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Atoll ST200 Signature Display
Fehlen nur noch die Endstufen, dann wäre das All-in-One Gerät perfekt: Der Atoll ST200 Signature ist ein Streaming DAC mit Vorstufe für knapp 2.000 Euro (Foto: Atoll)

Test Streaming-Vorstufe Atoll ST200 Signature – Vive la France!

Die Welt der sehr guten Streamer wächst und wächst. Nun schleichen sich auch noch die Franzosen an: Der Atoll ST200 Signature ist so ein Beispiel – eine ganz ausgeschlafene Digital-Quelle. Dazu noch mit einer sehr ordentlichen Vorstufe gesegnet. Spart Geld und bringt Glück in die Kette.

Da wo die bekannte Welt mal zu Ende war, residiert Atoll Electronique. Ein Paar Kilometer in Richtung Westen – und wir können auf den legendären Mont Saint-Michel (ja, wir sprechen vom Atlantik) blicken. Ansonsten gibt es nicht viel Abwechslung am Stadtrand von Brécey. Vor allem weit und breit nichts, weshalb „Atoll“ als Namensgeber hätte herhalten können. Das war einfach eine Fantasietat der Gebrüder Stéphane und Emmanuel Dubreuil bei der Firmengründung. Aber es gibt feste Firmenwerte. Der stärkste von ihnen: Atoll versteht sich als bewusstes Gegengewicht zu den vielen europäischen High-End-Herstellern, die im Mutterland denken, aber in Fernost bauen lassen. Alles bei Atoll entsteht in Europa, nix China, nix Taiwan, nix Hongkong. Wie auch der Streamer ST200 Signature.

Atoll ST200 Signature innen
Aufgeräumt: Mit 6,2 Kilogramm ist der Atoll kein Leichtgewicht. Links oben sitzt der Trafo für die Analogstufe, darunter der Trafo fürs Digitale.  Daneben die verstärkende Elektronik im doppelten Mono-Aufbau – inklusive geregelter Class-A-Vorstufe (Foto: H. Biermann)

Atoll ST200 Signature – die Technik

Die Gehäuse kommen aus Frankreich, und das Streamingmodul wird vom etablierten österreichischen Netzwerkspezialisten Stream Unlimited zugeliefert. Das ist der Motor und das Herz – potent noch dazu. Der ST200 Signature kann alles, was wir von einem modernen Streamer erwarten. Der Wandler stammt von Burr-Brown und liefert etablierte 24 Bit bei 192 Kilohertz. Das ist gediegene Feinkost, taugt aber nicht zum Angeben, wie es so viele andere Hersteller gerne ausposaunen. Umgekehrt gibt es echte DSD128 hinzu – das sollte für Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte eine stabile Basis sein. Ach ja, Atoll hat sich auch auf die Seite von MQA geschlagen – wer dieses diskutierte Format denn partout haben will.

Atoll ST200 SignatureDACs
Der Wandler ist ein BurrBrown PCM1792 – solide und in tausenden von HiFi-Komponenten bewährt (Foto: H. Biermann)

Unverzichtbar aus meiner Sicht sind für High-Res-Fans natürlich Tidal und Qobuz, als Zugabe gibt es noch Deezer und Amazon Music hinzu. Erst kürzlich hat Atoll auch ein Software-Update gestrickt, das Roon implementiert. Das ist natürlich richtig lecker.

atoll st200 signature fernbedienung
Die Fernbedienung ist mehr als eine Zugabe. Gemeinsam mit dem Display kann sie alle Optionen steuern. Ein Machtwort für all jene, die eine App für das Tablet umgehen möchten (Foto: H. Biermann)

Doch statt der vielen Namen und Kürzel: Wie sieht die typische Nutzweise des ST200 aus? Völlig falsche Denkweise, eine Abbiegung in die Einbahnstraße. Dieser Quader kann mehr, viel mehr. Beispielsweise könnten wir ihn als Zentrale unserer digitalen Quellen einsetzen. Umfassend kann er digitale Signale wandeln. Also das alte, gute Laufwerk des CD-Players weiter nutzen und optisch oder koaxial per Stecker in den Atoll hinein.

Atoll ST200 Signature Anschlüsse
Auf der Rückseite gibt es ein breites Angebot an digitalen Eingängen – auch zwei klassische Cinch-Ports. Warum? Weil sich der ST200 Signature auch als Vorstufe versteht und hier seine analogen Optionen ausspielt (Foto: H. Biermann)

Mit einem noch überschaubarem Geldeinsatz von knapp unter 2.000 Euro habe ich plötzlich einen Push in meiner High-End-Kette getätigt. 2.000 Euro sind nicht wenig, werden aber durch die Fertigung in Europa relativiert. Und das Füllhorn ist noch längst nicht ausgeschöpft. Es gibt auch einen eingebauten Kopfhörer-Verstärker. Und eben diese beiden analogen Cinch-Eingänge. Seltsam, aber wahrhaftig. Was damit anstellen? Hier könnten wir die Phonostufe unseres Plattenspielers ankoppeln oder unseren alten UKW-Tuner. Was die Folgefrage aufwirft: Wohin mit den Signalen?

Jetzt kommt das Bonbon, die Praline, die Zugabe: Der ST200 lebt neben seinem digitalen Herzen auch mit einer vollständigen Vorstufe. Einfach aktivieren und ausbeuten.

Atoll ST200 Signature Transistoren
Die Vorstufe ist in reinem Class-A-gehalten; damit kennen sich die Verstärker-Profis natürlich aus. Die Abwärme der Bauteile wird hier über interne Kühlkörper reduziert (Foto: H. Biermann)

Das ist eine Class-A-Schaltung nach alter Meister Art – wird also warm. Dazu verzichten die Franzosen auf jede Form von Rückkopplung. Edler geht es in einer Vorstufe nicht. Bedeutet im Kern, dass wir direkt an die Endstufe ankoppeln können. Wenn wir wollen.

Wenn wir nicht wollen, legen wir die Vorstufe einfach lahm. Das geht ganz schnell über die mitgelieferte Fernbedienung oder die App. Auch hier ist Atoll eher klassisch aufgestellt. Wir können den Streamer per Android- oder iOS-Tablet bedienen. Aber das Display zeigt nicht nur das Cover an, sondern auch die Wandlerrate und viele weitere Optionen. Das ist also ein Stand-Alone. Wer schon immer eine Aversion gegen PC-Displays hegte, kann hier elegant per hauseigenem Display und Fernbedienung schalten und walten. Sehr gut gemacht. Bravo in allen Bereichen.

Atoll ST200 Signature Display
Das Display ist auch von weiter weg gut zu erkennen. Nette Zugabe: Wir können auch Sticks oder Festplatten per USB zustecken. Der Atoll ST200 Signature zwingt uns also nicht zu einem NAS-Kontakt per Ethernet-Kabel (Foto: H. Biermann)

Atoll ST200 Signature – der Hörtest

Bleiben auch die Ohren im Jubelmodus? Jetzt wird es nicht kritisch, aber es schleicht sich die Geschmacksfrage an. Wir haben einen unserer Lieblinge zur Seite gestellt – den Cambridge CXN. Der ist etwas günstiger, aber er kann auch weniger. Doch seine Spielweise liegt auf vergleichbar hohem Niveau. Auch hier freuen wir uns über ein großes Display für die Cover.

Atoll ST200 Signature vs Cambridge Audio CXN V2
Der Cambridge Audio CXN (unten) ist ein Dauerbrenner bei LowBeats. An seinem rundum gelungenen Auftritt kommen auch deutlich teurere Streamer gar nicht so leicht vorbei…  (Foto: H. Biermann)

Nun ja. Der Cambridge ist einen Tick eleganter, er breitet den feinen Samt aus. Der Atoll hingegen geht noch eine Schicht mehr in die Tiefe. Das wirkt zwar etwas forscher, aber auch in den Informationen besser strukturiert: Der Atoll rastert feiner und versucht sich nicht als Schmeichler. Die Gebrüder Dubreuil verpassen also auch ihrem Streamer diese französisch-direkte Spielweise, die uns auch bei ihren Verstärkern schon so viel Spaß gemacht hat.

So kommt es auf das Mastering an: Ist es richtig gut, wird die Aufnahme mit dem ST200 Signature ein Erlebnis. Hier unser Doppel-Tipp: einmal in einer anderen Galaxie schweifen: Wilhelm Furtwängler dirigiert Wagners „Tristan und Isolde“. Das ist eine Studioproduktion in Mono aus den 1950er Jahren aus London, den legendären Abbey Road Studios. Hier wird ein Hochamt zelebriert. Wer im dritten Akt noch sagt, er sei der Gleiche, der ist dem Rausch entgangen.

Furtwängler Tristan
Eine berauschende Aufnahme aus der 1950er Jahren: Wagners Tristan und Isolde dirigiert von Furtwängler. Bei Qobuz auch als remasterter Download zu haben (Cover: Qobuz)

Diese Aufnahme verändert, selbst in ihrem Alter, noch jeden Hörer. Hier ultimativ auch in 24 Bit und 192 Kilohertz zu haben. Eigentlich ein gewaltiges Unterfangen für so alte Mono-Bänder. Aber der Effekt gibt den alten wie neuen Tontechnikern der EMI Recht: Drei Flaschen feinster Wein erreichen nicht die Euphorie der drei Akte.

Wer kann es besser? Eindeutig der Atoll – da bebt jede Phrase. Wir versinken im Orchester und dem Reichtum der Impulse. Zugleich bebt die Sehnsucht: Würde dieser Dirigent nur heute leben – welche Schätze hätten die Plattenfirmen…

Genau an diesem Haken macht auch ein anderer Star fest. Robbie Williams feiert sein 25. Solojubiläum mit fettem Orchester – das drückt mich heftig ins Hörsofa, jeder Song ein Schuss mit der Walter PPK auf meine Hirnplatte. Hier zeigt sich klar die bessere Qualität des Atoll. Dazu das folgendes Szenario: Ich verbinde den ST200 Signature mit meiner Endstufe und dann direkt an die Lautsprecher. Strom an und ein dynamisches Fest beginnt. Denn die Vorstufe klingt – erwartungsgemäß – ebenfalls enorm druckvoll-dynamisch und mit viel Kraft von innen. Das ist jener Energieschub, der sich High-End nennt. Bedeutet: Wer eine bessere Vorstufe möchte, muss einiges Geld mehr auf den Tisch legen.

Fazit

Man sollte diesen unauffälligen Atoll ST200 Signature nicht unterschätzen. Denn er kann Motor und echter Glücksbringer sein. Ein Klick auf die Fernbedienung – und er ist Vorstufe mit edler Class-A-Architektur. Hinzu kommt seine Digitalsektion mit den aktuell sinnvollsten Optionen: HiRes-PCM triff auf DSD, auf die MQA-Fraktion und sogar auf Roon. Das verändert den Aufbau in unsrem Rack und unsere Preisvorstellung nach unten. Er ist eines dieser süßen Teilchen, die man einfach haben will.

Atoll ST200 Signature
2022/10
Test-Ergebnis: 4,6
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Sehr direkter, bewegter, dynamischer Klang
Enorm vielseitig: Streamer, DAC, Kopfhörer-Amp, Vorstufe
Breite Palette von Anschlüssen, Roon-fähig
Auch der Anschluss von USB 3.0 Festplatten möglich

Vertrieb:
AUDIUM / Visonik
Catostr. 7b
12109 Berlin
www.audium.com

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Atoll ST200 Signature: 2.000 Euro

Technische Daten

Atoll ST200 Signature
Konzept:Streamer-/Vorstufen-DAC
Wandler-Bestückung:BurrBrown PCM1792
Eingänge:digital: 2 x optisch, 2 x coax, 2 x USB (A), BT; analog 2 x Cinch
Ausgänge:analog: 1 x Cinch, Kopfhöre; 3,5 mm Klinke
App / Fernbedienung:für apple und android / ja
Besonderheiten:Firmware-Updates über Internet
Farben:
Silber und Schwarz
Abmessungen (H x B x T):44,0 x 9,0 x 25,5 cm
Gewicht:6,2 Kilo
Alle technischen Daten
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Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.