Zappelnde Bits: Werbetexte für digitale Audio-Geräte lassen keinen Zweifel daran, dass digitales Taktzittern, kurz “Jitter”, die Hauptursache für unnatürlichen, “digitalen” Klang ist. Diese Behauptung trifft durchaus zu: Angesichts seiner möglichen Einflüsse auf die Klangqualität verwundert es schon, dass das Phänomen Jitter in der Gründerzeit der digitalen Audiotechnik praktisch kaum beachtet wurde.
Mittlerweile ist das Thema jedoch gut dokumentiert, wie ein kurzer Streifzug im Internet zeigt. Allerdings geben sich die meisten Publikationen ziemlich abstrakt und sind daher für technisch weniger interessierte Musikliebhaber nur schwer zugänglich. Dieser Beitrag will das spannende Thema daher etwas anschaulicher darstellen – wissbegierige Technik-Cracks finden am Ende des Beitrags darüber hinaus einige empfehlenswerte, tiefschürfendere Links.

Die digitale Audiotechnik beruht auf zwei fundamentalen Vorgängen – Abtasten und Quantisieren. Beim Abtasten, also dem Aufnehmen, entnimmt man dem Audiosignal in regelmäßigen (!) Abständen Proben, deren momentane Amplitudenwerte in ein mehr oder weniger feines Raster eingeordnet, sprich quantisiert werden. Beim Auslesen, also der Wiedergabe der digitalisierten Informationen werden die quantisierten Abtastwerte mit derselben Abtastrate dem Digital/Analog-Wandler zugeführt, der diese wieder in die analoge Domäne zurückwandelt.
Bereits an dieser Stelle lässt sich eine ebenso interessante wie ungewöhnliche Schlussfolgerung ziehen: Da es sich bei den quantisierten Werten um reine elektrische Spannungswerte zum Zeitpunkt x handelt, muss die gesamte Information über das Frequenzspektrum und den Verlauf des Schallereignisses in der zeitlichen Abfolge der nachfolgenden Abtastwerte enthalten sein. Umgekehrt bedeutet das aber auch: Wenn sich die zeitliche Abfolge der Abtastwerte ändert, ändert sich auch das Frequenzspektrum der digitalisierten Information.
Dazu ein einfaches Beispiel: Spielt man eine digitalisierte Musikinformation, die mit 48.000 Abtastwerten pro Sekunde aufgenommen wurde, mit einer Taktfrequenz von 96.000 Hertz ab, so verschiebt sich das Tonspektrum um eine Oktave nach oben, während sich die Laufzeit auf die Hälfte verkürzt – sprich die Musik erklingt um eine Oktave höher transponiert bei doppeltem Tempo.
Jitter – die richtigen Bits zum falschen Zeitpunkt
Bei der digitalen Tonübertragung ist es also erforderlich, dass Aufnahme und Wiedergabe mit identischer Taktfrequenz erfolgen und die Abtastwerte zudem möglichst regelmäßig eintreffen. Zeitliche Abweichungen der Samples untereinander machen sich bei der Digital-Analog-Wandlung zwangsläufig im Frequenzspektrum sowie der zeitlichen Struktur des Signals bemerkbar.
Alle digitalen Audiogeräte enthalten daher als “Schrittmacher” stabile, elektronische Systemtaktgeber. Prinzipbedingt arbeiten zwar selbst die einfachsten Ausführungen solcher Taktgeneratoren mit der Genauigkeit üblicher Quarzuhren – für die Anforderungen im digitalen Audiobereich mitunter jedoch nicht genau genug: solche Unregelmäßigkeiten der Systemtaktgeber stellen eine der möglichen Ursachen für Jitter dar.
Salopp ausgedrückt, ist von Jitter immer dann die Rede, wenn die Taktimpulse „ruckeln“ – sprich wenn sie sich in horizontaler Richtung, also der X-Achse, zeitlich verschieben. Dieses Taktzittern bewirkt, dass ein Impuls mit einem definierten Abtastwert bei der Wiedergabe (D/A-Wandlung) nicht genau am selben Platz erscheint wie bei der Aufnahme – und schon bekommt beispielsweise eine ursprünglich glatt verlaufende Signalkurve eine Delle oder eine Beule, je nachdem, ob der Impuls mit dem Abtastwert zu früh oder zu spät eintrifft (Diagramm 1).

Das kritische am Jitter ist also, dass sich durch ihn die ursprüngliche Kurvenform verändert. Wie sich über die Fourier-Transformation anschaulich darstellen lässt, geht damit jedoch stets eine Änderung des Frequenzspektrums einher – sprich: es entstehen spektrale Komponenten, die ohne Jitter nicht vorhanden wären. Deren Beschaffenheit ist unmittelbar mit der Entstehungsursache des Jitters verknüpft.
Im günstigsten Fall handelt es sich dabei um ein spektral natürlich verteiltes Rauschen: Das lässt zwar beispielsweise im untersten Dynamikbereich eines einzelnen Tons einen leichten Rausch-Sockel entstehen, der klanglich jedoch kaum Schaden anrichtet (Diagramm 2).

Wirklich klangkritisch wird’s erst dann, wenn Jitter durch regelmäßig wiederkehrende Anteile geprägt ist: Das passiert beispielsweise dann, wenn der Systemtaktgeber – aber auch ein nicht ausreichend geschirmtes Digitalkabel – von störenden 50-Hertz-Komponenten aus dem Netztransformator beeinflusst wird.
In solchen Fällen entstehen um das D/A-gewandelte Tonsignal sogenannte Seitenbänder: Dabei handelt es sich um Verzerrungskomponenten, die – im Gegensatz zum Klirrfaktor – kein ganzzahliges Verhältnis zur Grundschwingung aufweisen: Solche nicht harmonischen Verzerrungskomponenten empfindet das Gehör als besonders störend.
Spektrale Störkomponenten treten aber auch dann auf, wenn Jitter durch regelmäßig wiederkehrende Bitmuster im Digitalsignalstrom verursacht wird. Typische Quellen für diesen sogenannten dateninduzierten Jitter sind Digitalschnittstellen, die Taktsignale und Audiodaten über eine einzige Leitung übertragen – beispielsweise das weit verbreitete S/P-DIF-Format (Diagramm 3).

Als Analogie ist Jitter am ehesten mit den Gleichlaufschwankungen bei der klassischen Analogsignalübertragung vergleichbar – mit einem wesentlichen Unterschied: Die Modulationsfrequenzen bei analogen Gleichlaufschwankungen liegen in der Regel deutlich niedriger als die zu übertragenden Tonfrequenzen.
Jitter hingegen verursacht feinste “Gleichlaufschwankungen”, die sich innerhalb der Periodendauer selbst eines hochfrequenten Signals abspielen können. Die hierdurch im Signal hervorgerufenen Rauigkeiten hinterlassen somit Störspektren, die obendrein den Rauschabstand verschlechtern.
So klingt Jitter
Wie sich Jitter auf die Klangqualität auswirkt, können Sie nun in den beiden folgenden, kurzen Audiobeispielen im direkten Vergleich hören. Track A ist das Hörbeispiel ohne Jitter, Track B haben wir mit Jitter im Nanosekunden-Bereich angereichert. Beide Aufnahmen erfolgten dabei mit dem gleichen Equipment mit gleicher Anordnung der Signalkette. Der klangliche Einfluss von Jitter ist deutlich zu hören. Besonders auffällig: die Hi-Hat im rechten Kanal.
Track A: “Classic Mystery” ohne Jitter
Track B: “Classic Mystery” mit Jitter
Die zehn wichtigsten Fakten
1. Im Audiobereich steht der Begriff Jitter für die Abweichungen von der Regelmäßigkeit, mit der die Abtastwerte bei der Analog/Digital-Wandlung generiert oder bei der Digital/Analog-Wandlung wieder ausgelesen werden.
2. Die klangtrübenden Auswirkungen von Jitter zeigen sich ausschließlich beim Aufnehmen, also der Analog-Digital-Wandlung, sowie bei der Wiedergabe, sprich der Digital-Analog-Wandlung. Jitter, der sich auf der digitalen Ebene einstellt oder hinzugesellt (und das kann in der Tat einiges sein), zeigt keinerlei Auswirkungen, solange die ursprüngliche Bitfolge erhalten bleibt und die D/A-Wandlung mit der gleichen Genauigkeit und Abtastfrequenz wie beim Aufnehmen erfolgt.
3. Jitter-bedingte Fehler während der Aufnahme, also beim Abtast- und Quantisierungsprozess, sind nicht wieder korrigierbar – auch nicht durch die präziseste aller Clocks für die D/A-Wandlung, sprich die Wiedergabe.
4. Die klangtrübende Wirkung von Jitter macht sich vor allen Dingen im Hochtonbereich bemerkbar. Ursache hierfür ist, dass die Signal-Anstiegsflanken zu hohen Frequenzen hin naturgemäß zunehmend steiler ausfallen, so dass sich dort zeitliche Ungenauigkeiten während der Abtastung beim Aufnehmen wie auch bei der Wiedergabe stärker auswirken (Bilder 1, 2 und 3).



5. Zum Orten von Schallereignissen im Klangbild nutzt das Gehör vor allem die Einschwingphase (Attack). Mangelhafte Hochtonwiedergabe lässt die hierbei vorhandenen Impulse jedoch verschleifen. Da Jitter direkte Auswirkungen auf die Hochtonwiedergabe hat, leidet bei zunehmendem Jitter auch die Ortbarkeit von Klangquellen.
6. Je höher die Abtastfrequenz, desto stärker wirkt sich Jitter aus. Grund hierfür ist, dass mit zunehmender Abtastfrequenz die Periodendauer zwischen den Abtastwerten abnimmt, was die vorhandenen, Jitter-bedingten Taktungenauigkeiten prozentual ansteigen lässt. Möglicherweise liegt genau hier die Ursache für den mitunter etwas “entrückten” Klangcharakter einiger High-Resolution-Files.
7. Grundsätzlich kann Jitter bei allen digitalen Audio-Geräten auftreten, jedoch gibt es anfällige und weniger anfällige Gattungen: Zu den weniger Jitter-empfindlichen gehören integrierte CD-Spieler ohne externe D/A-Wandler-Funktion sowie Analog-Digital-Wandler.
Der Grund hiefür: Da sie stets als “Master” in der digitalen Kette fungieren, kann man diese mit besonders präzisen Festfrequenz-Oszillatoren mit niedrigem Phasenrauschen bestücken – die sich darüber hinaus besonders jitterarm unmittelbar beim D/A- oder A/D-Konverter-Chip anordnen lassen (Diagramm 3).



Jitter-empfindlich hingegen sind alle Arten externer D/A-Wandler: Als “Slave” müssen sie sich stets dem Master, beispielsweise einem CD-Laufwerk, anpassen, um den Datenstrom nicht abreißen oder überlaufen zu lassen. Dazu benötigen sie immer eine Art von Nachführungs-Elektronik, die meist durch eine sogenannte Phase Locked Loop- (PLL-) Schaltung realisiert ist.
Die PLL wirkt dabei nachführend auf einen verstimmbaren, spannungsgesteuerten Quarz-Oszillator (Voltage Controlled Quartz Oscillator): VCXOs weisen gegenüber echten Festfrequenz-Oszillatoren allerdings deutlich größeres Phasenrauschen auf – was eine der Hauptursachen für Jitter ist.
8. Jitter-anfällig sind jedoch auch die Verbindungswege zwischen Master und Slave – allerdings nur dann, wenn sie Taktsignal und Audiodaten über eine gemeinsame Leitung übertragen. Dies ist zum Beispiel bei der symmetrischen AES/EBU-Digitalschnittstelle sowie der unsymmetrischen, koaxialen S/P-DIF-Variante der Fall – ebenso bei der optischen Toslink-Verbindung.
Durch die Verquickung von Taktsignal und Audio-Datenstrom kommt es hier zu besonders klangkritischem, dateninduzierten Jitter. Allerbeste Kabel und geeignete Armaturen (am besten 75-Ohm-BNC) sind bei diesen Schnittstellen daher besonders wichtig.
9. Es ist möglich, ein in der digitalen Ebene (beispielsweise auf dem Übertragungsweg) verjittertes Signal durch sorgfältiges „Reclocking“ vor der D/A-Wandlung wieder klangfördernd zu ent-jittern. Eine saubere Impulsformung, wie es einige Geräte machen, reicht dafür allerdings nicht. Wie hoch der klangliche Zugewinn mit Reclockern ausfällt, hängt sehr stark von der Auslegung der PLL im wiedergebenden D/A-Wandler ab. Prinzipiell arbeiten PLLs als Tiefpassfilter für das eingehende Signal, als Hochpassfilter hingegen für den Taktgeber im D/A-Wandler (siehe Diagramm 5).
Reagieren sie schnell (hohe Eckfrequenz), geben sie die Jitter-Eigenschaften des Masters praktisch unbeeinflusst an den D/A-Konverter-Chip weiter. D/A-Wandler mit schneller PLL, in Sachen Jitter-Performance aber eher mäßigem Taktoszillator, lassen sich daher durch Vorschalten eines Reclockers oder eines jitterarmen Laufwerks klanglich durchaus verbessern. Da sich schnelle PLLs sklavisch an die Vorgaben des Masters halten, kann allerdings auch das Umgekehrte passieren: Im Zusammenspiel mit Jitter-behafteten Zuspielern klingen D/A-Wandler mit schnellen PLLs nicht so gut, wie sie’s könnten.

Ganz anders dagegen D/A-Wandler mit träge eingestellten PLLs: Bei ihnen liegt die Eckfrequenz derart niedrig, dass sie nur auf langsame Änderungen der Taktfrequenz, nicht aber auf mögliche, hochfrequente Jitter-Komponenten reagieren. Langsame PLLs zeigen sich also gegenüber den Eigenschaften der Zuspieler weitestgehend immun.
Bei ihnen wirken Reclocker oder jitterarme Zuspieler daher kaum klangverbessernd. Jedoch können D/A-Wandler mit trägen PLLs mäßige Zuspieler in Sachen Jitter-Performance deutlich aufwerten – vorausgesetzt, ihre eigenen Taktoszillatoren zeichnen sich durch geringes Phasenrauschen aus.
10. Mittlerweile sind externe Geräte zum Takten von digitalem Equipment mit Word-Clock-Eingang erhältlich, die mit der Frequenz-Präzision von Atomuhren werben. Über mögliche, zu erwartende Klangverbesserungen sagt die absolute Ganggenauigkeit jedoch zunächst mal gar nichts aus: Gute Jitter-Performance und damit optimaler Klang entsteht nicht dadurch, dass die Abtastfrequenz aufs Hertz genau eingehalten wird – viel wichtiger ist, dass das Phasenrauschen des Taktoszillators möglichst gering ausfällt: Nur das stellt sicher, dass die Abstände zwischen den Abtastwerten konstant eingehalten werden.
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