Kaum ein anderes Lautsprechersystem hat die Boxenwelt der letzten Dekade so nachhaltig beeinflusst wie das vollaktive LS1 vom niederländischen Spezialisten Grimm Audio. In akustischer wie elektronischer Hinsicht gleichermaßen richtungsweisend, wurde das LS1 zum Vorbild einer neuen Lautsprechergeneration – man denke dabei nur an bekannte Namen wie GGNTKT, Kii Audio oder Lyravox. Wir hatten den Ausnahme-Lautsprecher in seiner neuesten Variante als Grimm LS1be im Test – also mit Beryllium-Hochtöner.
Dank seines konsequent durchdachten Basiskonzepts bietet das Grimm LS1 genügend Spielraum für weitere essentielle Verbesserungen – ohne, dass technisch oder optisch Grundsätzliches zu verändern wäre. Drum erstaunt es nicht, dass Grimm Audio das LS1 bei nahezu identischem Erscheinungsbild in drei unterschiedlichen Ausführungen anbietet. Protagonist im vorliegenden Test ist die jüngste, qualitativ anspruchsvollste Variante namens Grimm LS1be, ergänzt um die ebenfalls brandneuen Subwoofer-Elemente SB1.
Grimm LS1be: die ganzheitliche Lösung
Beim Grimm LS1be handelt es sich nicht bloß um Lautsprecher, sondern vielmehr um ein komplettes, aktives Musiksystem inklusive aller Leistungsverstärker. Nach dem Anschluss analoger oder digitaler Tonquellen ist es vollständig spielbereit. Elektroakustisch stellt das LS1be ein aktives Zweiwege-System mit geschlossenem Gehäuse dar, das bereits in der Grundausführung ohne Subwoofer den kompletten Hörfrequenzbereich abdeckt.
Bei höheren Ansprüchen an die Abhörlautstärke – zum Beispiel beim Einsatz im Tonstudio – lässt sich das LS1be um zwei flache, in die Sockel eingelegte Subwoofermodule ergänzen. Hierdurch verbessert sich nicht nur die Dynamik im Bassbereich. Unterstützt durch die Woofer, müssen die vom norwegischen Spezialisten Seas stammenden Magnesiummembran-Tiefmitteltöner weniger Membranhub aufbringen. Das steigert ihre Maximalpegel-Reserven und kommt damit der gesamten Systemdynamik zugute. Unterhalb von 70 Hertz um die Subwoofer ergänzt, arbeitet das Grimm LS1be dann als echtes Dreiwege-System.
Die Anwahl der Tonquellen wie auch die Einstellung der Lautstärke erfolgt entweder über den kabelgebundenen Controller LS1r oder aber Computer-basiert über die LS1-Software. Die ist kostenlos für Mac-, Linux- oder Windows-Rechner erhältlich. Praktischerweise verfügt der Controller LS1r über zwei weitere AES3-Digitaleingänge: So lässt er sich beispielsweise im Tonstudio neben das Mischpult auf den Desktop stellen und bequem mit anderen dort platzierten Digitalquellen verbinden.
Direkt zum FazitAls ultimative Tonquellen-Lösung lässt sich das LS1be (wie auch alle anderen Varianten) um den Grimm MU1 ergänzen. Der enthält nicht nur einen eigenen Roon-Core (auf Wunsch mit integrierter Festplatte), sondern auch ein extrem aufwändiges, spezielles Digitalfilter, welches den Klang des Gesamtsystems nochmals deutlich verbessern will. Gleichzeitig bildet der MU1 dann auch die “Kommandozentrale” für alle Komponenten inklusive Lautstärkesteller. Zum Grimm MU1 gibt es in der Tat einiges zu sagen, sodass wir diesem alsbald einen separaten Beitrag widmen.
Im Fokus: Das akustisch Machbare
Für alle Varianten des Grimm LS1 gilt gleichermaßen: Sie verkörpern die ungewöhnliche Vorgehensweise bei ihrer Entwicklung. Hierbei standen zunächst die akustischen Rahmenbedingungen im Vordergrund, welche die klangprägende “Schnittstelle” Lautsprecher-Hörraum vorgibt. Die daraus resultierende Frage, welche konstruktiven Spielräume diese überhaupt zulässt, führte zu einer wesentlichen Erkenntnis: Unter üblichen Wohnraumbedingungen kann es DEN perfekten Lautsprecher faktisch nicht geben – allenfalls mehr oder weniger gelungene Kompromisse. Daraus entwickelte das Grimm-Team eine Art Do-Not-Pflichtenheft mit all denjenigen elektroakustischen Konstruktionsfehlern, die man bei Lautsprechern vermeiden sollte.
Statt hochgesteckte Ziele zu verfolgen, die unter Praxisbedingungen ohnehin nicht erreichbar sind, konzentriert sich das Grimm LS1 vielmehr auf das mit Lautsprecherwiedergabe in Räumen akustisch Machbare – was einen überraschenden Freiraum schafft. Denn das, was nach Anwenden dieser Vermeidungsstrategie bei der elektroakustischen Substanz an „Restfehler“ übrigbleibt, lässt sich mit relativ geringem Korrekturaufwand auf digitalem Wege kompensieren. Mehr dazu in einem späteren Kapitel.
Form follows function
Die ungewöhnliche, dennoch ansprechende Formgebung des Grimm LS1 folgt also keineswegs rein optischen Gesichtspunkten. Vielmehr ist sie die konsequente Umsetzung akustischer Erfordernisse. Augenfällig zeigt sich das an ihrer mit 53 Zentimetern ungewöhnlich breiten Ständer-Schallwand-Kombination: Diese sorgt dafür, dass die Frequenz, unterhalb derer die Lautsprecher allmählich rundherum abstrahlen (die sog. Baffle-Step-Frequenz), bei niedrigen 250 Hertz liegt. Dieser Wert ist kein Zufall: Unterhalb von 250 Hertz prägt im wesentlichen der Raum-Eigenklang den Amplitudenfrequenzgang.
Damit gelingt dem LS1 ein akustisch deutlich günstigeres Verhältnis von direkten zu indirekten, auf den Zuhörer einwirkenden Schallanteilen, als es Lautsprecher mit betont schlanken Lautsprechergehäusen erzielen. Diese nämlich strahlen wegen ihrer hohen Baffle-Step-Frequenz in einem Frequenzbereich noch recht breit ab, der zur guten Lokalisierung von Schallquellen bereits eine gewisse Richtwirkung benötigt. Einen lesenswerten Artikel zu diesem oft vernachlässigten Thema finden Interessierte unter diesem Link.
Um hingegen klangfärbende Beugungseffekte zu vermeiden, sind die tragenden Säulen beim Grimm LS1be links und rechts der Schallwand zudem als nach außen hin abgerundete Halbzylinder ausgeführt; auch der Schallwand-Bereich unterhalb des Hochtöners schließt mit einem solchem Halbzylinder beugungsfrei ab.
Nicht nur praktisch, sondern ebenfalls aus akustischem Grund gewollt, ist die bodennahe Platzierung der Subwoofermodule beim Grimm LS1be. Für die meisten Tonfrequenzen ist es günstig, wenn die Schallquelle in etwa im Bereich der Ohrhöhe liegt – nicht jedoch für die sehr tiefen. Befinden sich die Tieftöner ebenfalls in Ohrhöhe, ergibt sich in Verbindung mit der ersten Bodenreflexion eine Senke im Grundtonbereich, die ein eher ausgedünntes Klangbild zur Folge hat. Nicht so beim LS1: Das bodennahe, flache Gehäuseprofil der Woofer lässt prinzipbedingt keine primären Bodenreflexionen entstehen.
Kompromisslos aktiv
Passivlautsprecher zeigen sich aus vielerlei Gründen konstruktiv eher unflexibel, da der verwendete Tieftöner in Zusammenarbeit mit dem Gehäuse den „Rest“ bereits mehr oder weniger festlegt. Daher hat Grimm das LS1 kompromisslos als aktives System entworfen. Das schafft Möglichkeiten, die mit passiven Systemen definitiv nicht machbar sind – beispielsweise, die Frequenzweiche auf digitalem Wege mithilfe eines digitalen Signalprozessors (DSP) zu realisieren. Diese Lösung bietet nicht nur den Vorteil, optimal ausgelegte Filter einzusetzen, sondern auch die unterschiedlichen Signallaufzeiten der beteiligten Chassis angleichen zu können.
Übliche Vorgehensweisen solch digitaler Konzepte stellten die Grimm-Entwickler dabei ebenfalls kritisch auf den Prüfstand – mit ähnlichem Ergebnis wie bei der Gehäusekonstruktion: Das, was sich auf akustischem Wege an Fehlern vermeiden lässt, braucht man nicht auf digitalem Wege zu korrigieren. So fanden die Grimm-Entwickler heraus, dass übliche, digitale Über-Alles-Korrekturen zwar in bestimmten Bereichen eine Verbesserung bewirken können, das akustische Gesamtergebnis über alles betrachtet jedoch eher schlechter werden lassen.
Beispielsweise ist es nicht besonders günstig, den durch Membranresonanzen bedingten, unruhigen Frequenzgang eines Hochtöners mithilfe digitaler Filter einfach „glattzubügeln“. Dies führt außerhalb der akustischen Hauptachse des Lautsprechers zu quasi unkontrollierbarem Verhalten – was sich wegen der hierdurch angeregten Raumreflexionen auf indirektem Wege stets negativ auf den Klang auswirkt.
Digitales Signal-Processing – aber richtig
Bei elektronischen Frequenzweichen hingegen kann Digitaltechnik ihre Vorzüge voll ausspielen – setzt man es wie beim Grimm LS1 perfekt um. Hier gelangen sogenannte Linkwitz-Riley-Tief- und Hochpässe 4. Ordnung mit einer Flankensteilheit von jeweils 24 Dezibel zum Einsatz, digital realisiert als IIR-Filter. Diese häufig auch als LR-4-Filter beschriebene Konfiguration weist mehrere Vorzüge auf. So summieren sich die jeweiligen Anteile von beispielsweise Tiefmittel- und Hochtöner in deren Übernahmebereich perfekt ohne Pegelanstieg oder Senke; und das bei gleichzeitig perfekt symmetrischer Abstrahlkeule (sprich: akustisches Zentrum) bezogen auf die Hörebene.
Ideale Filter also? Noch nicht ganz: Aus elektrischer Sicht verhalten sich LR-4-Tief- und Hochpass zusammengenommen (parallelgeschaltet) wie ein sogenannter Allpass, sprich: perfekt linearer Frequenzgang bei definierter Phasenverschiebung. Diese hat zwangsläufig eine frequenzabhängige Änderung der Gruppenlaufzeit zur Folge – falls man letztere nicht korrigiert, wie beim Grimm LS1 realisiert. Das Resultat nennt sich “Phasenkompensiertes Linkwitz-Riley-Filter 4. Ordnung” und weist ein nahezu perfektes Übertragungs- und Impulsverhalten auf.
Individuell kalibriert
Allerdings stellen die Lautsprecherchassis selbst ebenfalls Filter dar, die das akustische Gesamtergebnis trotz optimaler Frequenzweiche nach wie vor beeinflussen. Aus diesem Grunde durchläuft jedes Grimm LS1be vor der Auslieferung einen individuellen Kalibrierprozess: Mittels gezielt einstellbarer DSP-Filter in IIR-Architektur wird das gesamte System auch akustisch feinfühlig auf LR-4-Verlauf der einzelnen Wege für möglichst linearen Über-Alles-Frequenzgang getrimmt. Hierfür nutzt Grimm Audio seit kurzem sogar einen im eigenen Haus entwickelten Computer-Algorithmus, der ein optimales Kalibrier-Ergebnis bei minimal invasiven Filterkorrekturen ermöglicht.
Als Leistungsverstärker setzt das Grimm pro Lautsprecher jeweils zwei Module vom niederländischen Schaltverstärker-Spezialisten Hypex ein. Die Hypex-Module umgehen dabei den wesentlichen Nachteil üblicher Schaltverstärker – nämlich die Tatsache, dass das Ausgangsfilter zusammen mit der Lautsprecherimpedanz einen frequenzabhängigen Spannungsteiler bildet. Dieser kann den Frequenzgang deutlich hörbar beeinflussen. Bei den Hypex-Modulen hingegen ist das Ausgangsfilter in die Gegenkopplungsschleife mit einbezogen: Bei dieser sehr cleveren, Universal Class D (UcD) genannten Technik hat die Impedanzkurve des angeschlossenen Lautsprechers daher keinerlei Rückwirkungen auf den Frequenzgang. Ehrensache, dass das Grimm LS1be die qualitativ hochwertigste Hypex-Generation namens NCore verwendet. Die gilt weltweit als Nonplusultra in Sachen Schaltverstärkertechnologie.
Grimm LS1be – Evolution statt Revolution
Freilich schon arg strapaziert, beschreibt obiges Motto das Grimm LS1be hingegen perfekt. Konzeptionell gab es eigentlich nicht viel zu verbessern – wohl aber bei den Chassis selbst. Wie bereits das Kürzel “be” in der Typenbezeichnung verrät, verwendet das LS1be nunmehr Hochtöner mit Beryllium-Kalotte. Dabei fiel die Wahl auf den T27B-DXT-GA, eine gemeinsame Entwicklung vom norwegischen Chassis-Spezialisten Seas und Grimm Audio. Im Vergleich zum Hochtöner der “normalen” LS1-Varianten kann der Beryllium-Vertreter mit erweitertem Amplitudenfrequenzgang sowie um satte 9 Dezibel reduzierten Verzerrungen aufwarten.
Obendrein verfügt das LS1be über ein verfeinertes elektronisches Innenleben. Besonders hervorzuheben hierbei sind abermals reduzierte Jitterwerte der digitalen Signalumwandlung sowie verbesserte Stromversorgungseinheiten. Nicht zu vergessen die selektierten Bauteile an klangbeeinflussenden Stellen sowie die nunmehr mit Silberleitern verdrahtete Stromversorgung. Lobenswert: Grimm Audio bietet das be-Upgrade optional auch für sämtliche bisher ausgelieferten LS1-Systeme an.
Woofermodul SB1 – Sub-Kultur
Echte, also verzerrungsarme 20 Hz mit Schalldruckpegeln von über 100 Dezibel einem Brutto-Gehäusevolumen von etwa 26 Litern zu entlocken, ist fraglos eine Herausforderung. Daher holte sich Grimm Audio für die Subwoofermodule der zweiten Generation (LS1s-DMF) mit Robert Munnig Schmidt einen zusätzlichen Spezialisten ins Entwicklerteam: Als emeritierter Professor für Mechatronik an der Technischen Universität Delft, kann der Niederländer auf 20 Jahre Berufserfahrung Research & Development bei Philips Consumer Electronics sowie weitere 10 Jahre beim Halbleiter-Fertigungsspezialisten ASML zurückblicken.
Als konzeptionellen Lösungsweg für die ultrakompakten Grimm-Subwoofer setzte Professor Munnig Schmidt auf das Prinzip der Bewegungsgegenkopplung; eng. Motional Feedback (MFB). Das überrascht insofern nicht, da Philips bereits Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts etliche recht erfolgreiche MFB-Lautsprecher für den HiFi-Bereich anbot. Wie Motional Feedback prinzipiell funktioniert, erklärt unser Tech-Wiki Motional Feedback.
Die getestete, nunmehr dritte Subwoofer-Generation namens SB1 arbeitet ebenfalls mit Membrangegenkopplung. Jedoch unterzog Grimm das Innenleben einer kompletten Revision, um sowohl den Herstellungsprozess als auch die Klangqualität weiter zu optimieren. Zu erkennen geben sich die SB1 am neuen Tieftöner sowie dem rückseitigen Schalter, der ihre Kombination auch mit Komponenten anderer Hersteller erlaubt. Dank einer verbesserten Gummisicke der Tieftöner konnten die ohnehin schon niedrigen Verzerrungsprodukte nochmals gesenkt werden. Sie erreichen nunmehr Werte, die um annähernd 30(!) Dezibel geringer ausfallen als ohne Membrangegenkopplung.
Grimm LS1be mit SB1 – der Hörtest
Mein erstes Hörtest-Erlebnis mit einem Grimm LS1 hatte ich während der High End 2015. Tatsächlich war es eine Art Initiation, die meine bisherigen Erfahrungen in Bezug auf das mit Lautsprechern klanglich Machbare schlagartig infrage stellte. Selbst einigermaßen betagte Titel, etwa der Klassiker “Dune Tune” von Level 42, reproduzierte das Grimm LS1 derart authentisch und packend direkt, dass mir buchstäblich die Kinnlade herunterfiel.
Naturgemäß kommt derartige Begeisterung stets dann auf, wenn sich endlich ein langgehegter Wunsch erfüllt. Geprägt durch meinen Beruf als Toningenieur im Mastering-Bereich wünsche ich mir sowohl bei Lautsprechern als auch Kopfhörern vor allem spektrale Verfärbungsfreiheit, Durchzeichnung und dynamische Präzision – also all das, was sich auch mit dem Begriffen Fokus und Klarheit umschreiben lässt. Um sicherzustellen, wie eine Produktion beim Musikhörer “ankommt”, möchte ich mich auf “meinen” Lautsprecher absolut verlassen können. Gefragt ist da Objektivität – toller Klang allein genügt nicht. Und für ein solches Hörerprofil ist das Grimm LS1 in der Tat wie geschaffen.
Auch das Grimm LS1be folgt dieser objektiven Leitlinie – allerdings auf subtile Weise. So agiert die veredelte Technik eher hintergründig wie ein Türöffner, der bisher nicht unmittelbar zugängliche, musikalische Welten erschließen kann. Eben das widerfuhr mir beim Titel “Min Módir” von der färöischen Sängerin Eivør – eine live eingespielte, recht bombastisch arrangierte Weltmusik-Ballade mit reichlich Wikinger-Pathos. Sie merken schon: Trotz seiner gefälligen, eingängigen Melodie konnte ich mich mit diesem Track nie so recht anfreunden und habe ihn daher meist übersprungen.
Wiedergegeben mit dem Grimm LS1be hingegen wich der für mich bislang eher schwülstige Charakter von Min Módir plötzlich einer authentischen, inneren Dramatik. Besonders ausdrucksstark zeigte sich das im furiosen Finale, in dem die Musiker nochmal “alles” geben. Bislang wirkte das auf mich stets ein wenig aufgesetzt; stattdessen war ich nun fasziniert von den feinen Klangdetails – etwa den unglaublich realistisch nach Metall klingenden Crash-Becken, die der Schlagzeuger kunstvoll bediente. Szenenapplaus also nicht nur für die Musiker, sondern auch für den neuen Beryllium-Hochtöner.
Grimm LS1be plus SB1: Bass – mal ganz ehrlich
Ergänzt um die Woofer-Einheiten SB1, setzt das Grimm LS1be in Sachen Tieftonqualität zweifellos neue Maßstäbe. Mehr noch: Es ruft dazu auf, übliche Beurteilungskriterien im Bassbereich gründlich zu überdenken. Neben der reinen Pegelbetrachtung heißt das vor allem, auch die zeitliche Ebene zu berücksichtigen. Denn ganz profan ausgedrückt, lässt sich sagen: Je länger der Bass ausklingt, desto voluminöser wird er psychoakustisch empfunden.
Typische “Bass-Schummler” sind Lautsprecher mit ungünstig lang ausschwingendem Impulsverhalten, beispielsweise Bassreflex- oder Bandpass-Konstruktionen. Addiert sich dieses dann noch zu den stets vorhandenen Raumresonanzen, ist ein klanglich verfärbter Tieftonbereich unausweichlich. Das beweist ein simpler Test: Hören Sie den folgenden Track zunächst mit einem guten, möglichst offenen Kopfhörer und anschließend über Ihre Lautsprecher. Achten Sie dabei vor allem auf die pulsierende Bass-Drum. Tipp: Der Kopfhörer gibt prinzipbedingt nur denjenigen Tieftonanteil wieder, den die Aufnahme enthält. Was Sie bei Lautsprecherwiedergabe als “mehr” oder “satteren” Bass empfinden, entsteht zusätzlich aus dem Zusammenspiel zwischen Boxen und Wohnraum.
Die Subwoofer der Grimm SB1be hingegen zeigen sich frei von klangfärbenden Nebenwirkungen im Bassbereich. Ihre Membrangegenkopplung beschert ihnen nicht nur eine im Vergleich zu anderen Subs extrem verzerrungsarme Tieftonwiedergabe ohne eindickende Oberwellen, sondern auch ein präzises Impulsverhalten ohne langanhaltendes Ausschwingen. Nachfolgende Messungen zeigen denn auch, dass die Grimm SB1 die 43-Hertz-Raumresonanz im großen LowBeats Hörraum in der Tat deutlich weniger anregten als ein gleich positionierter, aktiver Kompaktmonitor – bei identischem Schalldruckpegel.
Obiges Spektrogramm lässt darüber hinaus erkennen, dass die Grimm SB1 selbst ultratiefe Töne in der 20-Hertz-Region locker aus dem Ärmel schütteln können. Das bestätigte denn auch der Hörtest: So war das “Durchatmen” des Schlagfells der mit 26 Hertz extrem tief gestimmten Kesselpauke bei “Heart” von Bo Stief’s Dream Machine bereits physisch spürbar. 700 Watt Verstärkerleistung pro Modul bringen bei Bedarf tatsächlich ordentlich Luft in Bewegung, ohne dabei unangenehmen Druck auf die Ohren auszuüben.
Pressluft? Nein danke!
Die extrem präzise Basswiedergabe des Grimm LS1be mit den SB1 bedient dabei nicht die Erwartungshaltung nach “boombasstischem” Tieftonvolumen. Vielmehr integrieren sich die SB1-Module derart homogen ins Klanggeschehen des LS1be, dass man sie eigentlich kaum wahrnimmt. Bassreflex-gewohnten Zuhörern mag das durchaus eher schlank erscheinen, was sich bei Bedarf jedoch in der LS1-Software durch leichtes Anheben der Woofer-Pegel elegant kompensieren lässt.
Ebenso wie bei meiner ersten LS1-Begegnung vor sechs Jahren gab es auch diesmal mit dem Grimm LS1be ein echtes Hörtest-Highlight. Derzeit wird ja lebhaft debattiert, was denn nun größere musikalische Freuden auslöst – Livekonzert oder Tonkonserve. Meine Meinung dazu: Beides zusammen – sprich: live eingespielt im Tonstudio. Den besten Beweis hierfür liefert nachfolgendes Studio-Live-Konzert, welches die amerikanische Indie-Folk-Sängerin Jesca Hoop mit ihrer Band in den Old Granada Studios in Manchester UK gab. Wiedergegeben über das Grimm LS1be und optisch begleitet von einem guten TV-Monitor, blieb mir da nur noch ein begeistertes “Boah – wie geil ist das denn!”. Perfekt und einfühlsam vorgetragen mit einem superb durchsichtigem, knackigen und feindynamisch ausdrucksstarkem Klangbild – und all das in einer quasi “fühlbaren” Location. Näher an der Musik kann man eigentlich nicht mehr sein, oder?
Fazit
Von hochkarätigen Audio-Spezialisten als kompromissloses Wiedergabesystem entwickelt, vereint das Grimm LS1be geschickt die “Welten” Professional Audio und HighEnd-HiFi. Grundlage hierfür ist sein akustisches Konzept der vergleichsweise geringen Raumanregung, was Standort-abhängigen Zufallsklang weitgehend vermeiden hilft. Tonschaffende können daher mit dem LS1be zuverlässiger am Tondokument arbeiten, was zu kompatibleren Ergebnissen führt. Musikliebhaber hingegen erhalten mit dem Grimm ein hochpotentes, dafür vergleichsweise kleines Lautsprechersystem und die Gewissheit, dass das Gehörte tatsächlich vom Lautsprecher und weniger von seiner akustischen Umgebung stammt. Beides zusammen ist ein wichtiger, der werkgetreuen Musikwiedergabe zuträglicher Schritt, dem sogenannten “Circle of Confusion” zu entrinnen. Dieser einst von Audio-Koryphäe Dr. Floyd Toole geprägte Begriff beschreibt die Ergebnis-Unsicherheiten beim Arbeiten mit “wackligen”, sprich: voneinander abhängigen, weil fehlerbehafteten Referenzen.
Kein Weihrauch – kein highfideles Chichi: Überraschend bodenständig, tritt das Grimm LS1be den Beweis an, dass allerfeinste Klangqualität zuallererst ein physikalisch fundiertes Gesamtkonzept erfordert. Sein audiophiler Anspruch hingegen zeigt sich in der geradezu wissenschaftlichen Akribie, mit der auch feinste Technik-Details bedacht wurden. Natürlich hat dies alles seinen – schon recht stattlichen – Preis. Wie jedoch das be-Upgrade beweist, kauft man mit einem Grimm LS1 definitiv kein One-Hit-Wonder. Vielmehr erwirbt man hier ein Musiksystem “fürs Leben”, das sich zukünftigen Entwicklungen gegenüber vorbildlich aufgeschlossen zeigt. Wie ich finde, eine ebenso lohnende wie nachhaltige Investition, die klanglich kaum Wünsche offen lässt.
Was darüber hinaus das Grimm LS1be für mich neben seiner Referenz-Klangqualität zur ersten Wahl bei Monitorsystemen macht, ist sein vollständiger Verzicht auf highendige Attitüden. Man schaltet es ein und es ist sofort und zuverlässig voll “da”. Ich brauche weder auf Vollmond zu warten, noch muss ich es mir schöntrinken, um Musik in bestmöglicher Qualität zu genießen – aber eben auch, um mit Freude daran zu arbeiten.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Vorbildlich neutraler, konturenscharfer und plastischer Klang |
| Tiefreichende, hochpräzise Basswiedergabe |
| Spielfertiges Musiksystem für analoge und digitale Tonquellen |
| Umfangreiche Kalibriermöglichkeiten über Setup-Software |
Vertrieb:
Hörzone GmbH
Reinhard Weidinger
Balanstr. 34
D-81669 München
Telefon: +49 89 721 10 06
E-Mail: [email protected]
www.hoerzone.de
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Grimm Audio LS1be (Zweiwege-Basisversion (Cable-Controller LS1r und USB-Interface LS1i optional): ab 21.990 Euro
Gesamtpreis Testset (Hersteller-Empfehlung):
Grimm Audio LS1be (Gehäuseausführung Hi-Macs White); Wooferset SB1: zusammen 37.549 Euro
Technische Daten
Grimm LS1be + SB1 | |
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Konzept | Vollaktives 2-Wege-Fullrange-Wiedergabesystem mit leistungsfähiger DSP-Einheit; optional erweiterbar durch kompakte Subwoofer-Module SB1. |
Ausstattung: | Kabel-Fernbedienung Grimm LS1 (optional); USB-Interface Grimm LS1i (optional); Spezial-Netzkabel |
Besonderheiten: | Ganzheitliches Akustik-Konzept; Beryllium-Kalottenhochtöner; digitale Frequenzweiche mit Gruppenlaufzeit-Korrektur für optimales Impulserhalten; SB1-Subwoofer-Einheiten mit Membrangegenkopplung; vielfältige Einstellmöglichkeiten per LS1 Setup-Software |
Eingänge: | analog (XLR el. symm.) mit fein einstellbarer Empfindlichkeit; digital (AES3; Single wire) mit wählbarer Kanalzuordnung |
Abmessungen (B x H x T): | 520 × 1150 × 160 mm |
Gewicht: | 40 kg pro Einheit |
Alle technischen Daten |
In diesem Test erwähnte Beiträge
Technik-Wiki: FIR- und IIR-Filter
Ratgeber: Lautsprecher-Phasenkorrektur per Roon
Technik-Wiki: Motional Feedback