de
WiiM Amp
Klein, aber oho: Der WiiM Amp macht nicht nur eine gute Figur, er leistet stramme 120 Watt, beherrscht die wichtigsten Streaming-Dienste und kann noch so einiges mehr. Klein ist auch sein Preis: Der WiiM Amp kostet nur 349 Euro (Foto: WiiM)

Test WiiM Amp: der rundum-glücklich Streaming-Verstärker für 349 Euro

Der WiiM Amp verbindet die Welt der Audiophilen mit der Realität. Auf höchst unterhaltsame Weise: So viel spielen, genießen, experimentieren konnte man für 349 Euro noch nie zuvor. Der Streaming-Amp bietet auch verwöhnten Edelohren reichlich Nahrung. Zugleich definiert er das Einsteigerkapitel „Erste Anlage“ ganz lässig neu. Jeder sollte einen WiiM Amp haben. Auch wenn – oder gerade weil – er nicht perfekt ist.

Der „Amp“ – so heißt das Modell nun mal – ist nicht das erste WiiM-Produkt. Zum ersten Mal wahrgenommen haben wir den Hersteller im Lauf des vergangenen Jahres durch seine verblüffend preiswerten Netzwerkplayer-Modelle Mini, Pro und Pro Plus. Deren smoothes, ausgereiftes Bedienkonzept samt erzstabiler App und straffem Update-Fahrplan bringt teure High-End-Hersteller mitunter in Erklärungsnot: Warum könnt ihr das (oft) nicht mindestens genauso gut? Warum findet eure App den Player nicht so schnell oder braucht eine halbe Stunde, um ans Ende einer Liste mit 1.000 Alben zu scrollen – wenn sie da überhaupt je ankommt? Gehört das zur Netzwerkplayer-Experience dazu? Natürlich nicht.

WiiM_Amp
Mac Mini lässt grüßen: Das Alugehäuse des WiiM ist einteilig und äußerst präzise gefertigt, der WiiM-Schriftzug ins seidenmatte Metall poliert (Foto: B. Rietschel)

Wäre ich Produktplaner bei einem kleineren Edelhersteller und müsste Streamer entwickeln, würde ich mir neben ein, zwei anderen Optionen sicher auch das Linkplay-Ökosystem aus fertigen Streamingmodulen und maßgeschneiderten Apps anschauen. Denn das ist, was die WiiM-Player und nun auch den WiiM Amp antreibt.

Als hundertprozentige Linkplay-Tochter bekommt WiiM die Technik aus erster Hand. Aber es gibt auch Beispiele für auffallend gut funktionierende Streamer und Streamingboxen von fremden Herstellern, die offensichtlich Linkplay-Kunden sind. Silent Angel gehört dazu, oder die dänische Marke Audio Pro mit ihren smarten Lifestyle-Aktivboxen. Die beiden genannten lassen sich übrigens auch zusammen mit WiiM-Geräten markenübergreifend steuern, paaren und kombinieren, über jede der drei Apps.

WiiM Amp
Der WiiM Amp versteht Bluetooth Low Energy kurz BLE. Eine energiesparende Funktechnik (Foto: WiiM)

Ob das immer so bleiben wird, wissen wir nicht. Es gibt auch Fälle bei anderen Plattformen, wo eine solche Quer-Kompatibilität offenbar bewusst versperrt wurde. Auf wessen Betreiben auch immer. Dann erkennt die X-App nur noch X-Geräte und das Y-Gerät versteht nur Y, obwohl alle eigentlich dieselbe Sprache sprechen. Aktuell jedenfalls kann ich den WiiM Amp im Wohnzimmer mit der Audio-Pro-Aktivbox in der Küche zu einem synchron spielenden Paar verbinden. Oder mit dem Silent Angel Bremen B2 im Keller-Hörstudio. Praktisch zum Beispiel, wenn Fußball läuft und der Amp den TV-Ton via HDMI zugespielt bekommt. Die Weiterleitung funktioniert auch mit analogen Quellen, da der WiiM Amp einen hochwertigen A/D-Wandler eingebaut hat. Den nutzt er aber auch noch für andere schöne Dinge.

Das Besondere am WiiM Amp

Im Grunde ist der WiiM Amp auch nur ein weiterer Streamingverstärker. Aber einer, der exemplarisch so ziemlich alle HiFi-Fortschritte des vergangenen Jahrzehnts repräsentiert: Digitalisierung, Miniaturisierung, und die direkte, sofortige Verfügbarkeit jeglichen musikalischen Contents aus der Cloud. Zu einem Preis, der in der klassischen HiFi-Welt gerade mal für einen Vollverstärker oder CD-Player der Einstiegsklasse gereicht hätte. Bei zumindest vergleichbarem, je nach Umsetzung aber potenziell weit überlegenem Ergebnis. Sobald er Internetzugang hat, genügt sich der WiiM als Musikquelle selbst. Und treibt Passivboxen nach freier Wahl, gerne auch ergänzt um einen aktiven Subwoofer, mit stabilen 120 Watt an vier Ohm an.

WiiM_Amp Verstärler-Modul
Im kleinen Endstufen-Modul steckt erstaunlich viel Leistung: nämlich bis zu 120 Watt pro Kanal an 4 Ohm (Foto: WiiM)

Ohne Zugriff ins WWW, nur mit einem lokalen Netzwerk, kann er komplett autark arbeiten: Entweder steckt die Musiksammlung dann als SSD oder Speicherstick direkt im USB-Port des Amps. Dann würde das LAN oder WLAN tatsächlich nur der Steuerung dienen, also App und Player erlauben, sich gegenseitig zu sehen. Oder er greift auf einen lokalen DLNA-Server zu, der etwa auf einer NAS im selben Netzwerk läuft. Die Darstellung der Inhalte im App ist sehr ähnlich, weil der WiiM für die direkt eingesteckten Musikspeicher einen eigenen DLNA-Server beschäftigt. Der dann wiederum auch durch andere Netzwerkplayer nutzbar ist.

WiiM_Amp
Anschlussfeld, Variante Wohnzimmer: Ein AudioNote-Silberkabel mit experimentellen Billigststeckern führt zum externen Phono-Preamp. Denn einen Phonoeingang hat der WiiM nicht. Als Lautsprecherleitung dient hier Inakustik LS-602. Über dem Netz-Flachstecker noch das HDMI-Kabel zum Fernseher, das zuvor in einer Sonos-Soundbar steckte. Die will nun aber keiner mehr hören (Foto: B. Rietschel)

Das ist der Moment, an dem sich erfahrenere Streamingnutzer mit Detailfragen melden: Kann der WiiM mit seinem eigenen Server auch Samba-Freigaben etwa auf einem NAS scannen? Und kann er direkt eingestöpselte USB-Speicher womöglich auch als SMB-Share im lokalen Netz zugänglich machen? Nein und nein. Beides wäre nice to have und steht auch bereits auf der Entwicklungs-Roadmap. Dass die keine Sammlung leerer Versprechen ist und der Software-Support kein leeres Büro, haben wir während des Testzeitraums anhand sehr spezifischer und schneller Problemlösungen erleben können: Unser Testgerät und auch bereits ausgelieferte bei Endkunden zeigten einen zu hohen Standby-Stromverbrauch mit merklicher Erwärmung. Wenige Tage nach den ersten Supportanfragen – und zwischen Weihnachten und Silvester – stand das Update bereit, das dieses und noch ein, zwei andere Problemchen verschwinden ließ.

Praxis

Auch wenn er im Detail kontinuierlich weiter verbessert werden wird, ist der WiiM-Streamer schon jetzt außerordentlich komfortabel. Und seine Auswahl an unterstützten Diensten umfangreich. Dazu gehört auch der Luxusserver-Dienst Roon für die ganz anspruchsvollen oder besonders bequemen Musikfreunde. Sowie alle relevanten Streaming-Aboanbieter von Amazon bis Qobuz.

Musik-Streaming-Dienste wie Spotify, iHeartRadio, Tidal, Amazon Music, Qobuz, Napster, Pandora, TuneIn, Deezer und mehr… (Foto: WiiM)

Was fehlt: HighRes-Audio und wie fast immer Apple Music. Zumindest gegenwärtig. Für Dienste, die der WiiM nicht nativ unterstützt, bleiben immerhin Airplay2 und Chromecast, sowie als kleinster gemeinsamer Nenner, wenn’s schnell gehen muss, Bluetooth. Der Kurzstreckenfunk hilft auch beim Start mit einem nagelneuen Amp: Kaum mit dem Netz verbunden, meldet sich der Amp via „Bluetooth Low Energy“ (BLE) beim Smartphone oder Tablet an und fragt nach dem WLAN-Passwort. Die Anmeldeseite poppt einfach auf, ohne dass man groß danach suchen muss. Danach braucht man Bluetooth nie wieder, solange man nicht in ein neues WLAN wechselt oder den Amp zurücksetzt. Wer Funkverbindungen generell misstraut, steckt einfach ein LAN-Kabel ein – dann ist überhaupt kein Setup nötig und das WLAN wird auch noch deaktiviert.

Vorwärts Zurück
WiiM_Amp
Geradlinig und schnell: Wer den neuen WiiM Amp per LAN-Kabel mit seinem Netzwerk verbindet, sieht ihn augenblicklich in der WiiM-App auftauchen. Das Amp-eigene WLAN wird in diesem Fall automatisch abgeschaltet (Screenshot: B. Rietschel)
WiiM_Amp
WLAN auswählen, Kennwort eingeben, bestätigen, fertig: Die App übermittelt die Daten per BLE (Bluetooth Low Energy) an den Amp. BLE hat systembedingt eine sehr kurze Reichweite. Dieser Schritt sollte also mit dem Smartphone in direkter Nähe des Amp ausgeführt werden (Screenshot: B. Rietschel)
WiiM_Amp
Für Verspielte und Feintuner: Der paramterische EQ des WiiM Amp ist ein etwas gewöhnungsbedürftiges, aber potenziell extrem hilfreiches Akustik-Tool. Einfachere Gemüter können jederzeit auf einen Zehnband-Grafik-EQ wechseln. In jedem Fall lassen sich beliebige Settings benennen und für später oder zu Vergleichszwecken speichern (Screenshot: B. Rietschel)
WiiM_Amp
So muss ein Now-Playing-Screen aussehen: Die WiiM-App füllt die knappe Bildschirmfläche ästhetisch und logisch aus. Der Zeitbalken lässt sich in allen Betriebsarten an beliebige Positionen ziehen. Falls nötig entfaltet der WiiM auch MQA-Dateien auf die erste Stufe. Zumindest bei Tidal sollte das aber kaum mehr vorkommen: Der Dienst liefert viele Alben (hier Sufjan Stevens’ gänsehautintensives „Javelin“) inzwischen einfach direkt als HighRes-FLAC (Screenshot: B. Rietschel)
WiiM_Amp
Eingangswahl: Auch die physischen Digital- und Analogeingänge wählt man mit der App. Alternativ geht auch die Bluetooth-Fernbedienung oder eine automatische, signalgesteuerte Umschaltung. Den A/D-Wandler im Analogeingang kann man zwischen 16 und 24 Bit Wortbreite sowie von 44,1 bis 192 kHz Abtastrate frei einstellen. Uns gefiel 24/96 am besten (Screenshot: B. Rietschel)
WiiM_Amp
Partymode: Mehrere WiiMs – und auch kompatible Geräte etwa von Audio Pro oder Silent Angel – lassen sich über die App bequem gruppieren (Screenshot: B. Rietschel)
WiiM_Amp
Direkter Draht: Die Bedienungsanleitung, das Changelog zur aktuellen Firmware, geplante Verbesserungen, und das WiiM-Forum lassen sich jeweils mit einem Klick aus der App erreichen. Der „Feedbacks“-Link öffnet ein Emailformular zum Support und zeigt den Status eventuell bestehender Support-Tickets an (Screenshot: B. Rietschel)
WiiM_Amp
Lokale Server: Unter „Home Music Share“ sammelt die WiiM-App alles, was im heimischen Netz Musikdaten per UPnP/DLNA anbietet. Nicht nutzbare Einträge – etwa die „Server“-Instanzen diverser Sonos-Zonen – lassen sich leider nicht ausblenden, wie das zum Beispiel die Linn-App kann. Neben MinimServer und Twonky (auf MacBook Pro und NAS, zusammen ca. 40000 Tracks) taucht auch der WiiM-eigene Server auf. Mit ihm bietet der Amp Inhalte von eingesteckten USB-Speichern für interne wie externe Nutzung feil (Screenshot: B. Rietschel)
Vorwärts Zurück

Was der Player aus nahen oder fernen Servern heranholt, landet nach dem „Rendern“ (Auspacken und Zusammensetzen) des Streams im probaten D/A-Wandler ES9018 des Herstellers ESS. In der Baureihe gibt es zwar noch modernere und angesagtere Typen. Aber schon der 9018 ist in Dynamik und Linearität so weit jenseits von Gut und Böse, dass über den Klang ganz andere Dinge entscheiden.

WiiM_Amp DAC
Findest sich auch in deutlich teureren Digital-Komponenten: der ES9018 von ESS (Foto: WiiM)

Vielleicht die OP-Amps, die dem DAC das gewandelte Signal abnehmen, es behutsam tiefpassfiltern und dann den Endstufen füttern. Sicher aber die Endstufen selbst, die auf einem Chip von Texas Instuments basieren, dem TPA3255. Der arbeitet nach dem Class-D-Prinzip, lässt seine Ausgangstransistoren also rasante Pulsfolgen schalten, statt sie direkt mit dem Auf und Ab des Musiksignals zu füttern. Das bringt enorm Wirkungsgrad, denn die Transistoren wechseln damit nur zwischen den beiden Zuständen „ganz auf“ und „ganz zu“, die beide praktisch verlustfrei sind: im ersten Fall haben sie kaum Widerstand, und im zweiten fließt kein Strom.

Warm wird der WiiM Amp trotzdem, hauptsächlich im Betrieb mit niederohmigen Lautsprechern bei hohen Lautstärken. Ein paar Watt – drei, um genau zu sein – muss man dem WiiM, der ja im Netzwerk sichtbar bleiben will, aber auch im Standby zugestehen. Denn dafür muss ja sein Zentralgehirn aktiv bleiben – ein ARM-Vierkernprozessor mit durchaus reichlich Rechenleistung, der sich über ein Wärmeleitkissen direkt an die Alu-Gehäusedecke schmiegt.

WiiM_Amp
Warmer Bauch: Ein durchgehender Alukühlkörper bildet die Basis des WiiM Amp – der hier mit abgenommenem Boden auf dem Rücken liegt. Im Betrieb wird die Fläche etwas warm, im Standby praktisch gar nicht (Foto: B. Rietschel)

Die Kühlung verläuft auf zwei Wegen: Die Prozessoren geben ihre Wärme wie beschrieben nach oben ab. Die Endstufe dagegen nutzt ein massives Aluprofil, das die gesamte Grundfläche des Amp unterhalb der Hauptplatine einnimmt. Darunter kommt nur noch ein dünner Plastikboden mit Ventilationsschlitzen, der für etwas Abstand zur Stellfläche sorgt. Alle sichtbaren Flächen – Front, Seiten, Oberseite und die Einfassung des Anschlussfelds – bestehen aus einem einzigen, nahtlosen Stück Aluminium.

Am Heck gibt es eine eingesetzte Platte mit sämtlichen Anschlüssen. Die fallen übersichtlich, aber durchdacht und zeitgemäß aus. Oberhalb des Euro-Netzeingangs wartet zunächst ein HDMI-ARC-Eingang auf Ton- und Steuersignale vom TV. Beim Fernsehen schaltet sich der Amp automatisch ein und ändert auch seine Lautstärke gemäß der TV-Einstellung. Im heimischen Wohnzimmer gerade bei weniger HiFi-affinen Mitbewohnern ein absolutes Killerfeature: Niemand will neben der Sky- und der TV-Fernbedienung noch einen dritten Handsender jonglieren.

WiiM Amp
Allein schon wegen der Größe ist das Anschlussfeld des Wiim Amp recht überschaubar (Foto: WiiM)

So fiel zum Beispiel auch die überragend klingende, preiswerte und grundsympathische Klipsch-Aktivbox R-50PM in meinem Haushalt wegen fehlendem HDMI in Ungnade.

Aber halt! Die R-50PM gibt es als R-50M doch auch rein passiv und skandalös günstig: Für 250 Euro pro Paar – das ist ihr aktueller Straßenpreis – bekommt man zwar kein Edelholz, keine Anschlussterminals in Wasserhahnformat und auch keine tiefgekühlten Weichenbauteile. Dafür aber einen Hornhochtöner, in dem fast 80 Jahre Erfahrung stecken. Der hoch belastbar, neutral und unverfärbt klingt, ohne dabei den charakteristisch schnellen, weit nach vorn projizierenden Charakter zu leugnen, den Klipsch-Fans so schätzen. Und einen Fünfzoll-Tieftöner mit veritabler Metallmembran, der in seinem kompakten Reflexgehäuse zwar nicht besonders tief, dafür aber kolossal laut und lebendig spielen kann. Zusammen mit dem WiiM entsteht daraus eine Anlage für gerade mal 600 Euro, die mich erst zum Getränkehändler und dann ans Telefon treibt, weil man diesen riesigen Klang eigentlich sofort mit einer Party begrüßen muss.

Hör-Eindruck

Wenn die erste Überraschung ob des lebendigen, wuchtig swingenden Sounds nachlässt, werden dann vielleicht auch vorsichtig die ersten Kritikpunkte formuliert: Der Bass ist obenrum recht dick und lässt zum Beispiel einen Konzertflügel ein bisschen mollig und dröhnig wirken. Da kann der WiiM aber nichts dafür. Ganz im Gegenteil hilft er uns sogar dabei, den Tiefton zu nivellieren – mit einem oder zwei passend gesetzten parametrischen Filtern im Oberbass, kombiniert mit wandnaher Aufstellung.

Keiner Nachhilfe bedarf der ausgewogene, angenehm gleichmäßig in den Raum abgestrahlte Hochton. Vielleicht etwas zu trocken und schlicht wirken die Klangfarben. Und da ist nun auch der WiiM ein bisschen mitverantwortlich. Denn diese ganz leicht „graue“ Färbung bleibt auch bestehen, wenn statt der billigen Klipsch die ähnlich große, aber fast 18 mal so teure Fyne Audio Vintage Five am WiiM hängt. Oder auch die ähnlich teure Klipsch-Monsterkompaktbox Heresy 4 aus dem Made-In-USA-Heritage-Programm der Firma.

WiiM_Amp
Illustres Ensemble: Hier exerziert der WiiM an einem Paar Klipsch Heresy 4. Die Rechte der beiden nutzt der Amp gleich als Standfläche. Als Kontrast zum topaktuellen Streaming speist ein geschätzt 1959 gebauter Garrard 301 – perfektioniert durch Martina Schöner und Loricraft – den Analogeingang über eine Original-TubeBox von Pro-Ject. Der Parametric-EQ des WiiM ist bei der Klipsch durchaus hilfreich, und er steht selbstverständlich auch dem Analogeingang zur Verfügung (Foto: B. Rietschel)

Die Fyne selbst ist solcher Fehler gänzlich unverdächtig, wie ein Quercheck mit anderen – allerdings auch wieder viel teureren – Verstärkern zeigt. Und auch die Heresy mit ihrer archaischen Hornbestückung kann schillernde Farbexplosionen wie aus dem Nichts an jede beliebige Stelle im Raum verschießen, wenn das elektronische Pulver passt. Das ist dann schon fast wieder beruhigend: Ein Atoll IN50 Signature macht sowas. Er spielt einfach schöner, emotionaler, eleganter, intensiver. Daraus könnte man auch eine Art Streamingamp machen, indem man ihn mit dem Digitalboard DA100 kauft und daran einen WiiM Mini über dessen optischen Ausgang betreibt. Der Hockeypuck, dessen Streamingfähigkeiten sich kaum von denen des Amp unterscheiden, kostet weitere 100 Euro, wir landen also bei 1100 Euro für ein signifikantes Klang-Upgrade gegenüber dem WiiM.

Was weder den einen noch den anderen Amp irgendwie stört. Im Gegenteil: Die Atolls, Rotels und NADs dieser Welt können WiiM dankbar sein für den Amp, der jungen Musikfans ein extrem niederschwelliges Einstiegsangebot unterbreitet, ohne die Grundwerte der High Fidelity zu verraten: Stereofonie mit separaten, korrekt aufgestellten Lautsprechern, klangliche Neutralität und ein gerüttelt Maß an Bandbreite und Dynamik. Und das Ganze mit 100% zeitgemäßem Komfort, auf dass man nicht schon mit seiner ersten HiFi-Anlage zum Einzelgänger werde. Wer so anfängt, bleibt der „echten“ High Fidelity auch treu.

Perfektionisten werden sicher Kritikpunkte finden. Zum Beispiel verarbeitet der WiiM Amp – wie seine Player-Brüder Mini und Pro – kein Ultra-HighRes mit mehr als 192 kHz Abtastrate. Solche Dateien trifft man in freier Wildbahn freilich seltener an als den Kabomani-Zwergtapir. Leidenschaftliche Krypto-Audiophile werden die WiiM-Familie ohnehin meiden, weil sie nämlich auch kein DSD unterstützt. Das wird dem Erfolg sicher keinen Abbruch tun – BluOS mit ähnlichen Limits stört es ja auch nicht. Und es schafft eine Nische für noch höher spezialisierte Player, die dann vielleicht auch einen USB-Audioeingang mitbringen, damit PC-Audiophile ihren Rechner direkt anschließen können. Aus Sicht des Normalnutzers hätte ein Kopfhörerausgang noch gut ins Konzept gepasst. Der fehlt – aber nur auf den ersten Blick: In der Tat kann man keinen verkabelten Hörer mehr einstecken. Dafür versorgt der WiiM entsprechende Wireless-Hörer per Bluetooth. Und castet sogar Airplay2 an geeignete Empfänger, wenn man das bevorzugt. Er ist also auch in dieser Hinsicht einfach nur konsequent modern.

Fazit WiiM Amp

Mit dem WiiM Amp kann man erschwingliche, klanglich absolut erwachsene Anlagen bauen, als optimalen Einstieg, als Zweit- oder Drittanlage. Oder als Realitätscheck für High-Ender, die vom rechten Weg abgekommen sind. Streamingfähiges HiFi erschafft Anwendungsfälle, wo vorher keine zu sein schienen. Weil die Musik unabhängig von der physischen Präsenz einer Plattensammlung immer schon da ist. Und weil gerade der winzige WiiM Amp wirklich auf jeden Nacht-, Schreib- und Couchtisch passt. Aufs Ikea-Regal im Studiwohnheim wie auf die USM-Möbel in der Arztpraxis. Geheimen HiFi-Feenstaub hat WiiM-Mutter LinkPlay nicht im Köcher. Die verwendeten Class-D-Endstufen sind wohlbekannt und hier offenbar gut implementiert. Zum Glücksfall wird der WiiM aber nicht nur durch seinen guten Verstärker, sondern durch sein ausgereiftes Streaming, das den täglichen Umgang zum ungetrübten Vergnügen macht.

WiiM Amp
2024/01
Test-Ergebnis: 5,0
überragend
Bewertungen
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Erstaunlich hohe Leistung und ausgewogener Klang
Stabiles, intuitiv leicht zu bedienendes Streaming mit sehr guter App
Einfachste Handhabung
Extrem Preiswert

Vertrieb:
AUDIO-TRADE Hi-Fi Vertriebsgesellschaft mbH
Wallufer Straße 2
D-65343 Eltville am Rhein
www.audiotra.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
WiiM Amp: 349 Euro

WiiM Amp
Konzept:Streaming Vollverstärker
Leistung pro Knal (8 Ohm / 4 Ohm):60 Watt / 120 Watt (Stereo oder Dual-Mono-Sound)
Eingänge:1 x HDMI Arc, 1 x optisch, 1 x Line (analog, RCA)
Ausgänge:1 x passive Lautsprecher, 1 x Subwoofer (RCA)
Unterstützte Streaming-Protokolle:AirPlay 2, Chromecast, Spotify Connect, TIDAL Connect, Alexa Cast, DLNA
Besonderheit:Voreingestellt, 10-Band-Grafik-EQ, 4-Band-parametrischer EQ
Abmessungen (B x H x T):19,0 x 6,3x 19,0 cm
Gewicht:1,84  Kilo
Alle technischen Daten
Mit- und Gegenspieler:

Test Standbox Klipsch Forte IV: der Jungbrunnen


 

Autor: Bernhard Rietschel

Avatar-Foto
Bernhard Rietschel ist gelebte HiFi-Kompetenz. Sein Urteil zu allen Geräten ist geprägt von enormer Kenntnis, doch beim Analogen macht ihm erst recht niemand etwas vor: mehr Analog-Laufwerke, Tonarme und Tonabnehmer hat keiner gehört.