Vielen Zeitgenossen ist modernes HiFi viel zu langweilig. Glatte Formen und glatter Sound zu ambitionierten Preisen – das ist nichts, womit man diese Menschen hinter dem Ofen hervorlocken könnte. Sie stehen nicht selten auf Hochwirkungsgrad-Lautsprecher plus Vintage Elektronik und sind – wenn sie sich hier wiedererkennen – bei Blast Audio in Worms haargenau richtig.
„Blast“ steht – na klar – für Druckwelle. Firmeninhaber Patrick Buscaino lässt schon im Firmennamen keine Zweifel darüber aufkommen, wie seiner Meinung nach authentisch Musik gehört werden sollte: nämlich nicht leise. Im Laufe seines HiFi-Lebens hat sich der Wormser mehr und mehr auf Hochwirkungsgrad-Lautsprecher spezialisiert. Aber keine von der Stange: Buscaino entwickelt sie selbst – mit Klassiker-Bauteilen, die er sich überwiegend aus Restbeständen besorgt. Ein Blick auf seine Website zeigt, wessen Geistes Kind der gebürtige Wormser ist.
Buscaino ist ein Bewahrer. HiFi kann er nicht wegwerfen – aber sehr gut reparieren. Deshalb hat er auch in der Wormser Innenstadt einen Souterrain-Laden mit Reparaturwerkstatt und einer Ausstellungsfläche, die ein bisschen nach Dauer-Flohmarkt aussieht.
Was hier rumsteht, ist zwischen 10 und 50 Jahre alt, aber eins wie das andere absolut funktionsfähig. Egal, ob HiFi, Audio oder Bühnen-PA: Es gibt quasi alles. Wer beispielsweise eine komplette Anlage mit Helden der Achtziger oder Neunziger Jahre sucht, wird bei Blast Audio in jedem Fall fündig. Wahrscheinlich sogar für kleine Münze. Und er geht kein Risiko ein, weil Buscaino selbstverständlich alles genauestens checkt.
Ich fand hier beispielsweise einen Harman/Kardon HK 6150 aus den frühen Neunzigern. Der kleine Amp spielte damals alles in Grund und Boden und dürfte auch gegen modernes HiFi noch gut bestehen. Bei Buscaino gibt es ihn für knapp über 100 Euro.
Mit modernen HiFi-Lautsprechern funktionieren die alten Verstärker-Helden nicht so gut. Zum einen war früher Leistung echt teuer, zum anderen der Hörgeschmack (und damit der Abmischungs-Charakter) ein anderer. Praktisch, dass Buscaino ein ebenso großes Faible für Hochwirkungsgrad-Lautsprecher hat und er sie sogar selbst entwickelt. Womöglich ja sogar an einem Vintage Verstärker.
Buscaino: “Ich liebe die Stereo-Receiver der Siebzigerjahre. Die Haptik ist toll und der Sound hat sowas Warmes.” Doch für deren Präsentation hat Buscaino noch seinen Ausstellungsraum zu Hause, wo er a.) die edleren seiner Vintage-Komponenten stehen hat und wo er b.) seine Lautsprecher entwickelt und auch vorführt.
Hier sieht es aus, wie es in einem Entwicklungs- und Vorführraum aussehen muss: Die Gerätschaften stapeln sich und egal, wo man hinschaut: man sieht lauter geiles Zeug.
Schon kurz nach Eintreffen hatte ich mich unsterblich in den Sansui 9090D verliebt, den ließ Buscaino aber leider nicht laufen. Und noch ein Schmankerl weckte meine Neugier: Ein Breitbänder aus den 1930er Jahren, der seinerzeit für Sprachübertragungen am Bahnhof entwickelt wurde. Buscaino hat noch einige davon und ist vor allem vom Hochton begeistert: “Die haben eine Wahnsinns Auflösung”. Der Vintage-Spezialist kombinierte den Breitbänder-Oldie mit einem 12 Zoll Bass von Yamaha, der immerhin 50 Jahre jünger ist.
Das klang erstaunlich gut. Wie auch die Anlage, die er uns vorführte. Dafür hatte Buscaino eine Endstufe mit “etwas mehr Reserven” ausgesucht. Schon da hätte ich hellhörig werden müssen, blieb aber arglos. Selbst als die größten Bassreflexboxen im Raum angeschlossen wurden. Kenner werden bei den Namen der Treiber hellhörig: 15 Zoll PA-Tieftöner JBL K130, Mitteltonhorn JBL 2482 (Gewicht: 12 Kilo!) und Druckkammer-Hochtöner Fostex FT66. Wem das nichts sagt, kann ich verraten: man kann damit sehr, sehr laut und unverzerrt Musik hören. Und genau das taten wir.
Buscaino legte so einiges auf und es klang hammermäßig gut: nämlich extrem präzise, auf den Punkt, laut und unverzerrt. Nach diversen Stücken mit dem Pegel einer startenden Galaxy (ich saß nicht einmal 2 Meter von den Lautsprechern entfernt) hatten meine Ohren genug und ich wollte gehen. “Nein, nein”, protestierte Buscaino: “Elvis musst du noch hören”. Und wie gut, dass er mich überredet hat: “In The Ghetto” (live), ein Stück, das ich freiwillig nie hören würde, klang über diese Anlage zum Niederknieen gut. So als sei die Aufnahme von heute und nicht von 1969: körperhaft, dynamisch, absolut authentisch. Große Klasse, großes Kino.
Buscaino schafft mit seiner Art einen ganz speziellen Spagat: Er adaptiert zu dem Klang der alten Verstärker-Helden seine speziellen Hochwirkungsgrad-Speaker. Und zusammen ergibt sich daraus ein ebenso spezielles wie phänomenales Erlebnis. Mein Tipp: Einfach mal Worms in die nächsten Reiseziele mit aufnehmen. Die Öffnungszeiten sind allerdings rar gesetzt: immer Samstags zwischen 10 und 16 Uhr oder nach telefonischer Vereinbarung. Telefon: 06241 24556.
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