Von Männern und Rennern: Neulich erzählte mir der Besitzer vom Café Kantinchen im Stuttgarter Süden etwas von einem Bekannten, der ein Buch über Spielzeugautos herausbringen möchte. Warum nicht, dachte ich, wobei ich mir nicht einmal ansatzweise die Magie vorstellen konnte, die das Projekt ausstrahlen würde. Das änderte sich schlagartig, als ich auf Spiegel Online an einem Bericht hängen blieb, der von genau jenem Kultbuch handelte. Es heißt “Kinderzimmerhelden”. Den darin gezeigten Fotos haftet etwas Ikonenhaftes an.
Nächster Espresso im Kantinchen: “Sag mal, Carsten, kannst Du mir vielleicht die Nummer von dem Typen mit den Spielzeugautos geben? Den Mann muss ich kennen lernen.”

Autor Christian Blanck setzt in seinem neuen Buch “Kinderzimmerhelden” jenen Männerspielsachen, die uns von 8 bis 80 faszinieren, ein Denkmal. Und zwar mit einer spielerischen Leichtigkeit und Ästhetik, die eine eigene Magie entwickelt. Selten erregte ein so kleines Buch von einem unbekannten Autor auf Anhieb eine solche Resonanz wie der für 24,80 Euro im Verlag Edition Panorama erschienene Bildband im Handtaschenformat. (Einen Rundgang durchs Buch finden Sie hier).
Das Format passt nicht nur zum tollen Look, sondern zum Kaufverhalten liierter Großstädterinnen. “Es bietet sich ja an, dass eine Frau das ihrem Partner schenkt. Und die soll sich dann nicht ärgern, weil sie es die ganze Zeit mit sich herumschleppen muss. Es verschwindet einfach in ihrer Handtasche.”

So konsequent wurde das ganze 316 Seiten starke Werk von vorne bis hinten durchkonzipiert, dass alles so selbstverständlich und schlüssig wirkt, als habe es sich selbst erschaffen. Das Papier ist sogar am Rand mit bunten Autos bedruckt, das kann in Deutschland nur eine Druckerei. Teuer, aber muss sein. Das stringent umgesetzte Konzept ist kein Zufall, denn dahinter steht ein 1975 in Lüneburg geborener Werbefachmann. Ein erfolgreicher Kreativer, der mit Gespür für Männerträume und Style, der selbst Frauen anspricht, seine Idee umsetzte. Eine Inspiration, die ihm beim Spielen mit seinem ältesten Sohn Niklas kam.
Kultbuch Kinderzimmerhelden: Auto, Motor, Spass
Kein Wunder also, wenn alle großen Magazine von AMS (“Spielzeugauto, Motor und Sport”) über Focus bis zum Südwestfernsehen den Debütanten mit großen Berichten feiern. Der hat derweil schon jede Menge neuer Ideen rund um das Thema und verspricht, im nächsten Jahr nachzulegen. Bis dahin müssen sich die Fans mit dem passenden Kalender, T-Shirts und Kaffeetassen begnügen.
Die Idee funktioniert auf allen Kanälen, so stark sind das stringente, konsequent bis ins letzte Detail umgesetzte Konzept und die mächtige, holzschnittartige Bildersprache. “Sogar die Schatten erzählen eine Geschichte. Da ist nichts dazugemalt”, verrät der Autor. Er macht seine Aufnahmen mit einer eigens dafür angeschafften Systemkamera Sony Alpha 7 unter freiem Himmel auf der Hohlkehle – einer weißen Unterlage – in der prallen Sonne.
Mallorca lieferte ideale Bedingungen in dieser Hinsicht und trug auch zur entspannten Atmosphäre bei, die dem Familienbuch gut bekommt. Das erste Bild, die Initialzündung für das ganze Buch – verewigt auf Seite 11 –, machte Blanck übrigens mit seinem Handy, nachdem er mit Sohn Niklas auf dem Sofa Autotürme gebaut hatte.

Doch Blanck besitzt nicht nur Gespür für Bilder, er kann schreiben. So verrät er in seinem Kultbuch auch etwas über sich, stellt aber die Helden in den Vordergrund – nicht zuletzt, indem er sie ihre eigenen Geschichten erzählen lässt. Beim Besuch in seinem inzwischen stark vom Buchprojekt geprägten Büro verrät mir Blanck noch ein paar Hintergründe. Etwa, dass der BMW M1 sein Lieblingsauto ist. Kann ich sehr gut verstehen. Zur Veranschaulichung schlägt der Autor Seite 283 auf mit den aufgereihten Bayern-Boliden in der Procar-Version von Matchbox.
Blanck schwärmt über die Schatten, die schon für sich sehr schnittig wirken und gesteht, inzwischen selbst einen “Pampersbomber” aus München zu fahren: “Mit dem Umzug in den Süden kamen auch die süddeutschen Marken.” Davor fuhr er wie es sich für Niedersachsen gehört VW. “Die ersten drei Autos waren alle Käfer, das vierte ein Golf Cabriolet.”
Der Stern wacht über Stuttgart
Natürlich gibt es in diesem Kultbuch auch jede Menge Mercedes und Porsche. Auf Seite 154 zeigt er gar einen Turm aus Mercedes-Autos, der wie er betont, ohne Klebstoffzusätze entstand: “Der höchste Turm in der Stadt trägt einen Stern, man könnte sagen, der Mercedes-Stern wacht über Stuttgart.”
Das grenzt für alle mit ausreichend Benzin im Blut schon an Poesie und ich lasse mich spontan zum Turmbau mit dem Autor hinreißen.
Wie wär’s mit einem Selbstversuch, Christian?
“Moment, Stefan, das machen wir.”
Er geht nach hinten und kommt mit einer Kiste voller Kinderträume zurück. Für den gemeinen Sammler der reinste Alptraum: Die sind alle bespielt. Und wie! Teilweise fehlen die vorderen Dachsäulen und der Lack der meisten Helden sieht aus wie von einem Rolls-Royce, den man am ersten Mai in Berlin Kreuzberg oder dem Hamburger Schanzenviertel geparkt hat.
Das Kultbuch funktioniert allerdings nicht trotz der Schrammen, sondern gerade ihretwegen. Jeder Kratzer ist ein Teil ihrer Geschichte, entspricht dem primären Daseinszweck von Spielzeugautos. Nicht der Sekundärtugend, von Anfang an in Sammlerboxen gepfercht, alte Männer glücklich zu machen, die sich sonst nichts gönnen oder ihren Porsche Carrera noch anbeten wollen, wenn sie im Büros sitzen.

Genau das ist das Geniale an diesem Kultbuch, das Authentische, das es generationsübergreifend zum Haben-Will-Objekt macht.
Den Iso Grifo will ich als Fundament verwenden, den habe ich schon als Kind im Autoquartett bewundert. Den BMW 2000 CS und die Carreras auch. Oh, der hat ja sogar einen Panamera. Geil. Den auch.
Das Kultbuch sorgt für Rückfall in die frühpubertäre Phase
Sechs Etagen sollte man schaffen, sagst Du, Christian? Dann sollte ich die rundgelutschten Elfer wieder weglegen.
“Die mit Spoiler wirken manchmal sogar stabilisierend, Stefan. Aber der aufrecht gestellte Sattelschlepper-Aufleger gilt nicht!”
Mist, ich muss besser noch mal umschichten, der Targa muss weiter nach oben, sonst bleibt das sechste Auto nicht liegen.
Genau so könnte es klappen. Obwohl…
Krach!
Auf dem Konferenztisch verteilen sich sechs Kinderzimmerhelden mit einem Schlag.
Game over!
Das entstehende Zufallsmuster hat was: Das weiße BMW Coupé von Siku bleibt auf dem Rücken liegen, streckt die Türen weg und die Räder nach oben wie ein toter Käfer. Bei einem normalen Modellautosammler wäre ich jetzt rausgeflogen. Hier werde ich mit einem herzhaften Lachen verabschiedet. Der Autor muss gleich auf einen Termin.
Ob er mit einer solchen Resonanz gerechnet hat, will ich noch wissen. “Nein, das hat mich selbst etwas überrascht.” Die Kinderzimmerhelden sollen ein Hobby bleiben, das Spaß macht. Seine namhaften Werbekunden aus dem Lifestyle und Sportartikelbereich verschlingen schon genug Zeit. Jetzt hat der Autor das Luxusproblem, dass er seine Helden fast zum Fulltime-Job machen könnte, wenn er wollte. An Ideen, dem Kultbuch eine zweite Edition folgen zu lassen, mangelt es nicht, an Zeit schon.

Mehr zu Christian Blanck und seinen Autos unter www.kinderzimmerhelden.net