Die Dänen kommen. Verstärkt. Mit Dynaudio und Dali waren sie ja schon lange sehr präsent, aber durch die aktuelle Schwäche vieler arrivierter Marken drängen nun auch kleinere und weniger bekannte Firmen nach vorn. Bestes Beispiel ist die Scansonic HD MB5 B, eine extrem elegante Standbox aus ganz edlem Stall…
In Dänemark leben 5,8 Millionen Menschen. Gefühlt gibt es auf den großen Halbinseln aber hunderte High-End-Hersteller. Etwa so wie bei uns in Franken, wo jedes noch so kleine Dorf eine eigene Brauerei unterhält.
Das ist erstaunlich, faszinierend und seltsam noch hinzu. Fragen wir doch einmal ChatGPT: „Wie viele Hifi-Hersteller gibt es in Dänemark?“. Die künstliche Intelligenz windet sich und druckst um die Fakten herum – listet aber brav die bekanntesten Hersteller auf. An Position eins steht natürlich Bang & Olufsen, gefolgt von Dynaudio. Doch überraschend folgt auf dem dritten Rang Scansonic.
Was etwas verwirrt, denn hierzulande ist Scansonic noch in der Aufbauphase, man will in die Hörstuben der Händler, aber es gibt noch Luft nach oben. Die Geburtswehen der Marke blieben aus, das ging erstaunlich schnell und elegant. Weil hinter Scansonic ein mächtiger Player an der Kopenhagener Börse steht – Dantax. Dantax begann schon 1971 als Ein-Mann-Unternehmen mit dem Bau von Lautsprechern. Man segelte erfolgreich auf dem damaligen HiFi-Trend und legte sich sogar den Treiberspezialisten Scan Speak zu. Das ging lange gut; heute jedoch führt eine Holding mit Sitz in Taiwan die Geschäfte von Scan Speak. Während Dantax 1984 an die Kopenhagener Börse ging und primär von altem, dänischem Geld lebt.
Jetzt aber zu den Marken von Dantax. Da ist noch lange vor Scansonic natürlich Raidho zu nennen. Das sind die ultimativen Klangwandler, die zudem ein markant-eigenwilliges Design ausstellen. Bei der Kompaktbox Raidho XT-1 beispielsweise verfiel LowBeats Chefredakteur Holger Biermann in höchstes Lob über Verarbeitung und den spannend-eigenen Klang.

Jetzt kommt das Verwandtschaftsverhältnis: Raidho und Scansonic sind faktisch blutsverwandt, zudem unter der gleichen Adresse zu erreichen – in Pandrup, das ist ganz weit oben in Nordjütland, wenige Tausend Einwohner, keine Ablenkung, aber berühmte Runensteine im örtlichen Museum. Was wieder so typisch am Dänischen High-End ist: Eigentlich alle großen Namen sind in der Provinz gewachsen. Die Herren Bang und Olufsen tüftelten auf einem Dachboden, verwandte Wurzeln hat auch Scansonic.
Wie unterscheiden sich die beiden Marken, Scansonic und Raidho? Dantax hatte Raidho 2009 übernommen und klar als Edelmarke aufgebaut. Scansonic entstand als eigene Company mit ähnlichem Anspruch und gleichem Produktionsweg, die aber eine nicht ganz so finanzkräftige Kundschaft ansprechen sollen.
Die Finessen der Scansonic MB5 B
Hier kommt das Paradebeispiel in unserem Hörraum, die Scansonic MB5 B. Man sieht die Verwandtschaft zur teuren Verwandtschaft von Raidho, die schlanke, zurückgelehnte Form, aber alles ist erschwinglicher. Konkret rufen die Dänen 7.200 Euro für das Paar auf. In Schwarz und Weiß – der Augenschmeichler mit Echtholzfurnier in Walnuss liegt genau tausend Euro höher.

Zählen wir mal die Chassis nach. In der Höhe setzen die Dänen ein Bändchen ein. Das liegt in einer definierten Senke, das könnte man auch als Hornvorsatz nennen, um im unteren Übertragungsbereich etwas mehr Schalldruck zu bekommen.

Dann beginnt unsere technische Erfahrung zu rattern: Um das Bändchen liegen vier identische Tiefmitteltöner mit einem Durchmesser von 11,5 Zentimeter und einem Carbongeflecht als Membranmaterial. Naiv würde ich in diesen Aufbau projizieren, dass zwei Mitteltöner das Bändchen umschließen und zwei weitere Chassis den Bass liefern. Also eine D’Appolito-Anordnung mit tiefliegendem Doppel-Woofer. Irrtum, dem ist nicht so. Nur ein einziges Chassis agiert als echter Tiefmitteltöner, jenes direkt unter dem Hochtöner. Das Set-up folgt den Spielregeln von 2,5 Wegen. Besagter Mitteltöner spielt also auch in den Bassbereich hinein: Nur unterhalb von 150 Hertz wird er von den drei gleichgroßen Bässen unterstützt, nach oben wird sein Tun bei 2.500 Hertz (der Übergangsfrequenz zum Bändchen) begrenzt.

Noch eine peinigende Frage an Morten Kim Nielsen, den sympathischen Sales & Marketing Director: Scansonic baut die Treiber selbst? Nein, man entwickelt, übermittelt die technischen Spielregeln, aber gebaut wird an einem anderen Ort. Wo? In Fernost? Nein, in Europa. Weitere Auskünfte deklarierten die Entwickler als Geheimnisverrat. Sie sagen nichts, nur so viel ist sicher: Diese Chassis gibt es ausnahmslos bei Scansonic und nirgendwo anders auf der Welt.

Das Gehäuse selbst ist raffiniert gestaltet. Die akustisch günstige U-Form wird durch Carbon-Applikationen auf der Oberseite und auf Teilen der Front optisch aufgelockert, die auskragenden Metallfüße wirken massiv und sorgen für einen deutlich stabileren Stand.

Praxis
Was sind die tieferen Werte bei der Scansonic MB5 B? Es geht vor allem um Timing und die korrekte Phase – siehe auch Messungen. Die Schaltung wurde natürlich am Computer entworfen, aber auch in langen Hörsitzungen feingetunt. Was erstaunt, ist der enorm hohe Wirkungsgrad von 92,5 dB. Das ist für Standboxen dieses (schlanken) Formats absolut Rekordverdächtig. Mit nur 8 Watt überschreitet man damit schon die 100-dB-Pegelgrenze. Das schreit geradezu nach Versuchen mit kleinen Röhren-Amps – zumal die Impedanz noch harmlos und die Phase – wie versprochen – vergleichsweise linear verläuft.

Wir versuchten es mit dem Audio Nº2, der gerade zu Gast im Hörraum war, und aus zwei EL 34 immerhin 12 Watt kitzelt. Aber auch mit unserem 300B-Klassiker Mira Ceti von Fezz Audio (ca. 9 Watt). Beides ging irgendwie, becircte mit tollen Klangfarben und erfreute mit hohem Pegel, aber insbesondere in der Dynamik wirkten beide Kombinationen etwas anämisch. Dieses Verhalten ist zwar von den Rahmendaten her irritierend, erklärt sich aber zum einen mit der (für Röhren) etwas zu niedrigen Impedanz und zum anderen mit der Abstimmung der Dänen. Die haben ihrer MB5B einen eher sanftmütig-dezenten Klangcharakter verpasst. Und der goutiert zupackend “schnelle” Leistung.
Komplett vertauschte Vorzeichen also, als wir auf mehr Leistung wechselten – zunächst auf den Dauerbrenner Neukomm CPA 155S (was echt gut war), um dann aber doch auf das ganz große Hörraum-Gedeck zu wechseln, wo seit geraumer Zeit die Canor Referenz-Kombi Hyperion P1 + Virtus M1 herrscht.

Auch dies sind Röhren, ein finanzintensiver Spaß, der nichts für Menschen mit lädierten Bandscheiben ist. Doch mit ihnen änderte sich der Klang der Scansonic umfassend. Das Panorama war weiter, das Klangbild deutlich vor den Lautsprechern. Ein Wechsel von der netten Hauskatze zum Raubtier – und entsprechend laut. Die Messungen attestieren den Scansonic MB5 B einen (dauerhaften) Maximalpegel von 99 Dezibel. Das ist vor dem Hintergrund des schmalen Aufbaus und des recht tief abgestimmten Bassbereichs eine Menge.
Technisch darf man hier also schon mal den Hut ziehen. Und wie sieht es mit dem Klang aus?
Hörtest
Das neue Album von Depeche Mode steht im Schatten des dramatisch und viel zu früh verstorbenen Andy Fletcher. Aber zwingt das die beiden verbliebenen Mitglieder zur Trauerarbeit? Nein. Genau an dieser Stelle sollten wir uns nicht über den neuen Album-Titel “Memento Mori“ täuschen lassen. Da wird es natürlich düster, aber auch lautstark.
Schon der Auftaktsong “My Favourite Stranger” erinnert an vergangene Tage, mit einem fetten Bass, schreienden Synthesizern und einer Vielzahl von Hall- und Phaseneffekten. Das soll und will man laut hören. Also die Canors auf maximale Dynamik gedreht – wie halten sich die Dänen? Super, da konnten selbst sehr hohe Pegel kein Zeichen von Schwäche oder Stress erpressen. Die Entwickler haben im leistungsintensiven Tiefton die Macht von vier Membranen kombiniert, mögen sie noch so kompakt sein, mag die Front noch so elegant wirken: Da kommt sehr viel mehr Schub als ich erwartet hatte.

Genau das ist meine erste Botschaft: Hier gibt es erstaunlich viel satten Druck, mit dem die MB5 B die Elektro-Beats in den Hörraum drückt. Und alles mit einer sehr flüssig-charmanten, großräumigen Wiedergabe, die zwar viele Details ausmacht und fein ausklingen lässt, aber kaum Härten kennt.
Da wollen wir auch in der Klassik mal die maximale Spannbreite ausloten. Die siebte Symphonie von Dimitri Schostakowitsch funktioniert im ersten Satz wie der berühmte Bolero von Ravel. Leise pirscht sich ein Thema an, nach zehn Minuten aber fallen sowohl Elektronik wie Lautsprecher über uns her – ältere Damen erleiden einen Ohnmachtsanfall. Hier geht es um eine der monumentalsten Symphonien der Musikgeschichte. Schostakowitsch schrieb diese Symphonie für und in seiner Heimatstadt Leningrad, die von deutschen Truppen belagert wurde. Tausende Menschen verhungerten. Die Partitur wurde auf Mikrofilm gebannt und von einem Militärflugzeug ausgeflogen. Alles andere als leichte Kost. Auch für die Tontechniker nicht.

Eine der kraftvollsten Aufnahmen entstand 2015 für das Label Pentatone, bei der das Russian National Orchestra unter der Leitung des estnischen Dirigenten Paavo Järvi spielt. Heutzutage wäre diese Kombination politisch undenkbar. Die Aufnahme ist großartig, um die Dynamikbereitschaft einer Kette zu testen. Eine kleine, bewusst banale Melodie verwandelt sich zum Terror im dreifachen Forte, der Konzertsaal bebt, die meisten Lautsprecher ächzen. Die MB5 B vollführte es erstaunlich souverän. Da war fast jedes Detail präsent, ultra-leise bis ultra-laut. Erstaunlich die räumliche Präsenz, das hatte echtes Konzertsaal-Feeling. Weit staffelte die Dänin die Informationen, doch stets auf den Punkt – wo sitzt die Tuba, wo die Gruppe der Kontrabässe, wo die zentrale Snare-Drum? Genau dort!
Fazit Scansonic MB5 B
Das gelingt selten: So schön, so elegant die MB5 B aussehen – sie sind doch streng auf audiophile Werte getaktet. Scansonic stellt uns hier zwei schlanke Säulen in den Raum, die man schnell unterschätzt. Doch die schlanke Säule tönt erstaunlich breitbandig, samtig-fein mit griffigem Bass-Fundament und großformatig in Raum. Die Scansonic ist vielleicht nicht die impulsivste, aber in jedem Fall eine der klanglich schönsten Standboxen ihrer Klasse. Ihre Verarbeitung ist raffiniert, die elektrischen Werte – vor allem der hohe Wirkungsgrad – eine weitere Schokoladenseite der Dänin. Der Preis von 7.200 Euro für das Paar ist in meinen Augen wahrlich angemessen.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Warm-eleganter und feiner Klang mit großzügiger Räumlichkeit |
| Erstaunlich satter und tiefer Bass, |
| Elektrisch anspruchslos, hoher Wirkungsgrad |
| Perfekte Verarbeitung |
Vertrieb:
DANTAX Radio A/S
Bransagervej 15
9490 Pandrup / Denmark
www.raidho.dk
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Scansonic MB5 B weiß + schwarz: 7.200 Euro
Scansonic MB5 B Walnuss: 8.200 Euro
Mehr zu Dantax:
Technische Daten
Scansonic MB5B | |
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Konzept: | 2,5 Wege Standbox, Bassreflex |
Bestückung: | HT: 1 x Bändchen, MT: 1 x 11,5 cm, TT: 3 x 11,5 cm |
Trennfrequenzen: | 150 / 2.500 Hertz |
Wirkungsgrad: | 92,5 dB (2,83 Volt/Meter) |
Max. Schalldruck (Dauer / kurzfristig): | 99 / 11 Dezibel |
Mind. empfohlene Leistung für Max.-Pegel: | >15 Watt |
Ausführungen: | schwarz, weiß, Walnuss-Furnier = 1.000 Euro Aufpreis |
Gewicht: | 24,0 Kilo |
Abmessungen (B x H x T): | 17,8 × 118,5 × 31,9 cm |
Alle technischen Daten |