Eine neue Generation von Lautsprechern wächst heran. Lautsprecher, die beides können: extrem gut klingen und trotzdem größten Komfort bieten. Einige High-End-Hersteller wollen die smarte Bedienungsfreundlichkeit und Vielseitigkeit nicht mehr nur den Boses oder JBLs dieser Welt überlassen, sondern erarbeiten ihrerseits hoch attraktive Lösungen. Die Lautsprechermanufaktur Lyravox hat diesbezüglich einen gewissen Vorsprung, weil sie schon seit Jahren an highendigen Soundbars wie dem Stereomaster SM3-150 arbeitet. Nun haben die Hamburger ihr Wissen und ihre elektronische Plattform auf eine Serie klassischer Lautsprecher übertragen und (bislang) vier überragend smarte High-End-Schallwandler entwickelt. Ihr jüngster Sproß, die Lyravox Karlos, ist ihnen besonders gut gelungen. Wir hatten die ungewöhnliche 2-Wege-Box lange und gern im Hörraum und gaben sie nur unter Protest wieder heraus…
“Kannst rüberkommen, bin feddich.” Ich hatte mir gerade einen Tee gemacht und wollte mich an die Korrektur verschiedener Texte machen, da holte mich der Anruf von Jens Wietschorke in den LowBeats Hörraum. Wietschorke ist der akustische Mastermind bei Lyravox und vom Dialekt eindeutig als Hamburger auszumachen. Eine gute Stunde hatte er gebraucht, um die Karlos auf unseren Hörraum einzumessen. Ich dachte, er bräuchte wenigstens doppelt so lang. Aber Wietschorke kennt sich nicht nur mit dem eingebauten Raum-Equalizer der Karlos gut aus, er kennt auch den LowBeats Hörraum von mehreren Boxen-Präsentationen bereits recht gut.
Und außerdem scheint dieser aktive Streaming-Lautsprecher namens Lyravox Karlos irgendwie extrem gut in den Raum zu passen. Schon bei den ersten Takten denke ich: es klingt wie angegossen.
Die Lyravox Karlos ist das kleinste Modell der bisher vierköpfigen Streaming-Lautsprecherfamilie, aber wie ich finde, das faszinierendste und attraktivste. Das liegt zum einen am Preis. Mit knapp 12.000 Euro ist die Karlos der günstigste Sproß der Familie und so noch am ehesten erschwinglich. Aber auch daran, dass sie so hübsch ist, dass sie mit ihrer schnörkellosen Bauhausform auch im Museum Of Modern Art eine gute Figur abgeben würde. Und sie hat, obwohl die kleinste der Serie, trotzdem das volle Elektronik-Gedeck der großen Modelle eingebaut.
Die Technik der Lyravox Karlos
Von der Lautsprechertechnik her ist die Karlos eine 2-Wege-Box, bei der vieles anders gemacht wurde als bei den meisten klassischen Lautsprechern. Schon die Kombination aus einem 26 cm durchmessendem Tiefmitteltöner und einer 30 mm großen Hochtonkalotte ist selten; mehr als 95 Prozent aller 2-Wege-Boxen im HiFi haben kaum halb so große Bässe.
Wietschorke ist ein ausgewiesener Lautsprecherspezialist und weiß genau, was er tut: Größere Bässe bedeuten mehr Membranfläche und die wiederum steht für mehr Tiefgang und mehr Pegel. Man muss nur den richtigen Hochtöner finden, der entsprechend niedrig anzukoppeln ist.
Den fand der Lyravox Entwickler bei Accuton, der feinsten deutschen Adresse für Tief-, Mittel- und Hochtöner. Accuton ist weltweit berühmt für seine Keramik-Treiber und eine Spezialversion der 30mm Hochtonkalotte passte bei Karlos wie die Faust aufs Auge. Sie klingt hervorragend und übernimmt – das war in diesem Falle wichtig – bereits bei 1.800 Hertz das Geschehen. Im unteren Bereich wird die Kalotte dabei durch einen sogenannen Wave-Guide, ein kurzes Horn, unterstützt. Und für etwas mehr Hochtonglanz und etwas mehr Raum baut Wietschorke auf der Oberseite der Lyravox Karlos einen Air Motion Transformer (AMT) ein, der ab etwa 12.000 Hertz Schall nach oben abstrahlt – was, wie sich herausstellen sollte, ein kluger Schachzug ist.
Der auffällige (weil sehr große) 26cm Tieftöner kommt von Scan Speak.Das ist ein exzellenter Bass mir Aluminium-Membran und verzerrungsarmem Antrieb, welcher Wietschorke trotzdem noch nicht gut genug war: Der Tüftler modifiziert jeden Bass per Hand und holt so das letzte Quäntchen aus ihm raus.
Das Gehäuse der Karlos hat nicht nur ungewöhnliche Abmessungen, es ist auch sehr anständig verarbeitet. Die kleine, aber feine Tischlerei, die alle Gehäuse für Lyravox in Handarbeit erstellt, ist auf edle Möbel spezialisiert. Das spürt man an allen Ecken. Wie üblich habe ich auch die Karlos aufgeschraubt und siehe: Auch innen ist alles penibel sauber gemacht, der Korpus sinnvoll verstärkt.
Eingebaute Elektronik gibt in einem solchen All-in-One-System natürlich zur Genüge. Zunächst einmal: die aktive 2-Wege-Box ist ein Master/Slave-System. Das heißt, alle Endstufen, die DSPs, aber auch die Anschlüsse und das Streaming-Modul sitzen in der sogenannten (linken) “Masterbox”; der (rechte) “Slave” wird lediglich über ein kräftiges Support-Kabel angesteuert.
Auf der Rückseite der hübsch gemachten Metallblende sitzen zunächst einmal vier Endstufen à 500 Watt: je eine für jeden Tief- und jeden Hochtöner des Lautsprecherpaars. Der Ambient-Hochtöner auf der Lyravox Karlos wird passiv angesteuert; da würde eine weitere Endstufe keinen Sinn machen. Die vier Class-D-Verstärker kommen von dänischen Anbieter Pascal Audio – eine anerkannte Größe in diesem Bereich.
Die Verstärker gelten als sehr gut, bekommen aber erst durch die DSPs den letzten Schliff. Denn durch sie lassen sich die Verstärker perfekt auf die eingebauten Treiber einstellen: Ist ja klar, dass auf die Endstufe eines Tieftöners andere Aufgaben zukommen als auf die Endstufe eines Hochtöners. Die DSPs übernehmen debenfalls die Arbeit des feinfühligen Raum-Equalizers, der die Lyravox Karlos so viel einfacher in der Aufstellung macht als alle Passivboxen auf diesem Planeten. Advantage DSP-getriebene Aktiv-Boxen…
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