Das Wort “Quantensprung” wird im HiFi-Journalismus gern überstrapaziert. Aber für Canton ist die Anniversary Linie fraglos ein solcher Quantensprung. Nicht etwa, weil die A-Modelle technisch oder klanglich weit über das hohe Canton Niveau herausstrahlen würden. Nein: Hier findet sich gewohnt gute Technik in gewohnt blitzsauber gemachten Gehäusen. Aber Canton Anniversary ist die erste Linie, die Deutschlands bekanntester Lautsprecherhersteller ausschließlich auf seiner Online-Seite vermarktet.
Der Online-Verkauf hat ja seine Vorteile, wie Cantons neuer Geschäftsführer Christoph Kraus im LowBeats Interview betont. Der vielleicht größte Vorteil ist dieser: Online sind diese Modelle der A-Serie überall verfügbar und preislich ein fast unschlagbares Angebot. Das gilt für alle vier der hier getesteten Lautsprecher. Wer nicht glauben will, kann hören. Wir haben in schöner LowBeats Tradition alle vier Anniversary Modell aufgenommen und in unserem Ton-Archiv namens Klang Orakel zum Online-Vergleich bereit gestellt.
Die Geschichte von Anniversary ist schnell erzählt. 2017 wurde Canton 45 Jahre jung und die Hessen feierten das Jubiläum mit dem Sondermodell A 45. Entwicklungsleiter Frank Göbl und sein Team packten da so ziemlich alles Gute rein, was die aktuelle Canton Forschung hergab. Wohl auch deshalb wurde die A 45 ein so großer Erfolg. Zügig wurde die passende Kompaktbox S 45 BS (für Bookshelf = Regalbox) nachgeschoben, die prompt bei LowBeats ein überragendes Ergebnis einfuhr – zum ausführlichen Test geht es hier.
Es folgten A 35 undA 55, die wir zusammen mit der Jubiläumsbox A 45 bestellten und die seitdem eine Art Langzeittest bei LowBeats durchlaufen. Keine Verstärker-Elektronik passierte den Hörraum, ohne wenigstens mit einer der vier gelaufen zu sein. Besonders oft im Einsatz war die A 55, weil sie Verstärker-Boliden wie dem Atoll IN400SE oder dem Hegel H590 eine entsprechende Belastbarkeit entgegensetzen konnte. Sie gehörte in den letzten 12 Monaten zu den meistgehörten Lautsprechern bei LowBeats.

Ebenfalls Mitglieder der A-Familie sind ein Center (A 45 CS, 800 Euro), ein Onwall-Effektspeaker (A 45 AR, 300 Euro) sowie ein Subwoofer (A 45 Sub, 1.200 Euro). Man kann also auch komplette, tonal harmonierende Heimkino-Systeme erstellen. Das aber nur am Rande: Der vorliegende LowBeats Familientest beschränkt sich auf die vier Stereo-Modelle A 45 BS, A 35, A45 und A 55.
Die Kennzeichen der Canton Anniversary Familie
Wie bei fast jedem Jubiläums-Projekt wurde auch bei der ursprünglichen A 45 versucht, möglichst viel Qualität für möglichst wenig Geld zu bieten. Das gelang, weil sich Canton Entwickler Göbl aus einem reichhaltigen Baukasten-System bedienen konnte. Er nahm die bewährten Hochtöner der Vento-Linie und kombinierte dazu die fantastischen Mittel- und Tieftöner der Reference-Serie. Göbl: “Das sind die nobelsten Membranen, die wir haben.” Die Antriebssysteme passte er entsprechend an – es ist ein riesiger Vorteil, wenn Hersteller wie Canton ihre Hoch-, Mittel- und Tieftöner selber produzieren. Dann sind auch passende Sondermodelle schnell gemacht.

Sowohl die Aluminium-Membranen der Tieftöner als auch die 25 mm große Aluminium-Kalotte des Hochtöners werden in Folge eines chemischen Prozesses mit einer dünnen Keramik-Schicht bedeckt. Das sorgt für eine enorme Steifigkeit. Und da Kalotte und Konus-Membranen aus einem sehr ähnlichen Material gefertigt sind, erfüllt Canton hiermit zudem die Anforderung vieler Highender nach einer möglichst hohen Harmonie der Materialien.

Ein echtes Alleinstellungsmerkmal ist die Anzahl der Tieftöner: Jede der Standboxen A 55, A 45 und A 35 ist eine klassische 3-Wege Box mit einem Bassreflex-Port auf der Unterseite (Downfire) und – das ist ungewöhnlich – drei Tieftönern. Normalerweise belassen es die Entwickler bei zwei hochohmigen Typen und schalten diese dann parallel – was nicht selten zu niedrigen Impedanzen und damit zu schwer verdaulicher Kost für kleinere Verstärker führt.
Entwicklungsleiter Frank Göbl beschreitet hier einen alternativen Weg. Er hat eigens für die Standboxen der Linie vergleichsweise niederohmige Bässe (nominale Impedanz: 3 Ohm) entwickelt, die er in Reihe schaltet. Bei Reihenschaltung addieren sich die Werte, sodass A 55, A 45 und A 35 mit – für Canton ungewöhnlich – hohen Impedanzen aufwarten. Das kostet zwar ein wenig Wirkungsgrad im Bass, doch im Sinne der Betriebssicherheit ist das fraglos der bessere Weg.
Die LowBeats Messungen zeigen die hohe Betriebssicherheit in Bezug auf den Impedanzgang, allerdings sind die Phasendrehungen der drei Strandboxen nicht ganz ohne – sie erfordern Verstärker mit stabilen Netzteilen.
Mit Tiefenwirkung: die Gehäuse der A-Linie

Hat sich bei Canton in den letzten Jahren mehr und mehr eine Gehäuseform mit geschwungen Seitenwangen durchgesetzt, so ist die A-Linie diesbezüglich ein krasser Gegenentwurf: Gerade, klare Linien beherrschen das Bild. Und relativ große Gehäuse. Wir haben die wichtigsten Rahmendaten der Canton Anniversary Linie in einer Tabelle zusammengestellt:
Modell | A 45 BS | A 35 | A 45 | A 55 | |
Bestückung | 1 x 25 mm HT + 18 cm TMT | 1 x 25 mm HT + 16 cm TMT + 3 x 16 cm TT | 1 x 25 mm HT + 18 cm TMT + 3 x 18 cm TT | 1 x 25 mm HT + 18 cm TMT + 3 x 20 cm TT | |
Konzept/Übergangsfrequenz | 2-Wege/3.000 Hz | 3-Wege/220 + 3.000 Hz | 3-Wege/220 + 3.000 Hz | 3-Wege/220 + 3.000 Hz | |
Abmessungen | 22,5 x 40,0 x 36,6 cm | 19,5 x 100,0 x 36,5 cm | 22,5 x 107,0 x 40,0 cm | 27,5 x 115,0, 48,5 cm | |
Gewicht | 14,0 Kilo | 27,0 Kilo | 38,0 Kilo | 49,0 Kilo | |
Paarpreis | 1.300 Euro | 2.400 Euro | ab 3.000 Euro | ab 4.400 Euro |
Wie die Übersicht zeigt, ist die Bautiefe jeder dieser Lautsprecher stattlich; die große A 55 kommt inklusive Sockel auf eine Tiefe von über einem halben Meter. Das muss man erst einmal stellen können.
Die ungewöhnlich große Bautiefe ist der Versuch, ein großes Volumen noch attraktiv zu verpacken. Das ist gelungen. Und das große Volumen ist ein Hinweis auf ein weiteres Erkennungsmerkmal dieser Linie: Jeder dieser Lautsprecher hat viel Tiefbass “eingebaut”. Selbst die “kleine” A 45BS stellt beim Tiefgang die meisten Standboxen ihrer Preisklasse in den Schatten.
Das klingt burschikoser, als es ist. Denn der Tiefton dieser Lautsprecher ist durchaus kultiviert. Den Canton Entwicklern ist es gelungen, ihren A-Modellen einen gleichermaßen sehr tiefen wie präzisen Bassbereich anzuerziehen. Und ich kann sagen: Eine solche präzise Substanz bereichert das Klangbild ungemein…
Ein wesentlicher Teil dieses Tieftonkonzepts ist die Bassreflex-Konstruktion der Gehäuse, die im Falle der Standboxen (die Kompaktbox A 45 BS hat den Port auf der Rückseite) nach unten mündet.

Wie die Übersicht ebenfalls zeigt, gibt es bei Canton viel Holz für’s Geld. Kann man Qualität am Gewicht erkennen? Ich meine schon. Zumal Canton die A-Serie in heimischen Weilrod fertigt und hier das Label “Made in Germany” absolut zutreffend ist – wovon wir uns bei unserem letzten Canton Besuch im August ausgiebig überzeugen konnten. Hier einige Impressionen der Weilroder Fertigung:
Aufgebaut sind die Gehäuse aus so genanntem HDF – das ist die nochmals härtere Variante der bekannten MDF Feinspanplatte. Die Vorzüge von HDF sind vielfältig: Es ist härter und somit unnachgiebiger gegen tieffrequente Eigenschwingungen. Und es ist besser zu bearbeiten. Aber es ist halt auch teurer, zumal Canton für den Aufbau 25 mm starke Platten verwendet. So erklärt sich auch das Gewicht.
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