Fyne Audio ist als Marke zwar noch blutjung, doch dahinter stecken – ein Zitat aus dem Fyne Audio Katalog – „200 Jahre Erfahrung“. Tatsächlich sind die Fyne Audio Macher fast allesamt alte Hasen vom ältesten Lautsprecherhersteller der Welt; ihre Modelle haben unverkennbar Tannoy Gene. Und mit dieser Mischung aus großer Erfahrung und dem Elan eines Neuanfangs entwickelten sie eine der spannendsten Standbox unterhalb 2.000 Euro: die Fyne Audio F502.
Als Uli Behringer, Chef des weltweit agierenden Profi-Equipment-Hersteller Behringer, den schottischen Lautsprecherhersteller Tannoy in sein Imperium aufnahm, war nicht jeder der Mitarbeiter davon begeistert. Vor allem die Führung sah sich mehr oder minder als überflüssig an. Also stiegen sie aus und machten frei nach dem Motto der Bremer Stadtmusikanten: „was Besseres finden wir allemal“ ein paar Meilen entfernt vom Tannoy Werk eine eigene Fertigung auf. Das Pikante dabei: Auch der jahrzehntelange Akustikchef Dr. Paul Mills (der solche Meisterwerke wie die Tannoy Canterbury GR entwickelte) und der Ex-Geschäftsführer Andrzej Sosna sind unter den Exilanten. Deshalb konnte Fyne Audio mehr oder minder aus dem Stand ein erstaunliches Portfolio aufbauen. Und es verwundert nicht, dass diese Lautsprecher durchaus Ähnlichkeiten zu Tannoy Modellen aufweisen und dass sie technologisch und klanglich keineswegs zu den schlechtesten gehören…
Der Aufbau der Fyne Audio F502
1.800 Euro kostet ein Paar Fyne Audio F502. Dafür bekommt man eine Menge Holz – und eine Menge Technologie. Fangen wir beim Gehäuse an. Die F502 hat einen stattlichen Body mit 64 Litern Innenvolumen, die Abmessungen liegen bei: 111,4 x 25,0 x 38,0 cm (H x B x T). Die Seitenwände sind gerade, aber Front- und Rückwand sind leicht gewölbt. Das ist ungewöhnlich – zumal in dieser Preisklasse – und so leicht gar nicht herzustellen, weil die Rundungen aus dicken MDF-Platten herausgefräst werden müssen. Aber auch der ehemalige Produktionsleiter von Tannoy ist ja im Team der schottischen Bremer Stadtmusikanten. Der weiß natürlich, wie man so etwas macht beziehungsweise wo man solch eine Qualität günstig herbekommt.
Die Verarbeitung ist wirklich top. Ich meine, wir befinden uns hier in der Klasse unter 2.000 Euro. Dafür, dass Fyne Audio ja (noch) kein Riese ist und die Stückzahlen dementsprechend klein sind, wird hier wirklich einiges geboten. Die Treiber sind sauber eingefräst, das Echtholzfurnier-Finish ist makellos.
Für alle, denen das Furnier zu grobporig ist oder einfach nicht ins Wohnzimmer passt, gibt es gegen 200 Euro Aufpreis (für beide) eine Ausführung in Hochglanz Weiß oder Schwarz. Auch das sieht lecker aus.
Nominell ist die F502 eine 2,5-Wege Bassreflex-Kombination mit zwei 20 cm Tieftönern, wobei man den zweiten Weg (den Hochtöner) erst beim zweiten Blick erkennt: Der ist nämlich Tannoy ähnlich als Horn in der Mitte des oberen Tiefmitteltöners angebracht. Koaxialtreiber nennt man diese Art der verschachtelten Hoch- und Tiefmitteltöner, dessen größter Vorzug die nach allen Seiten gleiche Abstrahlung ist. Mit einem Koax kommt man dem Ideal der Punkschallquelle schon sehr nah.
Doch anders als beispielsweise die Entwickler von KEF, die ja auch seit vielen Jahrzehnten auf den Koax im Mittelhochtonbereich setzen, vertrauen die Schotten auf ein Horn vor dem Hochtöner. Das Horn hat diverse Vorteile: Weil es Schall enger bündelt als beispielsweise eine klassische Hochtonkalotte, werden auch die Schallwellen des Hochtöners von der (sich ständig bewegenden) Membran des umliegenden Tiefmitteltöner weniger moduliert. Und außerdem ist so ein Horn in der Regel sehr viel pegelfester als die üblichen Kalotten ohne schallverstärkenden Trichter davor. Das Horn ermöglicht auch eine vergleichsweise niedrige Übergangsfrequenz: Der Hochtöner der F502 läuft schon ab 1.700 Hertz.
Um der Dynamik dieses Horns gerecht zu werden, unterstützt Mills den Koaxialtreiber durch einen zweiten 20 cm Bass, der lediglich den Tieftonpegel unterhalb von 250 Hertz etwas anhebt und in einem eigenen Gehäuse arbeitet.
Auffällig sind bei den Tieftönern deren spezielle Sicken. Diese Randeinspannungen sind prinzipiell ein Problem bei Konustreibern, weil sie durch ihr eigenes Resonanzverhalten die Wiedergabe beeinträchtigen. Die von Dr. Paul Mills gefundene Lösung reduziert diese Resonanzen quasi durch Inhomogenität. Ein schlauer Weg.
Ungewöhnlich ist auch die Bassreflex-Lösung, die sich Dr. Paul Mills einfallen ließ. Sie strahlt den Schall nach unten ab, aber nicht einfach dumpf auf den Boden, sondern über einen Kegel, der die Energie gleichmäßiger im Raum verteilen soll. Ob das irgendeine positive Auswirkung hat, wage ich mal zu bezweifeln. Aber die Schotten werden sich ihre Gedanken dazu gemacht haben.
Die F502 in der Praxis
Für einen Lautsprecher dieser Klasse ist die F502 erfreulich wirkungsgradstark. 91 Dezibel (bei 1 Watt/1 Meter) verspricht uns der Katalog. Das ist etwas hoch gegriffen. Aber auf 87 Dezibel kommt die Schottin sehr wohl und hängt damit das Gros der HiFi-Boxen locker ab. Doch wie auch bei Tannoy oft zu beobachten, ist hier trotz guter Effizienz die Kombination mit schwächlichen Röhren oder kleinen Transistor-Amps nur die zweitbeste Wahl.
Das liegt nicht etwa an der Impedanz: Sie liegt, wie die LowBeats Messungen zeigen, immer oberhalb 4 Ohm und ist von wüsten Impedanz-Sprüngen verschont. Das eventuelle Problem zeigt das Phasen-Diagramm unten:
Wegen der Phasendrehungen (blaue Ausformungen: induktiv, rote Ausformungen: kapazitiv) brauchen diese Lautsprecher einen Verstärker mit stabilem Netzteil. Der Cambridge Audio CX81 beispielsweise spielte ganz wunderbar mit der F502 zusammen und auch mit dem Pioneer A-70 DA klang es überwältigend. Mit Verstärkern der 1.000 Euro-Klasse bekommt man hier ein Erlebnis, das nach sehr viel mehr Geld klingt.
Vor allem kann man mit Verstärkern dieser Leistungsklasse (oder höher) die durchaus stattlichen Pegelreserven der Fyne Audio ausschöpfen. Denn auch diesbezüglich erreicht die Schottin in ihrer Klasse Bestwerte. Pegelmaxima bis über 110 dB sind mit einem Paar F502 locker erreichbar. Auch das lässt diesen Lautsprecher so authentisch klingen.
Von der Aufstellung her empfand ich die Fyne Audio als nicht ganz so unkritisch, wie uns der besondere Bassreflex-Port am Boden vielleicht glauben machen will. Ihre Anhebung um 100 Hertz verlangt etwas Sorgfalt bei der Positionsfindung und lässt eine Aufstellung direkt an der Rückwand nur wenig ratsam erscheinen.
Das Hochtonhorn im Koax bündelt den Schall etwas stärker als übliche Kalottenhochtöner. Daher kann (oder sollte) man auch mit der Einwinkelung experimentieren: schon 30° außerhalb der Hörachse ist ein deutlicher Hochtonabfall bemerkbar. Wer also die volle Energie will, sollte die F502 direkt auf den Hörplatz ausrichten. So jedenfalls war die in meinen Ohren beste Ausrichtung im LowBeats Hörraum.
Die Fyne Audio F502 im Hörtest
Es umspült dich, es hebt dich hoch, es reißt dich mit: Wie ein großes Schnellboot, das eine mächtige Bugwelle vor sich herschiebt, drückt die Fyne Audio Klangbilder in Richtung des Zuhörers und erlaubt kein unbeteiligtes Zuhören. Die hart geschlagene Snare-Drum, das beherzt angeblasene Saxophon, die Tritte der Flamenco-Musiker auf den speziellen Resonanzböden: Das alles katapultiert die F502 so körperhaft und druckvoll in den Hörraum, als säße man direkt daneben. Huch!
Schon nach kurzer Zeit des Zuhörens wird die Klang-Idee der Herren Mills & Co deutlich: Es ist nicht das letzte Quäntchen Neutralität oder Bandbreite, sondern ein Höchstmaß an Fein- und Grobdynamik. Hier haben Kenner einen Lautsprecher abgestimmt, die einfach gern Musik hören. Und zwar keine Fahrstuhlmusik bei Flüster-Lautstärken, sondern beseelte Musik. Am liebsten in Form von Live-Aufnahmen.
Diese Spielweise ist mitreißend. Es zeigt die hohe Qualität der beiden 20 cm Tiefmitteltöner, aber hier macht sich auch die immense Dynamik des Hochtonhorns bemerkbar. Herkömmliche Kalotten können diese Pegelsprünge unmöglich mitgehen. Und es waren beileibe nicht nur unser sehr handgemachten Hörraum Dynamik-Klassiker à la James Blood Ulmer „Crying“ (Album: Live At The Bayerischer Hof München), mit der uns die Schottin in Erstaunen versetzte, sondern auch geschniegelte Elektro-Pop. Stücke wie Felix Labands “Miss Teardrop”, die den Lautsprecher nicht nur im Bassbereich alles abfordern, sondern durch ihre enormen Dynamiksprünge bei gewissen Sequenzen klassische Hochtöner schnell an ihre Limits bringt. Die F502 steckt das alles klaglos weg und folgt den feinen Hochtonverästelungen auch bei sehr hohen Pegeln absolut stressfrei.
Wo liegen die Schwächen? Der Bass, kräftig satt, aber nicht sehr tief, kommt manchmal etwas poltrig daher. Mir gefällt so eine Betonung des 100-Hertz-Bereichs meistens nicht so gut, weil es auch die Stimmen etwas aufdickt. In diesem Fall aber passt es irgendwie zum durchaus rustikal-erdigen Charakter der Schottin. Wie auch der Hochtöner.
So gar nicht rustikal erscheint dagegen ihre Art, mit klassischer Musik umzugehen. Ihre Wiedergabe lebt von der Dynamik und der Echtheit des Tons. Hier wirkt nichts gekünstelt. In Mahlers 5. Symphonie gibt es den Trauermarsch, bei dem schon nach kurzem Bläser-Intro das gesamte Orchester mit aller Macht losschmettert. Das können nur wenige Lautsprecher dieser Klasse realistisch darstellen. Die F502 macht das so locker und leichtfüßig, als spielte hier ein großes System.
Und gerade bei dieser Art von Musik wird eine besondere Spezialität der Fyne Audio F502 deutlich: die sehr beeindruckende Räumlichkeit. Der Aufnahmeraum scheint einen halben Kilometer tief zu sein, die einzelnen Instrumentengruppen sind eindeutig zuortbar. Aber auch bei Jazz belebt die Schottin die Aufnahmen durch ihre natürliche Lebendigkeit. Beim “Wendekreis des Steinbocks” vom kürzlich verstorbenen Wolfgang Dauner (Album: Solo Piano, Tribute To The Past) umriss die F502 die Umrisse des Pianos körperhaft genau, die einzelnen Tasten-Anschläge kamen kernig impulsiv. Das klang einfach wunderbar echt.
Selbst den Vergleich mit der überragenden Canton A 35 besteht die Schottin mit Bravour. Die Canton ist tonal ausgewogener und breitbandiger. Heißt: Die A 35 spielt im Bass präziser, eleganter (und auch tiefer) und im Hochton etwas feiner und luftiger. Doch die F502 hat den Zauber der Dynamik: Sie wirkt irgendwie schneller und dynamischer. Es ist der Vergleich einer sehr guten HiFi-Box (Canton) mit einem Lautsprecher-Typus, der seine Wurzeln in der Beschallung hat (Fyne Audio). Mehrheitsfähiger ist sicherlich die in allen Belangen elegantere Canton. Mitreißender und der Seele der Musik näher aber ist die F502.
Fazit
Wehe, wenn sie losgelassen: Dass die älteren Herren um Dr. Paul Mills und Andrzej Sosna noch einmal so ein Feuerwerk guter Akustik-Ideen abbrennen, ist wohl dem schmerzhaften Abschied von ihrer alten Liebe Tannoy geschuldet. Denn solche Trennungen setzen ja auch Energien frei. Im Falle der Fyne Audio F502 entstand daraus ein außergewöhnlich effizienter, außergewöhnlich spielfreudiger, außergewöhnlich mitreißender Lautsprecher. Man spürt förmlich die Hand der alten Meister. Sicher: Es gibt auch in dieser Preisklasse Mitbewerber, die vielleicht noch ein bisschen feinsinniger und im Bass eleganter spielen. Aber diese unbändige Spielfreude, die packende 3D-Abbildung und der authentische Klang der F502 sind normalerweise in deutlich höheren Preisregionen zu Hause.
Wer auf die Dynamik von Live-Musik steht und dieses Erlebnis auch zu Hause erleben möchte, wird sich schwertun, in dieser Preisklasse annähernd Ebenbürtiges zu finden. Für mich ist die Fyne Audio F502 die spannendste Standbox bis 2.000 Euro. Da kann es nur eine LowBeats Bewertung geben: überragend.
Bewertungen
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Sehr spielfreudiger, dynamischer Klang mit exzellenter Abbildung |
| Stabile Impedanz oberhalb 4 Ohm |
| Hoher Wirkungsgrad, hohe Pegelfestigkeit |
| Bassüberhöhung und erhöhte Verzerrungen bei 100 Hertz |
Vertrieb:
TAD Audiovertrieb GmbH
Rosenheimer Str. 33
83229 Aschau
www.tad-audiovertrieb.de
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Fyne Audio F502: 1.800 Euro
Fyne Audio F502: Hochglanz: 2.000 Euro
Mit- und Gegenspieler:
Cambridge Audio CX81: Maßstab-Vollverstärker der 1.000 Euro Klasse
Canton A 35: überragend universelle Standbox für 2.400 Euro