Die LowBeats Rubrik „Album der Woche“ ist schön und tiefschürfend, aber leider nicht ausreichend. Jeden Monat erreichen uns sehr viel mehr spannende Neu-Veröffentlichungen, die es verdient hätten, vorgestellt zu werden. Das machen wir in einer Art Monatsrückblick: Unter der Rubrik „die musikalischen Highlights des Monats“ geben wir eine Übersicht, was aus dem Vormonat musikalisch unbedingt zu beachten ist: Musik, die – über alle Stilrichtungen und Genres hinweg – fabelhaft, virtuos, meisterhaft ist oder einfach unschlagbar charmant klingt. Und so bot auch der verregnete Sommermonat wieder so einiges: Ein Rückblick auf die musikalischen Highlights des August 2023.
Als da wären:
♦ The Connells mit ihrem Top-Album „Ring“ in der 30th-Anniversary-Edition – Alternative-Pop-Rock zwischen R.E.M. und Fleetwood Mac mit vielen Bonustracks.
♦ Neil Young (schon wieder …) mit zwei Klasse-Alben inklusive Wiederveröffentlichungs-Charakter: „Chrome Dreams“ mit seiner Hausband Crazy Horse live im „Odeon Budokan“.
♦ Bebel Gilberto “Joao” – tolles Album mit Coverversionen von Brasil-Songs ihres legendären Vaters Joao Gilberto.
♦ Burt Bacharach: Dream Big! – The First Decade Of Songs, ein wunderbarer, opulenter Querschnitt der Anfangsjahre des im Februar 2023 verstorbenen amerikanischen Kompositons-Meisters.
Die musikalischen Highlights des August 2023
Wir starten mit The Connells und ihrem Top-Album „Ring“ in der 30th-Anniversary-Edition – Alternative-Pop-Rock zwischen R.E.M. und Fleetwood Mac mit vielen Bonustracks.
Kinder, wie die Zeit vergeht: 30 Jahre sind bereits ins Land gezogen, seitdem die Alternative-Rocker mit Jangle- oder Celtic-Touch aus North Carolina um die Brüder Mike und David Connell mit ihrem Album „Ring“ in den Olymp der Mega-Bands aufgestiegen sind. Erfolgsbringer waren unter anderem die Chartstürmer-Songs „74-75“, „Slackjawed“ und „New Boy“. Bereits vorher veröffentlichten The Connells zwei sehr gute Alben mit „Boylan Heights“ und „One Simple Word“. Das Qualitätsniveau des Album-Trios konnten sie dann ab Mitte der 1990er Jahre jedoch nicht mehr ganz wuppen.
Das aktuell geschnürte Jubiläumspaket feiert ihr fünftes Album „Ring“ mit Remastering und 21 Bonustracks, darunter B-Seiten und zwölf unveröffentlichte Demos plus Liner-Notes sowie Interviews mit der Band.
Nach drei Jahren stressigem Touralltag zog sich die Band für die Aufnahmen von „Ring“ in die Woodstock Bearsville Studios zurück. Am Regiepult: Produzent Lou Giordano (Goo Goo Dolls, Bob Mould, Jewel).
Das Magazin „American Songwriter“ aus Nashville lobte die Connells als „eine denkende Band, die selbst inmitten ihrer Rock’n’Roll-Ausgelassenheit von einer ernüchternden Einstellung geprägt ist. Es ist eine meist nachdenkliche Perspektive, die jedem ihrer Songs zusätzlichen Nachdruck verleiht.” Dem schließen wir uns im Wesentlichen an, mit dem Zusatz, dass die Jungs zumindest eine Weile lang sogar im schattigen Dunstkreis von R.E.M. ähnliches Niveau erreichten.
Nach dem Tod ihres Musikergefährten Eric Littmann, begann eine bürdenhafte Zeit, die Julie mit „The Greater Wings“ aufzulösen versucht. Dank Indie-Promi-Produzent Alex Somers (Sigur Rós, Julianna Barwick) sitzt die 32-Jährige auf ihrem neuen Album auch am Piano und webt damit fein ziselierte Tupfer in ihre Stücke ein. Harfe und Streicher-Einheiten umwölken einige Stücke obendrein charmant. Das erinnert in der Tat auch an die guten alten Zeiten, in denen der Laurel Canyon, in den Bergen von Santa Monica / L.A., Größen des Folk beherbergt hat wie David Crosby, Joni Mitchell oder James Taylor. Klasse: Die Tontechnik fing alles in schön aufgelöstem, feindynamisch ambitionierten und raumgreifenden Ambiente ein.
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Neil Young mit zwei Klasse-Alben inklusive Wiederveröffentlichungs-Charakter: „Chrome Dreams“ mit seiner Hausband Crazy Horse live im „Odeon Budokan“.
Der Mann haut seit Jahren ein Ding nach dem anderen raus: Neue Alben, alte remasterte, offizielle Bootlegs und „long lost“ Alben wie aktuell „Chrome Dreams“. Kann man machen. Er kann’s machen. Immerhin hat der kanadische Singer-Songwriter mit seinen 77 Lenzen einiges auf dem und im Kasten. Dabei gilt Young mit einem eigenen HiRes-Channel zudem als Freund des guten Tons.
Immer wenn ich in puncto wertvoller Songs oder gar Alben „verschollen“, „vergessen“ oder irgendwo im Keller oder auf dem Dachboden „wieder gefunden“ höre, keimt die Frage auf: What…? Was in aller Welt – und wo – hebt ihr Musiker denn eure Kunstwerke auf? Nehmen wir’s aber einfach mal so hin. Auch wie in diesem Falle von „Chrome Dreams“ mit seinem runden Dutzend Songs wie beispielsweise „Homegrown“, mit Young (Vocals, Gitarre), Frank Sampedro (Gitarre),Billy Talbot (Bass, Vocals) und Ralph Molina (Drums und Vocals) – allesamt Mitglieder von Youngs Crazy-Horse-Truppe. Die in diversen Sessions auf der „Indigo Ranch“ oder auf der „Broken Arrow Ranch“ eingespielten Songs (auch „Pocahontas“, „Captain Kennedy“ oder „Sedan Delivery“ sind dabei) zeigen, was die Jungs damals, Mitte der 1970er Jahre längst draufhatten. 1977 sollte das Album rauskommen, verstaubte aber. Die Songs fanden sich schließlich auf späteren Alben wieder. Wie auch „Powderfinger“ 1979 auf „Rust Never Sleeps“:
„Pass’ auf, Mama, da kommt ein weißes Boot den Fluss herauf Mit einem großen, roten Blinklicht, einer Flagge und einem Mann an der Reling Ich denke, du rufst besser John Weil es nicht so aussieht, als ob sie die Post bringen würden Die sind nur weniger als eine Meile entfernt Ich hoffe, sie kommen nicht, um zu bleiben …. Daddy ist fort und mein Bruder ist jagen, draußen in den Bergen Big John trinkt, seit der Fluss seine Emmy-Lou nahm Also haben die höheren Mächte mich hiergelassen, um das Denken zu übernehmen Ich wurde gerade 22 … Daddy’s Büchse in meiner Hand fühlte sich beruhigend an …
Ein vertontes Stück US-Einwanderungsgeschichte und -Historie, die der Kanadier Young immer wieder gerne fokussiert(e). Das schöne Extra von „Chrome Dreams“: Der Klang – unterschiedlich je nach Song, jedoch recht klar, prima aufgelöst und tonal ausgewogen.
Schwenken wir noch kurz rüber nach Japan und London ins Jahr 1976. Dort spielten Young & Co legendäre Live-Konzerte, die es nun erstmals auf LP gibt: „Odeon Budokan“. Zehn Tracks, die mindestens Youngsche Live-Geschichte geschrieben haben, famos, unerhört, teils beinahe beklemmend wie souverän und mitreißend Young solo oder mit Crazy Horse Songs wie „After The Gold Rush“, „Old Man“ oder „Cortez The Killer“ spielten.
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Sängerin Bebel Gilberto mit Joao – tolles Album mit Coverversionen von Brasil-Songs ihres legendären Vaters Joao Gilberto
Papa war ein prominenter Sänger und Komponist, dessen Frau Astrud interpretierte mit ihm und Solo in den sechziger Jahren die eigenständigen Melodien und Rhythmen. 2019 verstarb Joao, der große brasilianische Musiker und Künstler. Seine Tochter Bebel widmet ihm nun ein ganzes Album. Es sollte sogar so etwas wie ein posthumer Liebesbrief an ihren Vater werden, gleichzeitig das Nachfolgewerk ihres prima Albums „Agora“ von 2020. Eine feinfühlige und ausgewogene Auswahl seiner Lieder, die die gebürtige New Yorkerin mit brasilianischen Wurzeln darauf vereint. Dabei betört die 57-jährige Sängerin mit ihrem unverwechselbaren, leicht melancholischen Alt mit elf Stücken. Darunter finden sich wunderbare Klassiker wie „O Pato“, „Desafinado“, „Vocé E Eu“ oder „Undiú“ sowie „É Preciso Perdoar“ oder „Caminhos Cruzados“.
Das Oeuvre bringt das nostalgisch getupfte Brasil-Feeling scheinbar schwerelos auf den Punkt, mit pastellfarben gezupfter Gitarre, sonorem Akkordeon, Piano und Querflöten. Eine wonnig-sonnige Woge der Melancholie mit imaginärem Aussicht auf Atlantik und Copacabana.
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Hier ein kleiner Appetithappen:
Burt Bacharach “Dream Big!” – The First Decade Of Songs, ein wunderbarer opulenter Querschnitt der Anfangsjahre des Anfang 2023 verstorbenen amerikanischen Kompositons-Meisters
Der Mann war ein Phänomen, mehr noch: ein Meister der genre- und stilübergreifenden Komposition, die sich in Dutzenden Hits, interpretiert von mindestens ebenso vielen Musikern ihren Weg in die Hitparaden und den Mainstream bahnte. Golden Globes, Grammys und Oscars pflasterten seinen Karriereweg. Burt Bacharach verstarb im Februar dieses Jahres mit 94 Jahren in Los Angeles. Im Rampenlicht seiner Stücke standen meist andere: Nat King Cole, Tony Bennett, immer wieder gerne Dionne Warwick, Frankie Avalon, Frank Sinatra und sogar Frank Zappa, Christopher Cross, Rod Stewart oder Elton John – und die Beatles („Baby It’s You“).
Bacharach nährte die DNA seiner Musik unter anderem aus frankophiler Liebe zu Debussy oder Ravel, Brasil-Pop, Jazz inklusive Bebop oder Soul. Er verschmolz Crooner-Samt mit Pop-Glam. Im flüchtigen radiophonen Hinhören wirkte das zuweilen vermeintlich wie Easy Listening. Genauer betrachtet, schuf Burt Bacharach aber teils tiefblau schimmernde, profunde Stücke, die heute noch nachwirken, wenngleich von einem Schuss Nostalgie getränkt.
Nun vereint eine wohl sortierte Vier-CD-Box die Anfangszeit des Musikgenies, unterteilt in „The First Book Of Songs (1952-59), „Long Ago Last Summer (1959-61) und „Make It Easy On Yourself (1962). Mit dabei unterschiedliche Stilfacetten mit „The Story of My Life”, „Baby It’s You“, „Make It Easy on Yourself“ oder „I Just Don’t Know What To Do With Myself“. Disc Nummer vier beeindruckt zudem als i-Tüpfelchen mit „Einflüssen und Inspirationen“.
Das hat Klasse.
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