Die Studio-Profis von Amadeus und der französische Star-Architekt Jean Novel haben sich zu einer spannenden Kooperation zusammengefunden: Unter dem Label “Philharmonia” wollen sie gemeinsam außergewöhnliche Lautsprecher entwickeln. Zumindest in Bezug auf die Philharmonia Mini ist ihnen das gelungen. Alles an diesem 2-Wege-Schallwandler ist atemberaubend: die organische Optik, der luftig-dynamische Klang und nicht zuletzt auch der Preis…

So viele Nachfragen nach einem Lautsprecher in der Vorschau hatten wir bei LowBeats noch nie: “Der sieht ja super aus. Was bitte ist denn das? Die Nachfragen sind berechtigt. Die Philharmonia Mini sieht man nicht bei jedem x-beliebigen Händler um die Ecke, denn sie wurde eigentlich für den Einsatz im Tonstudio entwickelt. Aber sie hat – ungewöhnlich für einen Studio-Speaker – alle Anzeichen eines echten High-End-Schallwandlers. Allein schon das Gehäuse…
Das Design stammt vom Architekten Jean Novel, der weltweit einen exzellenten Ruf wegen seiner kühnen Entwürfe hat. Die Krone setzte sich der Franzose allerdings mit der Philharmonie de Paris auf, in deren Bauzeit (2014) auch das gemeinschaftliche Philharmonia-Projekt mit Amadeus startete.
Es war My Sound Chef Wolfgang Linhard (der ganz nebenbei noch das Reise-Magazin Gate to Travel herausgibt), der in Paris von dem Projekt hörte und sofort von der Philharmonia Mini verzaubert war. So sehr, dass er sie jetzt deutschlandweit vertreibt. Und so kam es, dass ich bei einem meiner My Sound Besuche plötzlich vor dieser Skulptur sitzend begeistert Musik hörte und sofort wusste: Die muss auch mal im LowBeats Hörraum spielen. Gesagt, getan.

Das Konzept der Philharmonia Mini
Simple Frage zum Anfang: Was ist diese hübsche 2-Wege-Box eigentlich? Eine Kompaktbox? Eine Standbox? Die Antwort dürfte die meisten überraschen: eine Standbox. Man kann zwar den oberen Teil abnehmen, aber der Lautsprecher kann nicht ohne Ständer sein – da steckt nämlich die Frequenzweiche drin. Er ist somit ein wesentlicher Bestandteil des Gesamtkunsttwerks beziehungsweise -Konzepts. Auch optisch. Natürlich greift der Ständer die geschwungene Grundfläche des Speakers perfekt auf und bringt den akustisch aktiven Teil der Philharmonia Mini auf Höhe: 1,23 Meter misst die zusammengesetzte Säule insgesamt. Damit sitzt der Hochtöner für Wohnzimmer-Verhältnisse ungewöhnlich weit oben. Aber womöglich ist die Höhe dem eigentlich vorgesehenen Einsatz im Studio geschuldet. Klanglich schadet es nicht und außerdem sieht der Zweiteiler mit dem In-Etwa-Verhältnis von 1:2 (Box zu Ständer) super aus.
Der Ständer selbst ist aus gefrästem MDF, das mit einer robusten Kunststoff-Schicht umhüllt ist. Resonanz-technisch ist er ein kleines Meisterwerk. Nicht nur, dass einzelne Kammern im Inneren teilweise mit Quarzsand gefüllt sind (was Resonanzen unterdrückt): Zudem verhindern Enkopplungs-Elemente unten und oben, dass Vibrationen auf die eingebaute Frequenzweiche durchschlagen.
Ist schon der Ständer recht aufwändig, so toppt die eigentliche Box fast alles bislang Dagewesene. Das Gehäuse besteht aus vielen aufeinandergeleimten Multiplex-Platten – wer sorgfältig nachzählt, kommt auf 288 Birkenholz-Schichten, die vorher sorgsam passend ausgefräst wurden. Das Bild aus der Produktion vermittelt hier eine Idee.

Dieser Aufbau ist extrem aufwändig und somit teuer. Aber die Festigkeit ist enorm und man kann – weil ja sowieso jede Platte einzeln gefräst wird – im Inneren so gut wie jede Form realisieren. Diese Möglichkeiten haben Amadeus/Novel hier ausgiebig genutzt: natürlich gibt es keine parallelen Wände, um stehende Wellen mir Dröhn-Potenzial zu verhindern. Und natürlich sind alle vibrationsanfälligen Bereiche des geschwungenen Korpus zusätzlich verstärkt – einfach dadurch, dass man hier weniger Material weggefräst hat. “Gekreuzte Struktur” heißt bei Amadeus dieser Mix aus verschieden starken Wandelementen. Die Studio-Profis verteilen damit die Resonanzen der Wände auf viele, aber weniger stark schwingende Bereiche.
Besonders gelungen ist der längliche Bassreflex-Kanal, der sich fast über die gesamte Bauhöhe, aber auch tief ins Boxen-Innere zieht. Mit der Höhe des Kanals werden die Resonanzen im Hörraum gleichmäßiger angeregt, mit seiner Bautiefe der Korpus der Philharmonia Mini nochmals versteift.
Die Treiber der Philharmonia Mini
Viele Hörer der Mini vermuten, hier Tiefmittel- und Hochtöner vom dänischen Vorzeige-Hersteller Dynaudio entdecken zu können. Stimmt nicht. Dynaudio verkauft schon seit vielen Jahren keine Einzeltreiber mehr. Doch ganz daneben ist der Tipp auch nicht. Denn der Tiefmitteltöner ist ein UniFlex-Typ vom (ebenfalls dänischen) Treiber-Spezialisten Audio Technology. Und Audio Technology-Gründer Ejvind Skaaning hat auch Dynaudio mitbegründet; deshalb gibt es da durchaus Ähnlichkeiten. Der Vorteil der Audio Technology UniFlex-Modelle besteht darin, dass man sich Treiber mit passgenau jenen Parametern bestellen kann, die man braucht. Der Nachteil: sie sind sündhaft teuer.
Der Hochtöner hat indes nichts mit Dänemark zu tun. Es ist einer der Spitzenhochtöner vom israelischen Spezialisten Morel, der übrigens auch für Magico den ein oder anderen Treiber baut. Und auch hier kommt nichts von der Stange: Die Amadeus Entwickler haben klare Vorstellungen zum Thema verzerrungsarmer Hochtöner. Und diese Vorstellungen wurden bei Morel einfach am besten umgesetzt.
Die Frequenzweiche, die die Arbeitsbereiche von Hoch- und Tiefmitteltöner trennt, ist ja (wie oben schon gezeigt) komplett vergossen; Bauteile sind nur zu erahnen.
Gaetan Byk, der Marketing-Manager bei Amadeus, sagte mir im Gespräch, dass man bei der Entwicklung der Mini auf eine absolut perfekte Phasensummierung zwischen den beiden Treiber geachtet habe, um so die bestmögliche Impulsantwort zu erzielen.

Das scheint soweit geklappt zu haben: Die LowBeats Messungen bescheinigen der schlanlen Säulenbox ein völlig unkritisches Phasenverhalten und einen fast noch weniger kritischen Impedanzverlauf, der immer oberhalb der 6-Ohm-Marke verläuft. Das ist sogar für schwächliche Röhren der 300B-Liga noch sehr gut verträglich.
Und noch so eine Verträglichkeit: Wir hatten die Mini an vielen Plätzen in verschiedenen Hörräumen stehen und ich kann sagen, dass wir selten einen passiven Lautsprecher im Test hatten, der so unkompliziert zu stellen war. Die durch den Ständer definierte Höhe tut der Bass-Präzision ebenso gut wie die ausgeklügelte Bassreflex-Konstruktion. Man spürt jedenfalls, dass die Entwickler aus dem Tonstudio kommen, wo ein schöngeistig-übervoller Oberbass einfach nicht angezeigt ist.
Hörtest
Die richtige Position im Hörraum zu finden, war deshalb einfach. Schon nach fünf Minuten des Rumschiebens war der perfekte Platz gefunden. Ich hatte die Mini ja schon bei My Sound gehört und wusste in etwa, was mich erwartete. Und doch überraschte mich die Säule erneut. Natürlich schwingt im Kopf immer eine Bremse mit: ein 2-Wege lautsprecher mit 18 cm Tiefmitteltöner. Da kann doch nichts Großes herauskommen.

Aber die Philharmonia Mini belehrt uns hier eines Besseren. Sie zaubert ein Klangbild von majestätischer Größe: Eine so großzügige Abbildung auch in der Höhe und in der Tiefe habe ich von solch einem Lautsprecher mit nur zwei Treibern nur ganz selten gehört: Man hat fast den Eindruck, vor einem großen Dipol zu sitzen. Das ist sehr beeindruckend.
Wie auch die ungemein ausdrucksstarke Stimmwiedergabe. Hatte ich die tiefe, sonore Stimme von Sean Rowe schon zuvor so klar und facettenreich gehört? Die begleitenden Bläser schon so plastisch neben ihm stehen hören? Nein. Hier leistet die Mini tatsächlich Außergewöhnliches.

Man darf dabei den Einfluss des außergewöhnlich resonanzarmen Gehäuses nicht unterschätzen: Die große Klarheit in den Stimmen und die wie aus der Pistole geschossenen Impulse im oberen Bassbereich profitieren natürlich von der immensen Steifigkeit und der geschickten Resonanz-Umleitung. Es liegt natürlich auch an der exzellenten Treibertechnik, aber ich meine, hier macht das fantastische Gehäuse den Unterschied.
Natürlich habe ich die hübsche Französin mit der Dynaudio Contour 20i verglichen. Das Konzept ist ja sehr ähnlich, die Größe ebenfalls und selbst die Treiber haben eine gewisse Ähnlichkeit. Wie zu erwarten, kam die Mini im Maximalpegel nur unwesentlich über die Vorlage der Dynaudio hinaus. In Bezug auf die Dynamik aber konnte sich die Mini schon erstaunlich weit absetzen – und erst Recht in Bezug auf die Energie in den Mitten. Es ist der Wahnsinn, mit welcher Kraft, Präzision und Schnelligkeit dieser Lautsprecher Klavieranschläge oder Bassdrum-Tritte in den Hörraum (oder wie eigentlich geplant: ins Studio) schleudert.
Mit diesen hochenergetischen, gleichwohl aber sehr natürlichen Mitten zieht die Mini den Zuhörer sofort in ihren Bann. Ich habe mich mehrfach mit ihr verloren und erst nach längerem Hören festgestellt, dass es wieder sehr spät geworden war. Weil es so schön war. Und weil ich halt diese oder jene Aufnahme mit ihr auch noch hören wollte…
Die Philharmonie Mini verkörpert das Beste aus verschiedenen Welten. Die Auswahl der exzellenten Treiber sorgt – in Kombination mit der klug ausgelegten Frequenzweiche – für einen außergewöhnlich stimmige System-Harmonie. Der Anspruch der Studio-Profis von Amadeus und das vorbildlich gemachte Gehäuse steht für eine fast Elektrostaten-hafte, offene und energische Mittenwiedergabe. Beides zusammen gibt es in dieser Form andernorts nicht.
Fazit
Ziehen wir einmal Promi-Bonus und Nimbus ab, dann bleibt ein wunderbar gestalteter, elektrisch komplett unkomplizierter und überragend klingender Schallwandler, dessen Einstiegspreis von 32.000 Euro aber für die meisten HiFi-Fans eine nicht zu nehmende Hürde darstellen wird. Wer jedoch in der Lage und Willens ist, das Geld für diesen Lautsprecher auszugeben, kann sich in der Sicherheit wiegen, dass das Thema “kompakte 2-Wege Bassreflexbox” noch nie besser und aufregender interpretiert wurde.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Dynamisch-lebendiger, sehr offener Klang |
| Fantastische Räumlichkeit |
| Exzellente Verarbeitung, außergewöhnliches Design |
| Nur auf dem Ständer zu betreiben |
Vertrieb:
My Sound GmbH
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Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Philharmonia Mini: 32.000 Euro