Eine Freundin fuhr den Nissan Micra der 2. Generation, die 1992 auf den Markt kam. Von einer Mitfahrt blieb eigentlich nur haften, dass keine Mittelkonsole den Blick auf ihre Beine verdeckte und man in dem ultra-kompakten, gleichwohl mit vier Türen angebotenen Vehikel kuschelig eng beisammen hockte. Und dass die Kiste gar nicht so schlecht fuhr, wie ein Sportwagenfreak beim ersten Anblick glauben könnte. An die Nachfolger hatte ich keine Erinnerungen. Während der erste Micra von den Proportionen und klaren Linien noch an den Ur-Mini erinnerte, dem er von den Abmessungen auch bedeutend näher war als BMWs Neuinterpretationen, gab es danach einen reichlich unmotivierten Stilmix, verbunden mit dem unweigerlichen Wachstum. Nun ja, von einer klaren Linie würde ich bei der 5. Generation, dem Nissan Micra 2017, auch nicht unbedingt reden.
Doch der Neue zeigt Profil und klare Kante. Eigentlich fehlte dem Testwagen nur eine banale Sache: Im Vertrauen auf das milde Klima hatten die Japaner keine Winterreifen zur Premiere nach Dubrovnik mitgebracht.
Dann fiel nach 20 Jahren zum ersten Mal Schnee. Reichlich Schnee. Da half auch keine noch so ausgeprägte Drift-Affinität von mir und meinem Kollegen, mit dem ich mir ein Auto teilen sollte. Wir durften nicht auf die Piste. Statt dessen gab es Trockenübungen im Hotel, wo der Nissan Micra 2017 zum Hörtest bereit stand.
Das hatte zwei gute Seiten: Erstens konnte ich stundenlang das neue Bose Personal Sound System ausprobieren – ohne jegliche Ablenkung. Zweitens steigerten das Warten und die Ungewissheit, wie es am zweiten und letzten Tag auf den Straßen der kroatischen Adria aussehen würde, die Spannung fast wie bei einem PS-strotzenden Boliden.
Meine Vorfreude war ähnlich groß wie beim Nissan GT-R, der zu meinen absoluten Lieblingsautos zählt. Und die Erwartung steigerte sich sogar noch durch den statischen Hörcheck im Hotel.
Obwohl Bose – abgesehen von einem speziellen Kunstkniff mit in jede Kopfstütze integrierten 6-cm-Bose UltraNearfield-Lautsprechern – vergleichsweise niedrigen Aufwand betrieb, gelang den Amerikanern ein großer Wurf.
Der Micra groovt einfach. Er besitzt klanglich jene Prise Magie, die jenseits von kopfgesteuerten Analysen über Frequenzgang oder Verzerrungen für die Freude verantwortlich ist, die ein Sound-System bereitet.
Nissan Micra 2017: Klein, fein und kantig
Mit dem Bose Personal Sound, dem ersten Streich der neuen Small Vehicle Series, machten alle Arten von Musik gleichermaßen Spaß. Die Klangfarben stimmten einfach, das Timing auch.
Ein schönes Beispiel, was mit dem nötigen Know-how mit zwei 2,5-cm-Hochtönern plus den beiden erstmals in diesem System eingesetzten Breitbandlautsprechern vom Typ Bose Super65 erreichen lässt.
Diese sehr flach bauenden 16 cm durchmessenden Chassis, deren Sicke für großen Hub ausgelegt wurde, sitzen in den beiden Hartplastik-Türverkleidungen. Das hörte man leider bei laut abgespielten basslastigen Stücken wie “Starboy” von Daft Punk and The Weeknd.
Eine kleine Ursache führte zu deutlichen Verzerrungen, denn das Scheppern hatte wenig mit der Steifigkeit der Tür an sich zu tun. Ein leichter Druck mit dem Zeigefinger auf die großen Türfächer stellte perfekte Klangbedingungen her.
Nun kann man zwar so nicht Autofahren, aber man kann sich die Ursache der Nebengeräusche zu Nutzen machen und das Gute mit dem Nützlichen verbinden:
Die ausladenden Türfächer haben den Sinn, dass man eine große Flasche Wasser darin unterbringen kann. Also eine Kunststoff-Flasche Evian oder ähnliches und reinstecken. Das erzeugt Gegendruck, solange noch genug Wasser drinnen bleibt und sorgt für Ruhe.
Doch am nächsten Tag sollte sich auch zeigen, dass man in der Praxis selten so laut aufdreht wie wir über den Frust der Passivität im Hotel. Und es sind auch nicht alle Stücke so fordernd im Bass, den die Lautsprecher selbst allerdings spielend bewältigen können.
Was gerade auch auf den weitgehend schneefreien Straßen punktete: Die UltraNearfield-Lautsprecher in den Kopfstützen sind eine tolle Sache.
Sie sorgten in Verbindung mit den Algorithmen der Bose PersonalSpace Virtual Audio Technology bei Stücken wie Money von Pink Floyd für tolle Rundum-Klangeffekte und schufen bei Live-Musik einen großen Raum.
Anders als im ebenfalls mit Bose-Breitbändern in den Kopfstützen ausgestatteten Mazda MX5 traten sie nicht so dominant in Erscheinung.
Selbst wenn man den regelbaren Space-Effekt auf Neutralstellung beließ – was im Mazda zu einem Kopfhörer-Feeling führte – passte die räumliche Klangverteilung im Nissan Micra 2017 sehr gut. Auch die vergleichsweise hohe und stabile Hörbühne auf dem Armaturenbrett wusste zu gefallen.
Ganz besonders erfreulich: Anders als im Cadillac CT6 klang selbst mein iPhone über Bluetooth sehr spritzig, präzise und breitbandig.
Die Standardeinstellung der automatischen Lautstärkeanpassung an die Fahrgeräusche überzeugte in der Praxis ebenfalls. Überzeugend war auch das ganze Auto.
Der Nissan Micra 2017 hat eine schnittige, ausdrucksvolle Linienführung, ist sehr geräumig, überraschend komfortabel und innen sehr ansprechend gestaltet.
Das gilt sowohl für Farbgestaltung, Ergonomie als auch für die vielen griffsympathischen Soft-Touch-Oberflächen mit gut gemachtem Kunstleder. Der zentrale Touch Screen ist gut zu bedienen und liefert sogar das Bild von einer Rückfahrkamera.
Abgesehen von den rückständigen TMC-Verkehrsmeldungen gab es auch am Navigations-System nichts auszusetzen. Nissan gelobte bereits bei der Premiere, bald auch Live-Traffic anzubieten.
Erweiterungen könnte es auch irgendwann bei den Motoren geben. Im Moment bietet Nissan seinen Micra mit drei Motorisierungen an: Einem nicht gerade spannenden 1-Liter-Saugmotor mit 75 PS, 1,5-Liter-Diesel mit 90 PS und einem ebenfalls 90 PS starken 3-Zylinder Turbo-Benziner aus dem Konzernregal.
Das Renault-Aggregat trieb auch schon den Smart fortwo an, mit dem ich auf deutlich über 7 Liter Durchschnittsverbrauch kam.
Umso erfreulicher, dass der deutlich größere und luxuriösere Micra mit diesem, über ein knackiges 6-Gang-Schaltgetriebe mit der Vorderachse verbundenen Antrieb selbst in den Bergen um Dubrovnik im Schnitt locker bei knapp über 6 Litern zu halten war.
Und das, obwohl ich praktisch nie unter 2 Touren fuhr, weil der Motor sich dann besser anfühlte, anhörte und sogar so etwas wie Temperament aufblitzen ließ.
Als gewöhnungsbedürftig empfand ich lediglich die Kupplung, die beim Anfahren und Schalten erst auf den letzten 20 Prozent des Pedalwegs Kraftschluss herstellte.
Mein Kollege interessierte sich noch für die Assistenzfunktionen, die allerdings nicht wirklich überzeugten.
Der Spurhalteassistent, der nicht durch Lenk-, sondern durch einseitige Bremseingriffe den Wagen in der Spur halten soll, funktioniert erst ab 60 Stundenkilometern und hätte nach unserer Erfahrung eine Kollision mit dem Gegenverkehr nicht verhindern können.
Aber wer will schon bei einem so quirligen, mit einer direkten Lenkung ausgestatteten Kraftzwerg die Kontrolle an den Computer abgeben?
Fazit Nissan Micra 2017 mit Bose Personal Sound
Am Ende einer kurzen, aber durchwegs positiven Testfahrt gingen wir noch ein wenig mit der Handbremse auf dem Parkplatz Schleuderwenden praktizieren. Ja, zwei große Jungs, die gewöhnlich mit großen Motoren unterwegs sind, hatten ihre helle Freude am kleinen Nissan Micra.
Gerade das ausgewogene, beherzt zur Sache gehende Bose Personal Sound System bereitete Freude, die man sonst nur aus höheren Klassen kennt.
Für einen Startpreis von unter 13.000 Euro gibt es an diesem schicken, überaus praktischen, weil viertürigen Stadtflitzer absolut nichts zu meckern.
Bewertung
AutoAnlageSpassfaktorGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Für diese Klasse sehr gute Hörbühne und eine breitbandige, neutrale Abstimmung |
| Satter Bass, gute Leistungsreserven |
| Ansprechendes Fahrzeugambiente, sehr gute Bedienbarkeit, reichhaltige Ausstattung |
| Tiefe Beats können, laut wiedergegeben, die Hartplastik-Türverkleidungen zum Schwingen anregen |
Vertrieb:
NISSAN Center Europe GmbH
50321 Brühl
www.nissan.de
Preis (Herstellerempfehlung):
Nissan Micra ab 12.990 Euro, Bose Sound System Teil der Tekna-Variante für 19.990 Euro.
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