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Goldring Eroica Verpackung
Goldring hat in der 800-Euro-Klasse gleich zwei MC-Abtaster im Programm: das Eroica in der High-Output- und in der Low-Output-Version. Welches ist besser? (Foto: B. Rietschel)

Doppeltest Goldring Eroica HX und LX: Helden im mattschwarzen Cape

Seit Jahrzehnten baut Goldring in England Tonabnehmer für Analogfans mit begrenztem Budget und weitreichenden Ambitionen. Nicht wenigen dürfte das MC-Modell Eroica Schlüsselerlebnisse bereitet haben: Einblicke in eine perfekte, heile Phonowelt, aber zu einem verkraftbaren, traditionell dreistelligen Preis. Das aktuelle Eroica ist besser, denn je und in zwei Versionen verfügbar: dem Goldring Eroica HX (High Output) und dem LX (Low Output). Welche man wann vorziehen soll, versucht dieser Test zu klären.

Zugegeben – die Eroica-MCs machen nicht viel her im Headshell. Schlanke, aufrechte Kunststoffquader, oben mit Befestigungsohren für die üblichen M2,5er-Schrauben, die hier noch old school auf lose Muttern angewiesen sind. Fast ist man dankbar, dass die Mitarbeiter in Bishops Stortford in der englischen Grafschaft Hertfordshire neuerdings wenigstens die Modellbezeichnungen seitlich und das Goldring-Logo vorne aufdrucken – in goldener Tinte. Daran lassen sich auch neue von älteren Systemen unterscheiden, die vor dem letztjährigen Relaunch überhaupt nur seitlich bedruckt waren. Ein schickes Typenschild in Metallrelief gibt’s aber erst beim nächsthöheren Modell Elite. Ganz zu schweigen von Präzisions-Chassis aus Alu oder Magnesium, die man nur mit dem Topmodell Ethos bekommt. Wobei selbst diese Systeme durch ihre ausgesprochen moderate Preisgestaltung auffallen: Wer seinem Händler partout 2.000 Euro aushändigen will, weil das Geld unangenehm in der Tasche drückt, der/die bekommt neben Goldrings feinstem System Ethos dann eben noch ein Eroica obendrauf. Es ist immer gut, ein Backup parat zu haben. Und ganz ernsthaft wären viele 2.000-Euro-Systemkäufer tatsächlich besser beraten, würden sie halb so teure Systeme hören, diese aber doppelt so häufig wechseln.

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Goldring Eroica HX
Äußerlich nur am Schriftzug zu unterscheiden: das Goldring Eroica in der HX- (High Output-) Version…
Goldring Eroica LX
…und das Eroica in der LX -(Low-Output-) Version (Foto: Goldring)
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Fast einzigartig ist diese Modellpolitik: Mit Eroica, Elite, Legacy und Ethos gibt es vier Goldring-MCs in der engen Preisspanne zwischen 799 und 1.299 Euro. Günstiger – zumindest im UVP – gibt es keins. Teurer aber auch nicht. Die beiden Eroicas markieren den Einstieg. Äußerlich sind sie nur am Aufdruck unterscheidbar, und auch die Spezifikationen lesen sich sehr ähnlich, bis auf die Ausgangsspannung: Das Eroica HX qualifiziert sich mit 2,5 Millivolt als High-Output-MC, das also am MM-Eingang angeschlossen wird. Das Schwestermodell LX dagegen ist ein „echtes“, leises MC mit 0,5mV Ausgangsspannung und folglich auf einen entsprechend ertüchtigten Phonoeingang oder -vorverstärker angewiesen.

Seit Testergedenken unverändert ist die Eroica-Verpackung: Ein Pappschächtelchen, darin ein Daten-Faltblatt aus stabilem Papier und das mit schwarzem Samt bezogene Schmucketui, dessen Deckel vertrauenerweckend auf- und zuschnappt. Stabil und sicher sitzt darin das System neben seinem Zubehör. Oder auch nicht: In meinem Fundus hat sich mit den Jahrzehnten eine beachtliche Anzahl leerer Goldring-Schatullen angesammelt. Die mitunter auch keine Goldring-Systeme, sondern MC-Modelle der zahlreichen OEM-Kunden transportierten, die bei Goldring schon haben fertigen lassen. Reson etwa, deren Modelle Etile und Aciore ihre Herkunft bereits im Namen buchstäblich widerspiegeln. Transrotors feine Hausmarke-MCs stammen ebenfalls aus Goldring-Produktion. Oder, vor über 30 Jahren schon, Linns traumhaftes Klyde, dessen Generator Goldring baute und dann in einen bei SME gefrästen Alu-Body einsetzte.

Goldring Eroica HX und LX
Die bekannten Klapp-Kästchen der Goldring-Abtaster hatte bestimmt schon jeder einmal in der Hand (Foto: B. Rietschel)

Das längst ausgestorbene Klyde hatte zu Lebzeiten einen eher schillernden Ruf: Es gab glühende Verehrer (mich eingeschlossen), die im Klyde-Klang Körperhaftigkeit und satte Farben fanden wie nirgends sonst. Und es gab Kritiker (mich ebenfalls eingeschlossen), die störte, dass nicht jedes Exemplar gleich göttlich klang wie das vorausgehende oder nachfolgende. Konnte Goldring was dafür? Wohl eher nicht: Die Fertigungskonstanz habe ich immer als überragend empfunden. Vielleicht sorgte ja auch die von Linn so spezifizierte, extrem niedrige Ausgangsspannung von 0,15mV mit für die dem System unterstellte Unberechenbarkeit: Aktive Phonostufen, sofern sie nicht für sowas ausgelegt und mit viel Geld konstruiert sind, können an derart niederohmigen, nur noch homöopathisch sprudelnden Stromquellen grau und fad klingen – selbst, wenn sie nicht explizit rauschen.

Innerhalb der Linn-Welt war das wurst. Weil zeitgenössische Preamps der Marke damit zurechtkamen – oder überhaupt erst richtig aufblühten. Ein LP12 mit Ekos-Arm und einem Klyde, vorverstärkt durch einen Linn Kairn, ist ein zeitlos grandioses Analog-Outfit. Bei Goldring selbst aber kümmerte man sich schon früh um all diejenigen, die Großes erreichen wollten, ohne gleich ihre ganze Anlage umzukrempeln. Ein wahrhaft heroisches Unterfangen, das 1987 in einem der ersten erschwinglichen High-Output-MC-Tonabnehmer mündete, der dann auch den passenden Namen Eroica erhielt. Wie das Sumiko Blue Point, das etwas später kam und auch als US/japanische Antwort auf das Eroica verstanden werden kann, eröffnete das Ur-Eroica neue Pfade zum Vinyl-Gipfel, die auch Ungeübte ohne komplette Selbstaufgabe beschreiten konnten. Ein- und Aufsteiger liebten das System, weil es ernsthafte MC-Performance in Anlagen mit ganz normalen japanischen Vollverstärkern holte, auch wenn diese nur MM-Phonoteile hatten. Wenn überhaupt. Denn in den folgenden Jahren wurden Phonoeingänge selten, gute noch seltener, und MC-taugliche verschwanden fast ganz.

Pro-Ject Phono Box RS2 Quellenwahl
Sie ist eine der besten jener separaten Phonostufen, die die Lücke an eingebauten Phonostufen in der Verstärkern schließen: die Pro-Ject PhonoBoxRS2 (Foto: Pro-Ject)

Es machte sich aber auch eine neue HiFi-Spezies breit: der separate Phono-Preamp. Aus heutiger Sicht, mit Geräten wie dem Musical Fidelity V90LPS oder den erschwinglichen Black Cubes von Norbert Lehmann, könnte man High-Output-MCs schon fast wieder für eine überholte Technologie halten: Wer muss denn noch mit extralauten Systemen cheaten, wenn es für wenige hundert Euro so gute MC-taugliche Phonostufen gibt? Mitunter – etwa bei Lehmann – sogar ganz primär MC-optimierte Preamps, die MM eher nebenbei können? Hier kommen weitere Faktoren ins Spiel: Gerade im dreistelligen Preisbereich – da, wo die überwältigende Mehrheit aller Musikfans ihre Tonabnehmer kaufen – sind auch ein paar hundert Euro als Zusatzausgabe eben doch relevant. Ebenso das zusätzliche Gerät samt Netzteil, zu- und wegführendem Kabel, das ja irgendwie auch aufgestellt und der heimischen Finanzaufsicht als notwendig präsentiert werden muss. Das fällt beim Tonabnehmer leichter, den man eher noch als normale Instandhaltung verkaufen kann. Zumindest solange man nicht zu detailliert über den Preis spricht. Und dann gibt es natürlich auch Fälle wie den schönen Röhren-Vorverstärker, dessen liebevoll aufgebautes MM-Phonoteil man nicht mit einem dahergelaufenen Halbleiterkästchen desavouieren will. Hinzukommen, weil HiFi in der Praxis eben keine exakte Wissenschaft ist, all jene Kombinationen, in denen das MC-HO zufällig genau den gewünschten, ins Gesamtsystem passenden Sound liefert.

Goldring Eroica HX und LX: der Unterschied

Im Grunde ist ein High-Output-MC immer ein technischer Kompromiss: Wir erhalten mehr Ausgangsspannung und opfern dafür einen Teil der eigentlichen MC-Stärken. Was immer sie genau sind – darüber kann man diskutieren: Stets beruhen sie darauf, dass die von der Nadel bewegten Mikrospulen einerseits recht leicht und andererseits sehr niederohmig sind, was sowohl mechanisch als auch elektrisch für überlegene Bandbreite sorgt. High Output braucht größere Spulen und arbeitet dem ein Stück weit entgegen. Die Kunst ist, den richtigen Punkt in dieser Abwägung zu finden. Goldring jedenfalls baute zwei Jahre nach dem Ur-Eroica ein Low-Output-Schwestermodell, das Eroica LX, das ich persönlich dem HX noch vorzog. Es wirkte, wann immer ich den Vergleich zu hören bekam, einfach noch etwas lebendiger und informativer. LX und HX begleiten uns seitdem als preiswertes, hoch kompetentes MC-Doppelgestirn. Nur welcher dieser beiden Sterne der eigentliche Superstar ist, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Rein technisch und isoliert betrachtet, spricht vieles für das LX. Es ist ein echtes Moving Coil ganz klassischer Bauweise. Mit einem Nadelträger aus einem hohlen Aluröhrchen, vorne um 20° abgewinkelt und gelocht. Durch das Loch wird der Diamant gepresst, der folglich bereits ohne Klebstoff wackelfrei und sicher in seinem Träger sitzt. Aktuell verbaut Goldring ausschließlich Aluträger, auch in den Auftragssystemen. Wer partout exotischere Materialien sucht, etwa das steinharte Bor, findet diese in der Preisklasse des Eroica bei anderen Anbietern. Genauso wie Metallbody und integrierte Gewinde, die die Montage erleichtern: Goldring hat das Eroica-Gehäuse seit den 1980ern halt einfach weitergebaut, und es entspricht folglich nicht mehr den neuesten Trends. Zeitlos gut dagegen ist der Diamant, den Goldring in beiden Eroicas verbaut: Der Gyger II hat ein mildes Line-Contact-Profil und wird aus einem quadratischen, nackten Stäbchen herausgeschliffen. Keine Hochleistungs-Abtastzicke, aber schon eindeutig ein Luxusstein, der sich mit exzellentem Rillenkontakt und guter Lebensdauer hunderttausendfach bewährt hat.

Goldring Eroica LX
Das robuste Gehäuse aus Pocan ist seit Jahrzehnten bewährt (Foto: B. Rietschel)

Abgesehen davon, dass Gewinde natürlich schon praktischer sind, ist der Goldring-Korpus aber gut gealtert. Die Briten verwenden dafür kein x-beliebiges Plastik in irgendeiner Modefarbe, sondern Pocan, ein ultrazähes Polymer, das durch beigemischte Mikro-Glaskugeln weiter an Härte gewinnt. Wie hart, das erkennt man an den Montageohren, wo selbst unsinnig fest zugeknallte Schrauben – bei Linn- und Rega-Armen typischerweise von unten durchgesteckt und angezogen – kaum Spuren hinterlassen. Im Sinne bestmöglicher Kopplung des Systems ans Headshell kommt man mit dem Goldring jedenfalls weiter als mit vielen aktuellen Systemen, die Kunststoffgehäuse mit Metall-Gewindeeinsätzen kombinieren. Da kommt es häufig dazu, dass sich die Gewinde beim Anziehen mitdrehen. Ein fester Sitz im Headshell ist dann praktisch nicht mehr erreichbar, und der Installateur wünscht sich die guten alten Sechskantmuttern zurück, auch wenn sie erstmal fummeliger anzubringen sind.

Die Innereien des Systems verschwinden fast vollständig in der Pocan-Gehäusewanne, welche von unten über den Generator gestülpt und mit der Montageplatte verklebt wird. Heraus schaut nur besagter Nadelträger. Da, wo er im Gehäuse verschwindet, kann man gerade noch den vorderen Magnetpol sehen, der ein konisches Loch als Durchlass für den Nadelträger besitzt. Und man sieht vielleicht etwas, das auf den ersten Blick beunruhigt: Die Nadel scheint nicht ganz mittig zu sitzen, wenn man den Schlitz in der Pocan-Gehäusewanne als Bezugspunkt nimmt. Der Eindruck entsteht, weil diese Wanne erst im letzten Arbeitsschritt aufgesetzt wird und, da aus Kunststoff, nicht unendlich genau passt. Ein Viertel Millimeter Toleranz am Nadelaustritt, und schon wirkt die Nadel schief. Genauer betrachtet sind Nadel und Gehäuse aber exakt parallel, nur um jenen halben Millimeter seitlich versetzt. Beide Testsysteme weisen diesen Versatz auf. Aber beide Generatoren sind in sich haargenau justiert – nur darauf kommt es an.

Goldring Eroica
Sitzt die Nadel wirklich mittig? (Foto: B. Rietschel)

Hinterm Magnetpol ist bei klassischen MC-Systemen immer auch vor dem Magnetpol, nun aber vor dem hinteren. Den Bereich dazwischen nennt man Luftspalt, und das ist das Reich, wo die eigentliche Magie stattfindet, sich nämlich Bewegung per Induktion in Strom verwandelt. Auf dem hinteren Ende des Nadelträgers steckt dazu ein winziges, nicht mal stecknadelkopfgroßes Paket aus zwei überkreuz angeordneten Spulen. Beim LX bestehen sie aus 40 Mikrometer dünnem Kupfer-Lackdraht. Davon wickeln besonders geübte Goldring-Hände unter dem Mikroskop jeweils genau 32 Windungen auf jeden der vier Arme eines kreuzförmigen Trägers. Gegenüberliegende Arme bilden eine gemeinsame Spule. Der Wickler oder (oft) die Wicklerin springt also nach den ersten 32 Windungen über die Kreuzung und setzt die Wicklung spiegelbildlich auf der anderen Seite fort. So entsteht die kreuzförmige Spuleneinheit. Ihr Trägerkreuz besteht aus Weicheisen und ist fest mit dem hinteren Ende des Nadelträgers verbunden.

Konzept Moving Coil
So funktioniert ein MC-Abtaster (Zeichnung: Goldring)

Bewegt sich das Spulenkreuz in einem Magnetfeld, wandern Elektronen im Spulendraht. An den Enden der Spule entsteht eine Spannung, die der Phono-Vorverstärker vergrößern kann. Die Höhe der Spannung ist von der Schnelle der Auslenkung abhängig – also vom Musiksignal in der Rille. Aber natürlich auch von der Größe der Spule und von der Stärke des Magnetfelds. Durch einen extrastarken Neodym-Eisen-Bor-Magneten bringt es das Eroica LX trotz seiner relativ kleinen Spulen auf ein gesundes halbes Millivolt Ausgangsspannung. Natürlich nicht immer, sondern wenn es ein normiertes Messignal mit einer Schnelle von 5cm/s abtastet. Weil fast alle Hersteller die gleichen Messbedingungen verwenden, kann man deren Angaben recht zuverlässig vergleichen.

Den 0,5mV des Eroica LX stehen satte 2,5mV gegenüber, die das HX unter gleichen Bedingungen raushaut. Das ist genug, um an jedem gutem MM-Eingang rausch-, brumm- und problemfrei Musik zu machen. Aber wieviel MC verbleibt noch im Charakter des HX? Rein technisch ist es immer noch zuallererst ein MC. Nur dass Goldring seine Spulen nicht mit 64 Windungen versieht, sondern mit deren 256 für jeden Kanal. Die Windungszahl ist also viermal so groß, und entsprechend höher müsste dann auch die induzierte Spannung sein.

Tatsächlich steigt die Ausgangsspannung sogar auf das Fünffache. Denn die Windungszahl ist nur eine von mehreren Stellgrößen. Goldring hat am HX auch die Polschuhe optimiert, die das Magnetfeld zum Luftspalt leiten. Magnetfelder sind kapriziös, und jeder Winkel, jede Ecke, jeder Übergang erzeugt Streufelder, die bestenfalls das effektive Feld im Luftspalt vermindern, im ungünstigeren Fall das Signal verzerren. So können schon kleine Änderungen an den das Magnetfeld führenden Teilen deutliche Auswirkungen auf Linearität und Effizienz des Generators haben. Hier einmal die Technik der beiden in der Übersicht:

Eroica HX und LX: Die technischen Daten

Goldring Eroica HX und LX
Technisches Konzept (HX/LX):MC-Abtaster (high Output / Low Output
Ausgangsspannung (HX/LX):
2,5 / 0,5 mV
Übertragungsbereich (HX/LX):
20 – 20.000 Hz / 20 – 22.000 Hz
Kapazitive Last (HX/LX):
100-500pF / 100-1.000 pF
Lastwiderstand (HX/LX):
47 / 100 kOhm
Nadelschliff (HX/LX):
Gyger II / Gyger II
empf. Auflagegewicht (HX/LX):
1,7 / 1,75 Gramm
Alle technischen Daten

Die größeren Spulen des High-Output-Systems haben aber nicht nur mehr Induktivität, sondern auch mehr Masse und mehr elektrischen Widerstand. Letzterer steigt sogar leicht überproportional, von 8 auf 35 Ohm und nicht auf 32, wie bei vierfacher Windungszahl zu erwarten. Die etwas stärkere Zunahme resultiert aus dem dünneren Spulendraht, den Goldring für das HX verwendet, um dem Massenanstieg entgegenzuwirken. Dass der Widerstand dadurch etwas zunimmt, ist nicht weiter schlimm, da das System als MM und somit hochohmig abgeschlossen wird: An 47 Kiloohm Abschlusswiderstand spielen drei Ohm hin oder her an der Quelle keine Rolle mehr.

Zum Vergleich: Ein echtes MM-System wie das Ortofon 2M Black hat 1,2 kΩ Innenwiderstand und mit 630mH auch die fünffache Induktivität des HX. Das sind Werte, die dann die MM-typischen Probleme mitverursachen. Es drohen begrenzte Bandbreite und eine Resonanzspitze im Brillanzbereich. Und die hohe Induktivität fängt sich auch viel leichter Brummstörungen ein. In diesen Aspekten – Linearität, Bandbreite, Störempfindlichkeit – verhält sich das Eroica HX eindeutig wie ein MC. Mit dem praktischen Vorteil, dass jeder gute MM-Eingang damit zurechtkommt.

Hörtest

Wenig überraschend, dass das Eroica HX dann auch ganz eindeutig klingt wie ein MC. Was man an MCs liebt und wie man es beschreibt, kann individuell unterschiedlich sein. Was die guten Vertreter dieser Bauweise – und selbst die weniger guten – eint, sind Intensität, Fokus und Dynamik. Eigenschaften, die in jedem Vergleich, an den ich mich erinnern kann, stets auf der MC-Seite zu finden waren: MCs lassen Klangfarben stärker leuchten, mit deutlicherer Differenzierung. Sie wirken räumlich genauer, stellen Schallquellen mit präziseren Konturen dar. Und sie folgen dem dynamischen Profil der Musik agiler, ansatzloser. Gleich teure MMs – auch die gibt es – machen auch vieles richtig. Nagaokas große MP-Modelle bestechen mit ihrer Neutralität, ein 2M Black von Ortofon mit seiner lupenreinen Abtastung auch kniffliger Platten.

Eine solche „knifflige Platte“ lief dann auch ganz zu Anfang im Hörtest. Einerseits, weil sie gerade greifbar im Plattenstapel lag und andererseits, weil sich damit eventueller Nachbesserungsbedarf in der Justage der Systeme schnell bemerkbar macht. Das HX zeigte hier wieder eine sehr positive Eigenschaft, die ich an den Eroicas schon immer schätze, und die auch in der neuesten Baureihe unverändert ist: Man baut diese Systeme ein, und sie spielen auf Anhieb praktisch perfekt. Man muss sich wirklich zwingen, wenigstens noch ein bisschen an der Tonarmhöhe zu tüfteln, und selbst das bringt keine Offenbarungen. Unter den hochauflösenden Systemen – und zu denen zählt es ohne Zweifel – ist das Eroica definitiv eines der gutmütigsten. Das gilt auch im Vergleich zu den teureren Goldring-Modellen, die mit ihren Vital- und Gyger-S-Nadeln schon etwas kapriziöser sind.

Goldring Eroica
Das Eroica HX ist unter den MC-Abtastern eines der praxisfreundlichsten (Foto: B. Rietschel)

Und so klang die vermeintlich knifflige Platte – „Silver Eye“ von Goldfrapp auf transparentem Vinyl – plötzlich gar nicht mehr so knifflig. Sondern luftig und sauber. Was bei den hauchigen, effektbeladenen Stimmen, die etwa „Become The One“ einen fast schon eisig frischen Atem verleihen, durchaus eine Kunst ist. Erst recht, wenn man bedenkt, dass ich dieses Ergebnis schon 15 Minuten nach dem Auspacken des neuen Testsystems hatte. Im Neuzustand setzt das HX ganz oben noch eine kleine Stufe ins Klang-Kontinuum, lässt die Höhen etwas exponierter wirken.

Aber das gibt sich mit den ersten zwei, drei Betriebsstunden weitgehend. Was bleibt, ist ein Hauch Extraflitter. Der stört aber überhaupt nicht, sondern erleichtert auf vielen Produktionen die akustische Orientierung. Etwa auf „Cowboy Ballads Part I“, der Soloplatte des Other-Lives-Sängers Jesse Tabish. Ein eigenartiges, aber auch grandioses Werk, das auf 37 Minuten gleich mit 14 Songs aufwartet. Da sind ganz große Entwürfe im Geiste eines Ennio Morricone dabei, mit Orchester, Chor, Kastagnetten und allen möglichen anderen Instrumenten – aufgenommen aber nicht in einem Millionen-Dollar-Großstudio, sondern mehr oder weniger zuhause während der Corona-Pandemie. Das Ergebnis ist opulent, der Sound aber nicht perfekt. Gerade im Mittelton ist oft so viel los, dass man den Überblick verliert – zumal die Streicher, Bläser und so weiter eben nicht die natürliche Akustik eines großen Saals nutzen konnten. Mit solchen realen, fehlerbehafteten und gerade dadurch anspruchsvollen Platten (die in meiner Sammlung jedenfalls die Mehrheit ausmachen) erweist sich das HX als besonders verlässlicher Begleiter: Im Hochton addiert es etwas Weite und Luft, und im Oberbass, der auch gern mal zu kurz kommt, eine angenehme Fülle.

Neutraler, trockener und direkter aber klingt das LX. Die Höhen sind hier perfekt eingebunden – auch die notorisch schwierigen S-Laute auf „Fold Your Hands Child, You Walk Like A Peasant“ von Belle & Sebastian. „Don’t Leave The Light On, Baby“ ist ein himmlisches Stück Indiepop, vom Rhodes-Intro über den mehrstimmigen Gesang bis hin zu den souligen Streichern – und das LX lässt jedes Element im Hörraum erscheinen, als hätte es seine eigene, beleuchtete Vitrine. So kann die Hörerin sich vom Groove tragen und ihre Aufmerksamkeit in Ruhe von einem Exponat zum anderen wandern lassen. Der Raum ist klar weiter als beim HX. Zumindest kommt es einem so vor, weil die Instrumente durch ihre schärferen Konturen weniger Platz in diesem Raum einnehmen. Innerhalb der Konturen ist dafür all jene Energie verdichtet, die sonst diffus dazwischen herumwabert. Aus dem schärferen Fokus resultiert somit eine gesteigerte Dynamik. Auch im Bass: Der ist beim LX zwar weniger komfortabel und füllig, dafür aber griffiger und genauer.

Der Abstand zwischen Eroica HX und LX war vor der jüngsten Modellpflege aber größer. Ich würde auch heute das LX vorziehen, weil es das dynamischere, offenere, breitbandigere System ist. Abtastfähigkeit und Sauberkeit nehmen sich nicht mehr viel, und beide Modelle bieten diese Mischung aus Genauigkeit und Gutmütigkeit, die mit den Jahrzehnten fast zum Eroica-Markenzeichen geworden ist. Teurere Systeme werden durch die Eroicas dennoch nicht überflüssig – zumindest, solange sie ihr Geld wert sind. Diese Frage wird man aber kritischer prüfen, wenn zuhause schon ein Goldring montiert ist.

Fazit Goldring Eroica HX und LX

Die Eroicas bleiben auch in ihrer jüngsten Version ihrem traditionell gutmütigen, unkomplizierten Charakter treu. Das hochdämpfende Pocan-Gehäuse, der resonanzarme, aber nicht ultrasteife Alu-Nadelträger, der moderat scharfe Diamant, das eher geringe Eigengewicht und die etwas höhere Nadelnachgiebigkeit – hier ist eine gewisse Kompromissbereitschaft eingebaut, die auch und gerade mit weniger audiophilen Platten und an Tonarmen diesseits des State of the Art für Entspannung sorgt. Das HX zeigt diesen umgänglichen Charakter noch ausgeprägter als das LX, das dafür eine schöne Balance zwischen guten Allroundeigenschaften und audiophilem Potenzial hinbekommt. Durch die jüngste Überarbeitung des HX ist die Lücke zwischen den beiden Systemen aber schmaler geworden.

 

Fein aufgelöster, zugleich sehr ausgewogener Klang
Sehr sauberer, nahtlos eingebundener Hochton auch mit schwierigen Platten
Für MC-Verhältnisse anspruchslos hinsichtlich Tonarm und Justage

 

Goldring Eroica HX
2023/09
Test-Ergebnis: 4,4
SEHR GUT
Bewertungen
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Körperreicher, obenrum luftiger Klang
Verwendbar wie MM, aber unkritisch gegenüber Abschlusskapazität und unempfindlich gegen Brumm
Sehr gute Abtastfähigkeit
Verträgt sich mit praktisch jedem Tonarm und ist unkompliziert zu justieren

Vertrieb:
IDC Klaassen
Am Brambusch 22
44536 Lünen
www.idc-klaassen.com

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Goldring Eroica HX: 799 Euro
Goldring Eroica LX: 799 Euro


 

 

Autor: Bernhard Rietschel

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Bernhard Rietschel ist gelebte HiFi-Kompetenz. Sein Urteil zu allen Geräten ist geprägt von enormer Kenntnis, doch beim Analogen macht ihm erst recht niemand etwas vor: mehr Analog-Laufwerke, Tonarme und Tonabnehmer hat keiner gehört.