
Die beiden Anschlüsse sind von bester Qualität  (Foto: H. Biermann)
Philharmonia Mini Frequenzweiche vergossen
Unter der schwarzen Masse des Einschubs befindet sich die Frequenzweiche, welche die Lautsprecher-Entwickler von Amadeus komplett vergossen haben. Auch das mindert Resonanzen deutlich, verwehrt aber jeglichen Einblick auf die Schaltung… (Foto: H. Biermann)
Philharmonia Mini Ständer Fuss
Das ganze Gebilde steht auf schwingungsunterdrückenden Füßen (Foto: H. Biermann)
Philharmonia Mini Ständer unten
Das obere Sockelteil, auf dem der eigentliche Lautsprecher sitzt (welchen wir für das Foto abgenommen haben), ist über Gummi-Dämpfer entkoppelt. So können auch die Vibrationen des Basstreibers nicht zur Frequenzweiche durchdringen (Foto: H. Biermann)
Philharmonia Mini Ständer-Kontakt
Die abschließende Platte auf dem Sockelteil ist ebenfalls entkoppelt. Das Quadrat mit den vier Kontakten funktioniert wie ein großer Stecker, dessen Gegenstück auf der Unterseite der Box sitzt (Foto: H. Biermann)
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Ist schon der Ständer recht aufwändig, so toppt die eigentliche Box fast alles bislang Dagewesene. Das Gehäuse besteht aus vielen aufeinandergeleimten Multiplex-Platten – wer sorgfältig nachzählt, kommt auf 288 Birkenholz-Schichten, die vorher sorgsam passend ausgefräst wurden. Das Bild aus der Produktion vermittelt hier eine Idee.

Philharmonia Mini Aufbau
Die Philharmonia Mini ohne Deckel- und Bodenplatte.Der Steg in der Mitte ist der Abschluss des länglichen Bassreflex-Kanals, der – hier schön zu sehen – die Seitenwände zusätzlich verstärkt (Foto: Philharmonia)

Dieser Aufbau ist extrem aufwändig und somit teuer. Aber die Festigkeit ist enorm und man kann – weil ja sowieso jede Platte einzeln gefräst wird –  im Inneren so gut wie jede Form realisieren. Diese Möglichkeiten haben Amadeus/Novel hier ausgiebig genutzt: natürlich gibt es keine parallelen Wände, um stehende Wellen mir Dröhn-Potenzial zu verhindern. Und natürlich sind alle vibrationsanfälligen Bereiche des geschwungenen Korpus zusätzlich verstärkt – einfach dadurch, dass man hier weniger Material weggefräst hat. „Gekreuzte Struktur“ heißt bei Amadeus dieser Mix aus verschieden starken Wandelementen. Die Studio-Profis verteilen damit die Resonanzen der Wände auf viele, aber weniger stark schwingende Bereiche.

Besonders gelungen ist der längliche Bassreflex-Kanal, der sich fast über die gesamte Bauhöhe, aber auch tief ins Boxen-Innere zieht. Mit der Höhe des Kanals werden die Resonanzen im Hörraum gleichmäßiger angeregt, mit seiner Bautiefe der Korpus der Philharmonia Mini nochmals versteift.

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Philharmonia Mini Aufbau
Der Aufbau mit geschichteten Multiplex-Platten ist ungemein stabil verlangt aber sehr viel Handarbeit: wässern, schleifen, wässern, schleifen, wässern…  (Foto: H. Biermann)
Philharmonia Mini Aufbau
Auch die einzlenen Ringe werden händisch aufeinandergesetzt und arretiert (Foto: Philharmonia)
Philharmonia Mini Aufbau innen
Der Bassreflex-Kanal ist quasi aus dem Vollen gefräst. Die abgerundeten Kanten verhindern Strömungsgeräusche (Foto: H. Biermann)
Philharmonia Mini Schallwand
Die eigentliche Schallwand ist über 4 cm stark, die Treiber-Öffnungen mit einem festen Schaumstoff (schwarz) gegen Undichtigkeiten geschützt (Foto: H. Biermann)
Philharmonia Mini von hinten
Der Bassreflex-Kanal verläuft über die gesamte Bauhöhe. So werden Raumresonanzen gleichförmiger angeregt und der Bassreflex-Kanal wird zu einem organischen Teil des Gehäuses (Foto: H. Biermann)
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Die Treiber der Philharmonia Mini

Viele Hörer der Mini vermuten, hier Tiefmittel- und Hochtöner vom dänischen Vorzeige-Hersteller Dynaudio entdecken zu können. Stimmt nicht. Dynaudio verkauft schon seit vielen Jahren keine Einzeltreiber mehr. Doch ganz daneben ist der Tipp auch nicht. Denn der Tiefmitteltöner ist ein UniFlex-Typ vom (ebenfalls dänischen) Treiber-Spezialisten Audio Technology. Und Audio Technology-Gründer Ejvind Skaaning hat auch Dynaudio mitbegründet; deshalb gibt es da durchaus Ähnlichkeiten. Der Vorteil der Audio Technology UniFlex-Modelle besteht darin, dass man sich Treiber mit passgenau jenen Parametern bestellen kann, die man braucht. Der Nachteil: sie sind sündhaft teuer.

Der Hochtöner hat indes nichts mit Dänemark zu tun. Es ist einer der Spitzenhochtöner vom israelischen Spezialisten Morel, der übrigens auch für Magico den ein oder anderen Treiber baut. Und auch hier kommt nichts von der Stange: Die Amadeus Entwickler haben klare Vorstellungen zum Thema verzerrungsarmer Hochtöner. Und diese Vorstellungen wurden bei Morel einfach am besten umgesetzt.

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Philharmonia Mini Tweeter
Der Hochtöner, ein Sondermodell des israelischen Lautsprecher-Herstellers Morel, ist von hinten an die Schallwand geschraubt. Man sieht nur die 29 mm große Gewebekalotte (Foto: H. Biermann)
Tiefmitteltöner Mini
Der Tiefmitteltöner mit 18 cm Durchmesser ist ein echtes Meisterwerk. Der Korb ist sehr robust und strömungsgünstig geformt, der Antrieb ist immens stark und der Polkern großzügig belüftet (Foto: H. Biermann)
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Die Frequenzweiche, die die Arbeitsbereiche von Hoch- und Tiefmitteltöner trennt, ist ja (wie oben schon gezeigt) komplett vergossen; Bauteile sind nur zu erahnen.

Gaetan Byk, der Marketing-Manager bei Amadeus, sagte mir im Gespräch, dass man bei der Entwicklung der Mini auf eine absolut perfekte Phasensummierung zwischen den beiden Treiber geachtet habe, um so die bestmögliche Impulsantwort zu erzielen.

Philharmonia Mini Impedanz & Phase
Absolut vorzeigbar: Der Impedanzverlauf der Philharmonia Mini liegt im gesamten Bereich oberhalb 6 Ohm, die Phasenverzerrungen sind weitestgehend unkritisch (Messung: J. Schröder)

Das scheint soweit geklappt zu haben: Die LowBeats Messungen bescheinigen der schlanlen Säulenbox ein völlig unkritisches Phasenverhalten und einen fast noch weniger kritischen Impedanzverlauf, der immer oberhalb der 6-Ohm-Marke verläuft. Das ist sogar für schwächliche Röhren der 300B-Liga noch sehr gut verträglich.

Und noch so eine Verträglichkeit: Wir hatten die Mini an vielen Plätzen in verschiedenen Hörräumen stehen und ich kann sagen, dass wir selten einen passiven Lautsprecher im Test hatten, der so unkompliziert zu stellen war. Die durch den Ständer definierte Höhe tut der Bass-Präzision ebenso gut wie die ausgeklügelte Bassreflex-Konstruktion. Man spürt jedenfalls, dass die Entwickler aus dem Tonstudio kommen, wo ein schöngeistig-übervoller Oberbass einfach nicht angezeigt ist.

Hörtest

Die richtige Position im Hörraum zu finden, war deshalb einfach. Schon nach fünf Minuten des Rumschiebens war der perfekte Platz gefunden. Ich hatte die Mini ja schon bei My Sound gehört und wusste in etwa, was mich erwartete. Und doch überraschte mich die Säule erneut. Natürlich schwingt im Kopf immer eine Bremse mit: ein 2-Wege  lautsprecher mit 18 cm Tiefmitteltöner. Da kann doch nichts Großes herauskommen.

Testaufstellung im LowBeats Hörraum
Die Philharmonia Mini im großen LowBeats Hörraum. Dessen 70 Quadratmeter sind eigentlich etwas zu groß für die Mini. Trotz alledem schlug sie sich recht wacker (Foto: H. Biermann)

Aber die Philharmonia Mini belehrt uns hier eines Besseren. Sie zaubert ein Klangbild von majestätischer Größe: Eine so großzügige Abbildung auch in der Höhe und in der Tiefe habe ich von solch einem Lautsprecher mit nur zwei Treibern nur ganz selten gehört: Man hat fast den Eindruck, vor einem großen Dipol zu sitzen. Das ist sehr beeindruckend.

Wie auch die ungemein ausdrucksstarke Stimmwiedergabe. Hatte ich die tiefe, sonore Stimme von Sean Rowe schon zuvor so klar und facettenreich gehört? Die begleitenden Bläser schon so plastisch neben ihm stehen hören? Nein. Hier leistet die Mini tatsächlich Außergewöhnliches.

Gregory Porter All Rise Aufmacher
Samtige Jazz-Stimme mit großartiger Musik: Gregory Porters All Rise war Album der Woche bei LowBeats  (Foto: Universal)

Man darf dabei den Einfluss des außergewöhnlich resonanzarmen Gehäuses nicht unterschätzen: Die große Klarheit in den Stimmen und die wie aus der Pistole geschossenen Impulse im oberen Bassbereich profitieren natürlich von der immensen Steifigkeit und der geschickten Resonanz-Umleitung. Es liegt natürlich auch an der exzellenten Treibertechnik, aber ich meine, hier macht das fantastische Gehäuse den Unterschied.

Natürlich habe ich die hübsche Französin mit der Dynaudio Contour 20i verglichen. Das Konzept ist ja sehr ähnlich, die Größe ebenfalls und selbst die Treiber haben eine gewisse Ähnlichkeit. Wie zu erwarten, kam die Mini im Maximalpegel nur unwesentlich über die Vorlage der Dynaudio hinaus. In Bezug auf die Dynamik aber konnte sich die Mini schon erstaunlich weit absetzen – und erst Recht in Bezug auf die Energie in den Mitten. Es ist der Wahnsinn, mit welcher Kraft, Präzision und Schnelligkeit dieser Lautsprecher Klavieranschläge oder Bassdrum-Tritte in den Hörraum (oder wie eigentlich geplant: ins Studio) schleudert.

Mit diesen hochenergetischen, gleichwohl aber sehr natürlichen Mitten zieht die Mini den Zuhörer sofort in ihren Bann. Ich habe mich mehrfach mit ihr verloren und erst nach längerem Hören festgestellt, dass es wieder sehr spät geworden war. Weil es so schön war. Und weil ich halt diese oder jene Aufnahme mit ihr auch noch hören wollte…

Die Philharmonie Mini verkörpert das Beste aus verschiedenen Welten. Die Auswahl der exzellenten Treiber sorgt – in Kombination mit der klug ausgelegten Frequenzweiche – für einen außergewöhnlich stimmige System-Harmonie. Der Anspruch der Studio-Profis von Amadeus und das vorbildlich gemachte Gehäuse steht für eine fast Elektrostaten-hafte, offene und energische Mittenwiedergabe. Beides zusammen gibt es in dieser Form andernorts nicht.

Fazit

Ziehen wir einmal Promi-Bonus und Nimbus ab, dann bleibt ein wunderbar gestalteter, elektrisch komplett unkomplizierter und überragend klingender Schallwandler, dessen Einstiegspreis von 32.000 Euro aber für die meisten HiFi-Fans eine nicht zu nehmende Hürde darstellen wird. Wer jedoch in der Lage und Willens ist, das Geld für diesen Lautsprecher auszugeben, kann sich in der Sicherheit wiegen, dass das Thema „kompakte 2-Wege Bassreflexbox“ noch nie besser und aufregender interpretiert wurde.

Philharmonia Mini
2020/09
Test-Ergebnis: 4,2
Sehr gut
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Dynamisch-lebendiger, sehr offener Klang
Fantastische Räumlichkeit
Exzellente Verarbeitung, außergewöhnliches Design
Nur auf dem Ständer zu betreiben

Vertrieb:
My Sound GmbH
Würmstraße 4
82319 Starnberg

Telefon: +49 8151 9982261
www.my-sound.net

Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Philharmonia Mini: 32.000 Euro


Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.