Hart rocken wie früher in der Kleinstadtdisco – aber audiophiler. Dann altersgemäß gepflegt lauschen – aber dynamischer: Die Klipsch Forte IV beherrscht das gesamte Spektrum akustischer Vergnügungen. Und zwar wirklich das gesamte: Bass, Dynamik, Auflösung, Abbildung – dieser Lautsprecher gibt alles, und von allem viel!
Für Klipsch-Verhältnisse ist die Forte ein Spätzünder: Erst in den 80er Jahren wurde die erste Generation dieses Lautsprechers vorgestellt. Da gab es das ikonische Klipschorn bereits fast 40 Jahre. Mitte der 90er war für die Forte – inzwischen als MkII – dann auch schon wieder Pause. Und das, obwohl sie die vernünftigste Box in der exklusiven „Heritage“-Modellfamilie war: absolut wohnzimmertauglich, unter einem Meter hoch, flexibler in der Aufstellung als die großen Eckhörner und viel günstiger in der Anschaffung. Aber dennoch verstärkerfreundlich und selbst nach Klipsch-Maßstäben „ausreichend“ dynamisch und breitbandig.
Dass die Forte eingestellt, die mächtigen Eckhörner aber weitergebaut wurden und auch die ausladende Cornwall nur vergleichsweise kurz aussetzen musste, zeigt, dass Vernunft beim Klipschkauf nicht ganz so relevant zu sein scheint wie vielleicht bei anderen Marken. Die 90er Jahre waren aber auch eine schwierige Zeit für die breite, nussbaumfurnierte Forte (es gab sie auch in anderen Oberflächen, aber die konservative Bauform ließ irgendwie jedes Furnier wie Nussbaum wirken). Zumal ihr hoher Wirkungsgrad damals keinen interessierte: Man hatte ja knopf- und zeigerbewehrte Japan-Elektronik mit endlosen Leistungsreserven, die man auch mal wirklich nutzen wollte.
Boxentechnisch waren die 90er vielmehr die Dekade des singenden Besenstiels: Unter häuslicher Knute stehende Musikfreunde kauften nur halb überzeugt jämmerliche Klangspargel, auf denen nicht mal eine Bierdose stehenbleiben wollte. Und bildeten sich ein, dass kronkorkengroße Tieftönerchen irgendwie Bass und Dynamik aus dem Nichts zaubern konnten, wenn man nur genug davon verbaute. Zugleich arbeitete Dr. Amar Bose – wirtschaftlich Paul Klipschs Sparringspartner, philosophisch seine exakte Antithese – gerade in den Nineties besonders intensiv daran, den Lautsprecher ganz verschwinden zu lassen. Die frühen Sub-Sat-Systeme aus Framingham waren mit ihren passiven Bandpass-Subwoofern wahre Meister der Energievernichtung und damit auf merkwürdige Weise zeitgemäß.
Ob die frühen Bose-Acoustimass-Systeme noch jemand vermisst? Sehr unwahrscheinlich. Das Gleiche dürfte für die kühlen Aluflöten mit ihren prekären Membranflächen gelten, deren Tiefton-Schwingspulen vermutlich eh längst abgeraucht sind. Jedenfalls waren Freude und Erleichterung groß, als Klipsch im Jahr 2017 ein Einsehen hatte und endlich eine neue, dritte Generation der Forte ausspielte. Kosmetisch blieb die Box völlig unverändert – dafür kam ihr der aktuelle Einrichtungstrend entgegen: Anklänge an die 60er Jahre, dunkle Holzoberflächen, gemütliche Vintage-Textilsitzmöbel – der ganze allgemeine Retro-Vibe hieß die Forte III willkommen wie einen alten Freund.
Klipsch Forte IV: eine Standbox wie aus dem Retro-Bilderbuch
Die neue Forte IV aus diesem Test folgt wie das Dreier-Modell treu dem Originalrezept, mit behut- aber zugleich hoch wirksamen Verbesserungen im Detail. Was natürlich bleibt, ist die breite Statur. Wenn von einer Klipsch eine Bierdose runterfällt, dann höchstens, weil unvorstellbare Schalldrücke sie weggeblasen haben. Niemals aus Platzmangel. Das gilt auch für die Forte, die zwar nicht das Vollschrank-Format einer Cornwall aufweist, auf der man aber immer noch LP-Cover ablegen kann, ohne dass sie an irgendeinem Ende überstehen. Und ein paar Getränke haben neben dem Cover auch noch Platz.
Ihre aus moderner Sicht recht breite Schallwand benötigt die Forte IV für den Tiefton: Pro Seite ist zwar nur ein Bass montiert, aber der hat 30 Zentimeter Durchmesser. Oder besser gesagt – sorry! – zwölf Zoll. Denn die Forte kommt daher, wo Verbrauch in Meilen pro Gallone, Steaks in Unzen und Tieftöner eben in Zoll gemessen werden: Aus Hope, Arkansas im Herzen der USA, wo Klipsch seit Menschengedenken entwickelt und fertigt. Wobei die preiswerten Baureihen heute (in sehr guter Qualität) aus China kommen, während die Heritage-Modelle Klipschorn, La Scala, Cornwall, Heresy und eben die Forte IV stolz das „Made in USA“-Fähnlein hochhalten.
Der Klipsch-Zwölfzöller ist ein kraftvoller Geselle mit Gusskorb und brettsteifer Pappmembran, deren Rand in eine Doppelwellen-Gewebesicke übergeht. Das ist eine Bauweise, die ich zum Beispiel auch an meinen Tannoys schätze, weil sie von allen Arten, eine schwingende Membran außen einzufassen, die wahrscheinlich langzeitstabilste und verlustärmste ist. Da wir es bei der Forte mit einer Dreiwege-Box zu tun haben, muss der dicke Bass nur Frequenzen verarbeiten, mit denen er sich wirklich wohlfühlt: Von der unteren Grenzfrequenz der Box, die um die 40 Hertz liegt, reicht sein Übertragungsbereich bis etwa 600 Hertz.
Einen Treiber dieser Größe könnte man durchaus auch noch tiefer abstimmen – zumal in einem Gehäuse von solch royalen Abmessungen: Mit 42 x 91 x 33 Zentimetern (Breite x Höhe x Tiefe) bringt es die Forte grob überschlagen auf 90 Liter Volumen. Der Verzicht auf ein paar Hertz ganz unten ist bewusst gewählt und akustisch nicht tragisch. Denn die Box reicht auch so noch tief genug, um selbst extreme Produktionen stets mit intaktem Frequenzgleichgewicht zu übertragen. Die späteren Peter-Gabriel-Produktionen beispielsweise stehen hier nicht als Platten ohne Unterleib da, sondern stets vollständig, aber auch straff und rhythmisch zwingend. Zugleich bringt der Verzicht auf etwas Subbass zwei Vorteile, die eng miteinander zusammenhängen und wichtig sind: Der Wirkungsgrad steigt und der Klirr bei hohen Pegeln sinkt.
Daten, die Lust auf Party machen
Klipsch baut keine Lautsprecher, die nicht laut können. Bei der Forte IV darf man einen Wirkungsgrad von fast 95 dB/Wm unterstellen. Und LowBeats hat einen (kurzfristigen) unverzerrten Maximalpegel von 118 Dezibel in einem Meter Entfernung ermittelt. Das ist unglaublich laut für eine Box, die nicht von einer Bühne herunter ein 20 Meter entferntes Publikum anföhnt, sondern sich ihren Besitzer in einem Wohnzimmer vorknöpft. Im Klipsch-Heimatland USA hat der Durchschnittshörer vielleicht etwas mehr Abstand und Wände aus Pappe. Aber selbst da dürfen die Pegelreserven einer Forte IV als äußerst generös gelten – siehe Messungen:
Diese Lautstärke ist aber nicht Selbstzweck und muss auch nicht ansatzweise abgerufen werden, um die Qualitäten dieser Konstruktion erfassen zu können. Sie verrät uns aber, dass die Forte der Musik nicht nur bei Zimmerlautstärke im vollen Frequenzumfang folgt, sondern auch Live-Dynamik verträgt, ohne zu komprimieren oder in irgendeinem Frequenzbereich unsauber zu werden. Das warme Kribbeln auf der Kopfhaut, das eine zünftige Blaskapelle aus nächster Nähe erzeugt, selbst wenn man die Musik sonst furchtbar findet. Der Lebensfreude-Kick, den die gänzlich unbekannte Folkband im Irish Pub auslöst. Der Headbang- und Bier-über-den-Kopf-schütt-Reflex, wenn Helmet einen kleinen, vollen Club mit Post-Hardcore elektrisieren: Dynamik ist stilübergreifend der Funke, der Musik wirklich in Brand setzt. Die Klipsch Forte IV sorgt zuhause schon mal dafür, dass die physikalischen Voraussetzungen stimmen.
Das Gehäuse ist aber sogar noch etwas breiter, als es der Zwölfzoll-Basstreiber benötigen würde. Denn an der Gehäuserückwand sitzt dem Tieftöner ein noch größerer Pappteller gegenüber: eine 15-Zoll-Passivmembran. Das ist ein Tieftöner ohne eigenen Antrieb, der vom Luftdruck im ansonsten geschlossenen Gehäuse in Bewegung versetzt wird. Er erhöht die Bass-Ausbeute ähnlich wie ein Reflexkanal und wird auch ähnlich wie dieser auf eine bestimmte Resonanzfrequenz abgestimmt. Sie ergibt sich aus Masse und Federrate der Passivmembran sowie der Größe des eingeschlossenen Luftvolumens – und dürfte bei der Forte IV etwas oberhalb von 40 Hertz liegen. Gegenüber klassischen Reflexrohren sollen Passivmembranen sauberer spielen und präziser abstimmbar sein. Bei hohen Pegeln neigen sie nicht zu den Strömungsgeräuschen, die Reflexrohre manchmal plagen. Und sie sind auch für allfällige Resonanzen innerhalb des Gehäuses nicht so durchlässig.
Vinylfreundliche Bassabstimmung
Eventuell auch eine Auswirkung der Passivmembran-Bassabstimmung: Die Forte IV neigen bei subsonischen Störungen etwa durch wellige Platten kaum zu flatternden Bassmembranen. Das könnte aber auch daran liegen, dass der Zwölfzoll-Konus mit seiner opulenten Membranfläche ohnehin kaum zu wirklich sichtbaren Auslenkungen zu bewegen ist: Das Bass-Team der beiden Klipsch-Speaker verarbeitet auch wüstes Getrommel völlig unbeeindruckt. Den Alltag bei noch sozialverträglichen Lautstärken dürften diese Oversized-Treiber wegstecken wie ein Rangierlok-Diesel den Leerlauf im Warmhaltebetrieb.
Im Mittelhochton herrschen dann die Hörner, und zwar zwei Stück je Kanal. Die Mitten ab 600 Hertz und bis etwa 5 Kilohertz verarbeitet ein von Klipsch neuentwickelter Druckkammertreiber namens K-702 mit einer Membran aus hochsteifem, hitzefestem Polyimid. Er arbeitet auf ein Horn aus Kunststoff, das in vielerlei Ausführungen und Größen in nahezu allen Klipsch-Lautsprechern zum Einsatz kommt. Der Hornhals weitet sich hier vertikal wie horizontal mit einer Krümmung, die mathematisch mit einer sogenannten Schleppkurve definiert ist – daher der von Klipsch geschützte Markenname „Tractrix“.
Ein solches Horn möglichst effizient und zugleich verfärbungsarm zu machen ist ein komplexes Optimierungsproblem, bei dem kleinste geometrische Änderungen, eine Unebenheit an der falschen Stelle, ein geringfügig geänderter Radius, drastische Auswirkungen haben können. Aber Klipsch macht das bereits eine ganze Weile – siehe unser 75-Jahre-Porträt – und dürfte den gesammelten Erfahrungsschatz in den letzten Jahren mit all jenen High-Tech-Tools potenziert haben, die Lautsprecherentwicklern heute nun mal zur Verfügung stehen. Mein Eindruck nach immerhin 25 Jahren regelmäßiger Klipsch-Tests ist jedenfalls der, dass die US-Firma in den letzten zehn Jahren geradezu rasante Fortschritte gemacht hat, vor allem was die Verfärbungsarmut und ganz allgemein Natürlichkeit ihrer Hornsysteme anbetrifft.
Unverfärbte Mitten dank MUMPS
Relativ neu ist zum Beispiel eine Technologie namens MUMPS, die das Abstrahlverhalten des Mitteltonhorns gleichmäßiger machen soll. Da gibt es durchaus Handlungsbedarf, weil große Hörner oft dazu neigen, am unteren Ende ihres recht breiten Einsatzbands (rund vier Oktaven) recht abrupt ihr Abstrahlverhalten zu ändern. Was nie gut ist und sicher dazu beiträgt, dass Hörnern (nicht nur denen von Klipsch) oft vorgeworfen wird, nasal zu verfärben – selbst wenn sich der Lautsprecher auf der Hauptachse ausgewogen misst.
MUMPS ist keine Abkürzung, sondern offenbar tatsächlich nach der Krankheit benannt – bei Klipsch scheinen neben guten Entwicklern auch Marketing-Koryphäen zu arbeiten. Es beschreibt Kunststoff-„Schwellungen“ in den Winkeln des Hornhalses, die die problematischen Bündelungs-Sprünge verschwinden lassen. MUMPS wurde bei der Forte mit der 2017 erschienenen dritten Generation eingeführt. Die hatte ich damals ein paar Wochen lang zuhause und war hin und weg von der Kombination aus explosiver Dynamik und völlig ungekünstelter Neutralität. „Hornverfärbungen“? Konnte ich beim besten Willen keine hören.
Im Hochton schließt sich dem Tractrix-Mittelton ein kleineres Horn an, das mit einem Einzoll-Druckkammertreiber mit Titankalotte ausgestattet ist. Den Treiber selbst gab es bereits in der Forte III und zum Beispiel auch in der größeren Cornwall. Neu daran ist eine Streulinse, die im Grunde ein ähnliches Ziel verfolgt wie die MUMPS-Behandlung des Mitteltonhorns: gleichmäßigere Dispersion der Schallenergie über den gesamten Einsatzbereich. Nur dass beim Hochtöner nicht mehr mit wirklich krassen tonalen Auswirkungen zu rechnen ist, sondern eher mit Verbesserungen in der Raumabbildung und der subjektiven Sanftheit hochtonreicher Musik.
Das allein würde schon reichen, um klangliche Unterschiede zwischen Forte III und IV erwarten zu lassen. Hinzu kommen beim neuen Modell aber noch eine neue Weichenschaltung und womöglich weitere Maßnahmen, die es nicht in die offiziellen Marketingunterlagen geschafft haben. Nicht klangrelevant, aber optisch vorteilhaft ist schließlich der neue Sockel, der das eigentliche Gehäuse wie gehabt etwa zwei Fingerbreiten vom Boden fernhält, nun aber etwas zurückversetzt und damit weniger sichtbar ist. Zum Boden hin trägt dieser Sockel vier nicht verstellbare Metall-Möbelgleiter.
Hinstellen – spielt!
Möbelgleiter? Möbelgleiter! Beim Herumrücken der neuen Box gleitet das schön, und beim Hören scheinen sie auch nicht zu stören. Ein anderer US-Hersteller hat übrigens gerade neue Spikes für seine Boxen vorgestellt, die als Upgrade 3500 Euro kosten. Also ohne die Boxen. Man überlegt kurz, was Paul Wilbur Klipsch wohl dazu gesagt hätte. Und findet die rustikalen Gleiter plötzlich gar nicht mehr so abwegig – zumal die Forte mit ihren sauber gespiegelten Furnieren samt farblich abgestimmten, dicken Stoffabdeckungen ohnehin sehr möbelhaft und angenehm wenig neurotisch-scharfkantig-technoid aussieht.
Mein Favorit wäre wohl American Walnut mit Pfeffer-und-Salz-gemusterter Bespannung, aber auch das sonnengebleichte „Distressed Oak“-Eichenfurnier mit cremefarbenen Lambswool-Grills sieht sehr stark aus. Darüber hinaus stehen Kirsche und das obligatorische Esche schwarz zur Auswahl, dann wieder jeweils mit den schwarzweiß melierten Abdeckungen.
Der Passivradiator am Heck hat übrigens keine Abdeckung. Dessen muss man sich bewusst sein, wenn man die 32-Kilo-Box herumwuchtet. Denn obwohl sie nur passiv mitschwingt, ist die 38er Pappmembran samt ihrer dicken Gummisicke für unsanfte bohrende Finger natürlich off limits. Unter dem „Drone“, wie ihn Klipsch nennt, finden wir ein ganz normales Bi-Wiring-Terminal, das mit beiliegenden Brücken auf Einkabelbetrieb vorbereitet ist. Es ist wohl dem Zeitgeist geschuldet, denn Bi-Wiring oder gar Bi-Amping bringt bei der Forte IV deutlich weniger als bei anderen Speakern.
Wer am Verstärker spart, den bestraft das Leben
Was sich dagegen ungewöhnlich deutlich auszahlt, ist die Wahl des genau richtigen Verstärkers. Denn ihr sehr hoher Wirkungsgrad macht die US-Box zwar genügsam in puncto Leistung. Aber damit sind noch nicht alle Anforderungen erfüllt. Der supergünstige Acht-Watt-Cayin MT-12N, den ich der Box als Amuse-Gueule offerierte, klang zwar schon dynamischer, als ich ihn je zuvor gehört hatte, wirkte aber tonal etwas ausgezehrt.
Das ist kein Wunder, denn die Klipsch zeigt einen recht welligen Impedanzverlauf, der im Verantwortungsbereich der Hörner dann zunehmend ansteigt. Damit sich das nicht in zunehmendem Pegel niederschlägt, muss der (Röhren-) Amp schon eine gewisse Kontrolle ausüben, die die kleinen Ausgangsübertrager des Einstiegs-Cayin einfach noch nicht haben.
Richtig in Schwung kam die Forte IV dann mit dem Thivan Labs Lion 805A, der sich gerade für einen eigenen Test einspielt. Ein Vollverstärker mit nur einer Endröhre pro Kanal – aber einer ziemlich abartigen, nämlich der namensgebenden Triode 805A, die in Single Ended Class A mühelos 40 Watt raushauen kann. Jetzt setzte exakt dieselbe Magie ein, die mich schon 2017 bei der Forte III reflexartig meinen Kontostand prüfen ließ: Ein erfrischend knackiger, ganz und gar nicht retro-softer Klang mit blitzschneller Impulsverarbeitung und dem Talent, Instrumente und Stimmen völlig vom Lautsprecher gelöst quasi aus dem Nichts im Raum entstehen zu lassen.
Klipsch Forte IV: ein fast trägheitsloser Mittelton
Diese Fähigkeit, Klangkörper in den Raum zu projizieren, ist bei der Forte so ausgeprägt, dass man am Anfang bei jedem noch ungehörten Musikstück mit einem Überraschungsmoment rechnet – und diesen auch bekommt. Mal schaukeln die Becken des Drummers frappierend nah und mit delikatem Bronzetimbre, dann kommt wieder ein Konzertflügel größer und gewichtiger als gewohnt zwischen den Lautsprechern hervor. Das geschieht alles mit einer fast provokanten Mühelosigkeit. Und hier scheint mir die Forte IV tatsächlich auch Vorteile der Forte III zu haben.
Ich hatte nicht die Gelegenheit, Alt und Neu direkt nebeneinander zu hören. Und ausgehend von dem, was ich von der Mk III in Erinnerung habe, dominieren klar die Gemeinsamkeiten. Im Bass habe ich zum Beispiel nicht den Eindruck, dass sich irgendwas getan hat. Und auch die dynamische Bandbreite ist hier wie da gleich kolossal. Aber während die Forte III bereits verblüffend ungekünstelt und präzise abbildete, scheint mir die IV hier sogar noch glaubhafter zu spielen.
Apropos dynamische Bandbreite: Die Forte ist nicht nur enorm pegelfest. Sie spielt dabei auch so verzerrungsarm, dass sie ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko darstellt: Man merkt nicht, wie laut man hört. Stattdessen erkennt man immer erst nachher, dass es eben gerade zu laut gewesen sein muss, weil einem jetzt die Ohren pfeifen. Ein Problem, dass man – solange die Nachbarn nicht dafür sorgen – nur mit ganz bewusster Moderation und Selbstkontrolle beherrschen kann. Nicht dass die Forte IV nur laut könnte: es ist sogar ganz besonders reizvoll, damit leise zu hören, weil Auflösung und tonale Balance damit auch bei nächtlichen Rücksichtspegeln auffallend gut erhalten bleiben.
Wandnaher Betrieb ist kein Problem
Die Aufstellung der sperrigen Standboxen ist einfacher als befürchtet. Der Wandabstand rastet zum Beispiel nicht ganz so präzise ein wie bei der größeren Cornwall. Bei der Forte gab es nicht genau die eine Position, sondern eher einen ganzen Bereich – im LowBeats Hörraum etwa mit der Innenkante 20 bis 40 cm vor der Rückwand – in dem die Box mit sauber integriertem, präzise getimtem Bass spielte. Also relativ wandnah für eine Box dieses Formats, was der häuslichen Integration sehr entgegenkommt. Im alleruntersten Bereich, also der HiFi-Entsprechung dessen, was im Heimkino der LFE-Kanal wäre, bewegt die Klipsch praktisch keine Luft. Aber das tut eine Live-PA oder ein Orchester auch nicht und schon gar nicht in Form wirklich isolierter Töne, deren Fehlen oder Vorhandensein man wirklich beurteilen könnte.
Wollte man das Ganze quantitativ beurteilen, bekäme die Basstiefe dann halt nur 85%, alle dynamischen Parameter dafür aber 115%. Und viele wichtige Fähigkeiten passen in keine Punkteskala richtig rein. Weil man sie erst gehört haben muss, um sie überhaupt für erstrebenswert zu halten. Selten anzutreffen ist zum Beispiel die Fähigkeit der Klipsch Forte IV, ihre erhebliche Größe und die gar nicht mal besonders versteiften, großflächigen Gehäusewände absolut glaubwürdig zu verleugnen.
Irgendwie schafft sie es, sich mit kleinen Besetzungen nicht selbst im Weg zu stehen, sondern ihre Holzrüstung virtuell einfach abzustreifen – um dann lebendig und agil zu musizieren wie eine gut gemachte Zweiweg-Kompakte. Eine Naim DBL konnte das auch gespenstisch gut – und sogar noch eindrucksvoller, weil die DBL selbst neben der Forte schlicht riesig ist. Aber mit welchem Gehäuseaufwand! Schließlich besaß der „Decoupled Box Loudspeaker“ eines der wohl verrücktesten Mehrkammergehäuse, die je von der britischen Insel kamen. Bei der Klipsch dagegen ist gar nichts decoupled: Oben, unten, hinten, vorne, rechts und links je eine nicht zu dicke (19 mm) MDF-Tafel, sparsam bedämpft – ein potenzieller Klangsarg, der akustisch verblüffend wenig in Erscheinung tritt. Es muss ein Nebeneffekt der Hörner sein, die für einen bestimmten Schalldruck von den Treibern weniger Hub verlangen – und somit auch das Gehäuse weniger stark anregen.
The thrill is not gone: das Fazit
Unterm Strich ist die Klipsch Forte IV eine unglaublich realistisch klingende Box. Ich hatte ein wenig befürchtet, dass die Amerikaner es mit der Domestizierung ihrer wilden Wirkungsgradmodelle eines Tages zu weit treiben würden. Und dass irgendwann der Punkt kommt, wo man vor einer neuen Version sitzt und alles perfekt neutral und weich und rund tönt – und man plötzlich das Rauhe, Wilde und Brutale vermisst, zu dem bislang alle Heritage-Modelle fähig waren, wenn man sie entsprechend provoziert.
Mit der Forte IV, da kann ich glücklich und mit summenden Ohren Entwarnung geben, ist dieser Punkt definitiv nicht nähergerückt. Der audiophile Feingeist kann hier einträchtig neben dem Headbanger auf dem Sofa sitzen. Beide werden einen Riesenspaß haben. Es ist alles da. Und von allem viel.
Bewertungen
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Offener Klang mit gigantischer Dynamik |
| Hoher Wirkungsgrad |
| Sehr geringe Verzerrungen |
| Verlangt trotz hoher Effizienz sorgfältige Verstärkerwahl |
Vertrieb:
Osiris Audio AG
Borsigstraße 32
65205 Wiesbaden
www.osirisaudio.de
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Klipsch Forte IV: 6.400 Euro
Technische Daten
Klipsch Forte IV | |
---|---|
Konzept: | 3-Wege Standbox mit Passiv-Membran |
empfohlene Raumgröße: | bis maximal 45 Quadratmeter |
mind. empf. Verstärkerleistung: | >20 Watt |
empfohlene Raumgröße: | bis maximal 20 Quadratmeter |
Anschlüsse: | Bi-Wiring |
Gewicht: | 32,7 Kilo |
Farben (Echtholzfurnier): | Nussbaum, Kirsche, Eiche, Esche schwarz |
Abmessungen (H x B xT): | 90,8 x 42,2 x 33,0 cm |
Alle technischen Daten |