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New Horizon 121 frontal
Beim New Horizon 121 gilt: Alle Kraft auf das Laufwerk. Tonarm und Tonabnehmer sind weniger wichtig. Dieser klug gesetzte Fokus macht den 121 zum klangstärksten Plattenspieler bis 400 Euro (Foto: New Horizon)

Test New Horizon 121: Einsteiger-Plattenspieler mit Top-Laufwerk

Auspacken – anhören – abhaken: Preiswerte Plattenspieler halten nur selten wirkliche Überraschungen bereit. Der New Horizon 121 ist eine der seltenen Ausnahmen: Mit seinem unkomplizierten, ausgewachsen dynamischen Klang übertrifft er den Preisklassenstandard bei weitem und macht Lust, einfach weiterzuhören – selbst wenn ein teures High-End-Laufwerk daneben steht.

Einen 400-Euro-Plattenspieler zu planen und zu bauen ist eine Herausforderung für jeden HiFi-Konstrukteur: Vor den unvermeidlichen Gewinnspannen für Händler und Vertrieb, Abgaben an diverse Ämter und Organisationen sowie Kosten für Verpackung, Fracht, Personal, Messeauftritte und so weiter bleibt ein so knappes Budget, dass man jede Schraube oder Lagerkugel zweimal umdrehen, jede Materialentscheidung zweimal überdenken und jedes schicke Entkopplungs-Konzept auf den Prüfstand stellen muss: Nützt‘s wirklich dem Klang? An welcher Stelle könnte die Summe X, die dafür nötig ist, womöglich noch gewinnbringender eingesetzt werden?

Alles 100% richtig machen kann man eh nicht. Diese Preisklasse – wir nennen sie mal die seriöse Einsteiger-Klasse – ist gerade auch deshalb so spannend, weil sie zu Kompromissen zwingt, die der HiFi-Seele noch richtig wehtun. Das ist noch kein audiophiles Jammern auf hohem Niveau: Hier geht‘s ums klanglich Existentielle: Ist der Gleichlauf stabil genug, um auch mal ungestört dem Ausklingen eines Konzertflügels zu lauschen? Enthalten sich Motor und Antriebsmechanik jeglicher Kommentare im Ausgangssignal – auch in Musikpausen, auch über Kopfhörer? Und noch bevor wir über die Qualität des Tonabnehmers sprechen – erlaubt der Tonarm diesem überhaupt ein wirklich ungestörtes Arbeiten?

Mit viel Geld und gutem Material können selbst mäßig talentierte Designer die obigen HiFi-Grundaufgaben lösen. Wird das Geld knapp, geht man halt nach China beziehungsweise Taiwan. New Horizon wählt den schwierigeren Weg: Die junge, 2017 gegründete Firma konzentriert sich ausgerechnet auf erschwingliche Plattenspieler – und baut diese in Italien. Mit Zulieferern aus der Umgebung ihrer Heimatstadt Todi im Umbrien (Laufwerksteile) sowie aus der Tschechischen Republik (Tonarme). Lediglich der Tonabnehmer stammt aus China: Audio-Technica fertigt seit einigen Jahren seine allergünstigsten Systeme nicht mehr in Japan, sondern im Reich der Mitte.

New Horizon 121: High-End-Spieler im Kleinen

Der Budgetschwerpunkt liegt beim New Horizon 121 eindeutig im Laufwerk, das für die Preisklasse außergewöhnlich prachtvoll geraten ist. Die italienischen Entwickler haben als Basis eine recht großformatige, 25mm starke Faserplatte gewählt, auf allen Seiten laminiert mit einer leicht strukturierten Kunststoffschicht – das ist nicht so schön wie die hochglänzende Beplankung der kleinen Regas, aber auf jeden Fall stabil und sauber gemacht.

New Horizon 121 Chassis
Das Chassis des 121 ist mit einem Laminat beplankt und hat vorn einen eleganten Schwung, der auch das Resonanzverhalten der MDF-Platte verbessert (Foto: New Horizon)

Als Füße dienen drei (zwei vorne, einer hinten mittig) schwarze Naturkautschuk-Zylinder mit einvulkanisiertem M8-Gewinde – klassische Silentblocks, wie man sie auch bei allen möglichen anderen Maschinen zum Beispiel als Motorlager einsetzt. Die drei Füße verleihen dem Spieler bissigen Grip auf der Stellfläche und sind höhenverstellbar.

Was mir dabei gut gefällt, ist die relative Schwergängigkeit der M8-Gewinde, die im teilweise herausgedrehten Zustand absolut wackelfrei bleiben und auch keine Kontermutter benötigen. Dass der selbstsichernde Effekt einfach daher rührt, dass die Gewinde statt in einer Metallbuchse direkt in der Spanplatte sitzen, ändert nichts am absolut stabilen, definiert-wackelfreien Stand des Spielers. Und so schlicht die Gummifuß-Maßnahme erscheint, gibt es doch große Unterschiede in ihrer Wirksamkeit. Die man leicht eruieren kann, wenn man bei laufender Platte einfach mal auf die Stellfläche klopft: Beim New Horizon regt sich darauf im Kopfhörer nur ein entferntes Pochen, dann ist sofort wieder Ruhe. Da habe ich auch bei deutlich teureren Spielern mitunter schon ganz andere Reaktionen erlebt.

Das Laufwerk setzt sich gegen externe Unruhe also schon mal budgetbezogen sehr gut zur Wehr. Wirklich verblüffend ist aber die Sorgfalt, mit der die Italiener den Antrieb des 121 realisiert haben – eine Sorgfalt, die man sehen, spüren und natürlich auch hören kann. Wie praktisch alle Spieler in seiner Preisklasse ist der 121 riemengetrieben. Als Kraftquelle dient ein relativ starker Synchronmotor – wobei diese Aussage mangels konkreter Typenschild-Angaben eher auf Indizien beruht. So legt New Horizon dem 121 ein kapitales 500mA-Trafohäuschen bei, während zum Beispiel der Rega Planar 2 mit einem Fünftel davon auskommen muss. Dass der Motor das üppige Stromangebot tatsächlich nutzt, erkennt man auch daran, dass er sich im Betrieb merklich erwärmt – oder, noch vor Inbetriebnahme, an dem relativ hohen Widerstand, den er einem entgegensetzt, wenn man ihn mit der Hand dreht.

Mit dem höheren Drehmoment nehmen auch unerwünschte Nebenwirkungen zu: Der Motor vibriert entsprechend stärker, was man mit dem Ohr direkt am Spieler hören und mit dem Finger am – von unten frei zugänglichen – Motorgehäuse auch spüren kann. Aber das vergessen wir jetzt ganz schnell wieder, weil sich davon im Musiksignal nichts, aber auch wirklich gar nichts wiederfindet: Nach dem Aufsetzen der Nadel hört man das Rillengeräusch und sonst nichts. Und wenn am Ende eines Stücks der letzte Ton ausklingt, dann versinkt er in ebendiesem, von der Pressung abhängigem Grundrauschen – und nicht in dem diffusen Motor-Gemurmel, mit dem viele preiswerte Spieler die Pausen untermalen.

New Horizon 121 Antrieb
Die Geschwindigkeiten werden durch das Umlegen des Riemen verändert (Foto: B. Rietschel)

New Horizon ist beim 121 eine perfekte Motor-Entkopplung gelungen – bestehend aus nicht viel mehr als vier Stahl-Zugfedern und ein paar Streifen Schaumgummi. Letzteres verhindert, dass die relativ starren Zuleitungsdrähte auf ihrem Weg vom Schalter zum Motorgehäuse irgendwo die Zarge berühren und so zur Schallbrücke werden. Die Federn spannen den Motor mit seiner quadratischen Montageplatte straff in ihrer Mitte ein. Da wackelt, schwingt und eiert nichts – im Betrieb steht der Motor wie festgenagelt an seiner Position. Die typischen Synchronmotor-Vibrationen dagegen – hauptsächlich 50 Hertz und dessen Vielfache – scheitern zuverlässig an der Elastizität der Federn. Das ist natürlich alles nicht neu, funktioniert aber nur bei präziser Abstimmung der einzelnen Komponenten und einer sauberen praktischen Umsetzung wirklich gut.

Eine wichtige Rolle für die Laufwerkseigenschaften spielt auch der Riemen, der beim 121 mit gerade mal einem Quadratmillimeter Querschnitt ungewöhnlich dünn ist und laut Hersteller nicht aus dem an dieser Stelle üblichen Neopren, sondern aus Naturkautschuk besteht. Er umschlingt einen zweistufigen Pulley, der so präzise gefertigt ist, dass man ihm nicht ansieht, ob er gerade dreht oder steht, sowie den Außenrand des Tellers, der dem Gummisenkel eine leicht versenkte, mattierte Lauffläche bietet.

Beim Auflegen des Riemens befürchtete ich zuerst, er könnte zu lang sein, weil er Pulley und Teller nur sehr locker umspannt. Die geringe Riemenspannung ist aber sicher beabsichtigt und hilft die Übertragung von Vibrationen auch an dieser Stelle zu minimieren. Trotz lockerem Sitz hat der Riemen reichlich Grip: Nach Umlegen des Netzschalters zieht er den Teller ohne merklichen Schlupf, ohne Ruckeln oder sonstiges Getue in nicht mal einer Umdrehung auf 33 Touren. Und er tat das beim Testgerät auch nach zwei Monaten Dauerbetrieb noch unverändert. Wobei „Dauerbetrieb“ hier wirklich 24/7 bedeutet: Um die Langzeitstabilität dieser Konstruktion zu prüfen, ließ ich den Teller Tag und Nacht laufen, mit kurzen Ruhepausen zum Plattenwechseln oder bei irgendwelchen Umbauten an der Anlage.

New Horizon 121 Riemen
Wirkt sehr fein und edel: der Riemen des New Horizon 121 (Foto: New Horizon)

Exkurs: kleine Mattenkunde

Viele andere Spieler hätte ich nicht mal zum Auflegen angehalten. Mit einem Linn, Rega oder Pro-Ject etwa kann man die Platte problemlos bei laufendem Teller umdrehen. Das geht beim New Horizon aus zwei Gründen nicht so gut: Erstens ragt der Teller etwa einen halben Millimeter über den Rand der Platte und zweitens kommt der Spieler ohne Matte, präsentiert dem Vinyl also direkt seine spiegelblanke Plexiglas-Oberfläche. Das funktioniert klanglich ganz hervorragend und bewirkte im Test auch keinerlei Statik-Probleme, birgt aber die Gefahr, dass Vinyl unschön auf Acryl schlittert. Also hält man den Teller besser an – oder besorgt sich eine Filzmatte.

Und zwar eine dünne, weiche aus feinen Wollfasern, wie es sie von Rega gibt. Also keine steife Synthetik-Slipmat. Ich habe verschiedene Matten ausprobiert, Linn, Pro-Ject, No-Name-Filzmatten von Ebay, eine dicke, aber recht grobfaserige Matte von einem neuen Dual. Das Handling profitiert am meisten von den dicken Exemplaren, weil man da mit den Fingerspitzen besser unter den Plattenrand kommt. Dem Klang bekommen diese dicken Teppiche aber nicht, während die dünne Rega-Matte (ich habe sie von einem aktuellen P2 ausgeliehen) tatsächlich Vorteile brachte: Besseren Raum, mehr Auflösung und Ausdruck.

Da der Tonarm des 121 nicht höhenverstellbar ist, lässt sich nicht sicher sagen, ob allein die Dämpfungseigenschaften der Matte dies bewirken oder auch der durch ihre Dicke etwas flacher werdende vertikale Abtastwinkel. Das Material spielt aber eine wesentliche Rolle, wie ein Vergleich mit der gleich dicken aktuellen Pro-Ject-Matte zeigte, die nicht die gleiche Feinheit und Offenheit bewirkte wie das feine Rega-Tuch.

New Horizon 121 An/Aus
Macht das An- uns Ausschalten nicht eben einfach: Der On/Off-Knopf sitzt eher schlecht zugänglich links hinten neben dem Tonarmlager (Foto: New Horizon)

Edler Teller, noch edleres Lager

Zwingend sofort kaufen muss man die Matte jedoch nicht. Die klanglichen Stärken des Spielers treten auch im Originalzustand ohne jegliche Wollauflage kristallklar zum Vorschein. Und die optischen erst recht. Der Teller besteht aus 12 Millimeter starkem, gegossenem Metacrylat (alias Plexiglas), das per Laser ausgeschnitten und sowohl am inneren als auch am äußeren Rand präzise nachbearbeitet wird. Außen haben die Italiener eine ganz leicht versenkte Riemenlauffläche eingearbeitet – die überstehenden Tellerkanten sollen verhindern, dass man beim Plattenwenden versehentlich den Gummi abstreift. Innen trägt der Teller eine Passung für die Lagernabe: Spielfreier findet man das auch bei deutlich teureren Spielern nicht.

New Horizon 121 Plattenteller
Der Teller des 121 ist aus durchsichtigem, lasergeschnitten Methacrylat. Die Tellerstärke liegt bei 1,2 cm, das Gewicht bei gut einem Kilo (Foto: B. Rietschel)

Womit wir beim Tellerlager wären, dem mechanischen Highlight des 121, das für einen Spieler dieser Preisklasse eigentlich völlig überdimensioniert ist. Rein optisch gleicht es dem Lager, das auch bei den größeren Brüdern des 121 verwendet wird. Es ist invertiert aufgebaut, die Lagerbuchse rotiert also kopfüber auf der feststehenden Achse und trägt auf ihrem fein gedrehten Alugehäuse direkt den Teller. Das Lager fühlt sich wunderbar stabil, spielfrei und geschmeidig an, wenn man es von Hand dreht und könnte sicher auch mehr Gewicht tragen als den rund ein Kilo schweren 121er-Teller.

New Horizon 121 Spindel
Kopfstand: Das Lagergehäuse ist samt Mitteldorn und Telleraufnahme aus einem Stück Alu gedreht. Es trägt im Inneren eine Stahlbuchse und rotiert damit über einer ebenfalls aus Stahl gefertigten, stehenden Achse (Foto: B. Rietschel)

Der Tonarm des New Horizon 121: für Asketen

Beim Tonarm endet momentan die Fertigungstiefe von New Horizon, die ihre System-Führungskräfte für alle Modelle bei Pro-Ject zukaufen. Verwendet wird sowohl der klassische Aluminium-berohrte als auch der Karbon-Arm des österreichischen Herstellers, beides OEM-Klassiker, denen man auf Spielern vieler renommierter Marken begegnet. Eher selten anzutreffen ist der Pro-Ject-Arm, den New Horizon für den 121 bestellt – und auf den ersten, selbst den zweiten Blick hat dieser Schwenker auch keine größere Gegenliebe verdient: Es ist schon ein recht dünnes, filigranes Alu-Ärmchen mit Plastik-Headshell und einem aufs absolut Notwendigste reduzierten Lager – das aber viel besser funktioniert, als man ihm das zunächst zutraut: Vertikal pendelt der Arm in zwei sauber justierten Saphir-Spitzenlagern, horizontal rotiert er in einem einzelnen, sehr leichtgängigen Kugellager.

New Horizon 121 Tonarm
Der Tonarm ist das kleinste Modell von Pro-Ject, und hat nicht einmal Antiskating. Doch für diesen Zweck erwies er sich als bestens geeignet (Foto: B. Rietschel)

Das Gegengewicht hängt exzentrisch am hinteren Ende des Arms, was den Schwerpunkt etwas absenkt und damit die Stabilität bei unebenen Platten fördert, nicht aber die Einstellung erleichtert: Das Gewicht wird einfach verschoben und mit einer Madenschraube gegen versehentliches Verstellen gesichert. New Horizon gibt eine Millimeter-Position an, gemessen ab dem hinteren Ende des Arms, die dem Wunschgewicht entspricht (dazu gleich mehr). Wer dieses aber variieren oder einfach nur genauer wissen will, muss sich eine Tonarmwaage besorgen. Gibt‘s via ebay direkt aus China, elektronisch mit 0,01g Auflösung für unter zehn Euro inclusive Versand, Kunstlederetui, Batterie und 5,0 Gramm Eichgewicht. Und nein, ich weiß auch nicht, wie das geht. Die Waagen funktionieren jedenfalls hervorragend.

Das Antiskating ist dafür umso leichter einzustellen, nämlich gar nicht. Weil es kein Anti-Skating gibt. New Horizon beschreibt das teilweise noch unzutreffend als „self-regulated“ – vermutlich, weil auch Pro-Ject höchstselbst bei eigenen Spielern mit diesem Arm (etwa dem Primary) von einem „voreingestellten“ Antiskating spricht. Realität ist aber: Eine Skatingkraft-Kompensation findet nicht statt. Und – ich hätte nicht gedacht, dass ich das einmal schreiben würde: Ich habe sie bei diesem Spieler auch keine Sekunde lang vermisst, bei Hunderten gehörter Plattenseiten.

Ohne kompensierende Gegenkraft, sei‘s per Gewicht, Magnet oder Feder, bekommt die innere Rillenflanke von der eingestellten Auflagekraft stets ein paar Prozent mehr ab als die rechte. Das ist Physik und tritt bei allen Dreh-Tonarmen auf, sofern diese nicht komplett ungekröpft sind (gibt‘s, hat aber geometrische Nachteile) oder mit einer komplett reibungsfreien Wundernadel abtasten (gibt‘s nicht). Und es hat natürlich Folgen: In ganz kritischen, hoch ausgesteuerten Passagen wird‘s etwas früher unsauber, und die von vorne betrachtet linke Diamantflanke der Nadel altert schneller als die rechte. Was bei stark runtergerittenen Nadeln tatsächlich ein unsymmetrisches Verschleißbild zeitigt. Hinzu kommt, dass wer nur eine Platte besitzt, diese aber zehnmal am Tag hört, im linken Kanal etwas früher mit Abnutzungserscheinungen des Vinyls rechnen muss.

Punx not Dead: Der Tonabnehmer zum Bierkistenpreis

Bei normalen Hörgewohnheiten ist Vinylverschleiß aber ein rein akademischer Punkt. Und Nadelverschleiß ebenfalls, weil ein Nadeltausch beim 121 weniger kostet als eine Kiste ordentlichen Biers. Sein serienmäßiges System ist ein Audio-Technica AT-3600L, das wohl preiswerteste brauchbare MM-System auf dem Markt. Und das ist gar nicht schlecht. Es stammt nicht aus Japan, sondern aus dem Audio-Technica-Werk in China, besitzt aber den AT-typischen Generator mit V-förmig angeordnetem Magnetpaar und einen passgenauen Nadeleinschub, der mit einem sphärischen Diamanten bestückt ist. Als Nadelträger dieses Systems – und seiner zahlreichen Verwandten, die AT auch für OEM-Kunden wie Rega oder Thorens fertigt – dient nicht das sonst übliche hohle Aluröhrchen, sondern ein Ausleger aus kohlefaserverstärktem ABS-Kunststoff. Als ich das vor einigen Jahren zum ersten Mal sah, schien mir endgültig der Untergang des analogen Abendlandes gekommen.

New Horizon 121 mit Audio-Technica AT-3600L
Das Audio-Technica AT 3600L ist in vielen Belangen ein besonderer Tonabnehmer. Er ist ausgesprochen günstig und quasi unverwüstbar. Genau das Richtige für die Platten, die man vor 30 Jahren in den Keller gestellt hat… (Foto: New Horizon)

Die Karbonträger erweisen sich aber als durchaus funktionstüchtig und überzeugen mit erstaunlich geringen Fertigungstoleranzen. Man kann diese Systeme im 100er-Tablett bestellen und höchstwahrscheinlich sind alle 100 Nadeln optisch kerzengerade und klanglich nicht auseinanderzuhalten. Da streut manches High-End-System stärker. Und der Klang der kleinen ATs ist so ausgewogen, druckvoll und dynamikfroh, dass sich um die vermeintlichen MM-Schmuddelkinder der 3600er-Familie eine regelrechte Kult-Fangemeinde versammelt hat, die nicht nur aus Leuten besteht, die sich nichts Vornehmeres leisten können.

Ausgerechnet das 3600L ist für den filigranen Arm des New Horizon trotzdem nicht die beste Wahl.  AT empfiehlt bei diesem System rüde 3,5 Gramm Auflagekraft – was eine recht steife Nadelaufhängung verrät, die in widerspenstig gelagerten Trash-Armen oder alten Vintage-Prügeln durchaus sinnvoll sein kann. Im dünnen Pro-Ject-Ärmchen mit seinen penibel justierten Edelsteinlagern wird damit aber ein Problem gelöst, das gar nicht besteht – und zugleich Performance verschenkt. Letztere ist zum Glück leicht und preiswert zurückzugewinnen. Steckt man statt des hellgrauen Originals die gelbe Nadel des AT91 auf den System-Body, erntet man mit nun völlig unbedenklichen 2 Gramm einen tonal sehr ähnlichen, im Bass aber noch etwas volleren und tiefreichenderen Klang.

Die gelbe Nadel – sie heißt ATN91 – kostet zum Beispiel bei „Die Nadel“ genau einen Euro mehr als die harte L-Version, sie wäre als Werks-Ausrüstung also sicher auch in Frage gekommen. Aber wir hinterfragen das jetzt nicht lang und bestellen einfach eine ATN91. Oder besser zwei. Denn die Sparnadel hat einen Vorteil, der indirekt die Klangqualität verbessert und sogar unsere Platten schont: Sie ist so billig, dass man nicht zögert, sie zu ersetzen. Also rechtzeitig. Wenn es noch nicht zu spät ist. Denn selbst die teuerste Nobelnadel wird irgendwann zum Nobelhobel. Und ich höre jedenfalls lieber mit einem stets frischen Einfachdiamanten als mit einem Edel-Stein, der seine besten Tage schon hinter sich hat.

New Horizon 121 Tonabnehmer Alternativen
Gut und günstig: Nadeln für das Audio-Technica-System des 121 gibt es in großer Auswahl. Auf dem Bild machen es sich die drei zum Test verwendeten Einschübe auf dem weichen Rega-Wollfilz bequem: Links die 3600L-Originalnadel, in der Mitte die die Rega Carbon und rechts die ATN91. Ebenfalls angeboten wird die nicht abgebildete ATN91R mit etwas weicherer Aufhängung und Alu-Nadelträger im roten Gehäuse sowie diverse Nachbauten. Im Zweifelsfall fährt man mit der ATN91 so spottbillig wie goldrichtig (Foto: B. Rietschel)

New Horizon 121: der Hörtest

Die Hörtests absolvierte der New Horizon 121 nach ein paar anfänglichen Vergleichen fast komplett mit der ATN91-Nadel. Für etwas Glamour wechselte ich zeitweise die Nadel des Rega Carbon ein, die mit der ATN91 baugleich ist und ein paar Euro mehr kostet, klanglich aber nicht zu unterscheiden war. Experimente mit höherwertigen Systemen beschränkte ich auf ein Minimum, weil sie der Spieler nicht nötig hat: Das Lässige, an High-End-Artefakten demonstrativ Desinteressierte und gerade dadurch so Stimmige, das seinen Charakter ausmacht, profitiert nicht davon.

Wer etwas mehr Kantenschärfe mag, als es das Rundnadel-AT zu geben bereit ist, kann als dekadentes Upgrade für 100 Euro ein Audio-Technica AT-VM520EB mit elliptischem Diamanten in Betracht ziehen – dann aber nur zusammen mit einer Filzmatte, um den sonst zu steilen VTA zu korrigieren und dem nun beträchtlich feiner aufgelösten Klang einen sauberen Fokus zu verleihen. Den 121 mit AT-VM520EB bietet der Vertrieb (Audium) übrigens im Bundle und fix&fertig vormontiert für 499 Euro an.

Audio-Technica AT-91
Es geht noch besser: Das nur knapp einen Euro teurere AT 91 ist eigentlich die bessere Wahl für den Tonarm (Foto: B. Rietschel)

Als Phono-Preamp diente der überragende LP33 von Line Magnetic, der zwar das Fünffache des Spielers kostet, aber angenehm rauschfrei arbeitet und enorm detailreich klingt, ohne darüber das Musizieren zu vergessen – vorgemerkt für einen Test demnächst in diesem Theater. Ebenfalls ganz oben auf der Coming-Soon-Test-Playlist: Der 500-Euro-Vollverstärker Io des englischen Herstellers Rega, der zusammen mit einem Paar Kompaktboxen auch ein schönes reales Anlagen-Umfeld für den 121 bilden könnte, zumal er einen außergewöhnlich guten MM-Phonoeingang mitbringt.

im Hörraum
Der New Horizon 121 im Hörraum. Rechts davon der Phonovorverstärker Line Magnetic LP33, noch weiter rechts der bolidenhafte SME 10 mit Lyra Delos (Foto: B. Rietschel)

Der Klang preiswerter Plattenspieler ist durch die Kompromisse geprägt, die ihre Hersteller gezwungenermaßen eingehen müssen. Oft klingt‘s etwas bemüht, weil die Musik am oberen und unteren Ende ihres durch Aufnahme, Mastering und Pressung gegebenen Dynamikraums an ihrer vollständigen Entfaltung gehindert wird: Unten steht sie gewissermaßen auf weichem Grund und droht sich vorzeitig in Antriebseinflüssen und Nebengeräuschen zu verlieren. Und obenrum beschlägt bei größeren Anstrengungen die akustische Brille durch Resonanzen und Verzerrungen. Was beim New Horizon 121 sofort auffällt, also praktisch in der ersten Sekunde des ersten Tracks, ist seine aufrechte, stabile, unbeirrte Dynamik: Der Spieler hat einen Antritt, den er kraft seines Preises zumindest in meinem Erfahrungshorizont nicht haben dürfte. „New Horizon“ wird seinem Namen also viel gerechter, als ich das erwartet hätte.

Nach dem Aufsetz-Plopp hören wir das Rauschen der Leerrille, dann je nach Mastering die mechanischen und magnetischen Vorechos (wobei die mechanischen ein Durchpausen stark modulierter auf benachbarte leise Rillen bedeuten, das beim Schneidevorgang passieren kann, die magnetischen auf Kopiereffekten übereinander liegender Tonband-Lagen beruhen), aber keine Beiträge des Laufwerks. Das allein ist schonmal eine Leistung. Der kraftvolle Zug und die Eindeutigkeit, mit denen das italienische Laufwerk dann rhythmische Strukturen und jene subtilen Dynamikschattierungen aufbaut, die die musikalische Phrasierung bestimmter Sänger und Instrumentalisten ausmachen, ist dann aber fast schon sensationell: Die Italiener haben ihrem kleinsten Spieler ein wirklich großartiges Laufwerk mitgegeben, das Musik spannend, unmittelbar und mitreißend klingen lässt.

Der Arm, so simpel er ist, schlägt sich beeindruckend gut. Nur wirklich sauber gelagerte Arme, die zudem geschickt mit den durch das System eingeleiteten mechanischen Vibrationen umgehen, lassen einen Tonabnehmer so offen, leichtfüßig und unverfärbt klingen. Zumal der verwendete AT-3600L auch mit der etwas besseren 91er Nadel per se kein großer Analytiker ist. Seine Klangfarbe bestimmt den tonalen Charakter des ganzen Spielers – und der ist eher dunkel, mit warmem Tief- und Grundton, aber auch prägnanten, sauber definierten Stimmen und einem insgesamt sehr facettenreichen Mittelton.

Schwächen oder besser mildes Desinteresse zeigt die sphärische Nadel bei jenen Obertönen, die Schlagzeugbecken realistisches Bronze-Feuer geben, die Stahl- von Nylonsaiten unterscheiden oder in einem großen Chor für Abgrenzung zwischen den einzelnen Stimmen sorgen: Ganz oben wirkt das AT im Vergleich zu edleren Systemen etwas seifig und stumpf. Was aber vor allem mit Aufnahmen auffällt, denen es ohnehin schon an Definition mangelt. Audiophil produzierte Spektakelscheiben klingen damit kaum weniger spektakulär, weil sie von vornherein mit so viel Rauminformation und Hochton-Zzzing! auf den Teller kommen, dass es überhaupt nicht auffällt, wenn davon ein paar Prozent unbemerkt unter der Rundnadel vorbeigleiten.

Als konkretes Beispiel können zwei Platten des Saxophonisten Shabaka Hutchings herhalten, nämlich einmal Lest We Forget What We Came Here To Do von seiner Gruppe Sons Of Kemet, erschienen 2015 auf Naim Records, sowie Wisdom Of Elders von Shabaka And The Ancestors, das im darauffolgenden Jahr auf Gilles Petersons Brownswood-Label herauskam. Klanglich gewinnt die Naim-Scheibe mit großem Vorsprung, die ungewöhnliche Besetzung mit zwei Schlagzeugern, Sax und einer Tuba, die den Bass ersetzt, springt regelrecht aus den Lautsprechern, und sie springt mit dem 121 gar nicht so viel kürzer als etwa über den locker 20-mal so teuren SME 10 mit Lyra Delos, der als Referenz bereitstand. „Wisdom…“ dagegen ist schwieriger zu erschließen, und das liegt nicht an der etwas anderen Besetzung (nun mit richtigem Bass), sondern an der eigenartig matschig-dunklen Aufnahme.

Lest We Forget What We Came Here To Do Cover
Aus einer Zeit, als Naim Audio auch noch richtig gute Platten anbot: Sons Of Kemet Lest We Forget What We Came Here To Do (Cover: Amazon)

Hier setzt sich der teure Spieler viel müheloser ab, weil er in den etwas nebulösen Raumverhältnissen und dem durch warme, an Magnetbandsättigung erinnernde Verzerrungen aufgeweichten Tiefton auch die schemenhaftesten Indizien voll ausnutzt. Was mal wieder die Faustregel bestätigt, dass man, wenn man die Qualität einer Komponente erkennen will, mit den nichtperfekten Platten weiter kommt als mit Vorführ-Crowdpleasern. Andererseits tutet Hutschings‘ Sax über den 121 immer noch sehr charaktervoll mit viel warmem, sexy Schmäh, und der rote Faden durch die nicht immer leicht zugänglichen Stücke bleibt von der ersten bis zur letzten Sekunde straff gespannt. Bei richtig gut klingenden Platten, etwa dem neuen Notwist-Album Vertigo Days oder dem Indie-Songwriter-Klassiker People Are Like Seasons von Sophia, natürlich erst recht: Da gräbt der New Horizon soviel Klarheit und Dynamik aus den Rillen, dass man seinen Ohren kaum traut.

Neben einem heißen Tipp für Plattenfans mit knappem Budget gibt der 121 auch einen hervorragenden Zweitspieler ab. Und zwar gerade weil er nicht ganz so akribisch auflöst. Das macht lieblos gemasterte oder mit kleinem Budget produzierte Rockplatten mitunter genießbarer, als sie es über einen Spitzenspieler wären. Warum soll man also den Soundtrack zum abendlichen Biertrinken und Kopfnicken mit seinem hochsensiblen Edel-MC abspielen, wo die Betriebsstunde locker zwei Euro kostet? Mit dem 121 bekommt man sie fast umsonst und verpasst nichts Wesentliches. Ich lerne den minimalistischen Italiener jedenfalls von Platte zu Platte mehr schätzen: Als immer wieder überraschenden Punk-Provokateur neben den teuren Maximalisten. Low Budget – ja, klar. Aber deshalb gleich Low-Fi? Weit gefehlt!

Fazit

New Horizon hat dem Laufwerk kompromisslos Budget-Vorfahrt vor allen anderen Spieler-Komponenten gegeben. Das macht den 121 zu einer spannenden und radikalen Low-Budget-Interpretation des alten, immer noch umstrittenen (Linn-) Lehrsatzes „start at the beginning“. Und die Rechnung geht hier zu 100% auf: Schon mit Billigsystem und Minimalarm zieht der 121 lässig an allen Preisklassen-Konkurrenten vorbei. Man kann ihn upgraden, in Maßen. Aber das Verrückte am New Horizon 121 ist, dass man das gar nicht will…

Kleiner Nachtrag: Für LowBeats Verhältnisse waren wir mit dem Test extrem früh dran – noch bevor die 121er in Deutschland angekommen sind. Aber Audium-Vertriebschef Frank Urbarn versprach, dass spätestens Ende nächster Woche die ersten Exemplare zum Verkauf stehen.

New Horizon 121
2021/02
Test-Ergebnis: 4,3
SEHR GUT
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Dynamischer, klarer, zugleich warmer Klang
Sehr günstig im Unterhalt
Klanglich bestes Laufwerk seiner Klasse
Kein Antiskating, keine Haube, keine Matte

Vertrieb:
Audium Vertrieb
Catostr. 7b
12109 Berlin
www.audium.com

Preis (Hersteller-Empfehlung):
New Horizon 121 mit AT-3600L: 399 Euro
New Horizon 121 mit AT-520EB: 499 Euro

Im Beitrag erwähnt:
Technische Daten

New Horizon 121
Konzept:Riemengetriebener Plug&Play-Plattenspieler
Tonabnehmer:Audio-Technica AT-3600L
empf. Auflagegewicht:3,5 Gramm
gegen 100 Euro Aufpreis:Audio-Technica AT 520 EB
Geschwindigkeiten:33 + 45 U/min
Antrieb:24 Volt Synchron-Motor
Abmessungen (B x H x T):45,0 x 10,2 x 36,5  cm
Gewicht:4,9 Kilo
Alle technischen Daten
Mitspieler im Test:

Test Tonabnehmer Audio-Technica VM520EB und 520EB/H

Autor: Bernhard Rietschel

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Bernhard Rietschel ist gelebte HiFi-Kompetenz. Sein Urteil zu allen Geräten ist geprägt von enormer Kenntnis, doch beim Analogen macht ihm erst recht niemand etwas vor: mehr Analog-Laufwerke, Tonarme und Tonabnehmer hat keiner gehört.