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Skyanalog P-1 und P-2
Skyanalog hat zwei super-interessante, weil unverschämt günstige MC im Programm: das P-1 für 550 und das P-2 für 850 Euro. Beide bei LowBeats im Doppeltest (Foto: B. Rietschel)

Test MC-Tonabnehmer Skyanalog P-1 und P-2: low Output, high Potential

Mit den P-Modellen baut Skyanalog zwar nicht die günstigsten MC-Systeme überhaupt. Aber vielleicht die günstigsten wirklich ernsthaften. Wir haben fleißig geschraubt und viele Platten gehört und sind von den chinesischen Tonabnehmern begeistert: Beide, das Skyanalog P-1 (549 Euro) und das Skyanalog P-2 (849 Euro) fordern Top-Laufwerke und liebevolle Justage, wachsen dann aber weit über ihre Preisklasse hinaus.

Schon die erste MC-Serie, die Skyanalog unter eigenem Namen auf den Markt brachte, sorgte für Aufsehen. Bei LowBeats erspielten sich die Modelle G-1, G-2 und G-3 auf Anhieb einen klaren Kauftipp-Status – allen voran das G-1: Bor-Nadelträger, Metallgehäuse und Line-Contact-Diamant an einem 1000-Euro-System? Das bekommt man sonst nur selten regulär angeboten. Nun geht Skyanalog noch einen Schritt weiter und stellt einen auf den ersten Blick genauso vollwertigen MC-Abtaster für gerade mal den halben Preis in Aussicht: 499 Euro kostete der P-1 vor der jüngsten Preisanhebung. Und da die auch vor den teureren Modellen nicht Halt gemacht hat, passt der Faktor zwei auch zwischen die aktuellen Preise: 549 Euro für das P-1 und 1.099 für das G-1.

Skyanalog P2
Diskret und professionell: Skyanalog baut seit 20 Jahren hochwertige MC-Systeme, verkauft diese aber erst seit einigen Jahren auch unter eigener Marke (Foto: Skyanalog)

Wo die chinesische Manufaktur am G-1 nochmal glatt die Hälfte weggespart haben soll, erschließt sich auf Anhieb nicht. Klar, man hätte ein Plastikgehäuse nehmen können, wie das alle anderen Hersteller bei ihren Einstiegsmodellen tun. Als ich die erste Pressemeldung zu den neuen Modellen sah, war das auch meine erste Vermutung: Ein G-1 im Economy-Plastikgehäuse – lecker! Aber weit gefehlt: Auch das P-1 steckt in massivem Aluminium. sauber gefräst, picobello eloxiert, wie es eigentlich erst zu vierstelligen Preisen üblich ist. Wer jetzt „aber Audio-Technica…“ sagen will, schaue sich die metallgewandeten AT-OC9X-Modelle mal genau an: Da ist zwar der obere Montagewinkel aus Alu, das silberne Innengehäuse aber aus metallisiertem Plastik. Ortofon packt seine Quintets ebenfalls in eine Kunststoffverkleidung, die ein Metallchassis verhüllt. Und daran ist auch nichts auszusetzen, denn dieses Gehäuse hat keine tragende, strukturelle Funktion, sondern dient lediglich als bunter Staubschutz. So ein Quintet würde auch ohne Verkleidung funktionieren – die Handhabung wäre aber prekär und man hätte keinen Platz zum Aufdrucken der Modellbezeichnung.

Das besondere an Skyanalog P-1 und P-2

Ganz ohne Karosserie klingen Tonabnehmer mitunter sogar besser. Um akustisch wirklich zu verschwinden, muss eine Verkleidung durchdacht designt und mechanisch solide ausgeführt sein. Beispiel aus einer anderen Preisregion: Die beiden Burmester-Spieler – Komplettpreis 20.000 Euro für den 217 und inzwischen 40.000 für den 175 – kommen ab Werk mit einem hauseigenen System auf Basis von Ortofons Quintet-Topmodell. Haupt-, womöglich sogar einziger Unterschied: eine gefräste und lasergravierte Alurüstung statt des schnöden schwarzen Plastiksuspensoriums. Wer ein Quintet Black in den Burmester-Arm einwechselt, wird feststellen, dass das zwar immer noch gut klingt, aber doch nicht mehr das Gleiche ist: Neben der Optik leiden auch die weite Räumlichkeit und die erhabene Ausgewogenheit der Berliner Großlaufwerke. Ähnliches weiß auch jeder zu berichten, der mal ein Denon DL-103 aus seinem Joghurtbechergehäuse in eine Massivbehausung aus Alu, Blei, Holz, Keramik oder sonst einem audiophil krediblen Werkstoff transplantiert hat: Wenn man es dabei nicht kaputtgemacht hat, klingt das japanische Radiosystem nach dem Eingriff tatsächlich meist besser.

Nur ein wenig teurer als ein Denon DL-103R, 100 Euro günstiger als ein Hana SL oder Excalibur Black, kommt das Skyanalog P-1 also schon äußerlich deutlich vornehmer aus dem ledergenarbten Pappschächtelchen. Anfangs wurden die P-Modelle sogar in Holzdöschen ausgeliefert, die nun aber den teureren „G-schwistern“ vorbehalten sind. Irgendwo muss man ja Material einsparen. Am System wie gesagt fehlt erstmal nichts. Oder doch: der Boden. G-1 bis G-3 sind unten mit einem Einsatz geschlossen, der nur den untersten Teil des Generators durchlässt und den Rest des Innenlebens verbirgt. Das P-1 ist unten offen, was klanglich kein Nachteil ist und nur auffällt, wenn man das System auf den Rücken dreht oder mit einem langhaarigen Pinsel meint abstauben zu müssen. Letzteres führt sehr wahrscheinlich zum Totalausfall: lange Borsten, die bei gut gemeinten Reinigungsaktionen von unten eindringen, sind der Todfeind des nur wenige hundertstel Millimeter dicken Spulendrahts, der im Systeminneren die Strecke von der Spule zur Rückseite der Anschlusspins irgendwie heil überwinden muss. Ich sag‘s ja nur. Die Reparatur- und Tauschpreise sind zwar fair kalkuliert, aber man will sich damit dennoch lieber erst in ein paar Jahren beschäftigen.

Skyanalog P2
Nüchtern und zweckmäßig: Die Verpackung der P-Modelle verzichtet auf Pomp und unnützes Zubehör. Mit ihrem Standort gehen die Chinesen – anders als manche OEM-Kunden – selbstbewusst um (Foto: B. Rietschel)

Das System umdrehen und reingucken dürfen BesitzerInnen dagegen nach Herzenslust. Sie erfahren dabei einiges über seinen Aufbau und über die Funktionsweise klassischer MC-Systeme – zu denen das P1 ganz offensichtlich gehört. Außen herum ist zunächst mal das Alugehäuse, an dem wir das System greifen und mit dem wir es am Headshell montieren können. Oben verbreitert es sich zu einer 5 Millimeter starken, massiven Montageplatte mit direkt eingeschnittenen M2.5-Gewinden im klassischen Halbzoll-Abstand. Die Gewinde sind unten offen und hinsichtlich der Schraubenlänge völlig unkritisch, weshalb Skyanalog auch nur einen Satz nichtmagnetischer Inbusschrauben beilegen muss. Die Oberseite ist perfekt plan und wie das ganze System seidig schwarz eloxiert. Mit hochwertigen Headshells ergibt das einen satten Sitz schon bei geringem Anzugsdrehmoment und eine präzise Verschiebbarkeit, sobald man die Schrauben minimal lockert. Für meinen Geschmack ist das immer noch die beste Art, einen Tonabnehmer zu befestigen.

Skyanalog P1 Generator
Klassischer Aufbau: Das P-2 mit gelochtem vorderen Magnetjoch, durch das der Nadelträger aus Bor ragt. Im Luftspalt zwischen vorderem und hinterem Joch gut sichtbar der kupferglänzende Spulenträger. Die kleine Madenschraube im hinteren Pol hält den Spanndraht (Foto: B. Rietschel)

Das Gehäuse umschließt den MC-Generator oben, vorne und seitlich. Unten bleibt es wie gesagt offen, die Rückwand besteht aus isolierendem Kunststoff, in den die vier Anschlusspins eingebettet sind. Im Gehäuseinneren ist ein weiteres schwarzes Alu-Frästeil eingeklebt, das als Rahmen für den eigentlichen MC-Generator dient. Dieser besteht ganz klassisch aus einem starken Magnetquader, dessen Feld von zwei Weicheisen-Polplatten nach unten geleitet wird. Dort schließt sich der Magnetkreis bis auf einen ca. 2mm breiten Luftspalt, in dem die eigentliche MC-Action stattfindet. Denn hier passt genau das winzige Spulenpaket dazwischen, das vom Nadelträger bewegt wird. Proportional zu dieser Bewegung – genaugenommen ihrer Schnelle – entstehen in den Spulen per Induktion die winzigen Signalspannungen.

Beim Generator beginnen sich die Modelle P-1 und P-2 unerwartet deutlich zu unterscheiden. Die Karosserie mag identisch sein, aber sämtliche Bestandteile des Magnetkreises sind es nicht. Das P-2 hat eine etwas breitere, kantigere vordere Polplatte. Ebenfalls massiver ist der hintere Pol, der zugleich die elastische Aufhängung des Nadelträgers beherbergt. Gemäß klassischem MC-Rezept besteht die Lagerung aus einem kleinen, dämpfenden Gummi-Donut, gegen den die Nadel-Spuleneinheit mit einem Spanndraht gezogen wird. Besonders flexibel zeigt sich Skyanalog beim Aufbau der Spulen. Es gibt naturgemäß verschiedene Wege, zwei Spulen in exakt rechtem Winkel zueinander auf einen gemeinsamen Träger zu wickeln.

Skyanalog P1 und P2
Unten ohne: Die beiden Skyanalog-Testlinge nach einigen Betriebsstunden in zwei identischen Linn Ekos 1. Die Generatoren werden vom umgebenden Gehäuse zwar gut geschützt, aber nicht berührt. Den (harmlosen) Staub lässt man lieber dran – gereinigt werden soll nur die Spitze der Abtastnadel (Foto: B. Rietschel)

Audio-Technica etwa windet Draht auf die Schenkel eines umgekehrten „V“. Traditioneller sind Spulenträger in Kreuzform, auf denen jeweils gegenüberliegende Enden eine gemeinsame Spule ergeben, in der Mitte getrennt durch das Loch für den Nadelträger. Eine andere klassische Lösung ordnet die Spulen wie ein Quadrat auf einem ebenfalls quadratischen Trägerplättchen an. Drahtlänge, Windungszahl und räumliche Ausdehnung der resultierenden Spülchen variieren damit schonmal deutlich. Hinzu kommt, dass das Kernmaterial Einfluss auf die Induktivität der Spule hat. Weder hier noch da gibt es eine klar bevorzugte Lösung, sondern einen Wust von Parametern, die allein bei den Spulen abgewägt und berücksichtigt werden wollen.

Als wollte es seine Vielseitigkeit unterstreichen, baut das chinesische Team um Skyanalog-Gründer Jack Leung das P-1 mit kreuzförmigem, das P-2 dagegen mit quadratischem Spulenträger. Die Spulen selbst sind beim P-2 etwas hochohmiger (8Ω vs. 6Ω), was mehr oder dünneren Draht bedeutet – oder eine Kombination daraus. Dennoch ist das P-2 nicht lauter, sondern liefert eher etwas weniger Ausgangsspannung. Mit 0,4mV (P-2) und 0,35mV (P-1) gehören die Skyanalogs aber zu den relativ lauten MCs, die an praktisch jedem ordentlichen MC-Eingang ohne Rauschprobleme betreibbar sein sollten. Was die Vorzüge der – im Sinne der Spannungserzeugung offensichtlich weniger effizienten – P-2-Bauweise sind, darüber kann man nur spekulieren.

Oder man hört sich die Systeme halt an, stellt fest, dass das P-2 besser klingt und gibt sich mit dieser Erklärung zufrieden. Wenn man die beiden Generatoren Seite an Seite unter der Lupe betrachtet, hinterlassen die quadratisch bewickelten P-2-Spulen jedenfalls einen Eindruck höherer Ordnung und Gleichmäßigkeit: Der Draht macht deutlich weniger, dafür entsprechend längere Touren um den Kern. Mit dem Resultat, dass jeder der vier Wickel nur eine einzige Lage aus perfekt parallel verlaufenden Windungen besitzt. Dass das eine gleichmäßigere magnetische Durchdringung und letztlich ein noch verzerrungsärmeres Nutzsignal bewirkt, leuchtet intuitiv zumindest ein.

Skyanalog P-Nadelschurt
Hat seinen Namen verdient: Der Nadelschutz sitzt sicher und lässt sich gut auf- und absetzen (Foto: B. Rietschel)

Der reine Augenschein liefert aber auch potenzielle Nachteile der quadratischen Wickeltechnik: Der quadratische Träger des P-2 dürfte etwas schwerer sein als das Kreuz des P-1, und beim Aufbringen des hauchdünnen Kupferdrahts ist noch mehr Genauigkeit nötig. Skyanalog scheint unterm Strich der „Pure Iron Square Coil“ noch mehr Klang zuzutrauen. Denn nicht nur das P-2, sondern auch die drei großen G-Modelle sind mit dieser Konfiguration aufgebaut. Ohnehin gibt es zwischen dem P-2 und dem nächsthöheren G-1 im Datenblatt praktisch keine Unterschiede. Das G-Gehäuse ist etwas massiver und rund ein Gramm schwerer. Aber sonst? Frequenzgang, Ausgangsspannung, Compliance, Abtastfähigkeit, Spulenwiderstand, Kanaltrennung und -balance sind gleich. Ist das P-2 also ein G-1 light für 300 Euro weniger? Wer braucht dann noch das teurere System? Und wo wir gerade am Sparen sind – warum pfeifen wir nicht gleich auf die esoterischen Spulenträgerdetails und wenden uns gleich dem P-1 zu, das auf dem Papier wiederum nahezu exakt gleich gut ist und den Preis des G-1 glatt halbiert?

Skyanalog P1
Auch das kleine Skyanalog P-1 kommt mit Line-Contact-Nadelschliff und Bor als Nadelträger (Foto: B. Rietschel)

Tatsächlich tragen alle Skyanalogs die gleiche Kombination aus Abtastdiamant und Nadelträger. Diese Teile – vermutlich bereits fertig verklebt – kaufen die Chinesen wohl zu. Allzu viele mögliche Quellen gibt es dafür eigentlich nicht – umso interessanter, dass mir die verwendete Nadel weder optisch noch von den technischen Daten her bislang irgendwo anders aufgefallen ist. Der Träger besteht aus dem extrem harten Halbmetall Bor und sieht aus wie überall anders auch: Ein dunkelgraues Massivstäbchen mit 0,3 Millimetern Durchmesser, vorne leicht angeschrägt, eventuell auch eingekerbt, um den Diamanten aufzunehmen. Der Edelstein selbst hat zwei Besonderheiten: Er ist auffallend lang und schön, ein klares, funkelndes Stäbchen mit quadratischem Querschnitt. Das ist per Saldo erstmal weder Vor- noch Nachteil. Mit einem kleinen, nur ganz wenig überstehenden Diamanten spart man Gewicht und minimiert durch den kürzeren Hebel Torsionskräfte, die auf den Nadelträger wirken. Andererseits liegt die Dichte von Diamant nur knapp über der von Aluminium, was Einspareffekte überschaubar hält. Zudem leidet bei übereifriger Miniaturisierung die Praxistauglichkeit, weil sich Staub und ähnliches Strandgut dann besonders gerne zwischen Träger, Nadel und Platte verkeilt. In den 1970er- und 1980er-Jahren gab es ausgereizte Systeme, die kaum eine ganze Plattenseite schafften, bevor zunehmende Verzerrungen zu einer kurzen Nadelreinigungspause zwangen. Das ist ungefähr so cool, als wenn man vor der Eisdiele mit dem tiefergelegten BMW den eigenen Frontspoiler erst ab- und dann überfährt: Etwas Bodenfreiheit sorgt hier wie da für deutlich mehr Würde.

Die zweite Besonderheit: Der große und folglich garantiert nicht billige Diamantrohling wird von einem unbekannten Zulieferer mit ziemlich ungewöhnlichen Radien geschliffen: Mit 5×150µm soll sich der als Line-Contact-Form charakterisierte Schliff in der Kontaktzone zur Rille verrunden. Auffällig ist hier der zweite Radius, der selbst den des radikalsten mir bekannten Linekontaktlers – des Ortofon Replicant 100 – um 50% übertrifft. Für die exotische Nadelgeometrie gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Wenn die Angaben stimmen, haben wir hier eine moderat schlanke, aber extrem lange Kontaktzone zur Rillenflanke. Das bewirkt einerseits eine sehr gute Verteilung der Auflagekraft über eine entsprechend große Fläche und damit geringen Verschleiß sowohl der Rille als auch des Diamanten selbst. Andererseits schrumpft die große Kontaktfläche schlagartig, wenn die Nadel nicht exakt senkrecht in der Rille steht. In der Abwägung zwischen praktisch erzielbarer Genauigkeit und dem Streben nach bestmöglichem Rillenkontakt haben sich daher Radien um 70, 80µm bewährt. 150 wären geradezu tollkühn. Weshalb auch nur Skyanalog auftaucht, wenn man diese Nadeldaten googelt, sowie eine Kleinmarke, die höchstwahrscheinlich zu den zahlreichen OEM-Kunden der Chinesen gehört.

Da bei Tonabnehmern nahezu nichts standardisiert ist und in den technischen Daten seit jeher eine Art Einheiten-Karneval herrscht, kann es sich bei den 150µm aber auch um einen Umrechnungsfehler oder, zu guter Letzt, schlicht um einen Zahlendreher handeln. Nachmessen können wir es nicht. Aber immerhin benimmt sich das P-1 im Hörtest tatsächlich so, wie man es von richtig langen Line-Contact-Nadeln kennt und erwartet. Ohne dabei jedoch in Richtung „unzumutbar zickig“ zu übertreiben, wie man es vielleicht befürchten könnte. Ich war in dieser Hinsicht ohnehin recht entspannt, da die komplette G-Serie vor einem Jahr ja mit derselben Geometrie zum Test kam und sich zwar anspruchsvoll, aber durchaus umgänglich verhielt.

Um mit der Tür ins Hörtest-Haus zu fallen: Bereits das P-1 klingt nicht nur sehr gut, sondern gemessen am Preis geradezu phänomenal! Ganz ähnlich wie sein doppelt so teurer Bruder G-1 zählt es tonal zu den etwas wärmeren, runderen MCs. Es verrät sein Arbeitsprinzip also nicht gleich mit klischeehafter Helligkeit und Analytik, sondern gleitet betont weich und geschmeidig an den Rillenwänden entlang. Das lässt „Who By Fire“, die 77-minütige Leonard-Cohen-Hommage von First Aid Kit, nur noch beseelter, noch engagierter und überzeugender wirken: Cohens Lyrik und Songs verschmelzen hier, als hätte der Meister das noch zu Lebzeiten genau so geplant. Dabei hatte er viele Gedichte schon lange vor seiner ersten Platte veröffentlicht. „As The Mist Leaves No Scar“ etwa 1962. Hier ist es verwoben mit „Who By Fire“: First Aid Kit singen mit ihren zuverlässig himmlischen Harmonien den eigentlichen Song, die Schauspielerin Nina Zanjani spricht Cohens Poesie, dann stößt noch Maia Hansson Bergqvist dazu und die vier Frauen rezitieren „Twelve O‘Clock Chant“ im Chor. „Everybody Knows“ bildet das furiose Ende der A-Seite, nun mit Frida Hyvönen in der Mitte zwischen den beiden Söderberg-Schwestern, und man ist fassungslos vor so viel Talent und Liebe und kann nicht anders, als sich die nächsten drei Seiten gleich auch noch reinzuziehen.

Und das, obwohl dem LP-Mastering Höhen fehlen – ein häufiges Manko bei aktuellen Produktionen – und das blaue Vinyl für den hochdynamischen Konzertmitschnitt auch nicht geräuscharm genug ist. Denn gerade um die Dynamik intakt zu halten, ist dieses Album über weite Strecken sehr niedrig ausgesteuert. Bei keiner Platte im Hörtest musste ich den McIntosh C22, der als Vorstufe diente, für adäquate Genusslautstärke so weit aufdrehen. Unter so schwierigen Umständen bietet das teurere P-2 besonders offensichtlichen Mehrwert – in Form feinerer, offenerer Höhen, die das System nicht heller, aber informativer und noch natürlicher wirken lassen. Was bei beiden Systemen auffällt, ist die exzellente Störgeräuscharmut. Gegen das Grundmurmeln des Vinyls ist zwar kein Kraut gewachsen. Aber die zahlreichen kleinen Knackser und Knisterer, die diese eher nicht so tolle Pressung leider auszeichnen, werden unter der Line-Contact-Nadel der Skyanalog-Systeme weitgehend irrelevant. Auch ältere, vorgeschädigte Platten klingen mit den P-Modellen auf verblüffende Weise verjüngt – ein Nebeneffekt der langen Kontaktfläche, die ober- und unterhalb der abgefrästen Todeszone, die typischerweise alte Rundnadeln hinterlassen haben, noch unberührte Teile der Rillenwand hinzuzieht.

Stolziert eine Platte so dynamisch, präsent und plastisch in den Raum wie Matt Berningers „Serpentine Prison“, vermisst man aber schon mit dem P-1 eigentlich so eklatant gar nichts mehr, dass man sich bei der Überlegung ertappt, statt des 1100-Euro-P-2 doch lieber gleich zwei Exemplare des halb so teuren P-1 zu ordern. Eines zum Montieren, und eines als Backup. Da baut sich die Musik in klar separierten Layern aus der Tiefe des Raums heraus auf, mit dem The-National-Sänger ganz vorne, einer wuchtigen Drum- und Bass-Sektion, die räumlich klar im Hintergrund arbeitet, aber pegelmäßig fast meine Tannoy-Monitore sprengt, und dazwischen einer Fülle interessanter, authentisch analog klingender Instrumente, die nie beengt wirken, sondern sich den benötigten Raum einfach selbst schaffen – und dabei auch die durch die Boxen-Standorte vorgegebene Stereobasis offenbar nur als unverbindliche Empfehlung betrachten.

Als Spieler diente hauptsächlich der neue Vertere DG-1s, in dessen fadengelagertem Flachprofil-Arm die Skyanalog-Systeme wie entfesselt spielten. Die Dynamik dieses Spielers ist schlicht atemberaubend – das hört man bereits mit noch günstigeren MCs, etwa den kleinen OC9X-Modellen von Audio-Technica. Vom OC9XEN für 369 €, das absolut sauber, lebendig und neutral spielt, sind es ja immerhin knapp 200 Euro bis zum P-1. Das chinesische System ist jeden Euro Mehrpreis wert. Es klingt etwas wärmer, körperreicher, aber auch noch ausdrucksstärker und nuancierter als das AT. Der Preisunterschied relativiert sich auch wegen der längeren Lebensdauer der Line-Contact-Nadel schnell, noch bevor wir den höheren Genussfaktor in die Rechnung einfließen lassen. Die längere Standzeit bekommen wir bei AT natürlich auch, indem wir statt des elliptischen EN-Modells das OC9XML nehmen, mit der nackten, hochauflösenden und notorisch langlebigen MicroLine-Nadel. Aber dann ziehen wir auch preislich mit dem Skyanalog gleich, und gehen klanglich in eine ganz andere, deutlich schlankere und hellere Richtung. Wo das eine passt, ist das andere keine Option. Das AT hat zu Recht seine Fans. Durch das Skyanalog wird das Thema MC aber auch für Leute interessant, die einen eher warm abgestimmten Abtaster suchen. Das gab‘s in der MC-Welt zwar schon, aber nur für deutlich mehr Geld, oder mit Abstrichen bei der Auflösung.

Obwohl gerade das P-1 mit seinem verlockenden Preis auch MC-Neulinge anzieht, sind die P-Modelle keine wirklichen Anfängersysteme, und auch nicht das Upgrade-Patentrezept für beliebige Spieler. Antiskating, Tonarmhöhe (also vertikaler Abtastwinkel), Azimuth und Auflagekraft haben sehr deutlichen Einfluss auf den Klang. Optimalerweise sollte der Arm also in all diesen Parametern genau einstellbar sein und die Einstellungen auch reproduzierbar beibehalten. Ich hatte die Skyanalogs auch in meinem Linn Ekos und in einem Rega RB330 montiert. Das funktioniert schon sehr gut, auch wenn man beim Rega je nach Baujahr die Armhöhe etwas anpassen muss (ganz neue P3 haben mehr Platz unterm Headshell, da reicht es, von der serienmäßigen dicken auf die extradünne Filzmatte zu wechseln. Aber da können die Systeme ja nichts dafür, die mit ca. 18 mm Bauhöhe völlig unauffällig sind. Etwas kürzer als der Quasistandard von 8,5mm fällt der Abstand zwischen Befestigungsschrauben und Nadelspitze aus. Die Systeme landen in den üblichen Langloch-Headshells also etwa 2 mm weiter vorne.

Wirklich sensibel reagiert die Nadel bei beiden Systemen auf Azimuthfehler. Unsere Testsysteme kamen zwar mit kerzengerade ausgerichteten Nadeln und spielten auch in den nicht verdrehbaren Armen von Linn und Rega ohne Auffälligkeiten. Am besten gefielen sie mir aber im Vertere-Arm, wohl auch wegen dessen sehr feinfühliger Azimuthanpassung. Wir sprechen hier nicht von drastischen Korrekturen: Wenn man am Vertere Groove Runner die Gewindestange für die Lateralbalance um ein, zwei volle Umdrehungen verschiebt, ist die resultierende Azimuth-Änderung auf einer vorne quer aufgelegten Mini-Libelle noch kaum erkennbar. Aber sie ist hörbar, am Fokus von S-Lauten und in der gesamten Hochtonstruktur.

Feine Kombination: Im Vertere-Arm Groove Runner S, der zum neuen Spieler DG-1s gehört, lief das P-2 zu Höchstform auf. Ein Test dieses erstaunlichen Spielers ist in Vorbereitung (Foto: B. Rietschel)

Die Auflagekraft soll laut Packzettel 1,6 bis 2,0 Gramm betragen, mit einem empfohlenen Wert von 1,8 Gramm (oder korrekter: 18mN). Das reichte bei meinen Systemen nur knapp für sauberen Betrieb und ich zog letztlich bei beiden P-Modellen 20mN vor. Verallgemeinern würde ich das aber nicht, schon weil während der Hörtests eisiger Winter war: Skyanalog bezieht seine Angaben auf mollige 23 Grad Celsius, der Hörraum lag glatte fünf Grad darunter – trotz Röhren-Zusatzheizung in Form einer McIntosh MC275, die als Endstufe diente. Beruhigend dabei ist, wie reproduzierbar die beiden Testsysteme auf solche Einflüsse reagierten, und wie ähnlich sie sich dabei verhielten. Das ist nicht selbstverständlich bei Tonabnehmern, die Dutzende manueller Fertigungsschritte durchlaufen, von denen jeder einzelne die Mühen aller vorhergehenden zunichtemachen kann.

Hörtest

Die teuerste Zutat an einem MC-System ist dann auch nicht das exotische Nadelträgermaterial oder das Neodym, Samarium und Kobalt, aus denen die Magneten gesintert werden, und auch nicht der funkelnde Diamant ganz vorn an der Spitze. Die teuerste Zutat ist die Zeit, die hoch qualifizierte und erfahrene Mitarbeiter mit Bau, Justage und akribischen Kontrollen verbringen. Ohne diese Sorgfalt und Genauigkeit ist das ganze Material wertlos. Ich ziehe daher im Zweifelsfall jedes maschinell massenproduzierte MM-System einem auch nur geringfügig missratenen Manufaktur-MC vor.

Joanna Newsom: Ys
Durchaus anspruchsvoll abzutasten: Joanna Newsom „Ys“ (Cover: Drag City)

Aber bei den beiden Testsystemen stimmte alles. Nach jeweils etwa 20 Stunden Einspielzeit und gewissenhaftem, schrittweisem Herantasten an die optimale Justage konnte ich ohne jede Nervosität auch die schwierigsten Platten aus dem Schrank holen: Joanna Newsoms „Ys“ etwa, mit superdirekt von Steve Albini aufgenommenen Vocals und lässig dynamischer Kammerensemble-Begleitung. Oder die bombastische Oper „Satyagraha“ von Philip Glass mit ihren extrem heiklen Orchester- und Chortutti, die stets auf den letzten Zentimetern der sechs Vinylseiten aufbrausen. Newsom habe ich schon feiner und verständlicher artikulieren gehört – das P-1 ist nicht der Gipfel der Detailauflösung und dafür gibt es ja das P-2 und die G-Modelle. Kraft, Farbe und Dynamik sind aber voll da, und selbst in der Glass-Oper findet man kaum ein Verzerrungskrümelchen. Das ist schon sehr beachtlich für ein 550-Euro-System.

Fazit Skyanalog P-1 und das Skyanalog P-2

Skyanalog hat mit dem P-1 und dem P-2 eine undankbare Preisklasse betreten: Auch für „nur“ 550 Euro erwartet der Kunde feinmechanische Perfektion, und der Händler will zu Recht etwas verdienen, weil Tonabnehmer ein mühsames Geschäft sind – zumal, wenn sie wie die Skyanalogs nicht ganz anspruchslos zu justieren sind. Der chinesische Hersteller löst diese Aufgabe bravourös und stellt mit dem P-1 einen der attraktivsten Tonabnehmer für High-End-Aspiranten mit begrenztem Budget. Beim Wechsel zum P-2 ist interessant zu beobachten, wie der Klang sich wandelt, wenn nahezu identische Technik mit noch mehr Konsequenz und Sorgfalt umgesetzt wird. Wir empfehlen beide Systeme nachdrücklich – für mittelschwere oder schwere, wirklich hochwertige Arme, die möglichst auch im Azimuth einstellbar sein sollten.

Tendenziell warm abgestimmter, dennoch fein differenzierter Klang
Sehr geräuscharme, saubere Abtastung auch älterer Platten
Günstig
Guter Tonarm und akkurate Justage sind Pflicht

 

Skyanalog P-1
2022/12
ÜBERRAGEND

Test-Ergebnis: 4,7

Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Weicher, nebengeräuscharmer, räumlich großformatiger Klang
Klirrarm und dynamisch
Für die Preisklasse ungewöhnlich vornehm aufgebauter Tonabnehmer
Schmaler Grenzbereich, hohe Ansprüche an den Tonarm

Vertrieb:
TCG Handels GmbH
Döppers Esch 7
48531 Nordhorn
www.tcg-gmbh.de

Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Skyanalog P-1: 549 Euro
Skyanalog P-2: 849 Euro


Die technischen Daten

Skyanalog P-1 und P-2
Technisches Konzept:MC-Tonabnehmer
Nadelträger (P-1 / P-2):Boron / Boron
Nadelspitze (P-1 / P-2):
Diamant / Diamant
empf. Auflagegewicht (P-1 / P-2):
1,8 / 1,8 mN
Ausgangsspannung bei 3.54cm/s (P-1 / P-2):
0,56 / 0,49 Volt
Übertragungsbereich (P-1 / P-2):
20 – 20.000 / 20 – 25.000 Hz
Gewicht (P-1 / P-2):
8,9 / 8,9 Gramm
Alle technischen Daten
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3er-Test MC Tonabnehmer Skyanalog G-1, G-2 & G-3: The sky is the limit

 

Autor: Bernhard Rietschel

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Bernhard Rietschel ist gelebte HiFi-Kompetenz. Sein Urteil zu allen Geräten ist geprägt von enormer Kenntnis, doch beim Analogen macht ihm erst recht niemand etwas vor: mehr Analog-Laufwerke, Tonarme und Tonabnehmer hat keiner gehört.