Der neu auf den Markt gekommene JBL Soundgear Sense ist ein Beispiel für einen neuen Trend in der Kopfhörerindustrie. Angeführt vom Shokz OpenFit bildet sich gerade ein Trend für mehr Offenheit und mehr Tragekomfort – und zwar ohne die von Noise-Cancelling-Hörern bekannte Abschottung von der Umwelt. JBL hat sich nun mit dem Soundgear Sense der Fraktion von Kopfhörer-Freiheitskämpfern angeschlossen. Der erste Kopfhörer, der in einer großen Veranstaltung in Berlin parallel zur IFA offiziell vorgestellt wurde, ist weder ein Over-Ear- noch ein In-Ear-Kopfhörer, sondern ein Open-Ear.
Die Besonderheiten des JBL Soundgear Sense
Der Soundgear Sense schmiegt sich dank eines verstellbaren Bügels, der hinter dem Ohr befestigt wird, sanft an den Gehörgang an und lässt den größten Teil des Hörorgans ungehindert frei. Das Ergebnis ist ein Tragegefühl, das sich so geräumig anfühlt, wie es sich anhört. Und der Druck, der bei herkömmlichen In-Ears durch das prinzipbedingte Einpassen oft empfunden wird, den gibt es nicht. Die digitale Entzerrung in Verbindung mit einer beeindruckenden 16,2-mm-Membran in jedem Ohrhörer sorgt auch ohne die übliche Abdichtung für eine starke Bassleistung. Sie ist rund 2,7 mal so groß wie die Treiber in den hochwertigen In-Ears WF-1000XM3 von Sony.
Ausstattung: Abnehmbarer Kopfbügel für zusätzliche Sicherheit
Im Lieferumfang ist ein dezenter Nackenbügel enthalten, der für zusätzliche Stabilität sorgt und diese nach IP54-zertifizierten Ohrhörer (resistent gegen Sand und Spritzwasser) vorm Herunterfallen bei Bewegung bewahrt. Das ist ideal für sportliche Aktivitäten. Bei unseren Tests traten nur geringe Probleme mit Windgeräuschen auf – ein häufiges Problem in Außenbereichen.
Getreu seiner offenen Bauweise verzichtet der Soundgear Sense auf aktive Geräuschunterdrückung (ANC). Dadurch bleibt nicht nur die Verbindung zu den Umgebungsgeräuschen erhalten, sondern es wird auch weniger Strom verbraucht. Erwarten Sie bis zu sechs Stunden ununterbrochene Nutzung, die durch das etwas sperrige Ladegehäuse um weitere 18 Stunden verlängert wird. Eine 15-minütige Aufladung über USB-C verlängert die Laufzeit um weitere vier Stunden.
Das Pairing erforderte etwas Geduld, was vermutlich auf den Vorab-Status unseres Testgeräts zurückzuführen ist. Nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen mit einem Smartphone konnten wir das Gerät erfolgreich mit einem MacBook Pro koppeln und schließlich über die kostenlose JBL Headphones-App auf die Firmware-Version 2.0 aktualisieren.
Nützliche App
Die JBL Headphones App bietet verschiedene Soundvoreinstellungen wie Jazz, Vocal, Bass, Club und Studio, die über einen 10-Band-Equalizer angepasst werden können. Außerdem können die Touch-Bedienelemente an jeder Hörmuschel für verschiedene Gesten angepasst werden, etwa für die Annahme von Anrufen über die integrierten Mikrofone. Damit kann die App einiges mehr als jene des Pioniers von Shokz.
Hörtest: Musik liegt in der Luft
Das Open-Ear-Design sorgt für einen natürlicheren Klang, der sich bei klassischen Rocksongs durch ein strafferes, fokussierteres, akustisches Schlagzeug bemerkbar macht. Die großen Treiber verkraften auch lautstarke elektronische Beats, ohne ins Stocken zu geraten. Obwohl der Soundgear Sense nicht an die Stimmen- und Hochtonwiedergabe der besten In-Ears heranreicht, so bietet er doch ein weitläufiges Klangbild, das sich neben toller Leistung bei elektronischen Beats auch ideal für Jazz und klassische Musik eignet.
Die Raumdarstellung bewegt sich mit den JBL Soundgear Sense ein gutes Stück in Richtung Lautsprecher-Boxen im Raum. Zwar kann auch der vielversprechende neue Ansatz nicht die für Kopfhörer typische Im-Kopf-Ortung überwinden. Doch gerade zu beiden Seiten hin entsteht ein Gefühl für Raumtiefe, das über das, was Kopfhörer üblicherweise hinaus geht. Die Musik bekommt mit einem Mal Raum zum Atmen und lässt sich besser durchhören.
Mit ihrer digitalen Entzerrung und den XXL-Membranen überspielten die Open-Ears lässig die Druckverluste im Bass, die mit der offenen Bauweise verbunden sind. So klangen sie nicht nur satt, sondern auch ausgesprochen konturiert und präzise. Durch die fehlende Oberbassbetonung, die In-Ears gemeinhin aufweisen, kam auch der Tiefgang des JBL besser zur Geltung. Die Soundgear Sense verbinden die vom jungen Open-Ear-Prinzip bekannte Offenheit mit kräftigem Punch – eine sehr ansprechende Kombination, mit der sie bei jeder Musikrichtung inklusive HipHop oder House überzeugten. Der Maximalpegel und die Dynamik ließen nichts zu wünschen übrig, ebenso wenig wie die tonale Ausgewogenheit.
Was den Open-Ears besonders im Hördurchgang entgegenkam, waren akustische Saiteninstrumente, die sich durch präzise Impulsverarbeitung und angenehme Luftigkeit auszeichneten.
Man kann den Klang durch die Zwei-Achsen-Verstellmöglichkeit des Ohrbügels und durch den Equalizer der App an seinen Geschmack anpassen. Was die Platzierung der JBLs betrifft, stellte sich direkt über dem Ohrkanal die höchste Ausgewogenheit, Dynamik und Präzision ein. Nach oben verschoben wirkte die Wiedergabe weiträumiger, aber diffuser, harscher und etwas weniger kraftvoll.
Die Verstellmöglichkeit trägt zwar mit dazu bei, dass der JBL deutlich sperriger ausfällt als der kurz zuvor von unserem Chefredakteur Holger Biermann getestete Shokz OpenFit, dessen unwiderstehlicher Charme vor allem an der Mischung von stundenlang erträglicher Leichtigkeit und einem Freiheitsgefühl am Ohr liegt, was sich auch in einem luftigen Klangbild äußert, das mich stellenweise mit seinen feinperligen Impulsen an Elektrostaten erinnerte.
Ich hatte den Open-Ear-Trendsetter von Shokz ebenfalls zum Hören und habe mich mit Holger austauschen können, der wiederum Gelegenheit hatte, dem JBL zu lauschen. Und wir sehen beide Vorteile für den JBL, wenn es um Pegelfestigkeit, Dynamik, Bassvolumen und Sauberkeit geht. Der Soundgear ist allgemeinverträglicher für Hörgewohnheiten und Vorlieben, die auch Rock und Pop einschließen. Er verzerrt nicht so schnell im Bass – selbst, wenn man ihm fette Beats oder natürliche Bass Drums serviert. Dafür klingt er allerdings weniger offen und weiträumig als der OpenFit.
Fazit JBL Soundgear Sense
Die Soundgear Sense sind zwar recht voluminös, doch sie punkten mit bis zu 24 Stunden Betriebszeit fern der Steckdose und bieten ein in ihrer Preisklasse ungewöhnlich natürliches Hörgefühl mit großzügiger Räumlichkeit und sattem, sauberem Bass. Wer keinen Wert auf Abschottung durch ANC legt, findet hier eine überzeugende Lösung, die sich auch beim Sport bewährt.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Tiefer und präziser Bass |
| Luftiges Hör- und Tragegefühl |
| Praktische App mit EQ und weiteren nützlichen Funktionen |
| Kein ANC (prinzipbedingt) |
Vertrieb:
JBL Deutschland
www.jbl.com
Preis (Hersteller-Empfehlung):
JBL Soundgear Sense: 150 Euro
Technische Daten
JBL Soundgear Sense | |
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Konzept: | Open-Ear |
Bestückung | 16,2 mm Membranen |
Nennimpedanz: | nicht relevant |
Akku-Laufzeit: | 24 Stunden (mit 2 x Nachladen im Case) |
Zubehör: | USB-C-Ladekabel, Ladecase, Nackenbügel |
Gewicht: | je 5,3 g, Ladecase 68,1 g |
Alle technischen Daten |
Mit- und Gegenspieler:
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