Mit dem Rega Planar 8 geht einem der Gesprächsstoff nie aus: Entweder erklärt man neugierigen Besuchern die Rega-typische Konstruktionsphilosophie des Plattenspielers – und ihre schon ziemlich kompromisslose Umsetzung. Oder man verleiht seiner Begeisterung über eine gerade spielende Platte Ausdruck – irgendeine, denn der Spieler holt selbst aus Durchschnittsvinyl zuverlässig höchsten Erlebniswert.
Je teurer ein Plattenspieler, desto größer und schwerer ist er normalerweise. Bei nahezu allen Herstellern stehen Preis, Gewicht und Dicke von Chassis und Teller in diesem so logischen wie langweiligen Zusammenhang. Rega dürfte der einzige am Markt relevante Hersteller sein, der sich dieser Regel widersetzt: Vom Einstiegsmodell Planar 1 bis zum zwölfmal so teuren Planar 10 passiert auf den ersten Blick erstaunlich wenig Pompöses. Die Chassis werden vom Planar 3 zum Planar 6 und von diesem zum Achter sogar leichter. Und nebenbei auch eintöniger: Gibt es Zweier und Dreier immerhin in drei Farben und generell hochglänzend, regiert ab dem Sechser mattes Schwarzgrau alternativlos. Planar 8 und 10 kommen nicht mal mit einem vollwertigen Deckel – weil man ihn nirgends befestigen kann.
Die Rega-Entwickler, allen voran der Firmengründer und Maschinenbauingenieur Roy Gandy, konstruieren seit jeher mit strenger Logik und spürbarer Verachtung für alle Marketing-Erwägungen. Die ersten drei Jahrzehnte druckte die Firma nicht einmal Prospekte.
Und warum nun der Verzicht auf Farbe beim Planar 8? Weil es das auf seiner Zarge verwendete, dünne und hochfeste Hochdrucklaminat eben nur in Dunkelgrau gibt. Anders die spiegelblanke Acrylbeplankung der kleinen Spieler, bei der im Grunde jede Farbe des Regenbogens möglich ist, die aus Gründen der Fertigungsökonomie von Rega aber meist nur in Schwarz, Weiß und Rot verarbeitet wird. Der Hauptunterschied liegt aber unter Deck: Die Brettchen der kleinen Spieler bestehen im Kern aus MDF- oder ähnlichen hochverdichteten Holzfaserplatten. Die dunkelgrauen Eminenzen 6, 8 und 10 dagegen aus Tancast 8, einem knochenharten PU-Schaum, der die Dichte von Zuckerwatte mit der Festigkeit einer Stahlplatte kombiniert – wobei die äußeren Laminatschichten sowie weitere Sandwich-Lagen an ausgewählten Stellen natürlich entscheidend mithelfen.
Das Konzept des Rega Planar 8
Ist der Planar 6 noch auf einer durchgehenden Tancast-Platte montiert, haben die Rega-Mitarbeiter dem Planar 8 ein Chassis gebaut, das bei noch geringerem Gewicht sogar noch steifer ist: Ein skelettierter Hartschaum-Sandwich-Rahmen, bei dem die CNC-Fräse nur die entscheidenden Bereiche stehen lässt: Eine Insel in der Mitte für Motor und Tellerlager, eine breite, dreifach gelochte, auf Ober- wie Unterseite mit zusätzlichen Versteifungen aufgedoppelte Brücke nach rechts heraus zur Tonarmbasis und schließlich drei Fuß-Ausleger, die dem Planar 8 zu sicherem Dreibein-Stand verhelfen.
Das Grundskelett des Planar 8 kommt mit bereits montierten Füßen und samt Innenteller und Arm aus der Verpackung. Der simple Akt, ihn aus dem Karton herauszuheben und auf eine feste Unterlage zu stellen, ist für entsprechend sensibilisierte Menschen ein sinnliches Erlebnis: Man weiß schon vorher, dass diese Baugruppe leicht ist, muss aber dann doch fast lachen, wenn man sie tatsächlich in der Hand hat. Noch verblüffender ist aber der Moment des Absetzens. Radsportler kennen das Gefühl womöglich von sehr teuren Rennmaschinen: Durch die extreme Festigkeit und Spielfreiheit breitet sich der Impuls des Bodenkontakts absolut rein und unbedämpft durch den Rahmen aus. Ebenso beim Rega-Rahmen, an dem nichts nachgibt, nichts wackelt oder klappert, und der so straff auf dem Rackboden steht, dass man ganz irrational befürchtet, er könne unvermittelt wegspringen, sobald man ihn loslässt.
Die betont responsive, sich fast lebendig anfühlende Bauweise, die feinste Impulse weiterleitet, statt sie zu schlucken, hat bei Fahrrad wie Rega ähnliche Gründe: Zum Einen das Ziel, die Anstrengungen des Fahrers verlustfrei noch von der letzten Muskelfaser bis ans Hinterrad zu transportieren. Zum Anderen das Vorhaben, mikroskopische Modulationen zu ertasten und diese möglichst vollständig in dazu proportionale Signalspannung umzuwandeln. Und so, wie ein Radfahrer nur eine endliche Zahl an Joule in die Pedale pumpen kann, ist auch die zur Signalerzeugung bereitstehende Energie streng begrenzt. Einen winzigen Teil der Energie, die das Motor-Netzteil in den Spieler einspeist, verwandelt dieser auf dem Umweg über verschiedene Formen mechanischer Bewegung letztlich wieder in elektrische Ausgangssignale. Mechanische Verluste bedeuten dabei immer auch Einbußen und Verfälschungen der Signalausbeute. Der Festigkeits-Fetisch der Rega-Spieler ist also nichts anderes als mechanisches High Fidelity.
Auch ein federnd oder sonstwie elastisch montierter Motor würde dem Rega-Konzept von größtmöglicher Effizienz zuwiderlaufen. Dass die Briten ihre Antriebe früher dennoch weich aufhängten, war ein Kompromiss, um die störenden Vibrationen des Motors vom Laufwerk – und letztlich vom Tonabnehmer – fernzuhalten. Der Planar 8 kommt wie alle neueren Regas ohne derartige Inkonsequenz aus. Denn einerseits laufen die aktuellen Niedervolt-Synchronmotoren schon bauartbedingt deutlich ruhiger als ihre Vorfahren. So hört man bereits beim Planar 1 mit seiner simplen passiven Stromversorgung kaum noch Antriebseinflüsse, während diese beim Ur-P1 noch recht präsent waren.
Beim Planar 8 ist das Aggregat zudem enger selektiert und wird mit maßgeschneiderter Antriebsspannung aus einem separaten Netzteil zu erhabenster Laufruhe erzogen. Das Neo PSU generiert die benötigten Sinuswellen in einem eigenen digitalen Signalprozessor, macht den Spieler somit auch unabhängig von Störungen im Stromnetz und erlaubt eine komfortable Drehzahlumschaltung auf Knopfdruck. Beim Start aus dem Stand beschleunigt die Elektronik den Motor gefühlvoll und riemenschonend, und auch die früher Rega-notorische Drehzahl-Voreilung sucht man hier vergeblich: Die Geschwindigkeit stimmt punktgenau und lässt sich am PSU, falls nötig, feinjustieren.
Der Planar 8 läuft grabesstill, auch ohne weiche Motorlager. Die Rega-Mannen montieren den Motor aber nicht nur deshalb starr, weil sie es können. Sondern weil damit jegliche Relativbewegungen zwischen Antriebsachse und Innenteller ausgeschlossen sind. Diese Relativbewegungen sind die potentielle Schattenseite weich entkoppelter Laufwerke. Wie man leicht testen kann, indem man bei einem der vielen aktuellen Spieler mit „schwimmendem“ Elastomer-Subchassis an diesem mal ein bisschen wackelt.
Das Wimmern und Tremolieren, das dann sogleich eintritt, verrät uns: Was man an Rumpelabstand gewinnt, muss man eventuell in anderer Währung, nämlich mit Gleichlauf bezahlen. Natürlich rüttelt kein seriöser HiFi-Fan bei laufender Platte an seinem Spieler. In kleinerem Ausmaß können aber auch normal vorkommende Störeinträge, etwa Trittschall, Toleranzen an Teller, Riemen oder Pulley, der Reibungswiderstand des Tellerlagers und sogar die – dynamisch fluktuierende – Reibung der Nadel in der Rille für Unruhe sorgen.
In der Tat ist es so, dass der Planar 8 nicht trotz, sondern wegen seines leichten, in sich steifen Aufbaus überraschend gutmütig auf externe Störungen reagiert. Ein Klopfen auf den Rackboden, die Erschütterungen, wenn der Besitzer schweren Schrittes übers Parkett poltert – das wird schon hörbar abgebildet, kommt aber auch blitzschnell wieder zur Ruhe. Da gibt es kein Aufschaukeln, keine springenden Nadeln und auch nicht das sekundenlange, fast glockengleiche Ausklingen, mit dem gewisse zentnerschwere, fünfstellig teure Konstruktionen die hehren Ambitionen ihrer Entwickler verhöhnen. Am besten lässt man Rack- wie Fußböden aus Sicht des Spielers gleich ganz verschwinden und montiert ihn mittels der maßgeschneiderten – natürlich federleichten und steifen – Wandhalterung an eine gemauerte, idealerweise tragende Wand. Dann hat man endgültig Ruhe und bekommt für nicht mal 200 Euro nebenbei meist noch ein erhebliches Klangtuning.
Am Teller selbst muss dann aber auch Rega zu etwas Schwerem greifen. Schließlich braucht man für optimalen Gleichlauf Schwungmasse. Wegen seiner Härte und schnellen Schallleitung verwendet Rega Glas für den Teller. Drei Lagen davon, aus zwei unterschiedlichen Glassorten, wobei nur die obere eine durchgehende Scheibe ist, die anderen beiden damit verklebte Ringe. Das eingesetzte Material wird also da konzentriert, wo es die beste Schwungausbeute liefert: ganz außen.
Die Herstellung der Teller ist komplizierter, als man zunächst vermuten würde: Einerseits muss das Material perfekt transparent und blasenfrei verklebt und rundherum glatt poliert werden – so viel Ästhetik muss auch bei Rega sein. Andererseits jedoch erwarten die Entwickler 100% akkuraten Rundlauf, wollen also sauber ausgewuchtete Teller. Bei Glas- ist dies aber deutlich schwieriger zu bewerkstelligen als bei Metall- oder Kunststofftellern, wo man ein paar überschüssige Gramm einfach auf der Unterseite wegschleifen oder -bohren kann, bis der Rundling perfekt in der Waage ist. Wie so oft bei Rega fand sich auch dafür schließlich ein Betrieb auf der Insel, der seine Fertigung so lange feintunte, bis alles passte: Der Technik- und Autoglas-Spezialist Pilkington.
Enge, langfristige Kooperation mit spezialisierten Zulieferern statt preisgetrieben promiskuitives Teileshopping: Diese Haltung trifft man in der Rega-Firmengeschichte immer wieder an. Schon klassisch ist die Geschichte mit dem einteilig gegossenen Armrohr, das in den Achtzigern, als Roy Gandy den RB300 entwarf, als nicht herstellbar galt. Kurz darauf ging just dieses „unmögliche“ Teil bei einer kleinen Gießerei in der Nachbarschaft in Serie – und das gemeinsam mit Gandy entwickelte Gussverfahren erntete einen angesehenen Ingenieurspreis.
Auch auf die Schnapsidee, einen Plattenteller aus synthetischem Korund zu machen, konnte eigentlich nur Rega kommen. Extrem hart und zugleich sehr dicht, kommt das Material Gandys Plattenteller-Ideal schon sehr nah. Angesichts seiner sensationell umständlichen Verarbeitung hätte aber wohl jeder Produktplaner das Aluminiumoxid-Mineral ganz schnell wieder von der Liste gestrichen. Rega nicht. Stattdessen setzte man sich mit einem Rüstungsbetrieb zusammen, der aus dem extrem hitzefesten Korund Nasenkappen für Raketen macht – und seit rund 20 Jahren eben auch Plattenteller. Die müssen zunächst aus Al2O3-Pulver gepresst, hernach bei Temperaturen, wie sie vermutlich sonst nur in Sonnenflecken herrschen, geglüht und schließlich auf Maß gedreht werden. Mit Diamantwerkzeug. Weil sonst der Teller (MOHS-Härte 9) das Werkzeug bearbeitet und nicht umgekehrt.
So ein Teller ist verständlicherweise teuer und bleibt dem Planar 10 vorbehalten – er ist der wesentliche Faktor für den Preisunterschied von über 2000 Euro zwischen den beiden Modellen. Dafür findet sich am 8er eine weitere Rega-Extrawurst gleich doppelt: Die zwei Treibriemen sehen zwar aus wie gewöhnliche O-Ringe, sind aber Spezialanfertigungen, die ein englischer Gummihersteller in eigens angefertigten Spritzgussformen herstellt.
Selbst die Gummirezeptur dafür hat Rega neu entwickeln lassen – EBLT soll das Material heißen, was verdächtig nach einem Anagramm für „BELT“ aussieht. Man könnte sie vermutlich durch O-Ringe geeigneten Maßes ersetzen und der Spieler würde immer noch laufen. Die Rega-Rundriemen sind aber erheblich gleichförmiger und präziser, was sich an dieser Stelle direkt im Gleichlauf niederschlägt. Im Tandem arbeiten sie einerseits, weil sich verbleibende winzige Abweichungen damit etwas herausmitteln. Und andererseits, weil zwei Riemen mehr Traktion aufbringen als einer. Wer das für klanglich irrelevant hält, kann jederzeit ausprobieren, wie es mit nur einem Gummi klingt. Hier wird dazu nicht mehr als diese sechs Wörter zu lesen sein: Nicht so gut wie mit zwei…
Seite 1 Rega Planar 8 mit Ania Pro: Konzept, Aufbau
Weiter auf Seite 2: Ania Pro, Hörtest, Fazit, Bewertung