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Acoustic Signature Tornado NEO von oben
Der Tornado Neo ist noch eines der kleineren Laufwerke aus dem Kosmos von Acoustic Signature – und trotzdem schon echt gewaltig. Wir hatten das Masselaufwerk (Preis: ab 6.500 Euro) mit gleich zwei Tonarmen im Test (Foto: Acoustic Signature)

Test Plattenspieler Acoustic Signature Tornado Neo mit 2 x TA-1000 Neo und MCX-4

Der Acoustic Signature Tornado Neo soll in diesem Test nicht nur Genuss bereiten. Weil er bis zu drei Tonarmen eine Basis bietet, wird er zugleich eine alte Analogfrage beantworten helfen: Was genau bringt ein Zwölfzoll-Tonarm gegenüber einem mit nur neun Zoll Länge?

Ein Kollege hat jüngst geschrieben, Acoustic Signature befände sich „in der Nähe von Stuttgart“. Das ist nicht ganz unrichtig, wenn man einen 50km-Radius als „in der Nähe“ definiert. Wer ein bisschen detailliertere Kenntnis von Süddeutschland hat, wird die Signature-Heimat Süßen aber präziser verorten: ein paar Minuten entfernt von Göppingen nämlich, und damit schon fast auf der Schwäbischen Alb. Da spricht man einen anderen Dialekt als in Stuttgart. Nachdem ich sowohl hier wie da jeweils zehn Jahre eingetaucht war, bin ich mir auch sicher: den schöneren. Es gibt auch bereits besseres Bier, eine Brau- und Trinktradition mit merklich, aber noch nicht penetrant bayrischer Note. Mein Getränkehändler in einem anderen Dorf nicht weit weg von Süßen schockierte mich bei meinem ersten Vorsprechen nach dem Zuzug mit einem Pfandkisten-Zentralmassiv aus Hellem und Weißbier, das quasi bis zum Horizont reichte. Pils – beziehungsweise „Pls“ in lokaler Aussprache? „Han i au“, aber weniger als zum Beispiel alkoholfreies Weizen.

Das Klima ist am Rand der Alb auch besser. Aber das ist natürlich Geschmackssache. Über jede individuelle Befindlichkeit erhaben ist dagegen die Qualität der Plattenspieler, die Gunther Frohnhöfer und seine MitarbeiterInnen in Süßen bauen. In einem der cleansten, professionellsten Betriebe, die ich in meiner langen Testerkarriere je von innen gesehen habe. Die glanzvolle schwäbische Metallbautradition: hier lebt sie nicht nur irgendwie, sondern the high life. Die Fertigungstiefe ist eindrucksvoll. Hier kommt wirklich noch Alu, Messing und Stahl in Barren- und Stangenform zum Werkstor herein – und verlässt die Firma als hochveredeltes Analog-Kunstwerk. An dem sich selbst Peripheres wie ein Lifthebel oder ein Antiskating-Stellknopf zurückverfolgen lässt: Durch die hochqualifizierten Hände der dort tätigen CNC-Spezialisten, Uhrmacher und Goldschmiedinnen. Durch strategisch organisierte, penibel beschriftete Zwischenlagerplätze, zu einem außergewöhnlich vornehmen Maschinenpark, quasi einer High-End-Anlage zur Metallverarbeitung. Und zu deren stolzem Besitzer Gunther Frohnhöfer, der daran jedes Schräubchen kennt, und der die Tonarme, Laufwerke und Tonabnehmer entwirft, die darauf entstehen.

Acoustic Signatures Tornado Neo: Masse & Klasse

Der Tornado Neo ist wie alle Acoustic Signatures ein Masselaufwerk. Es konzentriert größtmögliche Dichte auf einen reduzierten Dreibein-Dreher, der beim Hochheben in der Hand liegt wie ein massiver Alublock. Was er im Grunde ja auch ist: Das Chassis aus dem Vollen herausgefräst in zahllosen Maschinenstunden (wobei Frohnhöfer deren Zahl natürlich genau kennt), dann gesandstrahlt, anodisiert, die Oberseite fein gebürstet.

Unser Exemplar ist komplett schwarz, zur Wahl stehen auch eine ganz silberne sowie eine schwarz-silberne Bicolor-Ausführung. Jedes der drei Beine endet in einem großen Fuß, der sich dank Feingewinde präzise, spiel- und praktisch widerstandsfrei in der Höhe verstellen lässt. Geleinsätze in den Füßen lassen die Gesamtmasse des Spielers von circa 30 Kilo viskos und doch definiert auf seiner Stellfläche schwimmen. Der Entkopplungseffekt solcher Konstruktionen ist häufig eher Wunsch als Tatsache, und so mancher Massespieler erwies sich im Hörraum schon als überraschend trittschallempfindlich. Bei manchen Konstruktionen ist das so ausgeprägt, dass ein kleiner Rega-Sportbrett-Spieler mit der Gesamtmasse eines Beachtennis-Schlägers direkt daneben sie regelrecht vorführt.

Acoustic Signature Tornado NEO
Schwarz mit Messing-Akzenten: Das Gegengewicht des TA-1000 Neo und die hochglanzpolierten Silencer im Teller sorgen für sparsame Farbakzente (Foto: Acoustic Signature)

Der Tornado gehört ausdrücklich nicht zu dieser enttäuschenden Gruppe. Er rotiert geräuschlos und unbeirrt auch unter Bedingungen, in denen man eigentlich gar nicht mehr Musik hören kann. Die Tiefbaufirma, die vor dem Haus gerade Glasfaserkabel verlegte, tat mir eines Hörtesttages ungebeten den Gefallen, draußen ihr gesamtes Arsenal an Asphaltsägen, Baggern, Rüttelplatten und anderen Inferno-Instrumenten aufzufahren. Die Erschütterungen, die dabei das Haus erzittern ließen, brachten den Acoustic Signature nicht aus der Ruhe, der munter meine neue Swans-Platte „The Beggar“ weiterspielte. Das muss man so erstmal hinbekommen.

Schwer und massiv wie das Chassis ist auch der Tornado-Teller, eine sechs Zentimeter starke Scheibe aus zehn Kilo nahezu massivem Aluminium. „Nahezu“, weil der Teller an der Unterseite einen dünnen Einsatz aus Lederfaser-Carbon-Sandwichmaterial trägt. Und wegen der vier bündig in die Oberfläche eingepressten Silencer. Das sind zylindrische Messinggewichte mit jeweils zwei umlaufenden O-Ringen, die straff in den Teller eingepresst werden. Bei fast allen Acoustic-Signature-Modellen kommen sie in unterschiedlicher Zahl zum Einsatz, um den mächtigen Alutellern gezielt ihre Klingelneigung abzugewöhnen.

Das funktioniert bereits mit den hier verwendeten vier Stück sehr gut: Kräftiges Klopfen auf den Teller gibt eine gerade noch erahnbare Resonanzfrequenz preis, die in wenigen zehntel Sekunden erstirbt. Die gößeren Mitglieder der Tornado-Familie machen auch diesem Rest von Eigenleben den Garaus – mit acht Silencern im Teller des Hurricane Neo und gleich 24 davon beim Typhoon Neo. Das sieht dann natürlich auch sukzessive fancy aus, zumal die Oberseite der Zylinder nicht irgendwie, sondern als perfekter Spiegel gefinisht ist. Wem das nicht reicht, der/die kann die Gewichte gegen Aufpreis aber auch vergolden oder verchromen lassen.

Acoustic Signature Tornado NEO
Alles massiv hier: allein der Plattenteller wiegt 11 Kilo. Die vier eingeschossenen „Silence“ minimieren das Resonanzverhalten (Foto: Acoustic Signature)

Beim Auspacken und Aufbauen ist der schwere Rundling unfallfrei auf die Tellernabe des Laufwerks zu setzen. Dazu gibt’s ein lehrreiches Video, das den Chef persönlich beim Unboxing zeigt. Wenn der Vorgang da ganz easy aussieht und der Teller gar nicht so groß wirkt, dann liegt das daran, dass Frohnhöfer nun mal ein Hüne ist und das zudem täglich macht. Als Acoustic-Signature-Anfänger kann man die richtige Hebetechnik ruhig erst einmal über dem weichen Packschaum der voluminösen Transportkiste ausprobieren. Sofern nicht ohnehin der Händler den Aufbau übernimmt, wie es in dieser Preisklasse eigentlich üblich ist. In jedem Fall ist der Zusammenbau, abgesehen von der hohen Masse, wirklich unkompliziert. Mit den Gleitflächen des Lagers und auch dem Riemen kommt man im Normalfall gar nicht erst in Kontakt. Es geht also letztlich nur darum, den Teller auf die große Alunabe zu setzen, die vom angetriebenen Subteller des Spielers aufragt.

Dieser Subteller ist fest mit der Lagerachse verbunden, die in einer Buchse aus Sinterbronze rotiert. Sinterbronze ist porös – eine wichtige und hier sehr wünschenswerte Eigenschaft, weil das Metall in seinen Poren Öl aufnehmen kann und sich damit dauerhaft selbst schmiert. Acoustic Signature lässt sich das Material sogar mit extragroßen Poren produzieren. Das macht die Bronze vielleicht etwas weniger belastbar – vernachlässigbar, weil das Lager für die auftretenden Belastungen ohnehin vielfach überdimensioniert ist. Auf der anderen Seite vemindert sich durch den größeren Porenanteil die Kontaktfläche und damit eine Haupt-Geräuschquelle. Tatsächlich läuft das Acoustic-Signature-Lager unglaublich leise und gleichmäßig. Diese fundamentale Ruhe prägt das gesamte Klanggefüge in vielfältiger Weise. Neben naheliegenden Symptomen wie absolut stillen Pausen zwischen den LP-Tracks, wächst aus dieser Ruhe auch ein überlegener musikalischer Zug – oder besser Sog: Selbst die leisesten, gerade noch wahrnehmbaren Töne und Geräusche wirken bedeutsam und geordnet, als hätte sie ein riesiger Musik-Magnet besonders genau entlang der Zeitachse des Stücks ausgerichtet. Das ist schwer zu beschreiben, aber leicht zu hören innerhalb weniger Plattenumdrehungen.

Acoustic Signature Tornado NEO Antrieb
Antriebspracht: Der Subteller trägt mehrerer Radien und Fasen, die den schweren Teller beim Aufsetzen führen und am Verkanten hindern. Im Bild wird er noch mit zwei Riemen angetrieben. Davon ist Acoustic Signature inzwischen aber abgekommen: Es bringt hier schlicht keine Vorteile

Besonders ist an dem Acoustic-Signature-Lager aber nicht nur die Buchse. Sondern fast noch mehr die Achse. Die besteht aus vakuumgehärteten Edelstahl und wird zunächst um eine Winzigkeit zu groß produziert. Um dann ebendiese Winzigkeit während des nächsten Arbeitsschritts zu verlieren: einem Feinschliff der ihr perfekte Rundheit verleiht. Zum Abschluss erhält die Achse eine Plasmabeschichtung aus Kohlenstoff, der sich aus dem Vakuum mit diamantartiger Gitterstruktur auf dem Werkstoff abscheidet. Diese Beschichtungen heißen deshalb auch DLC – Diamond Like Carbon – und zeichnen sich durch extrem hohe Verschleißbeständigkeit und geringste Gleitreibung aus. Weshalb nicht nur Acoustic Signature, sondern zum Beispiel auch Linn davon regen Gebrauch macht.

Frohnhöfer, der einen sehr beträchtlichen Teil seines Umsatzes in Übersee macht, nennt das resultierende Lager „Duraturn Diamond Bearing“, kurz DTD. Und setzt es in sämtlichen Modellen ein – vom Einstieg Maximus Neo für etwas über 5.000 Euro ohne System bis hin zum gewaltigen Invictus Neo, der sich mühelos der 200 .000-Euro-Marke nähern kann. Die gleiche Baugruppe aus Buchse, Subteller und Achse also. Man bekommt im Tornado folglich ein – vielleicht minimal weniger eng selektiertes – Invictus-Lager zum Schwabenpreis. Der Lagerboden besteht aus der Teflon-Kunststoff-Metall-Mischung Tidorfolon, die sich in Acoustic-Signature-Spielern an dieser Position bereits seit über 15 Jahren bewährt. Da in der Zeit „draußen“ beim Kunden auch sonst praktisch nichts kaputtgegangen ist, haben die Schwaben kürzlich die Garantie auf anderthalb Jahrzehnte verlängert – für den ganzen Spieler, nicht nur fürs Lager.

Mit dem Tornado Neo bewegen wir uns noch relativ weit unten in der Modellpalette der Süßener. Noch kleinere Modelle gab es mal, etwa den fürs Geld unfassbar schön gemachten Primus für deutlich unter 2.000 Euro. Das Feld hat Acoustic Signature aufgegeben. Und zwar verständlicherweise. Das Verhältnis zwischen Herstellungsaufwand und Umsatz war da einfach zu ungünstig; das Werk ist auch mit dem aktuellen, teuren Lineup – sowie einigen exklusiven OEM-Aufträgen – restlos ausgebucht. Und beim Tornado Neo bleibt keineswegs das Gefühl, mangelnden Gegenwert zu bekommen. Alle Errungenschaften des Herstellers finden sich auch in diesem Laufwerk schon: Das DTD-Lager, die Silencer-Technik im Teller, aber auch die überragende Oberflächenqualität und das stimmige Design – Eigenschaften, die auch bei Acoustic Signature nicht über Nacht erschienen, sondern durch stetige Weiterentwicklung gewachsen sind. Das gilt auch für die Steuerung des im Tornado verbauten Synchronmotors, die das Aggregat stets auf optimal geringen Vibrationsniveau hält. Dafür regelt das Netzteil die Phasenlage der beiden erzeugten Antriebs-Sinusspannungen in Echtzeit nach.

Acoustic Signature Tornado NEO
Der massive Puck mit den beiden Bedientasten (Foto: Acoustic Signature)

Wo das recht große Netzteil letztlich steht, ist egal. Es trägt keine eigenen Bedienelemente, sondern lagert diese in einen kompakten Bedien-Puck aus massivem Alu aus, den man frei vor oder neben dem Spieler platzieren kann. Dort sind zwei runde Tasten versenkt, die etwas an vandalismussichere Klingelknöpfe am Eingang einer Privatbank erinnern, hier aber per Laser mit „Speed 33 / 45“ und “On / Off“ beschriftet sind. Der linke Knopf wechselt die Drehzahl, der rechte startet und stoppt den Motor – was die Steuerung jeweils mit einem sonoren, vertrauenerweckenden Relais-„Klong!“ quittiert. Mit dem Hochlaufen lässt sich der Spieler dann etwas Zeit. Er regelt die Motorleistung am Anfang schrittweise hoch und nimmt sie nach Erreichen der Zieldrehzahl wieder zurück. Das schont den Riemen und minimiert Störeinflüsse. Die dann ja auch tatsächlich mit kompletter Abwesenheit glänzen. Der Motor könnte genausogut auf einem anderen Planeten stehen. Tut er aber nicht. Sondern er arbeitet tief im Herzen des Tornado unter einer staubdichten Alu-Luke, an die man nur alle paar Jahre mal heranmuss, um den geschliffenen Vierkantriemen zu erneuern. Rotiert der Teller nach einer knappen halben Minute im korrekten Tempo, muss sich der Tornado-Eigner nur noch für einen der montierten Arme entscheiden.

Je nach Budget und Anwender haben auf dem Tornado Neo bis zu drei Tonarme Platz. Die entsprechenden Basen werden einfach mit zwei fetten Inbusschrauben unten am Chassis befestigt und lassen sich in beliebige Abstände zum Mitteldorn verschieben. Vorhandene Arme, egal welcher Geometrie und Bohrung, lassen sich also garantiert adäquat unterbringen. Eine Basis ist im Grundpreis enthalten. Wir erhöhten auf zwei. Weil es einfach cooler ist und wir es ja nicht zahlen müssen…

Und um nebenbei Antworten zu einer beliebten Vinyldiskussion zu finden: Welchen Einfluss hat die effektive Tonarmlänge – typischerweise also 9 versus 12 Zoll – auf den Klang, wenn alle anderen Faktoren unverändert bleiben? Acoustic Signature bietet dafür die ideale Spielwiese – mit sechs eigenen Tonarmmodellen, von denen fünf jeweils als Neun- oder Zwölfzöller erhältlich sind. Und mit hauseigenen MC-Tonabnehmern, deren technische Grundlage zwar von Ortofon stammt, die aber in Süßen nochmal einzeln mit Präzisionsoptik vermessen werden, um engstmögliche Toleranzen zu gewährleisten.

Neun- oder Zwölf Zoll Tonarm?

Unser Setup bestand aus zwei Exemplaren des noch moderat teuren, gut zum Tornado passenden TA-1000 Neo, sowie zwei identischen Mustern des MC-Topmodells MCX-4 mit fortlaufenden Seriennummern. Anschlusskabel gleich (Audioquest Golden Gate, Serie am TA-1000 Neo), Phonovorstufe gleich (Rike Audio Natalija MC 2), Verstärker und Boxen gleich (Unison Simply 845 mit Tannoy Legacy Eaton). Und soweit irgend möglich, gleiche Justage der beiden MC-Systeme. Was nicht besonders schwer fällt, weil Acoustic Signature dafür eine wahrhaft verschwenderische Lehre mitliefert, die den Montageabstand des Arms ebenso festlegt wie Überhang und Kröpfungswinkel des Systems.

An dieser Stelle müssen wir kurz die Theorie hinter der Armlänge-Diskussion anschauen – und welche Art von Einfluss überhaupt zu erwarten ist. Drehtonarme erfüllen die ideale Abtastgeometrie ja immer nur näherungsweise, weil sie die Nadel an einem Kreisbogen über den Plattenradius schwenken, statt parallel darüber zu fahren, wie das die Schneidemaschine macht. Deren Schneidkopf sitzt somit immer exakt rechtwinklig zum Radius der Platte (beziehungsweise des Wachs- oder Metallmaster-Rohlings). Die Nadel nachher beim Abspielen aber nicht: Stellt man sie an einem Punkt auf der Platte exakt rechtwinklig zum Radius ein (also tangential zur Rille), und bewegt dann den Arm weiter nach außen oder innen, dreht sich auch die Nadel ein bißchen aus der idealen tangentialen Stellung heraus. Durch eine genau berechnete Kröpfung des Arms, also die mit Blick Richtung Lager leicht seitlich verdrehte Position des Tonabnehmers, bekommt man auf der bespielten Fläche der Platte immerhin zwei Stellen, an denen die Nadel exakt tangential steht. Zwischen diesen Nulldurchgängen hat man aber eine Abweichung, die man tangentialen Spurfehlwinkel nennt, und die sich bei sauber justierten Neunzoll-Armen im kleinen einstelligen Gradbereich bewegt.

AS Tornados NEO Doppelbestückung
Unser Testlaufwerk im Hörraum: Für diese Geschichte haben wir den Tornado zweiarmig bestellt. Gerade spielt der Neunzöller, im Hintergrund hält sich der Zwölfzöller bereit (Foto: B. Rietschel)

Es leuchtet ein, dass der Spurfehlwinkel kleiner wird, je länger der Arm ist. Ein hypothetischer, unendlich langer Arm hätte gar keinen. Aber schon der Schritt von der Standardlänge 9 Zoll (knapp 23 Zentimeter) zu einem 12-Zoll-Arm mit 30 Zentimetern effektiver Länge verringert den Spurfehler deutlich – und damit auch die Verzerrungen, die durch diese leichte Verkantung der Nadel entstehen.

So ganz eindeutig sind die Verhältnisse aber auch wieder nicht: lange Arme haben auch Nachteile. Ihre langen Rohre sind zum Beispiel bei ansonsten gleicher Bauweise deutlich verwindungsfreudiger, zeigen also ein ausgeprägteres Eigenleben, wenn sie durch Luftschall oder den Abtastvorgang angeregt werden. Hinzu kommt, dass die vom Spurfehlwinkel verantworteten Verzerrungen praktisch komplett aus der ersten Oberwelle k2 bestehen, die gehörmäßig kaum auffällt. Spätestens beim Schritt von 12 Zoll zu noch längeren Angelruten – bei Clearaudio gab es sogar mal einen 16-Zöller – stellt sich also zunehmend die Frage, ob man nicht gegen akustische Windmühlen kämpft und sich dabei sehr reale neue Probleme einhandelt.

AS TA 1000
Dauerhaft stabil: In der Frontansicht ist der massive Lagerring zu erkennen, der die Kugellager für die Vertikalbewegung aufnimmt (Foto: Acoustic Signature)

Denn es gibt ja noch Neben- und indirekte Effekte, die mal für, mal gegen zusätzliche Länge sprechen: Die effektive Masse des Arms nimmt bei ansonsten unveränderter Konstruktion natürlich mit der Länge zu. Dieser Effekt ist beim TA-1000 Neo aber untergeordnet, denn selbst der Zwölfzöller liegt mit 12,3 Gramm noch mitten im mittelschweren Bereich, der für MM- wie MC-Systeme nahezu universell geeignet ist. Den relativ leichten Aufbau verdankt der Arm seinem schlanken, aber sehr steifen Rohr aus parallel orientierten, in einem kontiuierlichen Prozess (Pultrusion) in Form laminierten Kohlefasern.

Acoustic Signature Tornado NEO TA 1000 Rohr
Mehr als nur ein Rohr: Dieser Querschnitt zeigt den doppelwandigen Aufbau des TA-1000. Innen- und Außenrohr stehen durch drei schmale Stege in Verbindung. Das gesamte Teil entsteht in einem Arbeitsgang im Pultrusionsverfahren. Dabei werden Kohlefasern mit Harz getränkt und kontinuierlich durch das formghebende Werkzeug gezogen (Foto: B. Rietschel)

Das Rohr ist nicht einfach hohl, sondern effektiv ein Doppelrohr mit radialen Stegen, die Innen- und Außenrohr verbinden. Vorne mündet es in einem minimalistischen Headshell mit großem Verstellbereich, der konstruktionsbedingt auch den Kröpfungswinkel mit einschließt. Das liegt an der zentralen Schraube, die den Systemträger hält: Öffnet man sie, verrutschen immer gleich beide Parameter. Tester, die ständig Systeme wechseln, vermissen daran vielleicht die Möglichkeit, auch mal kleine Korrekturen etwa des Überhangs zu machen, ohne gleich die Original-Lehre wieder auspacken zu müssen. Normalen Nutzern dagegen ist das egal.

AS TA 1000 Headshell
Eine Schraube, zwei Parameter: Das Headshell des TA-1000 Neo ist eine minimalistische, aber stabile Konstruktion. Die zentrale Inbusschraube sichert den Überhang (mit sehr langem Verstellbereich), aber auch den Kröpfungswinkel (Foto: Acoustic Signature)

Hörtest

Was dagegen alle interessiert, ist der Klang des zweiarmigen Spielers –– und welcher der beiden Ausleger nun das Rennen macht. Was zunächst auffällt, ist die geradezu magische Ruhe, die der Spieler jeglicher Musik mitgibt. Nicht als Beruhigung der Dynamik, sondern in Form eines weiten, fast unermesslich tiefen Bühnenhintergrunds, in den sich die Akustik der Aufnahme ungehindert ausbreiten kann. Etwa bei den üppigen, in den Londoner RAK Studios aufgenommenen String-Arrangements auf „The Car“, dem neuen Arctic-Monkeys-Album, das sich ganz unerwartet als audiophiles Sahnestück entpuppt. Oder die ähnlich weiträumigen, schon ohne große Instrumentalpräsenz „teuer“ klingenden Akustiken, in denen Lana Del Reys Album „Lust For Life“ stattfindet. Del Reys Stimme erhält über den schwäbischen Spieler einen Ehrenplatz weit vor den Begleitmusikern. Diese Tiefenstaffelung zeichnet den Tornado Neo auch im Preisklassen-Vergleich aus – mit der angedeuteten Kehrseite, dass manche Mitbewerber die Musik zwar nicht ganz so tiefgründig, dafür aber noch wärmer und substanzieller modellieren.

AS Tornado NEO
Der TA-1000 Neo in der 12-Zoll-Ausführung mit MCX-4 im Schallfeld der Tannoy Legacy Eaton (Foto: B. Rietschel)

Resonanzen lassen sich gehörmäßig keine aufspüren. Weder als unzulässige Einfärbungen des Klangs, noch durch gezieltes Klopfen auf verschiedene Teile des Spielers bei aufgesetzter Nadel, aber stehender Platte. Auffallend gut hier auch wieder die Entkopplung vom Untergrund: Ich musste schon sehr nachdrücklich auf mein Tabula Rasa Rack trommeln, um in den Boxen nennenswerten Wiederhall zu erzeugen. Die besten unter den „echten“ Subchassisspielern können das noch besser. Mein LP12 ignoriert auch Hammerschläge auf den Rackboden ohne akustische Auswirkungen. In der Kategorie „Masselaufwerk mit Dämpferfüßen“ gehört der Acoustic Signature aber definitiv zu den unempfindlichsten Kandidaten.

Vor Luftschall, etwa beim lauten Musikhören, schützen allerdings weder Füße noch Subchassis. Der Spieler wird auf jeden Fall angeregt, erst recht wenn er ohne Haube spielen muss wie der Tornado (und praktisch alle anderen Masselaufwerke auch). Nun kommt es darauf an, was er aus der eingefangenen Schallenergie macht. Gunther Frohnhöfer ist der Überzeugung, dass hier auch ein schmutziges Geheimnis der Zwölfzollarme verborgen liegt: Die langen Rohre fangen einfach mehr Schallenergie ein. Hinzu kommen – und das unabhängig von der Lautstärke – die Vibrationen der Nadel in der Rille. Die sind einerseits nötig, denn sonst entstünde im Tonabnehmer ja kein Signal. Andererseits gibt es diese Kraft (wie alle Kräfte des Universums) – nicht ohne eine ihr entsprechende Gegenkraft, die in diesem Fall auf die Rillenwände wirkt und diese in Vibration versetzt. Und die zum anderen Teil an dem Arm rüttelt, der das System hält. Mehr Carbonrohr bedeutet hier, dass der Arm auch mehr nachgeben, sprich mitvibrieren kann.

Klanglich hat mir das Zwölfzollrohr dennoch sehr gut gefallen, und ich würde auf „meinem“ Tornado definitiv auch einen langen Arm haben wollen. Nummer Eins wäre bei mir im Alltag aber der kurze TA-1000 Neo. Der Neunzöller wirkt einen Hauch heller, in der Raumabbildung weiter und detaillierter. Am Zwölfzollarm spielt das gleiche MCX4 mit dem gleichen Saphir-Nadelträger samt Shibata-Diamanten körperhafter, etwas runder und geschlossener im Ton (was ich mag), aber räumlich nicht mehr so weit aufgefächert und subjektiv auch nicht so lebendig wie am kurzen Arm.

Acoustic Signature MCX-4 im Tornado NEO
Auf Vinylfühlung: Das MCX-4 ist ein feines MC aus dem Ortofon-Stall. Es tastet mit einem Shibata-Diamanten am Saphir-Nadelträger ab und erzeugt seine Ausgangsströme mit Spulen aus goldbeschichtetem Kupferdraht (Foto: Acoustic Signature)

Der Unterschied ist deutlicher, als ich ihn erwartet hätte, und er bleibt auch erhalten, wenn ich die beiden MCX4 über Kreuz tausche. Es gibt allerdings Platten, die es auf die letzten paar Prozent Verzerrungsarmut ankommen lassen, die der Zwölfzöller gegenüber dem Neunzöller herausholen kann. Vocals mit extrazimbeligen Sibilanten (Kate Bush – Hounds Of Love), hochausgesteuerte Chormusik (Veljo Tormis – Forgotten Peoples) – da scheint die etwas defensivere Fahrweise des langen 1000ers der beste Weg zu sein. Und das dann auch mit ganz anderen Tonabnehmern. Schließlich gehört der TA-1000 zu den wenigen langen Armen, die mit ihrer Effektivmasse auch etwas weichere MMs sinnvoll führen können. Ein Nagaoka MP-500 zum Beispiel, das wegen eines anderen Tests gerade herumlag, oder das Audio-Technica VM740ML, die beide ganz leicht hell abgestimmt sind und den etwas introvertierteren Sound des Zwölfzöllers ein Stück weit wieder kompensieren. Und die mit Abtstfähigkeiten glänzen, die mit MCs nur sehr schwer zu erreichen sind.

Fazit Acoustic Signature Tornado Neo

So entsteht im kompromisslosen Analoghaushalt ganz von selbst der Bedarf für einen zwei- oder gar dreiarmigen Spieler. Der von mir aus dann definitiv Acoustic Signature heißen darf. Und das nicht nur aus Liebe zu meiner alten schwäbischen Heimat, sondern weil hier perfekter Maschinenbau und allürenfreie Abstimmung maximalen Langzeit-Hörspaß garantieren.

Acoustic Signature Tornado Neo
2023/08
Test-Ergebnis: 4,7
überragend
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Sensationelle Laufruhe
Absolut problemloses Handling, mit nahezu jedem Toanbnehmer kompatibel
Überragende Verarbeitung
Überhang und Kröpfung am TA-1000 mit einer gemeinsamen Schraube gesichert, keine Abdeckhaube

Vertrieb:
AS-Distribution GmbH
Hillenbrand Strasse 10
73079 Süssen
www.acoustic-signature.com

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Acoustic Signature Tornado Neo: ab 6498 Euro
Acoustic Signature TA-1000 Neo: ab 1.798 Euro
Acoustic Signature MCX-4: 2099 Euro
zusätzliche Armbasis + Armboard nach Wunsch: 700 Euro

Technische Daten

Acoustic Signature Tornado Neo
Konzept:Masselaufwerk, Riemenantrieb
Bestückungbis zu drei Tonarme möglich
Netzteil:DMC-10 (2,6 Kilo) ausgelagert
Geschwindigkeiten:33 + 45 U/min
Abmessungen (B x H x T):45,0 x 16,0 x 46,0 cm
Gewicht:
26,5 Kilo
Alle technischen Daten
Mit und Gegenspieler:

Test Unison Simply 845: dreiundzwanzig himmlische Watt
Test: MM/MC-Phonovorstufe Rike Audio Natalija
Test Audio-Technica VM740ML: die noble Art zu Hören


Autor: Bernhard Rietschel

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Bernhard Rietschel ist gelebte HiFi-Kompetenz. Sein Urteil zu allen Geräten ist geprägt von enormer Kenntnis, doch beim Analogen macht ihm erst recht niemand etwas vor: mehr Analog-Laufwerke, Tonarme und Tonabnehmer hat keiner gehört.