“Hörst Du die Musik, Raphael?” – “Welche Musik?”, antwortet der Kollege Vogt, mit dem ich aus meinem Wohnzimmer telefoniere. Das überrascht, denn er gilt nicht gerade als taub und der Lautstärkeregler meines Phonosophie-Amp steht auf 12-Uhr-Stellung. Das entspricht in etwa 8 Hansen (einer von Insidern verwendeten Lautstärkeeinheit). Erst bei 1 Uhr hört der Mann am anderen Ende der Leitung, dass ich Musik höre – und genau genommen sogar direkt vor dem rechten Lautsprecher stehe. Das Noise Cancelling für das Mikrofon meines Headsets hat also ganze Arbeit geleistet. Nach dem, was ich zuvor auf YouTube zur Noise-Cancelling-Technologie des VXi BlueParrott Reveal Bluetooth Headsets in der On-Ear-Fassung gesehen habe, traut man dieser derartige Leistungen noch eher zu als der hier getesteten Mini-In-Ear-Version. Es ist unglaublich, was dieses winzige Teil am Ohr zu leisten vermag. Während die Beats von Drakes neuem Album “Views” direkt vor mir aus den Boxen ballerten, konnte man auf der anderen Seite problemlos meiner Stimme folgen.
Insofern also kein Wunder: In den USA sind Headsets von BlueParrot vor allem bei Berufsfahrern beliebt. Hierzulande bekommt man die Produkte des amerikanischen Herstellers über Amazon. Mit dem Nischendasein dürfte es bald aus sein, wenn sich die Qualitäten des kleinen, feinen Geräts (Gewicht 77 g) herumsprechen. Das Noise Cancelling wirkt wirklich exzellent, die Sprachverständlichkeit auf beiden Seiten ist gut und auch die übrigen Eigenschaften überzeugen.
Bei der Einrichtung der Bluetooth-Verbindung hilft die Nahfeld-Kommunikation NFC, sofern das Handy sie ebenfalls unterstützt. Doch auch mit einem in dieser Hinsicht rückständigen iPhone klappt zumindest der erneute Verbindungsaufbau so schnell, dass nach dem Wiedereinschalten die Zeit gerade reicht, dem Träger “Power on” mit Computerstimme ins Ohr zu hauchen, um dann “in einem Atemzug” die Verbindung zu bestätigen.
Die Bedienung ist denkbar einfach. Das betriebsbereit 11 cm lange Gerät hat nur drei Tasten bzw. Schalter: An/Aus, Lautstärke und Telefonverbindung annehmen/ablehnen/auflegen. Während sich viele Headsets einen Haufen Elektronik hinterm Ohr leisten, sitzt beim Reveal die ganze Elektronik neben dem Ohr, ein Bügel ist nicht nötig. Ein speziell geformter Silikon-Einsatz fürs Ohr (in verschiedenen Größen beigelegt) verschafft dem Reveal erstaunlich guten Sitz, ohne unangenehm aufs Ohr zu drücken. Mein Testgerät hatte ich, angestachelt durch das spektakuläre Demo-Video, direkt vom Hersteller aus Amerika angefordert. Das VXi Blueparrott Reveal wird mit kleinen Sicherungsbügeln fürs Ohr ausgeliefert. Der Anbau vermittelt dem Benutzer unter bewegten Bedingungen ein sicheres Gefühl, ist aber nicht zwingend nötig. Diesen Anbau habe ich persönlich im Praxistest nicht vermisst. Vielmehr genoss ich die Ohrfreiheit. Der Sitz war trotz der bequemen Silikon-In-Ear-Halterung so sicher, dass man den Mikrofon-Arm herausziehen konnte (um das Noise Cancelling bei lauten Hintergrundgeräuschen zu verbessern), ohne dabei das Headset aus dem Ohr zu ziehen.
Der Mikrofon-Bügel lässt sich ausziehen. In eingeklapptem Zustand ist das Headset gerade mal 8 cm lang und kann in dem mitgelieferten kleinen Hardcase sicher in der Jackentasche verstaut werden. Ebenfalls mitgeliefert werden ein Auto-Ladeadapter und ein USB-Kabel, mit dem sich das BlueParrott auch an einem Laptop aufladen lässt. Eine Akkuladung reicht für 7 Stunden Betrieb respektive 150 Stunden Standby.
Die kostenlos im iTunes Store und auf Google Play erhältliche App Blue Parrott Push to Talk fungiert als digitale Bedienungsanleitung und hilft bei der Einrichtung des Headsets. Als Bonos gibt es eine Walkie-Talkie-Funktion, die sich sogar mit Headsets von Drittherstellern verwenden lässt.
Die Bedienung ist intuitiv und am Ohr gut erreichbar. Wenn ein Anruf kommt, reicht ein Tastendruck am MFB (Multi Function Button), um ihn anzunehmen. Ein einsekündiger Druck in der Mitte der Lautstärkewippe veranlasst das Headset aber auch, die letztgewählte Nummer des Handys wiederzuwählen. Das führte im Test zu einigen ungewollten Anrufen, denn die Taste sitzt genau auf der entgegengesetzten Seite des MFB. Weil man dazu neigt, das Reveal mit Gegendruck durch einen anderen Finger beim der gegenüberliegenden Tasten zu stabilisieren, kommt es mitunter zu solchen überraschenden Reaktionen.
VXi BlueParrott Reveal: Telefonieren im größten Lärm
Klanglich konzentriert sich das BlueParrott aufs Nötigste: die Stimmwiedergabe beim Telefonieren. Man kann damit auch Musik hören, aber nur in Mono und mit bescheidener Dynamik und Offenheit. Die Zischelneigung von Stimmen ließ sich auch in Telefongesprächen feststellen, doch wurde die Sprachverständlichkeit davon genauso wenig beeinträchtigt wie von den Verfärbungen, die aber angesichts der Vorteile des überragenden Noise-Cancelling des Dual-MEMS-Mikrofons und der extremen Kompaktheit als Schönheitsfehler durchgehen. Als Schmankerl gibt es übrigens die Möglichkeit zur Multipoint-Kopplung für die gleichzeitige Verwendung mit zwei Geräten. Die Bluetooth-Reichweite liegt übrigens bei rund 20 Metern.
Im Laufe des Tests reizte es mich, das Noise Cancelling immer wieder auf die Probe zu stellen. Jedes Mal war ich aufs Neue überrascht – vor allem einmal, als ich bei voll aufgedrehter Autoanlage ungestört telefonierte und mein Bekannter auf der anderen Seite selbst auf Anfrage rein gar nichts von der Musik mitbekam. Erst kurz vorm Vollanschlag konnte er etwas im Hintergrund hören. Dabei stellt Musik als komplexes, ständig wechselndes, dabei überaus breitbandiges Signal noch weit höhere Anforderungen an die Noise-Cancelling-Elektronik als ein monotones Motorbrummen, das sich gleichmäßig und behäbig in einem bestimmten Frequenzbereich ausbreitet. Mein Gesprächspartner merkte lediglich an, meine Stimme hätte während des Härtetests etwas dumpfer als gewöhnlich über das Mikrofon meines iPhones gewirkt. Unter diesen, einem akustischen Orkan in einer Druckkammer vergleichbaren Umständen ein überaus harmloser Kollateralschaden.
Fazit: VXi BlueParrott Reveal
Die Hauptargumente für das VXi BlueParrott Reveal Headset sind neben seinem perfekten Noise Cancelling die praxisgerechte Auslegung, die geringen Abmessungen und der hohe Tragekomfort. Das mitgelieferte Zubehör wirkt wie das Bluetooth-Gerät selbst sehr robust und zweckmäßig gestaltet. Kleine Verbesserungspotenziale gäbe es lediglich beim Klang und bei der Tastenanordnung. Wenn VXi die Positionen vom Anschalt-Schieber und der Telefontaste tauschen würde, lägen diese nicht mehr genau gegenüber der Lautstärke-Regelung und würden entsprechend seltener aus Versehen gedrückt. Unterm Strich stellt die hierzulande für rund 130 Euro angebotene “Geheimwaffe gegen Hintergrundgeräusche” (O-Ton BlueParrott) eine Bereicherung des Angebots dar und dürfte ähnlich viele Freunde wie in den USA finden.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Exzellentes Noise-Cancelling-Mikrofon |
| Solide Bauweise, praxisgerechtes Zubehör |
| Sehr leicht und kompakt, bequem zu tragen |
| Anordnung der MFB-Taste nicht perfekt |
Vertrieb:
VXi Corporation
271 Locust Street
Dover, NH 03820
www.voipsupply.com
Liste der Fachhändler in Europa
Ebenfalls erhältlich bei Amazon.
Preis (Hersteller-Empfehlung):
130 Euro
Kopfhörer mit Noise Cancelling:
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Kopfhörer mit Bluetooth:
Test Teufel Move BT: Bluetooth In-Ear für 100 Euro
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