Jan Sieveking ist der Chef von Sieveking Sound, dem größten deutschen Anbieter für audiophile Tonträger. Gerade die verschiedenen CD-Varianten liegen dem Bremer am Herzen – und bei denen kennt er sich aus wie kein Zweiter. LowBeats Autor Claus Dick untersuchte in einem gesonderten Beitrag die klanglichen Unterschiede von XRCD, SACD, HDCD & Co. im Vergleich zur klassischen CD (siehe Beitrag “Audiophile CDs”). Hier sein Interview mit Jan Sieveking, mit dem er über den Sinn und die Entstehung audiophiler Tonträger sprach – und wie man sich vor Fälschungen schützt.
LowBeats: Herr Sieveking, in ihrem Vertrieb finden sich sehr viele audiophile Tonträger auf CD-Basis. Was ist für Sie das Besondere an den kleinen Scheiben?
JS: Heutige CDs können ganz hervorragend klingen. Doch um zu verstehen, was genau für die gute Klangqualität einer CD – egal in welchem Format – wichtig ist, sollte man einen Blick in die Entstehung von Musikaufnahmen und Tonträgern werfen. Der Klang der fertigen Disc wird nämlich von vielen Stellschrauben beeinflusst.
Der Ursprung liegt natürlich in der eigentlichen Aufnahme eines Albums. Diese findet idealerweise unter besten Bedingungen in einem gut ausgestatteten Tonstudio statt, das Hochfrequenz-Einstreuungen von den Aufnahmen fernhält. Einige Studios, wie etwa Polyhymnia in den Niederlanden, haben sogar einen Fußbodenbelag, der statische Aufladungen ableitet und eine eigene Erdung. Für jede Tonspur mit einzelnen Instrumenten oder Stimmen gilt es, für die Aufnahme das richtige Mikrofon zu wählen und den richtigen Pegel zu treffen.
LowBeats: Welche Rolle spielt dabei der Aufnahmeraum?
JS: Er hat ebenfalls einen Effekt auf die klangliche Signatur. Wer einmal eine Aufnahme von Günther Paulers Stockfisch-Label gehört hat, erkennt danach die Akustik seines Studios im Gewölbekeller immer wieder. Aufnahmen aus der sogenannten Scoring-Stage bei Skywalker Sound in Kalifornien haben einen unverwechselbaren Sound. Und wer früher viel Frank Sinatra und Dean Martin gehört hat, hat den Klang des Columbia Studio A in Hollywood im Ohr. Das gilt jedoch alles nur für den Fall, dass überhaupt alle Künstler in einem gemeinsamen Aufnahmeraum waren. Bei heutigen Produktionen spielen die Musiker bekanntlich nicht nur einzeln ihre Spuren ein, sie tun dies auch noch in unterschiedlichen Studios. Im ersten Mix werden dann die Tempi und Lautstärken angeglichen sowie kleine Fehler auf den verschiedenen Tonspuren nachbearbeitet. Der fertige Mix wandert dann nach Freigabe durch die Künstler zum Mastering. Realistischer Weise muss man anerkennen, dass den allergrößten Einfluss die ursprüngliche Aufnahme hat. Wurde das falsche Mikrofon gewählt, kann kein Mastering und keine Fertigung diesen Fehler mehr korrigieren.
LowBeats: Das Mastering spielt speziell für audiophile Musikhörer eine große Rolle…
JS: Ja, hier geschieht das klangliche Feintuning. Die einzelnen Musikspuren werden in das exakte Lautstärkeverhältnis gesetzt. Dadurch ist die Sängerin auf der Aufnahme dann lauter als ein kräftig angeschlagener Flügel oder die Querflöte erhält etwas mehr Präsenz. Sehr häufig wird an dieser Stelle auch der Raum der Aufnahme generiert. Die Positionen der einzelnen Instrumente werden auf einer virtuellen Bühne aufgeteilt: das Schlagzeug spielt gefühlt von etwas weiter hinten, der Bass steht zum Beispiel links vorne und die Gitarre erschient halb links. Damit der Eindruck entsteht, alle Instrumente und Stimmen befänden sich im gleichen Raum, wird häufig noch eine gemeinsame Hallkurve verwendet. Am Ende wirkt es, als seien die beteiligten Musikerinnen und Musiker, die während der Aufnahme nicht einmal am selben Ort waren, eine bestens eingespielte Truppe.
LowBeats: Wie beeinflusst die Ausrichtung nach einer Hörer-Zielgruppe den Prozess?
JS: Jeder Mastering-Ingenieur hat für diesen Vorgang seine eigenen kleinen Tricks und Präferenzen. So hat der legendäre Tonmeister Rudy van Gelder seine Jazz-Aufnahmen für die großen Label gerne gute 10 dB im Präsenzbereich angehoben. Das sorgte bei der Übertragung im Mittelwellen-Radio für eine gute Verständlichkeit, selbst bei eingeschränkter Empfangsqualität. Entscheidend für das Ergebnis ist am Ende der Wunsch des Produzenten. Soll das Album den ambitionierten Jazz-Hörer oder den Radiokonsumenten ansprechen? Ist davon auszugehen, dass die Aufnahme sowieso vornehmlich mit Ohrstöpseln als mp3 gehört wird oder hat das Zielpublikum eine gute Stereoanlage zu Hause? Muss die Aufnahme im Bass beschnitten werden und sollte man mittels Kompression die leisen Töne anheben, damit es während einer Autofahrt eine stets präsente Klangkulisse gibt? Im Mastering ist all dies möglich. Es geht dabei nur sehr selten darum, eine möglichst unverfälschte und natürliche Aufnahme abzuliefern.
LowBeats: Das Mastering „richtet“ sich aber auch nach dem anvisierten Tonträger …
JS: Genau – nach dem Mastering gibt es gelegentlich noch ein Post-Mastering. Hier wird das fertige Master noch einmal an die Gegebenheiten der Fertigung angepasst. Wenn also das Master für die Fertigung auf LP für den Massenmarkt zu viel Bass oder einige Passagen schlichtweg zu viel Dynamik enthielten, sodass der Schneidsichel sie nicht gut in die Lackfolie schneiden konnte, dann wurde eben noch einmal nachgearbeitet und eine Alltagstauglichkeit selbst für Plattenspieler mit Plastiktonarm und Saphirnadel hergestellt. Heute kann das Mastering-Studio jedoch sehr einfach eine Streaming-Qualität, eine LP-Qualität und eine CD-Fertigung-Qualität ausgeben. Erstaunlicherweise ist die LP-Qualität dabei gelegentlich besser als die CD-Qualität und die Streaming-Qualität ist häufig zum Abgewöhnen.
LowBeats: Spielt letztendlich nicht auch die Herstellung des Tonträgers eine Rolle?
JS: Nach dem Mastering kommt ja die Fertigung – was bei der LP-Herstellung noch einleuchten mag, verwundert bei der Fertigung von CDs teils, denn auch hier gibt es Qualitätsunterschiede. Der Pressstempel für eine CD oder SACD enthält Musikinformationen, die in eine Struktur aus Ebenen und Vertiefungen umgewandelt sind. Ihre Länge und Abfolge repräsentiert eine 16-Bit-Folge. Zusätzlich werden diese Informationen in Blöcken verschachtelt und mit Redundanz-Informationen versehen. Aber: dieser Fertigungsprozess ist analog. Kleine Fehler im Timing oder minimale Unsauberkeiten schlagen daher gänzlich auf die gefertigten Tonträger durch.
LowBeats: Jitter lässt grüßen …
JS: Da das PCM-Signal der CD seinen Timing-Code als Teil des Datenstromes beinhaltet, lassen sich solche minimale Mängel nachträglich kaum korrigieren. Sie haben zwar im Vergleich zu den Problemen bei der LP-Pressung wesentlich geringere Auswirkungen. Aber wer sich schon immer die Frage gestellt hat, warum so viele Menschen der Meinung sind, dass Japan-CDs häufig besser klingen als die lokalen Ausgaben, dem sei geraten, sich einmal mit dem japanischen Streben nach Perfektion auseinanderzusetzen.
LowBeats: Ihr Vorschlag für die Auswahl an hochwertigen CDs?
JS: Wer sich zu den audiophilen Musikfans zählt und Aufnahmen in besserer Qualität erwerben möchte, sollte zwei Ansätze verfolgen: Hersteller, die auf eine optimale Fertigung setzen oder Label, die auf erstklassiges Mastering vertrauen. Beide Aspekte kombiniert zum Beispiel das Label MoFi (Mobile Fidelity Sound Lab), das in vielerlei Hinsicht als Pionier für audiophile Aufnahmen gilt. Dort erfand man nicht nur das Half-Speed Mastering-Verfahren für LPs, sondern die Amerikaner waren auch an der ersten kommerziellen Fertigung von Gold-CDs beteiligt. Diese Gattung verwendet als Reflexionsschicht nicht Aluminium-Oxid sondern Reingold. Die Goldschicht legt sich feiner über die Struktur aus Ebenen und Vertiefungen der CD-Oberfläche und erlaubt dem Laser somit ein präziseres Abtasten. Der Klang wird als wärmer und natürlicher empfunden – ein Effekt, der wenig mit dem Gold zu tun hat, sondern eben damit, dass die Timing-Information aus dem PCM-Signal akkurater gelesen werden kann.
Ein noch wesentlich weitergehender Ansatz ist, das Mastering der Aufnahme neu anzugehen. Das Equipment in den Tonstudios ist heute häufig deutlich besser als vor vielen Jahren und so lassen sich dezidiert Masterings für die kleine Menge audiophiler Musikhörer auf diesem Planeten erstellen. Wer klangliche Entscheidungen heute anders fällt als die Mastering-Ingenieure vor vielen Jahren, kann oft aus alten Aufnahmen mehr Details und Dynamik herauskitzeln, als in der Erstveröffentlichung zu hören war. MoFi gilt als Erfinder des „Remastering“ und gilt als das erste Label, das eine bereits zuvor veröffentlichte CD noch einmal in besserer Qualität herausbrachte.
Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Ansätzen, um altbekannte Musik in klanglich besserer Qualität neu auf den Markt zu bringen. Die erfolgreichsten kombinieren ein neues Mastering oder zumindest eine neue Digitalisierung mit heutigem Equipment und hochwertiger Fertigung. Die auf Wiederveröffentlichungen spezialisierten Label leisten hierbei gute Arbeit und ihre neuen Produktionen sind praktisch immer besser als die jeweilige Erstveröffentlichung. Wie viel besser, hängt dabei sehr von der Qualität der Ursprungsaufnahme ab und davon, wie gut die Anlage des Abhörenden darin ist, feinste Details zu präsentieren.
LowBeats: Aber Streaming-Portale bieten ebenfalls Aufnahmen in HiRes-Qualität …
JS: Die genannten speziellen Remasterings findet man auf LP oder digitalen Datenträgern, aber kaum oder gar nicht in den Streaming-Portalen dieser Welt. Wer optimale Qualität will, wird eine solche Disc klassisch abspielen oder rippen müssen.
LowBeats: Wie kann man sich vor Fälschungen schützen, was charakerisiert sie?
JS: Der globalisierte Markt und der Online-Versandhandel machen es möglich: Fälschungen und Raubkopien von XRCDs werden mittlerweile nicht mehr nur auf chinesischen Nachtmärkten, sondern auch bei eBay gehandelt. Wir raten daher zu größter Vorsicht bei Angeboten von asiatischen Anbietern im Internet. In China gibt es dabei zwei Sorten von Fälschungen. Es gibt die „Original Copy”, also eine Kopie eines existierenden Originals. Natürlich handelt es sich dabei nicht um eine echte XRCD aus Yokohama, sondern um eine billige Kopie aus einem drittklassiken Presswerk in China. Diese Fälschungen sind für den Laien nicht einfach zu erkennen.
Die zweite Sorte sind die „Real Fakes” also die besonders kreativen Fälschungen, denen kein Original zugrunde liegt. Die Fälscher machen hierbei freudig Gebrauch von bereits vorhandenen Original-CDs und stellen völlig neue Kreationen her, die nach Möglichkeit viele Songs und besonders viele bunte Logos enthalten. So kann es dabei durchaus goldene XRCDs geben, die gleichzeitig auch noch eine SACD sind und zwar mit besonders hübscher Verpackung voller chinesischer Schriftzeichen.
Rechtlich ist der Verkauf von Raubkopien bekanntlich strafbar. Der Missbrauch von eingetragenen Markenzeichen ebenfalls. Bei korrekter Auslegung ist es sogar illegal, in China rechtmäßig erworbene CDs in der EU ohne Zustimmung des Urhebers und des Rechteinhabers zu verkaufen. Das ist also alles andere als ein Kavaliersdelikt…
LowBeats: Herr Sievking, wir danken für die klaren Worte.
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