Wer High End in kleinster und konsequentester Form mag, der kann sich unmöglich der Faszination einer Raidho XT-1 entziehen. An dieser Kompaktbox ist alles ausgesucht hübsch und ausgesucht gut gemacht. Sie stammt aus der Feder von Michael Boressen, der mittlerweile seine Lautsprecher unter eigenem Namen entwickelt und verkauft. Wer Boressen-Schallwandler kennt, ahnt, dass auch bei der XT-1 alles mit höchstem Aufwand umgesetzt ist. Und tatsächlich: Man findet einfach keinen Makel.
Die Besonderheiten der Raidho XT-1
Wer im Raidho Katalog stöbert, stößt womöglich zuerst auf die X-1. Die X-1 ist quasi das Ur-Modell, das weiterhin verkauft wird. Die neuere XT hat eine leichte Modifikation im Tiefmitteltonbereich. Heißt: Die sehr steife Keramikmembran des kleinen Basses wurde zusätzlich mit einer Schicht Titanium versteift. Ob das einen entscheidenden Unterschied macht, kann ich mangels Vergleich nicht sagen. Folgt man Morten Kim Nielsen, den manche vielleicht noch als Geschäftsführer von Dynaudio-Deutschland kennen und der heute den Sales & Marketing Director bei Raidho gibt, werden durch die Extra-Schicht der Eigenklang, Verzerrung und die sogenannten „Aufbrüche“ der Membran in Teilbereiche deutlich reduziert. Das ist gut vorstellbar und ja auch der Sinn solcher Komposit-Membranen.
Und damit sind wir schon bei den Treibern der Raidho XT-1. Sie werden allesamt per Hand bei Raidho aufgebaut. Das ist natürlich deutlich teurer, als würde man die Hoch- und Tieftöner von den üblichen Verdächtigen à la Scan Speak, Wavecore oder SB Acoustics beziehen. Doch die Raidho-Treiber sind technisch so außergewöhnlich, dass, so Morten Kim Nielson, „Zulieferer diesen Aufwand nicht leisten und unserem Qualitätsanspruch nicht genügen können.“
Ein besonders gutes Beispiel für das Treiber-Hightech von Raidho ist der Tiefmitteltöner der XT-1. Der Minibass mit siebenschichtiger Ceramix-Titan-Membran arbeitet mit einem Antrieb aus zehn Neodym-Magneten. Dieser Antrieb erinnert an das ebenfalls extrem aufwändige Flowers-Magnet-System von Focal. Der Vorteil dieses Konzepts: Man bekommt mehr Magnet-Power auf engstem Raum komprimiert. Der Nachteil: So ein Aufbau ist einfach sehr teuer.
Auch der Hochtöner zählt zu den Genen von Raidho. Es ist ein „richtiges“ Bändchen, entwickelt von Raidho und laut Katalog „der beste Treiber, den wir haben.“ Von Testerseite her ist das schwer zu beurteilen. Doch um zu erahnen, wie gut Tief- und Hochtöner der XT-1 tatsächlich sind, reicht der Blick auf die Top-Modelle der Dänen: Auch die arbeiten mit just diesem Bändchen-Hochtöner und dem 13-Zentimeter-Tiefmitteltöner. Und die sind ja teils (wie zum Beispiel die TD 4.8 für 134.000 Euro) extrem teuer…
Entwicklungen wie der Tiefmitteltöner sind von Klein-Manufakturen in der Regel nicht zu stemmen. Raidho allerdings residiert unter dem Dach der mächtigen Dantax-Gruppe, die wiederum eine lange Lautsprecher-Historie hinter sich hat und in Dänemark sogar börsennotiert ist. Eine große Nummer also.
Bei so viel Geld, Forschungs-Kapazität und zuletzt auch Knowhow sind natürlich auch die Gehäuse ausgeklügelte Gesamtkunstwerke. Hier trifft ein fabelhaft gemachtes, klug versteiftes und feinst lackiertes MDF-Gehäuse auf eine zweiteilige Schallwand aus Alu-Druckguss.
Wer den Text bis hierhin aufmerksam gelesen hat, weiß, dass jede der beiden Metall-Hälften die beiden Treiber aufnehmen. Das Aluminium hat hier drei Funktionen: Zum einen ist es erheblich steifer als das übliche MDF und bietet Hoch- als auch Tiefmitteltöner den perfekten Halt. Zum anderen verbessert es durch seine Steifigkeit das Schwingverhalten des gesamten Gehäuses, mit dem es über eine Dämpfungsschicht und vielen Gewindeschrauben verbunden ist.
Und drittens sieht die Schallwand durch das präzise gearbeitete Metall einfach klasse aus. Auch die Zweiteilung der Schallwand erklärt sich von selbst: Die Vibrationen des Tiefmitteltöners sollen doch bitte nicht auf den sensiblen Hochtöner übergreifen…
Praxis
Die technischen Daten der Raidho XT-1 sind von entwaffnender Seriosität: Von 80 – 50.000 Hertz soll die Frequenzgang reichen. Nun, ganz so bescheiden müssen die Dänen im Bass gar nicht sein. Zwar hat die XT-1 bei 80 Hertz einen ausgeprägten Peak, aber darunter kommt trotzdem noch einiges an Tiefton-Energie beim Hörer an. Von dieser kaum hörbaren “Tiefbass-Schwäche” sollte sich also keiner abschrecken lassen.
Und weil durchaus einiges an Bassenergie vorhanden ist, empfehle ich auch die passenden Ständer und eine weitgehend freie Aufstellung. Aus zweierlei Gründen: Zum einen steht die XT-1 dann eben nicht im Regal oder auf dem Sideboard, zum anderen sieht sie auf dem Ständer einfach unverschämt gut aus. Zugegeben: Es gibt stabilere Ständer, aber hübschere? Wohl kaum.
Und es gibt noch einen dritten Grund. Der Ständer neigt die XT-1 um einige Grad nach hinten, sodass sich die Phasenlage von Hoch- zu Tiefmitteltöner verbessert. Aus meiner Sicht sind das alles Gründe, die eindeutig für die Ständer und damit für die Ausgabe von 700 Euro extra sprechen.
Kleiner Tipp am Rande: Man kann die XT-1 erstaunlich weit auseinanderstellen und trotzdem erzeugen sie noch eine realistische Bühne. Es gibt ja die seinerzeit von Joachim Gerhardt eingeführte Variante, bei der die Lautsprecher weit im Raum stehen und so eingewinkelt sind, dass sich die (gedachten) Achsen gut einen Meter vor dem Hörplatz treffen. Mit dieser Aufstellung klang die Raidho bei uns hervorragend – auch, weil sie wegen der 80-Hertz Überhöhung selbst mitten im Raum eine gewisse Bass-Substanz zu haben scheint.
Die XT-1 hat wie die meisten High-End Lautsprecher dieser Größe und Anspruchsklasse einen Wirkungsgrad von knapp 85 dB. Die LowBeats Messungen bescheinigen ihr einen immer noch respektablen Maximalpegel von dauerhaft vertretbaren 92 dB; kurzfristig können es auch gut 100 dB werden.
Wir rechnen mal: Wenn ich mit einem Watt 85 dB erziele, sind es mit zwei Watt 88 dB, mit 4 Watt 91 dB und so weiter. Mit gut 30 Watt wäre dieser Lautsprecher nach dieser Rechnung voll ausgereizt. Man könnte also einen kleinen, feinen Röhren-Amp nehmen. Für diese These spräche übrigens auch der sensationell lineare Impedanz- und Phasenverlauf, den wir bei LowBeats in einer solchen Perfektion noch nicht gemessen haben und der keinem Verstärker in dieser HiFi-Welt irgendwelche Probleme bescheren dürfte:
Doch hier schlägt uns die XT-1-Realität ein Schnippchen. Dieser Schallwandler klingt mit wattschwachen Modellen (wie etwa dem von mir sehr geschätzten 300B Röhren-Amp Mira Ceti von Fezz Audio), die wenig Kontrolle im Bass haben, nicht sonderlich überzeugend, weil im Bass eigentümlich schwammig. Man braucht einfach Verstärker, die diese – sicherlich gewollte, aber schwer zu bändigende – Überhöhung bei 80 Hertz kompetent in den Griff bekommen.
HiFi-Fans werden diesen Trick schon von vielen anderen, kleineren Lautsprechern (das berühmteste Beispiel ist die LS 3/5a) kennen. Bei der XT-1 allerdings muss man sich dieser kleinen Mogelei besonders annehmen. Raiho selbst empfiehlt Amps mit einer Leistung jenseits der 50 Watt pro Kanal. Das ist auch nach unserer Einschätzung das Mindeste, was angeklemmt werden sollte. Die LowBeats Referenzen von Neukomm (CPA 155S) und Atoll (IN 400 ES) erwiesen sich als adäquate Leistungs-Lieferanten mit angemessener Kontrolle.
Hörtest
Die XT-1 ist kein Lautsprecher, der den Zuhörer sofort für sich einnimmt, dafür spielt sie einen Tick zu dezent. Doch je länger man ihr zuhört, umso mehr fasziniert die kleine Dänin ihrer Zuhörerschaft. Weil sie wunderbar harmonisch spielt. Weil sie – fast egal wie weit sie auseinander steht – immer eine glaubhaft plastische Bühne vor die Zuhörer aufbaut. Und weil sie bei jeder Art von Musik (und auch jedem möglichen Pegel) mit einem satt-sonoren Klangbild erfreut.
Bei basslastiger Musik wird zwar schnell deutlich, dass der kleine 13er Tieftöner kein echtes Fundament aufbieten kann. Aber die 80-Hertz-Anhebung gaukelt dem Zuhörer charmant die Illusion von “mehr” vor. Wie oben schon beschrieben, musste ich einige Versuche unternehmen, bis ich den richtigen Verstärker fand. Mit den häufig genutzten 300B-Röhren-Amps, die an anderen Lautsprechern oft völlig ausreichen, war der beschriebene Oberbass zu dominant und zu wolkig.
Bot der angeschlossene Verstärker indes die richtige Kontrolle, wandelte sich der Oberbass-Charakter von „zu viel und zu unpräzise“ zu einer charmanten Wohligkeit, die sowohl bei Stimmen wie auch bei Streichinstrumenten eine schöne sonore Farbigkeit einbrachte und auch mit bassstarke Musik durchaus beeindrucken konnte.
Beispiel Yello: In „The Expert“ rollt Yello-Mastermind Boris Blank einen Bassteppich nach dem anderen aus. Die XT-1 deutet zwar die untersten Lagen nur an, schafft aber insgesamt, sehr genau zwischen den Basslagen zu unterscheiden. „The Expert“ ist ja überhaupt ein Füllhorn fein arrangierter Details und offenbart damit die vielelicht größte Kunst der Raidho: Sie entdeckt jede noch so kleine Information und belebt das Stück durch ihre immense Detailfreude, bleibt dabei aber – anders als die meisten Lautsprecher, die ähnlich detailfreudig sind – absolut unaufgeregt. Das kaum wahrnehmbare Anblas-Geräusch, das feine Ausschwingen der Gitarren-Saiten: hier zeigt der Raidho-eigene Bändchen-Hochtöner seine ganze Klasse.
Die XT-1 schafft es, den Zuhörer nach wenigen Minuten des Hören runterzuholen. Mir jedenfalls ging es immer so. Anfangs ist man noch irgend hektisch: Dies und jenes gilt es, zu verkabeln, Vergleich hier, Vergleich dort. Die Aufmerksamkeit ist hoch, der Puls ebenfalls. Doch die XT-1 nimmt mit ihrer relaxten Art einfach die Fahrt raus. Man schließt die Augen und ein imaginäres Klangbild von prachtvoller Größe und glaubhafter Plastizität baut sich vor dem Zuhörer auf.
Obwohl die XT-1 mit zwei sehr unterschiedlichen Treiber-Prinzipien (Bändchen und dynamischer Konus) arbeitet, ist es den Entwicklern doch gelungen, eine sehr hohe Harmonie zwischen den beiden herzustellen: Weder kann man Hoch- oder Tiefmitteltöner heraushören, noch kann man den einzelnen Lautsprecher präzise im Klangbild orten. Das ist – wie auch der Bilderbuch-Phasen-/Impedanz-Gang – außergewöhnlich gut.
Fazit Raidho XT-1
Natürlich ist die kleine XT-1 – vor allem mit dem fast schon zwingend dazugehörigen Ständer – mit über 7.000 Euro beileibe kein Schnäppchen. Doch gleich, wo man hinfasst, wo man hinschaut: alles ist High End. Die Treiber, das Gehäuse, das Finish – alles genügt höchsten Ansprüchen und ist bis in die vorletzte Schraube liebevoll „Handmade in Denmark“. Das alles kostet Geld.
Und auch klanglich ist die XT-1 ein würdiger Vertreter dieser Klasse. Allerdings muss man sich Mühe bei der Wahl des passenden Verstärkers geben. Denn diesbezüglich ist die Kleine sehr viel anspruchsvoller als es auf den ersten Blick scheinen mag…
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Substanzvoll-präziser, detailreicher Klang |
| Tolle Verarbeitung, mit dem Ständer auch optisch ein Traum |
| Absolutes Treiber-Hightech |
| Braucht kräftige Verstärker |
Vertrieb:
DANTAX Radio A/S
Bransagervej 15
9490 Pandrup / Denmark
www.raidho.dk
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Raidho XT-1: 6.400 Euro
Raidho XT-1 Speaker Stand: 695 Euro
Die technische Daten
Raidho XT-1 | |
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Konzept: | Kompaktbox mit Bassreflex-Unterstützung |
Bestückung: | HT: Bändchen, TMT: 10 cm |
Max. empf. Raumgröße: | 18 Quadratmeter |
Min. empf. Verstärkerleistung | 2 x 50 Watt (8 Ohm) |
Farb-Varianten: | Hochglanz-Schwarz und -Weiß |
Abmesssungen (B x H x T): | 14,5 x 32,0 (97,0 mit Ständer) x 23,0 cm |
Gewicht: | 8,0 Kilo (11,7 Kilo mit Ständer) |
Alle technischen Daten |
Mitspieler:
Test 300B-Röhrenverstärker Fezz Audio Mira Ceti
Test Vollverstärker Neukomm CPA155S – der kompakte Favoritenkiller
Test Atoll IN 400 SE: bester Vollverstärker unter 5.000 Euro?