
Die Quadral Aurum Titan R9 ist die neueste und neunte Variation eines Lautsprecher-Themas, dessen Erfolgsgeschichte in Deutschland Ihresgleichen sucht. Denn die Titan schlug bei ihrem Erscheinen im Jahr 1981 große Wellen und ist seitdem immer so etwas wie ein Gradmesser dafür, was hierzulande für knapp über 10.000 Mark (später dann für knapp über 10.000 Euro) möglich ist.
Die Titan ist der einzige Lautsprecher aus unseren Breiten (von dem ich weiß), der einen eigenen Fanclub hat. Und sie ist die einzige, deren Geschichte nun schon 35 Jahre währt.
Mein eigenes Verhältnis zur Quadral Titan war immer inniglich. 1981 war ich noch Schüler und sie für mich eine Art Erweckung. Ein Lautsprecher, stattlich wie der Trutzturm einer mittelalterlichen Burg, der mir eröffnete, wie gut HiFi damals schon sein konnte.
Die eigenwillige Konstruktion mit 32 Zentimeter Bass und einfach gefalteter, drei Meter langer Transmissionline war der erste Schallwandler, den ich hörte, der auch die Welt unter 30 Hertz lebendig machte. Und der für damalige Verhältnisse exzellente Isophon Mitteltöner und das legendäre 800er Technics Bändchen brachten eine Transparenz im Mittelhochtonbereich, die ich so noch nicht kannte.
Kurz: Ich hätte gern mal ein Paar Titan besessen. Es kam nie dazu. Ich hatte aber das Glück, als Tester ab 1991 die kaum veränderte Titan IV und alle späteren Metamorphosen intensiv hören zu können.
Und nun also die Titan R9. Die Entwicklung der neuen Aurum Serie zog sich lange hin. Fast drei Jahre, so Quadral-Entwickler Sascha Reckert, habe es am Ende gedauert, weil er alle Treiber neu entwickeln wollte.
Beim Hochtöner, dem quSense Bändchen, ging er sogar so weit, eine eigene Fertigungslinie im Quadral Stammhaus in Hannover aufzubauen. Das ist ungewöhnlich, entstehen doch heutzutage fast alle Treiber in Fernost. „Wir können es besser und billiger als die Chinesen“, sagt er dazu. „Warum also sollten wir es nicht tun?“
Tief- und Mitteltöner sind wie üblich bei Quadral mit den bewährten Altima-Membranen bestückt. Neu ist deren durchgezogene konvexe Geometrie ohne Dustcap in der Mitte. Und neu ist auch der relativ große Schwingspulendurchmesser beider Systeme: beim Bass 65 Millimeter und beim Mitteltöner nochmal mehr verblüffende 50 Millimeter. Große Schwingspulen erhitzen später, verzerren weniger und haben dennoch nicht nur Vorteile.
Vor allem das Gewicht des schwingenden Systems steigt mit so einer großen Schwingspule deutlich. Doch wo fast die gesamte Lautsprecherwelt auf klein & leicht setzt, leistet sich Reckert eine eigene Haltung: „Ich weiß nicht warum, aber ich habe den Eindruck, dass es mit großen Schwingspulen, die ja zwangsläufig dezentraler ansetzen, lässiger klingt.
Klirren tut dieser Mitteltöner jedenfalls nicht mehr“, sagt er. Die Reckert´sche These scheint einiges für sich zu haben und bestätigte sich während der Hörtests auf beeindruckende Art und Weise.

Gemessen an der Ur-Titan ist die R9 vergleichsweise dezent geraten, was vor allem mit der schmaleren Schallwandbreite zu tun hat. War es früher ein Tieftöner mit 32 Zentimeter Korbdurchmesser, sind es heute zwei Bässe mit 25 Zentimeter – also einiges mehr an Membranfläche. Was bedeutet, dass auch die neunte Titan im Bassbereich jede Menge Potenz hat …
Die Übergangsfrequenz zwischen Bass- und Mittelhochtonbereich liegt bei ungewöhnlich niedrigen 160 Hertz; nüchtern betrachtet ist die neue Titan also ein Hochleistungssatellit mit eingebautem Subwoofer.
Möglich wird das durch die großen und hoch belastbaren Mitteltöner, die Quadral-Entwickler Reckert ja mit 50 Millimeter Schwingspulen ausstattete. Normalerweise werden Tieftöner im 28- oder 25 Zentimeter Format damit angetrieben.
Aber 16er Mitteltöner? Fast scheint es, als wollte Reckert mit der wohl größten Schwäche der Ur-Titan, dem dynamisch überforderten Mitteltöner, gründlich aufräumen.
Wie die Schnittzeichnung offenlegt, ist das Gehäuse der R9 vielfach verschachtelt. Mittel- und Hochtöner haben je ein eigenes Gehäuse, der Platz hinter den drei kleinen Gehäusen vergrößert das Volumen für die Bassreflex-Konstruktion der 25 Zentimeter Tieftöner. Zwischen den beiden Bässen sitzt der Bassreflex-Port, in diesem Falle als schmaler Schlitz ausgeführt.
Hinter den Tieftönern, auf der Rückseite der neuen Titan, sind zwei Frequenzweichenplatinen örtlich voneinander getrennt angebracht, damit sich die Bauteile nicht gegenseitig beeinflussen und damit sie für den Service-Fall nicht zu groß werden.
Diese Teile der Rückwand der Titan R9 sind herausnehmbar – auch um Zugriff auf die von innen verschraubten Tieftöner zu bekommen.
Um eine möglichst resonanzarme Konstruktion hinzubekommen, ist die Titan aus MDF-Platten unterschiedlicher Stärke aufgebaut. Das reicht von 18 Millimetern bei den Verstrebungen bis hin zu über 40 Millimetern bei der Front (Bassbereich).
Auch gut zu erkennen: Die neue Titan ist eine Quasi-D`Appolito-Konstruktion: Der Hochtöner sitzt zwischen den beiden Mitteltönern. Dieser Aufbau sorgt im Mittelhochtonbereich für eine eher gerichtete Abstrahlung in der Vertikalen; man hat also weniger Probleme mit Boden- und Deckenreflexionen.
Was man in der Zeichnung nicht sieht: Die Quadral Aurum Titan R9 ist aus optischen Gründen um 2 Grad nach hinten gekippt. Das sieht zwar wirklich apart aus, ist aber auch mit der Grund für die einzig ernsthafte Kritik, die ich an der Titan R9 habe: Da Hoch- und Mitteltöner eh schon vergleichsweise hoch sitzen (Hochtöner-Zentrum bei 1,2 Metern), ist auch die Abbildung sehr hoch – und rutscht durch die leichte Neigung nach hinten noch weiter nach oben. Das klingt häufig beeindruckend, aber manchmal auch irritierend.
Hörtest Quadral Aurum Titan R9: Musik-Erleben bei 25 Hertz
Weil ich kein Fan von Spikes bin, habe ich sie auch beim Hörtest der Titan R9 in der Zubehörkiste gelassen und stattdessen auf die eingebauten Dämpfungselemente im Titan-Boden gesetzt.
Aber ich habe mir die Freiheit genommen und die stattliche Säule über Gummi-Dämpfer von in-akustik etwas nach vorn geneigt. Das kam auch dem Hochtonpegel, der dann mehr auf das Ohr zielte, durchaus zugute.

Was man sofort hört: Die Quadral Aurum Titan R9 bietet ein absolut stabiles Bassfundament. Alles hat eine abnorme Tiefe und Kraft, bleibt aber stets kontrolliert und druckvoll. Ich habe es während der Hörtests nicht geschafft, diese Bässe an ihre Limits zu treiben. Und wir haben wirklich zum Teil sehr laut gehört …
Was man ebenfalls sofort hört: Die neue Titan ist ausgesprochen dezent abgestimmt. Da ist nichts, was den Hörer anspringt. Selbst tonal so schwierige Saxophon-Passagen wie “Walking On The Moon” vom Yuri Honing Trio (Star Tracks) behalten mit der R9 nicht nur die schöne Farbigkeit, sondern auch eine wunderbare Balance und Noblesse.
Diese eher zurückhaltende Abstimmung hat viele Vorteile, weil die meisten Musikfreunde diese sehr präsente, direkt vor die Nase projezierte Auflösung gar nicht haben wollen. Vor allem aber wenn es auch mal laut werden darf, liegt man mit einer solchen Klangtendenz weit vorn – weil dann auch bei weit über 110 Dezibel nichts schreit oder nervt.
Der überwiegende Teil des Hörtests lief an unserem Referenz-Verstärker, dem Octave V80 SE. Das funktionierte gut, weil die neue Titan selbst mit angehobenem Bass (+ 3 dB bei 60 Hertz) in der Impedanz nie unter 3 Ohm rutscht und klang wirklich bezaubernd, fein und ausgesprochen plastisch.
Der propere Röhrenverstärker leistet immerhin 120 Watt pro Kanal – das reicht für die meisten Lebenslagen. Aber im Falle der Titan R9 nicht für alle. Wenn es denn lauter werden sollte, klemmten wir die Mono-Endstufen Azur 851 W von Cambridge Audio dran, die immerhin über 500 Watt pro Seite zur Verfügung stellen. Die konnten dann auch die 25 Hertz mit weit über 110 Dezibel in den Raum drücken.

Die Kollegen der stereoplay hatten die Quadral Aurum Titan R9 als erste im Test (Ausgabe 8/2016) und haben in ihrem Messlabor einen Maximalpegel von 114 Dezibel gemessen. Leider kann das LowBeats Labor den Maximalpegel noch nicht ermitteln, aber 114 dB scheinen mir hier etwas sehr konservativ interpretiert.
Als bekannt wurde, dass wir die neue Titan im Hörraum stehen haben, kamen quasi täglich Bekannte und Interessierte, um zu hören, wie sich denn nun die neueste Version schlagen würde. Mit allen hörten wir zum Schluss die neue Red Hot Chili Peppers Scheibe The Getaway und alle waren am Ende glücklich wie die Kinder: richtig geile Grooves, richtig laut und trotzdem völlig unvererrt.
Und bei all dem blieb das Klangbild immer noch extrem detailreich und fein. Das ist großes Kino, vor allem wenn die satten Bässe mit Energie auf den Magen drücken …
Doch es soll hier kein falscher Eindruck entstehen. Die neue Quadral Aurum Titan R9 ist auch zum leise hören vorzüglich geeignet. In den LowBeats Messungen zeigt sich eine kleine Bassüberhöhung, wie eine sanfte Loudness.
Das kommt dem leise Hören natürlich entgegen. Und wenn man bei geringen Pegeln mehr Sprachverständlichkeit haben wollte, könnte man die Anpassungsschalter auf der Rückseite am Anschlussfeld nutzen, die Hoch- und Mitteltöner breitbandig um bis zu 3 Dezibel anheben.
Wir haben die Filter natürlich ausgiebig ausprobiert, sind aber stets zur Neutral-Stellung zurückgekehrt – trotz der recht hohen Dämpfung des LowBeats HiFi Hörraums. Mit angehobenem Mitten- oder Höhenbereich litt die Natürlichkeit. Und Bass hat die Titan R9 sowieso genug gemacht.
So sind die Anpassungsfilter wohl eher für Heimkinos gedacht, in denen die Titan, das hätte ich auch nicht gedacht, immer stärker Einzug hält. Nicht ganz zufällig hat Quadral ja auch einen passenden, entsprechend stattlichen Titan-Center im Angebot.
Fazit: Quadral wieder ganz weit oben
Das Gesamtpaket Quadral Aurum Titan R9 stimmt. 15.000 Euro sind viel Geld, aber es wird auch viel geboten. In der neunten Variation des Titan-Themas trifft exzellente Verarbeitung auf vergleichsweise dezenten Klang mit extremem Tiefbassvermögen. Vom tonalen Charakter ähnelt sie der gleich teuren KEF Reference 5, ist aber noch etwas pegelfester.
Es gibt in dieser Preisklasse sicher einige Lautsprecher, die offener und anspringender klingen. Nun gut – es muss ja für alle Geschmäcker etwas dabei sein. Mit der Titan R9 kann man wunderbar relaxed hören, aber auch Live-Konzerte in Originallautstärke nachspielen.
Damit setzt die Quadral Aurum Titan R9 in ihrer Klasse wieder einige Maßstäbe – der Vorzeige-Status bleibt erhalten.

KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Dezenter, natürlicher und feiner Klang |
| Enorm Bass-stark |
| Hoher, unverzerrter Pegel |
| Recht hohe Abbildung |
Vertrieb:
Quadral GmbH & Co KG
Am Herrenhäuser Bahnhof 26
30419 Hannover
www.quadral.com
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Quadral Aurum Titan R9: 15.000 Euro pro Paar
Im Beitrag erwähnte Themen:
LowBeats Referenz-Verstärker Octave V80 SE im Test:
Test Koax-Standlautsprecher mit Sub: KEF Reference 5
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